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Titel: „Wir machen den Weg frei“ – Bloß für wen?

Datum: 4. Januar 2023 um 14:00 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Innen- und Gesellschaftspolitik
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Wie Entscheidungen im Vorstand einer Bank zu Unternehmensschließungen führen können. Es klingt wie eine verspätete Episode aus der Finanzkrise aus 2008. Ein Vermieter kündigt einem mittelständischen Betrieb. Zwischenzeitlich wechselt die Immobilie in den Besitz einer Bank. Die Bank bietet der Mieterin eine Miete in etwa dreifacher Höhe zu einem Folgemietvertrag an. [*] Die Mieterin, ein mittelständisches Familien-Unternehmen, kann den Standort so nicht mehr wirtschaftlich betreiben ohne massive Preiserhöhungen für die Kunden und muss das bei Familien beliebte Angebot wahrscheinlich demnächst schließen. Ein Beitrag von Markus Fiedler.

Man könnte jetzt denken, dass es sich bei besagtem Finanzinstitut einmal mehr um eine der typischen Heuschrecken-Banken handelt, wie die so von der ARD wenig schmeichelhaft betitelte Deutsche Bank. [1] Diese fiel während der Finanzkrise durch Wildwestmanieren im Zusammenhang mit Immobilienkrediten in den USA negativ auf.

Aber nein. Die Volksbank Aurich ist hier zentraler Spieler in der vorliegenden Episode von Wildwestkapitalismus. Sie erwirbt das Gebäude, in dem sich der Oldenburger Indoor-Spielpark „Dschungelboot“ befindet, vom Vorbesitzer inklusive angrenzender Objekte mit weiteren Mietern. Während des Besitzerwechsels Mitte des Jahres 2022 sei der alte Vermieter noch im Rechtsstreit wegen der Kündigung des Mietvertrags mit dem Inhabers und Geschäftsführer des „Dschungelboots“, Herrn Wolfgang Pegels gewesen. [*]

Dieser hatte sich hilfesuchend mit einer Plakataktion an seine Kunden gewendet und machte auf die Notlage des Unternehmens aufmerksam. Laut Geschäftsführung sei diese Notlage nicht selbst verschuldet. Der Indoor-Spielpark schreibe laut Herrn Pegels schwarze Zahlen und könne aufgrund recht günstiger Mietkonditionen auch günstige Konditionen für die Kunden anbieten.

In der Veröffentlichung, die sich an die Kunden des Dschungelboots richtet, kann man dazu lesen:

„Die Volksbank Aurich hat unsere Halle an der Nadorster Straße in Oldenburg gekauft und verlangt nun die 3-FACHE Miete. Bisher haben wir 4.500,-€ monatlich / kalt bezahlt. Nun möchte die Volksbank Aurich als neue Vermieterin ca. 12.500,-€ monatliche Kaltmiete. Das können wir bei unseren familienfreundlichen Eintrittspreisen nicht bezahlen. Wir müssten diese Eintrittspreise dramatisch erhöhen und das Mitbringen von Speisen und Getränken verbieten.“ [2]

Die Kündigung durch den Vorbesitzer des Gebäudes ist durch ein Gerichtsurteil nunmehr rechtskräftig. Der Grund sei einer unklaren Rechtslage bezüglich Mietkürzungen während des zweiten Corona-Lockdowns und unvollständiger bzw. misslungener Kommunikation zwischen dem Dschungelboot und dem Vermieter geschuldet gewesen, so die Aussage von Herr Pegels. Auch sei das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter zu diesem Zeitpunkt wegen anderer Streitigkeiten in den Vorjahren schon angespannt gewesen. Das Dschungelboot bekommt ein Angebot zu einem neuen Mietvertrag von der Bank über 12.500 Euro Miete. [*]

Der Spielpark befindet sich in Oldenburg zentral mit Anbindung zu einem vierspurigen Zubringer mit Nähe zur Innenstadt, hat genügend Parkmöglichkeiten und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Ein für Investoren interessantes Objekt also.

Aus den Oldenburger Nachrichten kann man zum Vorstandsvorsitzenden der Volksbank Aurich entnehmen: „Herr Kramer erklärte weiter, dass die Bank seit Längerem im Kontakt mit drei Interessenten stehe, die ‚auch weiterhin Kinderaugen funkeln lassen werden‘“. [3]

Das ist irritierend. Man könnte auf die Idee kommen, dass hier ein Mieter zugunsten anderer Interessenten aus dem angestammten Platz verdrängt werden solle. Spekuliert man eventuell darauf, dass man das Gebäude inklusive der darin befindlichen Kletteranlagen im Gegenwert von mehreren Hunderttausend Euro günstig übernehmen kann?

Die naheliegendsten Fragen hierzu sind: Soll die Immobilie gewinnbringend weiterverkauft werden? Oder aber sucht man zahlungskräftigere und -willige Mieter? Oder mag man den alten Mieter einfach nicht?

Laut Dschungelboot sei die Erhöhung der Miete bzw. die betreffende Immobilie zur Chefsache von Herr Joachim Kramer, dem Vorstandsvorsitzenden der Volksbank Aurich, gemacht worden. Die Immobilienbetreuung der Volksbank Aurich, die ansonsten für die Mietobjekte zuständig sei, sei somit als Verhandlungspartner ausgeschieden. Verzweifelte Kontaktversuche des Dschungelboots zum Vorstand der Volksbank zwecks anderweitiger Lösungsfindung seien erfolglos verlaufen. Laut Aussage des Geschäftsführers Wolfgang Pegels sei der Vorstandsvorsitzende Kramer von der Volksbank Aurich auch nach vielfachen Kontaktversuchen nicht zu erreichen gewesen.

Unabhängig von Spekulationen über die Beweggründe des Bankvorstands stellt sich folgende Frage: Wie passt das Verhalten der Volksbank Aurich zu ihrem eigenen Leitbild?

Auf der Homepage der Volksbank Aurich kann man beispielsweise das folgende vollmundige Versprechen unter dem Reiter „was uns besonders macht“ lesen:

„Wir unterstützen soziale Projekte vor Ort und engagieren uns dort für Nachhaltigkeit, wo unsere Mitglieder zu Hause sind.“ [4]

Im vorliegenden Fall wird ein Dienstleister für Familien mit Kindern indirekt gezwungen, die Eintrittspreise entweder massiv zu erhöhen oder aber den Standort zu schließen. Aber wie wir hören, gäbe es bereits Nachfolger in spe. Nur zu welchem Preis?

Die Bank erinnert sich darüber hinaus gerne an die Entstehungsgeschichte der Genossenschaftsbanken:

„Die Geschichte der Genossenschaftsbanken begann im 19. Jahrhundert in einer Zeit, die von sozialer Not geprägt war. Bauern, Handwerker und kleine Unternehmen benötigten Kredite und waren auf private Geldverleiher angewiesen. Viele verschuldeten sich und verloren ihre wirtschaftliche Existenz. Um den Mittelstand zu unterstützen, entwickelten Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen fast zeitgleich die genossenschaftliche Idee der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Sie regten die Gründung von Kredit- bzw. Darlehenskassenvereinen an – das Fundament für genossenschaftliche Banken.“ [5]

An die Bank und den Vorstandsvorsitzenden Kramer wurde eine Presseanfrage mit den Vorwürfen des Dschungelboots und sich daraus ergebenden Fragen gerichtet und um eine Kommentierung bzw. Beantwortung derselben gebeten. [6] Bisher haben wir dazu keinerlei Antwort erhalten, reichen diese aber nach, falls diese nach Veröffentlichung des Artikels eintrifft.

Titelbild: Heinsdorff Jularlak/shutterstock.com


[«1] https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2011/Heuschrecke-Deutsche-Bank-US-Kommunen-klagen-an,deutschebank107.html

[«2] https://dschungelboot.de/images/Dschungelboot-Volksbank.pdf

[«3] https://oldenburgernachrichten.de/109825/warum-das-dschungelboot-sinken-muss/ https://archive.vn/MEzeA

[«4] https://www.meine-rvb.de/meinervb/mitgliedschaft/genossenschaftsbank/genossenschaftsidee.html

[«5] Ebd.

[«6] Presseanfrage an die Bank vom 25.12.22 im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Kramer, sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Markus Fiedler, ich bin Lehrer und freischaffender Journalist.

Das Dschungelboot in Oldenburg beschwert sich über unfaire Geschäftspraktiken seitens der Volksbank Aurich.
Dazu hat das Dschungelboot folgende Verlautbarung veröffentlicht:

https://dschungelboot.de/images/Dschungelboot-Volksbank.pdf

Laut Oldenburger Nachrichten haben Sie sich in der Vergangenheit um einen Kompromiss mit dem Dschungelboot bemüht und des Weiteren bereits drei Interessenten als mögliche Nachmieter gefunden, die „auch weiterhin Kinderaugen funkeln lassen werden“.

Siehe: https://oldenburgernachrichten.de/109825/warum-das-dschungelboot-sinken-muss/

Zu dem Themenkomplex habe ich folgende Fragen:

1. Wie sah der von den Oldenburger Nachrichten zitierte Kompromiss der Volksbank Aurich mit dem Dschungelboot aus?

2. Welches Gewerbe wollen die drei interessierten Dschungelboot-Nachmieter in den Räumlichkeiten des Dschungelboots eröffnen und welche Miete sollen diese bezahlen, wenn ein Mietvertrag zustande kommt?

3. Wer sind die drei Interessenten?

4. Laut Dschungelboot haben Sie das betreffende Mietobjekt bzw. den zugehörigen Fall zur Chefsache erklärt, stimmt das? Aus welchem Grund ist das erfolgt?

5. Gibt es Ihrerseits weitere Absprachen mit einem oder mehreren der neuen Interessenten, z.B. über einen zusätzlichen Kredit?

6. Ist die vom Dschungelboot angegebene zukünftige Miete von etwa 12.500 Euro korrekt? Wie kommt es zu dieser Preissteigerung? Gibt es dafür Ihrerseits zwingende wirtschaftliche Gründe?

Falls Sie weitere wichtige Daten bzw. Kommentierungen für mich haben, schreiben Sie mir diese bitte ebenfalls.
Ihre Antworten erbitte ich bis zum 29.12.2022, 13:00 Uhr.

Mit freundlichen Grüßen

Markus Fiedler

[«*] Der Text wurde nachträglich von der Redaktion in Absprache mit Markus Fiedler geändert, da ein aktueller Artikel der Ostfriesenzeitung neue Sachverhalte aufdeckt, die nun ergänzt wurden.


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