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Titel: Apple: Zwangsarbeit in Indien mit Foxconn

Datum: 22. Dezember 2022 um 11:30 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Audio-Podcast, Länderberichte
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Unter dem Weihnachtsbaum werden in vielen Haushalten sicherlich auch in diesem Jahr die beliebten Smartphones des US-Konzerns Apple liegen. Trotz des vergleichsweise hohen Preises von teils mehr als 2.000 Euro lassen die Arbeitsbedingungen des taiwanesischen Hauptzulieferers Foxconn immer noch zu wünschen übrig. Werner Rügemer hat hinter die Kulissen geschaut.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Apple lässt seine bisher letzten iPhones 12 und 13 und seit diesem Jahr auch 14 in der südindischen Sonderwirtschaftszone Chennai im Bundesstaat Tamil Nadu endmontieren. Hier sind zahlreiche indische Elektronikfirmen etabliert, die für westliche Autokonzerne wie BMW und Ford, für Digitalkonzerne wie Nokia, Dell, Hewlett Packard, Microsoft und Apple zuliefern.

Apple hat hier das taiwanesische Unternehmen Foxconn beauftragt. Foxconn ist der weltweit größte Organisator für kasernierte Niedrigstlöhnerei, vor allem im Bereich Mikroelektronik. Foxconn lässt durch Subunternehmer aus armen ländlichen Gebieten gezielt junge Frauen anwerben. Sie können mit besonders niedrigen Löhnen abgespeist werden, arbeiten acht Stunden an sechs Tagen in der Woche, verteilt auf drei Schichten. Sie haben kein reguläres Arbeitsverhältnis, sondern einen jederzeit kündbaren Werkvertrag. Das ist Standard bei Foxconn.

Stundenlohn: 88 Cent

Foxconn betreibt dafür eigene Wohnheime. Bis zu zehn der Frauen werden darin in Massenunterkünften untergebracht, in Stockbetten. Wenn es eng wird, müssen die Frauen auf dem Boden schlafen. Der Ausgang ist hochreguliert. Die Wohnheime werden von Sicherheitsfirmen bewacht. Die Frauen bekommen für die 8-Stunden-Schichten im Drei-Schichtbetrieb an sechs Tagen pro Woche den Stundenlohn von 88 Cent Stunde.

Davon zieht aber Foxconn bis zur Hälfte ab, für die Unterkunft, für das Essen, einen Mindestbetrag für Sozialversicherung – und auch für den aufwendigen Transport. Denn die Massenunterkünfte sind bis zu 60 Kilometer von der Fabrik entfernt, sodass dafür täglich morgens bis zu zwei Stunden und abends wieder zwei Stunden anfallen.

Die körperliche und seelische Beanspruchung der Frauen ist enorm. Wegen des Drei-Schicht-Betriebs und der langen Transporte ist der Schlaf oft zu kurz. Das Essen ist oft schlecht, es kommt zu Magenbeschwerden. Manchmal gehen die Frauen lieber hungrig zur Arbeit, um sich nicht zu gefährden. Diese Frauen werden diszipliniert und gezielt verschlissen – und nach einigen Jahren intensiver Beanspruchung können Apple/Foxconn sie durch neue, unverbrauchte junge Frauen ersetzen – mehrere Vermittlungsagenturen sind dafür ständig in armen Regionen unterwegs. Die staatliche Arbeitsaufsicht lässt solche Verhältnisse durchgehen.

Protest im fernen Indien – ungehört bei den Käufern der iPhones

Mitte Dezember 2021 protestierten plötzlich tausende Frauen, die für Foxconn/Apple arbeiteten. Sie blockierten stundenlang eine Autobahn zwischen Chennai und Bangalore. Seitdem hat Foxconn einige kleine Verbesserungen zugestanden: In den Unterkünften müssen Frauen nicht mehr auf dem Boden schlafen, und sie haben fließendes Wasser statt den Wassertank im Hof. Das ist aber schon alles.

Diese Arbeitsverhältnisse sind extrem menschenrechtswidrig. Die Gewerkschaften von Tamil Nadu fordern „das Ende dieser Zwangsarbeit und Ausbeutung“. Aber die rassistische und nationalistische Regierung unter Premierminister Modi fördert mit ihrem Programm „Make in India“ solche Praktiken verstärkt. Deshalb gilt Indien als Verbündeter des Westens und als „größte Demokratie der Welt“. Da machen BlackRock & Co gerne mit.

Deshalb hat Apple mit Foxconn solche Zulieferaufträge in Chennai in den letzten Jahren ausgeweitet. Auch das neueste iPhone 14 von Apple wird von Foxconn in Chennai montiert. In den USA kostet das schönste, beste Smartphone der westlichen Welt aus der „größten Demokratie der Welt“ ab 1.500 US-Dollar – je nach Ausführung bis 2.099 Dollar.

BlackRock gehört mit den verbundenen Investoren Vanguard, Berkshire Hathaway, State Street und Fidelity zu den fünf größten Apple-Aktionären.

Foxconn entstand unter der Diktatur in Taiwan

Und BlackRock und Vanguard sind zugleich die dritt- und viertgrößten Aktionäre von Foxconn, dem weltweit größten Organisator von kasernierter Niedriglöhnerei.

Foxconn ist nämlich nicht nur für Apple der größte Zulieferer von kasernierter Niedriglöhnerei. Foxconn ist der weltweit größte Organisator dieser Art Zulieferindustrie in der Mikroelektronik, vor allem für US-Konzerne und für das US-Militär.

Foxconn wurde 1974 in Taiwan gegründet, unter dem US-gestützten Diktator Tschiang kaishek. Bis 1987 herrschte Kriegsrecht auf der Insel, Gewerkschaften waren verboten. Gerade weil die USA in den 1970er Jahren diplomatisch von Tschiang abrückten und die Volksrepublik China anerkannten, förderten sie gleichzeitig Taiwan als militärischen und wirtschaftlichen Außenposten gegen China. Taiwan war deshalb nebenbei auch das größte Bordell für US-Soldaten, wenn sie aus ihrem Einsatz in Vietnam Urlaub machten.

Foxconn montiert seit den 1980er Jahren für Apple, Microsoft, Intel und andere Silicon-Valley-Unternehmen: Die Niedrigstlöhner in Taiwan wurden in Heimen zusammengefasst, mussten täglich drei bis vier Überstunden ohne Bezahlung leisten, bekamen keinen bezahlten Urlaub. Es wurde und wird fast ausschließlich für den Export produziert.

Erst 1997 durfte der gewerkschaftliche Dachverband TCTU gegründet werden, erst 2000 wurde er staatlich anerkannt. Der Einfluss blieb gering. Foxconn rühmt sich auch im Jahre 2022 öffentlich, im eigenen Unternehmen keine Gewerkschaft zu haben. Die bei Foxconn direkt etwa 50.000 Beschäftigten werden mit gut geführten Kantinen und Kursen für Fitness und Gewichtsabnahme umsorgt: Sie leiden nämlich nicht unter Mangelernährung und Hunger wie die Foxconn-Apple-Arbeiterinnen in Indien, sondern leiden wegen zu gutem Essen unter Fettleibigkeit.

Arbeitsmigranten aus Vietnam und Indonesien in Taiwan

Dazu holte und holt bis heute Foxconn vor allem aus Vietnam, dann auch aus Indonesien und den Philippinen jährlich zusätzlich mehrere hunderttausend Arbeitsmigranten: Sie müssen auch gegenwärtig alle drei Jahre einen neuen Antrag stellen, sich auch gesundheitlich überprüfen lassen und dürfen insgesamt höchstens 12 Jahre in Taiwan arbeiten: Spätestens dann müssen sie raus, dürfen im Alter nicht Taiwan zur Last fallen. Weil sie zudem meist bei Vermittlern hoch verschuldet sind, sind sie willig, billig, unterwürfig, fleißig.

Gegenwärtig unterliegen so 700.000 Arbeitsmigrant*innen in Taiwan dieser Form der Zwangsarbeit. Sie machen die niedrigsten Jobs, die 3D-Jobs: dirty, dangerous, difficult. Während der Corona-Pandemie unterlagen sie ungleich härteren Einschränkungen als die einheimischen Beschäftigten. Dies ist zugleich eine moderne Form des Rassismus.

Export der Dienstleistung zuerst nach Japan und Südkorea, dann nach China

So wurde Foxconn zum größten Unternehmen Taiwans. Foxconn exportierte diese extreme Ausbeutungs- und Niedrigstlohnpraxis zuerst nach Japan und Südkorea, dann im größeren Umfang nach China: Dort hatte Foxconn in der Spitzenzeit bis zu einer Million Niedrigstlöhner unter Vertrag, ebenfalls vielfach junge Frauen aus armen ländlichen Regionen. Auch hier wird für Unterkunft, Essen, Transporte der geringe Lohn gekürzt.

Ab Anfang der 2000er Jahre streikten in China vor allem die Beschäftigten in Foxconn-Betrieben. Gehäufte Selbstmorde junger Frauen in der Apple-Montage wurden kurzzeitig zum internationalen „Skandal“. Apple-Chef Steve Jobs bezeichnete die Arbeitsverhältnisse bei Foxconn aber weiter als „sehr gut“. China schränkt seit 2006 solche Praktiken ein: die Löhne wurden schrittweise erhöht, die Arbeits- und Klagerechte der Beschäftigten wurden gestärkt. Apple, Microsoft & Co protestierten gegen die Verbesserungen in China.

Deshalb verlagern Foxconn und Apple seit über einem Jahrzehnt die Montage wie immer mehr in US-freundliche Niedriglohn-Staaten, nach Indien, Vietnam, Thailand, Indonesien, Malaysia, aber auch in EU-Staaten wie Tschechien und die Slowakei. Mit neuen Aufträgen in Saudi-Arabien, Indonesien, Thailand und auch in gewerkschaftsfreien Regionen der USA forciert Foxconn seine Zulieferaufträge für e-Autos.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Referat “Die Arbeitsverhältnisse im Blackrock-Kapitalismus”, das Werner Rügemer bei der Blackrock-Konferenz im September 2022 an der Uni Potsdam gehalten hat. Das ganze Referat ist hier zu hören.

Titelbild: Diana Sklarova/shutterstock.com


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