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Titel: Leserbriefe zu „Entscheidend is’ auf’m Platz“

Datum: 16. Dezember 2022 um 10:30 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
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Jens Berger diskutiert hier über die Fußballweltmeisterschaft in Katar. Die Zeiten deutscher Fußballherrlichkeit seien vorbei. Der Fußball sei „mehr und mehr zum großen Geschäft; passend zur zeitgleich voranschreitenden neoliberalen Wende in Politik und Gesellschaft“ geworden. Er werde mehr denn je politisiert. Die Musik spiele jedoch nicht mehr in Europa und das nicht nur im Fußball. Europa flüchte in einen „aussichtslosen Moralimperialismus“. Die „alberne One-Love-Debatte und das verdiente Ausscheiden der Deutschen“ seien „Bausteine dieses relativen Abstiegs“. Danke für die interessanten E-Mails. Es folgt nun eine Auswahl der Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.


1. Leserbrief

Lieber Herr Berger,
 
Sie sprechen mir aus der Seele! 1974: meine erste WM per TV, mit knapp 13 Jahren. Und “wir” wurden Weltmeister! Was war das für ein Jubel! Unbeschreiblich! Das Tor von Gerd Müller habe ich noch in guter Erinnerung. Und auch, wo und mit wem ich das Endspiel gesehen habe: die Familie bei Tante und Onkel auf dem Sofa plus Oma und Hund! Herrlich! 1990: weiterer Jubel, inzwischen erwachsen geworden und die Unbeschwertheit aus Jugendtagen hinter mich gelassen. Der WM-Titel war ein Stück “Balsam für die Seele”. 2014: gegen Brasilien? Okay, Deutschland ist raus, aber das Spiel ging weiter. Nochmal Jubel und Mario Götze “unser” Held!

Danach kam die Dämmerung für die deutschen (Fußball-)Götter, ein Ende des Elends ist nicht in Sicht. 2026: vielleicht ein Phönix aus der Asche? Vorher kommt noch die EM, wieder in “heimischen” Gefilden. Franz Beckenbauer würde sagen: “schaun ‘mer mal”. Bis dahin erfreue ich mich an den letzten vier Spielen der aktuellen WM -ohne Deutschland-, die rote Linie war beim “Klappe-zu”-Foto bereits erreicht. Fremdschämen pur! Wo ist der (Fuß-)Ball? Nun hat jede der letzten vier Mannschaften den Titel verdient! Und die Marokkaner? Ja, die feiern sich selbst! Ob mit oder ohne Titel, die Freude über den Weg ins Halbfinale einer arabischen Mannschaft ist übergroß! Sie gehören jetzt zu den vier besten Mannschaften der Welt, das ist, was zählt. Sagt mein marokkanischer Ehemann! Das ist Fußball!
 
In diesem Sinne,
Claudia Limlahi


2. Leserbrief

Hallo Herr Berger,

da gibt es für mich ja doch noch was erfreuliches an der WM: Ihr Artikel!. Was die peinliche deutsche Überheblichkeit und Weltfremdheit betrifft, da habe ich nichts hinzuzufügen, Sie sprechen mir aus der Seele.

Habe mich gefreut, dass der Auftritt des Deutsches Teams am Ende dann doch erfreulich logisch und konsequent war, mit dem kläglichen Ende. Passt schon, “ganzheitlich” sozusagen. Als franko- und balkanophiler kann ich jetzt noch die Daumen drücken für Frankreich und Kroatien.

Zurück zu Ihren Artikel. Machen sie weiter mit dem Schreiben über Fußball. In der Elterngeneration war der Fussballdichter Eckhard Henscheid (z.B. “Hymne an Bum Kun Cha”). Übernehmen Sie den Staffelstab!

Herzlichen Gruß,
Rolf Henze


3. Leserbrief

Liebe Redaktion,

ein toller Beitrag von Jens Berger. Ja man liebt uns nicht in der Welt, nur offensichtlich gibt es noch immer eine Reihe von Gründen, weshalb uns das nur bei wenigen Anlässen bewußt wird. Dabei ist dieser Umstand eigentlich offensichtlich, man denke nur mal daran, wie wir in den letzten Jahren bei den Eurovision-Contests durchgereicht wurden. Nur unseren Politikern und selbsternannten Moralhütern fällt das komischerweise nicht auf. Übrigens eine grandiose Wortschöpfung, “Moralimperialismus”. Bitte weiter so auf den Nachdenkseiten, ein schönes Weihnachtsfest, ein besseres Neues Jahr und vor allem Durchhaltevermögen wünscht

Ihr treuer Leser 
Jürgen Keller


4. Leserbrief

Lieber Jens Berger,
 
vielen Dank für Ihren o.g. Beitrag!  Leider wird man manchmal selbst von dem allgemeinen “Verblendungszusammenhang” erfasst, ohne es zu merken. Da ist Ihr Artikel sehr erhellend und hilfreich.
 
Einen herzlichen Gruß
Eberhard Schwarz


5. Leserbrief

Guten Tag zusammen, 

ich lese seit langem ihre Artikel und bin auf Grund meiner Wertschätzung für ihre Arbeit auch Fördermitglied der NDS. 

Ich habe zu ihrem oben genannten Artikel jedoch eine kritische Anmerkung die ich loswerden möchte.

Wenn es um die Frage der LGPTQ Bewegung geht stimme ich ihnen zu das diese “Reformation” unseres Umgangs mit Sexualität und Geschlechtern, eine Entscheidung unseres Kulturkreises ist und dass wir es anderen Kulturkreisen selbst überlassen müssen, welche Ansichten sie vertreten möchten. Ich möchte gar nicht bewerten ob dieser Umgang mit Sexualität und Geschlechtern richtig oder falsch ist – muss ich jedoch für mich sagen, Menschen sind für mich in erster Linie Menschen egal welchem Geschlecht sie angehören oder zu welchem Geschlecht sie sich hingezogen fühlen – dennoch will ich auf das Thema nicht weiter eingehen.

Vielleicht habe ich es ihrem Artikel falsch entnommen aber unterm Strich liest sich ihr Text so als wäre die WM Super und wir alten “Werte-Nazis” hätten versucht Katar die WM madig zu machen und das wäre beschämend und falsch gewesen. Dem kann ich nicht ganz zustimmen, weil es ein anderes Thema komplett aus der Betrachtung des “feinen” Gastgebers außer Acht lässt. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde vor der WM, vor allem auf Monitor aber auch im WDR, auf ein Thema immer wieder hingewiesen, dass in Bezug auf den Gastgeber absolut beschämend und abstoßend ist.

Bei den Arbeiten zur Vorbereitung der WM wurden Arbeiter eingesetzt die unter schlimmsten Bedingungen und Entzug des Passes arbeiten mussten und dort starben. In einem Bericht schätzte man die Zahl auf über 6.000 Menschen, die durch die prekären Umstände ihr Leben ließen.

In Deutschland sind Brot und Spiele aber so wichtig geworden, dass man darüber gerne mal hinweg schaut, denn die nächste WM ist ja erst in vier Jahren und die armen Menschen die da ihr Leben gelassen haben, werden ja durch meinen Boykott auch nicht wieder lebendig… DAS finde ich wirklich schockierend. Wenn ich diese WM nicht geguckt habe, dann vor allem aus dem vorher geschilderten Gründen. Ihr schreibt zurecht regelmäßig über die immer prekärer werdenden Arbeitsverhältnisse in unserem Land und wenn aber in einem anderen Kulturkreis 6.000 Menschen für den Bau von Stadien sterben, ist das dann aus Kulturgründen angemessen? Sie würden dies wie jeder vernünftige Mensch mit „Nein“ beantworten. Wenn man den Deutschen etwas vorwerfen kann, dann dass der DFB überhaupt hingefahren ist und dass sich alle mehr über den Umgang mit LGPTQ echauffieren, als über den Tod von tausenden Arbeitern… ach entschuldigt ich meinte Arbeiter*innen. 

Wir reden immer mehr nur noch über BLA, BLA, BLA und vergessen die wirklich wichtigen Themen. 

Diese WM hat in meinen Augen gezeigt, dass die breite Masse der Menschen ob in Asien, in Europa, in Australien, in Amerika oder gerade in Lateinamerika nichts begriffen haben. Wir alle lassen gerne andere die Drecksarbeit machen, wenn wir dafür ein bisschen abgelenkt werden können, von unseren eigenen Problemen. Wenn andere dafür verheizt werden müssen, ist das bedauerlich aber mehr anscheinend auch nicht. 

Zum Schluss möchte ich ihnen beipflichten, dass kommende Jahrhundert wird uns Europäern mit Sicherheit nicht gehören. Deswegen könnte es in gar nicht allzu ferner Zukunft passieren, dass arabische Arbeitsagenturen auch in Europa ihre Arbeitswilligen und Gutgläubigen Familienväter- und Mütter anwerben, die dann, selbstverständlich unter besten Bedingungen und guter Bezahlung, die alten Stadien von 2022 für die nächste WM 2038 modernisieren. Das wäre dann wohl die Ironie des Lebens, die Angehörigen der gestorbenen nennen es Karma. 
Lieber Jens Berger, ihre Arbeit finde ich immer lesenswert, deswegen hoffe ich, dass sie diesen Brief nicht als Grundsatzkritik verstehen. Ich wünsche dem NachDenkSeiten Team frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr, auch wenn die Aussichten momentan eher bescheiden sind.

Mit freundlichen Grüßen, 
Kai Strick  


6. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Berger,

zwar ist richtig, was Sie schreiben, aber ich wehre mich gegen diese Vereinnahmung durch das “wir”. Damit tun Sie den Vielen Unrecht, die sich genau wie Sie gegen die Arroganz der Herrschenden wenden.

MfG
G. Nesemann


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