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- Die verklemmte Republik – Anmerkungen zum Jahreswechsel
- Corona-Debatte: Deutschland ist nicht „der“ Wissenschaft gefolgt
- Hunderte Millionen Euros für nichts – «dank» Angela Merkel & Co.
- Die Ukraine hat sich zu einem Klondike für US-Investmentfonds entwickelt
- Wann, wenn nicht jetzt: Warum die Nato aufgelöst werden sollte
- «Wir haben die Gefahren der NATO-Erweiterung immer gekannt»
- Energiewende wegen des Ukraine-Kriegs? Daraus wird wohl nichts
- Serbien und Kosovo: Ewiges Tauziehen
- Auf Nimmerwiedersehen, Juan Guaidó!
- »Wir werden die Beziehungen zu allen Ländern der Welt wiederherstellen«
- Erhebliche Kaufkraftverluste für Menschen in der Grundsicherung und die Stromkosten bleiben auch im Bürgergeld ein Problem
- Stadtsoziologin zur Silvesternacht: „Keine Überraschung, dass es jetzt knallt“
- Gekommen, um Feuer zu legen
- Kein totes Mädchen gefunden: Rückruf einer Flüchtlingsgeschichte
- Bieten: Praktikum. Suchen: eine Person, die sich das leisten kann.
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Die verklemmte Republik – Anmerkungen zum Jahreswechsel
Würde man Anfang 2023 von einem mehrjährigen Schlaf aufwachen und sich in Deutschland umsehen, man käme nicht umhin, ein Land im Zustand hochgradiger kollektiver Verklemmtheit zu konstatieren. Eine Republik voller Merkwürdigkeiten, über die niemand offen sprechen will. Die politische Spitze versucht schon gar nicht mehr, den Bürgern eine gewisse Orientierung zu geben. Das Land trudelt vor sich hin, obwohl alle immerfort davon reden, nun endlich die unabweislichen Zukunftsaufgaben energisch anpacken zu wollen.
Die Liste der Merkwürdigkeiten ist schier endlos:
– Es gab eine Pandemie, die in den meisten Ländern der Welt längst vorbei ist, deren Ende man in Deutschland aber schlicht verpasst hat. Wollte man den Kritikern der staatlichen Zwangsmaßnahmen nicht Recht geben? Immer noch scheinen die Verantwortlichen nach einer „Killervariante“ zu suchen, mit der sie das eigene Versagen im Umgang mit dem Virus kaschieren können. Niemand spricht mehr über die grandiosen Fehlleistungen der Politik, über die nahezu totale Schließung der Grenzen in Europa (für die vor allem Horst Seehofer verantwortlich war) oder die bis zur absoluten Absurdität getriebenen staatlichen Maßnahmen (man denke beispielsweise nur an Ausgehverbote und Maskenzwang in öffentlichen Parks), von denen der größte Teil ohne jeden Sinn und ohne jede Rationalität war.
Quelle: Heiner Flassbeck auf Relevante Ökonomik
dazu auch: Ökonomen überrascht: Deutlicher Auftragseinbruch in der Industrie
So wenige Auftragseingänge für die deutsche Industrie wie im November gab es seit mehr als einem Jahr nicht. Um 5,3 Prozent gingen die Bestellungen zurück. Ökonomen hatten mit einem viel geringeren Rückgang gerechnet. Doch ein Detail macht Hoffnung für die nächsten Monate.
Quelle: n-tv
- Corona-Debatte: Deutschland ist nicht „der“ Wissenschaft gefolgt
Der Corona-Bußgeldkatalog zeigt, wie absurd die Corona-Politik war. Bis zu 5000 Euro für die Durchführung eines Aufgusses in einer Trockensauna. Eine wissenschaftliche Rekonstruktion. […]
Politik propagierte, dass sie in der Pandemie der Wissenschaft folgen würde. Allerdings war das nur bedingt der Fall. Denn die Politik verfolgte ihre eigene Agenda: Es ging ihr um vorsorglichen Alarmismus. Der Trick, um dennoch behaupten zu können, man folge der Wissenschaft, war simpel: Politik reduzierte die Wissenschaft auf diejenigen Wissenschaftler, die ihr für die Mobilmachung gegen das Virus brauchbar erschienen. Pointiert ausgedrückt: Dem Slogan „Following the Science“ ging zunächst immer die eigene Entscheidung voraus, welche Wissenschaftler die Leitwölfe sein sollten – von einer Ergebnisoffenheit der Politik, die „der“ Wissenschaft folgt, konnte also von Beginn an keine Rede sein.
Die Pandemiepolitik war auch von einem besonderen Stil des Entscheidens geprägt. Entscheidungen wurden vorzugsweise defensiv getroffen. Das bedeutet, sich immer für diejenige Option der Pandemiebekämpfung zu entscheiden, die für den Entscheidungsträger den Vorwurf unterlassener oder unzureichender Gefahrenabwehr ausschaltet. Eine Orientierung am Worst Case war unter diesem Aspekt immer von Vorteil.
Denn Politik hatte gelernt. Galt noch zu Zeiten der Chemieunfälle an Rhein (Ciba-Geigy, 1986) und Main (Höchst, 1993) sowie in der BSE-Krise zu Beginn der 2000er-Jahre als amtliche Standardaussage, dass zu keiner Zeit eine Gefahr für die Bevölkerung bestand, so war jetzt das Risiko immer präsent. Nun war geboten, dem Team Vorsicht anzugehören; und das hatte klare Vorteile. Nach Eintreten des Ernstfalls wäre jeder Vorwurf, Politik hätte versäumt, strikt zu handeln, ins Leere gelaufen. Denn Politik hatte ja gewarnt, dass ein Desaster drohe. Blieb die Katastrophe aus, dann lag das an der vorausschauenden Vorsorgepolitik. Somit war es egal, wie sich die Lage entwickelt hätte, die defensive Entscheidungsfindung würde immer die gewünschten Ergebnisse erbracht haben.
Quelle: Berliner Zeitung
- Hunderte Millionen Euros für nichts – «dank» Angela Merkel & Co.
Nachdem die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der ehemalige französische Staatspräsident François Hollande und der ukrainische Präsident Petro Poroschenko gestanden haben, dass sie nie daran gedacht haben, die Abmachungen von «Minsk II» einzuhalten, sind die aufgelaufenen Kosten für die «Special Monitoring Mission to Ukraine» der OSZE im und um den Donbass herum in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro zum rausgeschmissenen Geld geworden. 54 OSZE-Mitgliedstaaten sollten von der Ukraine, Deutschland und Frankreich die Rückerstattung des an die «Special Monitoring Mission» der OSZE bezahlten Geldes verlangen.
Nach dem von den USA massiv unterstützten Putsch auf dem Kiever Maidan im Winter 2014 kam eine demokratisch nicht mehr legitimierte ukrainische Regierung an die Macht, was die russischsprachigen Menschen auf der Krim und im Südosten der Ukraine veranlasste, sich – völkerrechtlich korrekt (siehe auch hier!)– von der Ukraine zu trennen. Die Bevölkerung der Krim organisierte ein Referendum und beschloss mit über 90 Prozent der Stimmen die Wiedervereinigung mit Russland, was ohne auch nur einen einzigen militärischen Schuss gewaltfrei über die Bühne ging.
Quelle: Globalbridge
- Die Ukraine hat sich zu einem Klondike für US-Investmentfonds entwickelt
Die größte Gefahr für den Weltfrieden geht nicht einmal von den Falken im Weißen Haus oder im Pentagon aus, sondern von mächtigen Investmentfonds, die auf ein Weiterlodern des Konfliktes zwischen den Atommächten gesetzt haben. Ihre Spuren in der Ukraine-Krise sind kaum zu übersehen.
Ende letzten Jahres führten der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij und Larry Fink – der CEO der Investmentgesellschaft BlackRock – ein Gespräch per Videokonferenz. Das Gespräch war eine Fortsetzung der seit einigen Monaten sehr aktiven Zusammenarbeit zwischen der Führung in Kiew und BlackRock im Bereich der sogenannten “Koordinierung von Investitionen für den Wiederaufbau der Ukraine”.
Die Nachricht sorgte vor allem in den ukrainischen Medien für Aufsehen und blieb dennoch außerhalb des Landes nahezu unbemerkt. Die einzige Ausnahme bildeten allerdings rechtsgerichtete US-amerikanische Medien, die die Situation von ihrem Beobachtungsturm aus betrachteten. Und was sie dort sahen, gefiel ihnen nicht.
Die Quintessenz ist einfach: Die Ukraine ist ein finanzieller und wirtschaftlicher Leichnam, dessen Vortäuschen von Lebendigkeit nur durch westliche (vor allem US-amerikanische) Dauerinfusion aufrechterhalten wird, wobei BlackRock dabei ein wirklich großer Akteur auf dem Investmentmarkt ist, der über Vermögenswerte im Wert von etwa acht Billionen Dollar verfügt.
Quelle: RT DE
- Wann, wenn nicht jetzt: Warum die Nato aufgelöst werden sollte
Die Nato ist eine Militärallianz mit Atomwaffen. Sie ist ein negativer Faktor, destabilisiert die Welt und nimmt nun auch China ins Visier. Das ist eine gefährliche Sackgasse. Ein Kommentar.
Weit davon entfernt, eine Kraft für Frieden und die Verteidigung der Demokratie zu sein, bleibt die Nato eine Nuklearwaffen besitzende Militärallianz, deren Agieren Krieg, globale Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Brutalität erzeugt.
Seit dem Ende des Kalten Krieges hat die Organisation sowohl ihre Einflusssphäre als auch die Reichweite ihrer Aktivitäten ausgedehnt und damit die internationalen Beziehungen destabilisiert.
Quelle: Telepolis
- «Wir haben die Gefahren der NATO-Erweiterung immer gekannt»
Am 15. April 2022 publizierte Globalbridge.ch eine eigene Recherche: «Die Mitverantwortung der USA und der NATO: Vor der NATO-Osterweiterung wurde mehrfach gewarnt». Darin wurden ein Dutzend Politiker und Politologen genannt und zitiert – in ihrer Originalsprache, meist Englisch, aber auch ins Deutsche übersetzt. Auch heute kann nicht genug wiederholt und betont werden, dass die USA wussten, dass die NATO-Osterweiterung von Moskau nur als Provokation verstanden werden konnte. Im Dezember 2021 hat Russland deshalb von den USA und der NATO verlangt, dass die Ukraine neutral bleiben müsse, was aber von beiden, den USA und von der NATO, pauschal abgelehnt wurde. Auch wenn formell ein NATO-Beitritt der Ukraine noch nicht erfolgt war, die Zusammenarbeit Ukraine-NATO wurde immer enger: von der Angleichung der militärischen Hierarchiestufen bis zum obligatorischen Englisch-Unterricht für die ukrainischen Offiziere. Ted Snider zeigt auf, dass die USA wussten, dass der absolut heikelste Punkt der NATO-Osterweiterung eben die Ukraine war.
Quelle: Globalbridge
- Energiewende wegen des Ukraine-Kriegs? Daraus wird wohl nichts
Der Ukraine-Krieg treibt die Gaspreise in Europa in die Höhe Auch deshalb werden hierzulande Projekte für mehr Erneuerbare Energie beschleunigt. Gut so, könnte man meinen. Aber hat das Klima auch wirklich etwas davon? […]
Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass man einen Markt nicht mit Marktmitteln austrocknen kann. Man bräuchte nämlich gleichzeitig steigende Preise zur Eindämmung der Nachfrage und sinkende Preise zur Eindämmung des Angebots. Will man das durch Besteuerung zum Beispiel mittels CO2-Zertifikaten erreichen, funktioniert es nur, wenn es weltweit gleich geregelt und durchgesetzt wird. Anderenfalls kommt es nur zu Verschiebungen wie den im Fall der Sanktionen beschriebenen.
Im Ergebnis stellt sich das europäische Streben nach Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen daher nicht nur als Schub für grüne Technologien hierzulande heraus, sondern auch als mehr oder weniger unfreiwillige Entwicklungshilfe: entweder bei sinkenden Preisen fossiler Rohstoffe für ärmere, auf Energieimporte angewiesene Staaten oder bei steigenden Preisen für ärmere, an fossilen Exporten interessierte Staaten. Das kann man in Hinblick auf die weltweite Verteilung von Einkommen und Vermögen gut oder in Hinblick auf die Verteilungswirkungen innerhalb Europas bzw. Deutschlands schlecht finden – für den Klimaschutz ist so oder so nichts gewonnen.
Quelle: Friederike Spiecker in der Freitag
- Serbien und Kosovo: Ewiges Tauziehen
Berlin und Paris erwarten von Belgrad, den Kosovo zwar nicht de jure, aber de facto anzuerkennen. Warum das vorerst nicht funktionieren wird, weiß Norbert Mappes-Niediek
Kriegsalarm auf dem Balkan wird im Schnitt ein- bis zweimal jährlich ausgerufen, zuletzt über die Weihnachtstage im Kosovo. Wirklich passiert ist wieder nichts. Ernst ist die Lage trotzdem. Dass sich der Ukraine-Krieg auf eine Region auswirkt, in der kleine Nationen traditionell Verbündete unter den großen suchen, darf niemanden wundern. Vor allem Serbiens Rolle ist mit dem 24. Februar 2022 prekär geworden. Präsident Aleksandar Vučić hat sein Land bisher mit großem Geschick möglichst exakt zwischen Ost und West hindurchgelotst. Ganz wie es einst Präsident Tito erfolgreich mit dem viel stärkeren Jugoslawien tat. Aber wenn Ost und West, wie jetzt, am Rande des Krieges stehen, ist der Kurs nicht zu halten.
Druck kommt vor allem aus dem Westen. Serbien soll sich den Russland-Sanktionen der EU anschließen und endlich der seit 2008 unabhängige Kosovo anerkennen. Es gilt das Gesetz des Tauziehens: Druck auf Serbien ist Ermunterung für die Kosovo-Albaner. So unternahm der nicht minder geschickte Kosovo-Regierungschef Albin Kurti Schritte, den serbisch besiedelten Norden unter seine staatliche Kontrolle zu bringen. Vučić witterte die Gefahr und eskalierte den Streit. Mit Erfolg: Auf europäischen Druck hin musste Kurti sich beugen. Er unterschrieb, dass er seine Spezialpolizei künftig nur dann in den Norden schickt, wenn die NATO-Truppe im Land ihr Okay gibt. Den Plan, den Serben im Norden kosovarische Auto-Nummernschilder vorzuschreiben, hatte Kurti schon vorher aufgeben müssen.
Damit ist klargestellt, dass die Kosovo-Albaner den Druck, den der Westen auf Serbien ausübt, nicht auf eigene Faust verstärken dürfen. Der Druck aber bleibt. Besonders Deutschland will in der Kosovo-Frage endlich klare Verhältnisse schaffen.
Quelle: der Freitag
- Auf Nimmerwiedersehen, Juan Guaidó!
Juan Guaidó sollte dem US-gestützten Regimewechsel in Venezuela ein sympathisches Gesicht verleihen. Seine Absetzung als »Interimspräsident« ist ein weiteres Indiz dafür, dass dieses Unterfangen gescheitert ist.
Jetzt ist es amtlich: Juan Guaidó ist nicht mehr Präsident von Venezuela. Er war es natürlich auch nie. Seit 2019, als Guaidó seine Position als Präsident des von der Opposition geführten venezolanischen Parlaments nutzte, um sich selbst zum Präsidenten einer »Interimsregierung« zu erklären, die nie wirklich regiert hat, machten sich Beobachter einen Spaß daraus, Memes von Guaidó zu teilen, in denen er verkündete, alles Mögliche zu sein – vom neuen britischen Monarchen bis zum Gewinner der dysfunktionalen Präsidentschaftsvorwahlen in Iowa 2020. Doch seit dieser Woche darf Guaidó nicht einmal mehr den Titel eines fiktiven Präsidenten führen.
Die venezolanische Nationalversammlung stimmte am Montag mit 72 zu 29 Stimmen dafür, Guaidó seine nicht existierende Präsidentschaft zu entziehen und seine Interimsregierung nach fast vier Jahren aufzulösen. Damit ist die Opposition zu dem Schluss gekommen, dass ihre Strategie gescheitert ist.
Quelle: Jacobin
dazu auch: Neujahrsvorsätze? Auswärtiges Amt will 2023 mal kein Völkerrecht brechen: „Wir erkennen keine Regierungen, sondern nur Staaten an“
Quelle: NachDenkSeiten
- »Wir werden die Beziehungen zu allen Ländern der Welt wiederherstellen«
Die Rede von Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bei seiner Amtseinführung.
Quelle: Jacobin
- Erhebliche Kaufkraftverluste für Menschen in der Grundsicherung und die Stromkosten bleiben auch im Bürgergeld ein Problem
Bezieher von Grundsicherung sind derzeit von erheblichen Kaufkraftverlusten betroffen: So hätte ein Paar mit zwei Kindern im Jahr 2022 rund 1.600 Euro mehr bekommen müssen, um die Kaufkraft der Grundsicherung zu erhalten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): […]
Und auch die Empfänger von Bürgergeld, was zum Jahresbeginn das offizielle Licht der Welt erblickt hat, sind nicht vor hohen Teuerungsraten geschützt. Das Statistische Bundesamt hat die Inflation für das gesamte Jahr 2022 auf 7,9 Prozent taxiert – das ist der höchste Wert seit 1951. Aber die Bundesregierung hat doch eine Vielzahl an Entlastungsmaßnahmen für die Menschen auf den Weg gebracht?
Das ist im Prinzip auch richtig: »Um die Härten auszugleichen, stellte die Bundesregierung Entlastungspakete in Höhe von etwa 200 Milliarden Euro bereit. Manches davon, etwa Einmalzahlungen für Erwachsene und Kinder oder das von Juni bis Ende August gültige Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr, kam auch Hartz-IV-Empfängern zugute«, berichtet Benedikt Peters unter der Überschrift Trotz Hartz IV unter dem Existenzminimum. Insgesamt aber konnten die Entlastungen den Berechnungen von Irene Becker zufolge die Teuerung bei Weitem nicht ausgleichen:
Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
- Stadtsoziologin zur Silvesternacht: „Keine Überraschung, dass es jetzt knallt“
Nach den Krawallen zu Silvester diskutiert Berlin über die Gründe. Die Soziologin Talja Blokland fragt sich, warum es nicht noch viel heftiger kam. Ein Interview. […]
Können Sie sich erklären, warum es zu dieser Gewalt gegen Feuerwehrleute gekommen ist?
Die Motive kennen nur die Täter selbst. Wenn man die Polizei-Auswertungen liest, sieht man, dass es Vorfälle von Moabit über Lichtenberg bis Neukölln gibt, da lässt sich schwer eine singuläre Erklärung finden. Es wird jetzt viel über die kulturellen Hintergründe der Täter diskutiert. Manche behaupten sogar schon, die Täter hätten ganz andere Werte als wir und seien wütend auf den Staat. Aber abgesehen davon, dass wir das noch gar nicht wissen können, ist es auch eine folgewidrige Annahme.
Wie kommen Sie darauf?
Lassen Sie uns kurz die Hypothese annehmen, die Täter hätten Feuerwehrleute aus Wut auf den Staat angegriffen. Dann ist das gerade kein Motiv, das zeigt, dass die Täter andere Werte haben als alle Anderen in dieser Stadt. Denn Wut und Frust können entstehen, wenn ich die gleichen Ideale und Werte anstrebe wie andere Menschen, aber daran gehindert werde, sie zu realisieren. Einfaches Beispiel: große, teure Autos. Die fahren die reichsten Berliner, aber auch manche Menschen zum Beispiel in Neukölln. Dann werden doch die gleichen Werte verfolgt. Die Wut und der Frust entstehen daraus, dass Menschen keinen Zugriff auf die Ressourcen haben, die notwendig sind um ihre Idealen zu verwirklichen. Und dass sie keinen Zugriff auf die vollständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben, wie die Mittel- und Oberschicht. Zum Beispiel weil das Schulsystem sie aussortiert, Ausbildungsplätze für sie unzugänglich bleiben, oder die Wege, beruflich erfolgreich zu werden, durch viele Hindernisse gesperrt sind, die oft nicht direkt sichtbar sind.
Und was folgt daraus?
Daraus entsteht Frust und Wut. Vermutlich spüren das vor allem Jugendliche, die eine Migrationsgeschichte in ihrer Familie haben, selbst aber Berliner sind. Im Alltag werden sie immer nach dieser Migrationsgeschichte kategorisiert: Es steht ihnen wegen ihres Aussehens nicht zu, sich von ihrem Status als ‚Migrantenkind‘ zu trennen. Für weiße nicht-deutsche Kinder gibt es das nicht. Der Frust folgt also nicht daraus, dass manche Menschen andere Werte haben.
Quelle: Berliner Zeitung
- Gekommen, um Feuer zu legen
Die Rechtsaußen der US-Republikaner blockieren die Partei und treiben sie vor sich her. Wie konnte die Minderheit in der Partei so mächtig werden?
Die durch und durch peinliche Unfähigkeit der Republikanischen Partei, nach mehreren Versuchen einen Sprecher des US-Repräsentantenhauses zu wählen, ist eine Krise, die sie selbst verursacht hat. Spätestens seit der Präsidentschaft von Barack Obama hat die Republikanische Partei eine Stärkung ihrer rechten Flanke erlebt, deren Aufgabe nicht darin bestand, Politik zu machen, sondern Fortschritt zu verhindern, und deren Taktik eher Zerstörung als Diplomatie hieß.
Die Anfänge der aktuellen Spielart dieses politischen Extremismus waren bereits zu erkennen, als John McCain 2008 die völlig unqualifizierte Sarah Palin zu seiner Co-Kandidatin wählte. Sie war nicht intellektuell, doch sie war willensstark. Sie war ein Anti-Obama. In ihrer Rede auf dem Parteitag der Republikaner im Jahr 2008 sagte sie, sie habe gelernt, dass es ausreiche, „kein vollwertiges Mitglied der Washingtoner Elite“ zu sein, damit „manche Medien einen Kandidaten für unqualifiziert halten“. Aber, so fuhr sie fort, „hier ist eine kleine Neuigkeit für all diese Reporter und Kommentatoren: Ich gehe nicht nach Washington, um Ihnen zu gefallen; ich gehe nach Washington, um den Menschen in diesem Land zu dienen.“
Palin hat eine gefährliche Realität über die republikanische Basis aufgedeckt: dass sie nach Konflikten und Spektakel hungert, dass sie jedem zujubelt, der Liberale verärgert, dass Darstellung weitaus wichtiger ist als Kompetenz.
Quelle: IPG Journal
- Kein totes Mädchen gefunden: Rückruf einer Flüchtlingsgeschichte
An den EU-Außengrenzen sterben regelmäßig Menschen. Aber nicht jeder Bericht hält einer genauen Recherche stand. Und in solchen Fällen gibt es mitunter ein größeres Nachspiel.
Nachdem vor wenigen Wochen Spiegel Online vier Artikel über das Schicksal einer Flüchtlingsgruppe auf einer Insel im Grenzfluss Evros zur Überprüfung vom Netz genommen hatte, sind diese nun endgültig zurückgerufen worden.
Die Behauptung, dass ein kleines Flüchtlingsmädchen namens Maria auf der Insel von einem Skorpion gestochen worden und danach gestorben sei, kann somit nicht gehalten werden.
Quelle: Telepolis
- Bieten: Praktikum. Suchen: eine Person, die sich das leisten kann.
„Es ist ein Teufelskreis. Der Journalismus schreit immer nach mehr Vielfalt. Aber es wird nichts dafür gemacht. Das ist absurd.“
Das sagt die 21-jährige Paula, die eigentlich anders heißt. Sie studiert Journalismus in Berlin und macht derzeit ein Praktikum – in der PR-Branche. 850 Euro bekommt sie da im Monat. Ein journalistisches Praktikum könne sie sich nicht leisten, weil in den Redaktionen, für die sie sich interessiert hätte, viel weniger bezahlt wird. Paulas Eltern verdienen so viel, dass sie kein Recht auf BAföG hat, aber so wenig, dass sie sie nicht wirklich unterstützen können. Für das Leben und die Miete in Berlin muss Paula also größtenteils selber sorgen. Dabei braucht sie das Praktikum nicht nur, um Erfahrungen und Arbeitsproben zu sammeln, sondern auch für ihr Studium. Fünf Monate Praxis sind in der Studienordnung ihres Bachelors vorgeschrieben. Paula sagt, junge Menschen wie sie würden dadurch in eine „unmögliche finanzielle Lage“ gezwungen.
Ob der Einstieg in den Journalismus gelingt, ist sehr davon abhängig, ob man es sich leisten kann, schlecht oder gar unbezahlte Praktika zu machen. „Wo keine Villa ist, ist auch kein Weg“ kommentierte Autor Olivier David bei Übermedien im vergangenen Jahr.
Pflichtpraktika sind an vielen Unis und Ausbildungsstätten im Fachbereich Journalismus üblich. An der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz etwa müssen Studierende im Master Journalismus Praktika in drei Redaktionen leisten. Mindestdauer gesamt: zwölf Wochen im Zeitraum der Semesterferien.
Rebecca Roth von den „Neuen Deutschen Medienmacher*innen“ (NdM), die dort zuständig ist für das Mentoring-Programm, schlägt Redaktionen vor, sich am Mindestlohn zu orientieren. Für Roth steht fest: Wenn Redaktionen es mit diversitätsbewusstem Recruiting ernst meinen, müssen Sie Praktika angemessen vergüten. Sonst würden bestimmte Nachwuchsjournalis*innen automatisch ausgeschlossen, insbesondere Journalist*innen aus Arbeiter*innenfamilien.
Quelle: Übermedien
Anmerkung unseres Lesers J.M.: So bekommt man natürlich die Journalisten / -innen, die von Haus aus die “richtige” Einstallung mitbringen.