Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- “Wir brauchen eine Nato ohne die USA”
- Deutsche Ablehnung für Macrons Vorstoß
- Merkel entlarvt die Doppelzüngigkeit des Westens
- Baerbock wirbt vergeblich
- Seid gefasst: Der Wirtschaftskrieg geht in die nächste Runde
- CETA-Ratifizierung: Opposition und grüne Basis sind wütend
- Überfüllte Kinderkliniken: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte spricht von Inkompetenz im Bundesgesundheitsministerium
- Corona: Der Staat sollte sich bei den Ungeimpften entschuldigen!
- Lindners Aktienrente: „Mit Staatsknete zu spekulieren, ist nicht die Lösung“
- Rinks wie lechts
Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- “Wir brauchen eine Nato ohne die USA”
Oskar Lafontaine über das nordatlantische Bündnis, den Ukraine-Krieg, eine idiotische Logik in den Medien und eine “faschistoide Stimmung”.
Der ehemalige Kanzlerkandidat und Finanzminister der SPD, später dann berühmter Aussteiger bei den Sozialdemokraten und führender Vertreter der Linken, Oskar Lafontaine, dürfte das umstrittenste Buch dieses Winters geschrieben haben.
Schon der Titel “Ami, it’s time to go!” legt sich quer zum üblichen politischen Ton, wie er im politischen Räsonnement, in Kommentaren und Berichten in einem Milieu angeschlagen wird, das sich als maßgebend versteht. Dass Lafontaine sehr eigene Ansichten hat, gerade gegenüber westlichen Leitideen, ist an sich nichts Neues, aber gegenwärtig ist die politische Situation durch den Ukraine-Krieg, die wirtschaftliche Situation und die Kämpfe in den politischen Lagern besonders angespannt
Dazu kommt, dass seit einiger Zeit die Idee kursiert, dass eine neue Partei gegründet wird, mit Sahra Wagenknecht, der Ehefrau von Lafontaine, als mögliche große Figur. Da eine Zeitschrift der extremen Rechten Wagenknecht aufs Cover gebracht hat, setzt die Querfront-Debatte mit neuer Vehemenz ein.
Florian Rötzer hat sich mit Oskar Lafontaine über sein provokantes Buch und politische Entwicklungen unterhalten.
“Der Lafontaine ist antiamerikanisch”?
Sie haben gerade ein neues Buch mit dem sehr provokativen Titel Ami it’s time to go! veröffentlicht. Das schließt natürlich an die Zeiten der 70er-Jahre an, wo das im Rahmen des Vietnamkrieges zum Slogan wurde. Fürchten Sie nicht, dass das jetzt gleich in die Schiene kommt: “Der Lafontaine ist antiamerikanisch”, womit man Ihre Gedanken beiseitelegen kann?
Oskar Lafontaine: Ja, das ist der normale Reflex, dennoch muss man immer wieder versuchen, eine Debatte über vernünftige Sicherheitspolitik in Deutschland zu führen. Ich vertrete die Kernthese, dass eine Weltmacht, die die einzige Weltmacht bleiben will und deshalb Handelskriege, verdeckte Kriege, Drohnen- und Bombenkriege führt, niemals ein Verteidigungsbündnis anführen kann.
Deshalb sage ich, wir brauchen eine Nato ohne die USA, eine selbständige europäische Verteidigung. Wohin die USA uns führen, sieht man am Ukrainekrieg, der in Wirklichkeit eine Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland ist, was alle wissen, die noch nicht völlig von falschen Erzählungen vergiftet und in die Irre geführt worden sind.
Quelle: Telepolis
- Deutsche Ablehnung für Macrons Vorstoß
Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu möglichen Sicherheitsgarantien für Russland haben bei deutschen Politikern für Kritik gesorgt. »Solange Russland eine imperialistische Außenpolitik verfolgt, ist eine gesamteuropäische Friedensordnung unter Einschluss Russlands nicht möglich«, sagte beispielhaft Nils Schmid, der außenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, der Welt (Montagsausgabe). Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sprach sich im Springer-Blatt gegen »einseitige« Sicherheitsgarantien aus. »Wer sie fordert, muss zuerst einmal die zugesagten Sicherheitsgarantien für die Ukraine ausbuchstabieren.«
Macron hatte am Samstag zum Ukraine-Krieg gesagt, es werde darum gehen, »wie wir unsere Verbündeten schützen, indem wir Russland Sicherheitsgarantien geben, wenn es eines Tages wieder an den Verhandlungstisch kommt«.
Quelle: junge Welt
Anmerkung Christian Reimann: Wie bei Corona: Wer aus dem “wertewestlichen” Narrativ ausschert, wird niedergemacht – selbst wenn er der Präsident des Nachbar- und Partnerlandes Frankreich ist.
dazu: Sicherheitsgarantien für Russland! Kurzstreckendenker gefährden den Weltfrieden
Quelle: Oskar Lafontaine auf den NachDenkSeiten
dazu auch: Michael Brie: „Wir wähnten uns im Frieden und lebten umgeben von Kriegen“
Der Krieg in der Ukraine ist nicht der erste in Europa. Durch Umbrüche entstehen Konflikte und jetzt müssen wir einen Weg finden, im Krieg den Frieden vorzubereiten. Ein Gastbeitrag.
Dr. Michael Brie ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Der Krieg in der Ukraine geht bald ins zweite Jahr. Es ist nicht der erste Krieg in Europa seit 1990 und schon gar nicht der erste Krieg an den Grenzen Europas. In alphabetischer Reihenfolge könnte man unter anderem nennen: Afghanistan, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Irak, Jugoslawien, Kuwait, Libyen, Serbien und Kosovo, Syrien, Tschetschenien. Wir wähnten uns im Frieden und lebten umgeben von Kriegen. Die Welt ist im Umbruch und aus diesen Umbrüchen entstehen Konflikte, die zu Kriegen werden. Noch hat die Europäische Union, noch hat die Bundesrepublik darauf keine Antwort gefunden. Der Krieg in der Ukraine wird zum Testfall, ob es gelingt, einen Ausweg aus dieser Spirale immer neuer Kriege zu finden. Die Römer hatten den Leitfaden: Si vis pacem para bellum (Wenn Du Frieden willst, bereite den Krieg vor). Wir aber müssen jetzt im Krieg endlich dauerhaften Frieden vorbereiten. Frieden kann man nur vorbereiten, wenn man sich den Ursachen des Krieges stellt. Solange man von der Vorstellung ausgeht, dass Russlands Politik die alleinige Ursache des Krieges in der Ukraine ist, ist Frieden unmöglich.
Quelle: Michael Brie in Berliner Zeitung
- Merkel entlarvt die Doppelzüngigkeit des Westens
(Eigene Übersetzung)
Krieg, so scheint es, war die einzige Option, die Russlands Gegner je in Betracht gezogen hatten.
Die jüngsten Äußerungen der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel werfen ein Licht auf das doppelzüngige Spiel, das Deutschland, Frankreich, die Ukraine und die Vereinigten Staaten im Vorfeld des russischen Einmarsches in die Ukraine im Februar gespielt haben.
Während der so genannte “kollektive Westen” (die USA, die NATO, die EU und die G7) weiterhin behauptet, Russlands Einmarsch in die Ukraine sei ein Akt “unprovozierter Aggression” gewesen, ist die Realität eine ganz andere: Russland wurde vorgegaukelt, es gebe eine diplomatische Lösung für die Gewalt, die nach dem von den USA unterstützten Maidan-Putsch in Kiew 2014 in der ostukrainischen Region Donbass ausgebrochen war.
Stattdessen wollten die Ukraine und ihre westlichen Partner lediglich Zeit gewinnen, bis die NATO ein ukrainisches Militär aufbauen konnte, das in der Lage ist, den Donbass in seiner Gesamtheit zu erobern und Russland von der Krim zu vertreiben.
In einem Interview mit dem Spiegel spielte Merkel letzte Woche auf den Münchner Kompromiss von 1938 an. Sie verglich die Entscheidungen, die der ehemalige britische Premierminister Neville Chamberlain gegenüber Nazi-Deutschland treffen musste, mit ihrer Entscheidung, die ukrainische Mitgliedschaft in der NATO abzulehnen, als das Thema auf dem NATO-Gipfel 2008 in Bukarest zur Sprache kam.
Indem sie die NATO-Mitgliedschaft hinauszögerte und später auf das Minsker Abkommen drängte, glaubte Merkel, der Ukraine Zeit zu verschaffen, um einem russischen Angriff besser widerstehen zu können, so wie Chamberlain glaubte, dem Vereinigten Königreich und Frankreich Zeit zu verschaffen, um ihre Kräfte gegen Hitlerdeutschland zu sammeln.
Die Schlussfolgerung aus diesem Rückblick ist verblüffend. Vergessen Sie für einen Moment die Tatsache, dass Merkel die Bedrohung durch Hitlers Nazi-Regime mit der durch Wladimir Putins Russland verglich, und konzentrieren Sie sich stattdessen auf die Tatsache, dass Merkel wusste, dass die Aufnahme der Ukraine in die NATO eine russische militärische Reaktion auslösen würde.
Anstatt diese Möglichkeit gänzlich auszuschließen, verfolgte Merkel stattdessen eine Politik, die die Ukraine in die Lage versetzen sollte, einem solchen Angriff standzuhalten.
Ein Krieg, so scheint es, war die einzige Option, die Russlands Gegner jemals in Betracht gezogen hatten. […]
Merkels Äußerungen decken sich mit denen, die der ehemalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko im Juni gegenüber mehreren westlichen Medien gemacht hatte. “Unser Ziel”, erklärte Poroschenko, “war es, erstens die Bedrohung zu stoppen oder zumindest den Krieg zu verzögern – um acht Jahre für die Wiederherstellung des Wirtschaftswachstums und den Aufbau schlagkräftiger Streitkräfte zu sichern.” Poroschenko machte deutlich, dass die Ukraine nicht in gutem Glauben an den Verhandlungstisch über die Minsker Vereinbarungen gekommen war.
Quelle: Scott Ritter auf Consortium News
- Baerbock wirbt vergeblich
Außenministerin in Indien: Neu-Delhi lehnt Konfrontation mit Russland ab.
Viel warme Worte gab es von Bundesaußenministerion Annalena Baerbock in Neu-Delhi, aber mit Blick auf die Haltung zu Russland beißt sich die BRD weiter die Zähne an Indien aus. Das Land habe nicht nur den Vorsitz der G20-Runde der führenden Industrie- und Schwellenländer übernommen, sondern auch globale Verantwortung, sagte Baerbock (Grüne) in der indischen Hauptstadt am Montag bei einem Treffen mit ihrem Amtskollegen Subrahmanyam Jaishankar. Unterzeichnet wurde ein Migrations- und Mobilitätsabkommen. Es soll unter anderem den Aufenthalt indischer Fachkräfte in Deutschland erleichtern. Baerbock schmeichelte den Gastgebern beim ersten offiziellen Besuch mit den Worten, sie fühle sich, »als würde man einen guten Freund besuchen«. Der Besuch hatte unter anderem zum Ziel, Indien stärker in die Konfrontation des Westens mit China einzubinden. Baerbock betonte demnach, im Unterschied zur Volksrepublik verbinde Deutschland mit Indien bereits eine lange »Wertepartnerschaft«. Zurückhaltend reagierte der indische Außenminister Jaishankar auf den EU-Preisdeckel für russisches Öl. Er verwies darauf, dass die Europäer seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine mehr fossile Energieträger aus Russland importiert hätten als die nächsten zehn Staaten weltweit zusammen.
Quelle: junge Welt
dazu: Berlin und das „asiatische Jahrhundert“
In Gesprächen in New Delhi hat Außenministerin Annalena Baerbock gestern um eine enge deutsch-indische Kooperation geworben und damit Indiens Zusammenarbeit mit Russland zu untergraben versucht. Ihr Besuch in der indischen Hauptstadt erfolgte wenige Tage, nachdem Indien zum 1. Dezember den G20-Vorsitz angetreten hatte. Diesen will es nutzen, um den globalen Süden zu stärken und gegen einige Elemente und Folgen der westlichen Sanktionspolitik vorzugehen, etwa die Hindernisse beim Export russischer Düngemittel, die die Versorgung beispielsweise afrikanischer Staaten mit Nahrung im kommenden Jahr gefährden. Wie Außenminister Subrahmanyam Jaishankar bei einer Pressekonferenz mit Baerbock bekräftigte, baut Indien außerdem seinen Handel mit Russland aus. Baerbock vereinbarte mit Jaishankar eine „Mobilitätspartnerschaft“, die „hochqualifizierte Fachkräfte und junge Leute aus Indien nach Deutschland“ holen soll, um das Angebot an Arbeitskräften auszuweiten. Zudem thematisierte sie Indiens Beziehungen zu China. New Delhi und Beijing haben sich zuletzt im Streben nach einem „asiatischen Jahrhundert“ angenähert. Dem Westen passt das nicht.
Quelle: German Foreign Policy
dazu auch: Barfuß in Delhi – Baerbocks regelbasierte Ordnung floppt in Indien
Quelle: NachDenkSeiten
- Seid gefasst: Der Wirtschaftskrieg geht in die nächste Runde
Bald greift das Öl-Embargo gegen Russland. Unser Kolumnist analysiert, warum das eine neue Teuerungswelle auslöst.
Die guten Nachrichten sinkender Börsenpreise für Strom- und Gas werden leider bald getrübt. Der Grund: Die EU setzt im Wirtschaftskrieg zur Attacke gegen Wladimir Putins Ölkonzerne an.
Gegen Russland, den bis vor kurzem noch größten Öl- und Diesellieferanten der EU, werden gleich mehrere Sanktionen umgesetzt. Ab dem 5. Dezember verbietet die EU, russisches Öl über Tanker in die EU zu schiffen. Zeitgleich soll gemeinsam mit den G7-Staaten ein Ölpreis-Deckel in Kraft treten, um Russland teure Exporte an andere Länder zu vermiesen. Die deutsche Regierung geht noch weiter und will bis Jahresende auch auf russisches Öl aus Pipelines verzichten. Ab Februar gilt das Embargo dann auch für Ölprodukte wie Diesel, Benzin und Heizöl. (…)
Die EU ist trotz ambitionierter Klimaziele immer noch ein Öl-Junkie. Ohne Öl geht hier nicht viel. Öl ist Energieträger und Rohstoff zugleich. Ohne Öl stünde der Verkehr lahm, die Chemieproduktion würde gedrosselt, die wummernde Wirtschaftsmaschine stünde still. Die EU muss Öl also woanders einkaufen. Das Problem: Öl ist knapp. Die größten Ölförderer der Welt haben sich zu einem großen Kartell zusammengeschlossen, dem OPEC-Kartell. Sie stimmen die Fördermengen ab, damit der Preis auf dem Weltmarkt so hoch ist, dass es sich für alle Öl-Förderer lohnt. Wenn die EU ihr Öl woanders einkauft, ist das kein neues, zusätzliches Öl, sondern sie konkurriert mit anderen Abnehmern über die bisherigen Mengen – und treibt so die Preise in die Höhe. Für alle wohlgemerkt. Auch für arme Entwicklungsländer, die am Wirtschaftskrieg gar nicht beteiligt sind.
Die Abnehmer, denen Deutschland das Öl aus den USA, Saudi-Arabien oder Norwegen wegkauft, müssen am Ende doch bei Putin kaufen. Kein Öl ist schließlich auch keine Lösung. Und Russland immerhin der zweitgrößte Öl-Exporteur der Welt. Nur weil die EU also auf russisches Öl verzichtet, bleibt es nicht im Boden. Verkauft wird trotzdem, dann sogar zu höheren Weltmarktpreisen – sofern die Logistik klappt.
Quelle: Maurice Höfgen in Berliner Zeitung
dazu auch: Energiekrise und Ölembargo: Preisdeckel mit undichten Stellen
Ab Montag gilt in EU- und G7-Staaten das Ölembargo. Damit der Ölpreis nicht explodiert, gibt es einen Preisdeckel – dessen Umsetzung wird schwierig.
Quelle: Eric Bonse in der taz
und: Streit um Bidens Subventionsprogramm: Handelskrieg von EU und USA droht
Die EU wirft den USA vor, mit Wirtschaftshilfen den Wettbewerb zu verzerren. Als Reaktion denkt die Kommission über ein eigenes Programm nach.
Bisher war es nur eine vage Drohung. Doch nun rückt die Gefahr eines „grünen“ Handelskriegs zwischen den USA und der EU näher. Als Reaktion auf den 430 Milliarden Dollar schweren „Inflation Reduction Act“ denkt die EU-Kommission in Brüssel über ein eigenes Subventionsprogramm für Elektroautos und erneuerbare Energien nach.
„Die neue selbstbewusste Industriepolitik unserer Konkurrenten erfordert eine strukturelle Antwort“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Für eine „gemeinsame europäische Industriepolitik“ brauche es „gemeinsame europäische Ausgaben“. Sie prüft die Lockerung der Beihilferegeln, um den EU-Staaten mehr Subventionen zu erlauben. Auch ein neues Schuldenprogramm für „grüne“ Industrien wird diskutiert. Denkbar sei ein schuldenfinanzierter „Souveränitätsfonds“, der auch kleineren Ländern zugutekommen würde.
Befeuert wird die Debatte durch die harte Haltung der USA.
Quelle: Eric Bonse in der taz
- CETA-Ratifizierung: Opposition und grüne Basis sind wütend
Vor der Wahl hatten die Grünen noch gegen das Freihandelsabkommen CETA demonstriert – nun wird es ratifiziert, mit Zustimmung der Grünen. (…)
In einer gemeinsamen Pressemitteilung hatten Attac Deutschland, Naturfreunde Deutschland und das Umweltinstitut München zuvor auf die Problematik des Abkommens hingewiesen. Zivilgesellschaftlichen Organisationen seien im Vorfeld der ersten Lesung nicht einmal 24 Stunden zur Anhörung eingeräumt worden. Auch zur Expertenanhörung seien sie im Gegensatz zu Industrievertretern nicht eingeladen gewesen. Die Organisationen kritisieren wie die Linkspartei das Fehlen des Wortlauts der Interpretationserklärung zum Investitionsschutz: Obwohl diese „als Voraussetzung für die zweite und dritte Lesung des Ratifizierungsgesetzes angekündigt worden war“, sei die finalisierte Fassung eine Woche vor der entscheidenden Abstimmung weder der Öffentlichkeit noch den Bundestagsabgeordneten bekannt gewesen.
Protest hatte es im Vorfeld von der grünen Basis gegeben: Eine Gruppe lokaler, freihandelskritischer Bündnisse im Netzwerk Gerechter Welthandel warf den Grünen Wortbruch vor. Die Gruppe schrieb an die Parteiführung: „Kaum an der Regierung, treibt die grüne Bundestagsfraktion mit SPD und FDP die deutsche Ratifizierung von CETA voran. Wohl wissend, dass bei CETA weder die Pariser Klimaziele noch die ILO-Kernarbeitsnormen noch sonstige Nachhaltigkeitsziele sanktionsbewehrt verankert sind. Sehenden Auges nimmt sie außerdem das Inkrafttreten des Investitionsschutzkapitels hin.“ Die Gruppe fragt: „Warum wirft die grüne Bundestagsfraktion ausgerechnet zur Zeit des fortschreitenden Klimawandels und Artensterbens grüne Überzeugungen über Bord und schafft ohne Not eine neue mächtige Paralleljustiz für globale Konzerne?“
Quelle: Berliner Zeitung
- Überfüllte Kinderkliniken: Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte spricht von Inkompetenz im Bundesgesundheitsministerium
Vor dem Hintergrund überfüllter Kinderstationen hat der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Bundesgesundheitsminister Lauterbach Inkompetenz vorgeworfen.
Dessen Vorschlag, zur Bekämpfung der Personalnot Ärzte und Pflegekräfte aus anderen Abteilungen abzuziehen, sei realitätsfremd, sagte Bundessprecher Maske im Deutschlandfunk. Zum einen seien Kinder keine kleinen Erwachsenen, zum anderen reiße man dadurch nur Lücken an anderer Stelle auf. Lauterbach fahre mit seiner Politik die klinische Medizin in Deutschland weiter an die Wand.
Quelle: Deutschlandfunk
dazu: Nicht nur die Infektwelle bringt Kinderkliniken an den Rand des Zusammenbruchs: Tödliche Zustände
Ungewöhnlich viele Kleinkinder leiden derzeit unter Atemwegserkrankungen. Die Eltern der erkrankten Kinder sind verzweifelt. Sie treffen auf ein Gesundheitssystem, das nicht mehr in der Lage ist, den Kleinsten zu helfen. Nach zwei Jahren Pandemie, ständigen Sparmaßnahmen und 20 Jahren Fallpauschalen steht es kurz vor dem Zusammenbruch. Fiebersaft, ein Medikament, das Kinderärzte bei Atemwegserkrankung immer verschreiben, ist nur schwer zu bekommen, ein Termin beim Kinderarzt noch schwerer. Eine Behandlung im Krankenhaus wird zur Glückssache, da bis zu 40 Prozent der Betten wegen Personalmangels nicht genutzt werden können. In ganz Deutschland gibt es kaum noch freie Intensivkapazitäten für Kinder. (…)
Der Bundestag reagierte am vergangenen Freitag mit einer „kleinen“ Krankenhausreform. 300 Millionen Euro sollen die etwa 350 Kinderkliniken in Deutschland im kommenden Jahr extra bekommen. Das wird nicht reichen. (…)
Eine flächendeckende Versorgung, mehr Geld oder mehr Personal für das Gesundheitswesen soll die mit viel Tamtam angekündigte Krankenhausreform jedoch nicht bringen. (…) Monetär ist die Reform ein Nullsummenspiel, die vorhandenen Mittel würden lediglich umverteilt. (…) Es ist ähnlich wie bei Hartz IV. Ein paar Almosen, ein neuer Name, das System bleibt. Profitorientierung, Sparzwänge und Fallpauschalen haben ein lebensbedrohliches Gesundheitssystem geschaffen. Das spüren derzeit nicht nur die Kleinsten. Immer deutlicher wird, dass die Überforderung der Krankenhäuser keine Ausnahmeerscheinung ist, die durch Pandemien oder höhere Mächte herbeigeführt wird, sondern das logische Resultat einer mörderischen Politik im Sinne der Hedgefonds und Krankenhauskonzerne.
Quelle: unsere zeit
und: Notstand die Regel
Kinderkliniken werden seit Jahren kaputtgespart. Bettenzahl sinkt weiter. Regierung hält an neoliberalem Programm fest.
Planbare Hüftgelenkoperationen bei Kleinkindern sind eher selten. Wenn ein Kind in die Klinik muss, ist es in aller Regel ein Notfall. Und wie Notaufnahmen lohnen sich Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin in einem Finanzierungssystem nicht, das auf Pauschalen für bestimmte Diagnosen beruht. Die Fixkosten für die Vorhaltung von medizinischen Geräten und Personal sind – gemessen an den Fällen, die am Ende behandelt werden – zu groß. In der Folge werden Kapazitäten in der Kinder- und Jugendmedizin immer weiter abgebaut. Wie am Donnerstag aus Daten des Statistischen Bundesamts auf Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervorging, wurde die Zahl der Betten in Kinderkliniken von 2020 bis 2021 um 288 auf 25.920 reduziert. Von 2018 bis 2020 hatte sich die Zahl der Betten zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen laut der Wiesbadener Behörde bereits um 455 verringert. Kommt eine Welle von Infekten der oberen Luftwege, wie derzeit, gerät die Kinder- und Jugendmedizin an ihre Grenzen
Quelle: junge Welt
- Corona: Der Staat sollte sich bei den Ungeimpften entschuldigen!
Es wird Zeit, einen Dialog zu führen über das Unrecht, das Kritikern der Corona-Maßnahmen angetan wurde. Der nächste Teil unserer Corona-Debattenserie. (…)
Michael Andrick spricht vielen Menschen aus der Seele. Er hält nach dem Umgang der staatlichen Institutionen mit der Corona-Krise „alles für möglich“ und konstatiert in seinem wortgewaltigen, beklemmenden Beitrag: „Die Verfassung wurde vom gesamten Staatspersonal verraten.“
Auch Tomasz Kurianowicz spricht vielen Menschen aus der Seele. Er beschreibt seine „Todesangst“, hat Verständnis für eine „schwierige Abwägungssache“ und dankt der Bundesregierung für den Schutz seiner Familie.
Haben die beiden Autoren tatsächlich, wie Kurianowicz sich ausdrückt, ein „ganz unterschiedliches Realitätsbewusstsein“ entwickelt? (…)
Andricks Ausführungen stellen sich nicht als „Rückblick“ dar, sondern sie sind vielmehr eine dichte Zusammenfassung dessen, was sich von Beginn der Corona-Krise an nach und nach offenbarte. Am ersten Tag des „Lockdowns“ – übrigens ein Begriff aus dem Strafvollzug – im März 2020 habe ich einen kritischen Diskurs angemahnt und davor gewarnt, dass wir andernfalls auf einen Zustand zusteuern, „in dem Unsicherheit und Angst bald über Wochen, Monate und Jahre aufrechterhalten bleiben.“
Jene zwei Ängste, die Andrick und Kurianowicz eindrücklich schildern, standen sich bereits Ende 2020 unversöhnlich gegenüber und veranlassten mich, über das besorgniserregende „gesellschaftliche Gegeneinander“ zu schreiben. Der Rechtsstaat hat sich indes tatsächlich als nicht krisenfest erwiesen, sodass Andrick in seiner Schlussfolgerung beizupflichten ist: „Der Mut der Justiz, Grundrechte konsequent zu verteidigen, ist zu schwach.“ (…)
Seit langem ist die Verengung des Meinungskorridors zu beobachten und eine Verstetigung des Krisenzustands (Maskenpflicht) zu befürchten. Die „politische Solidarität“, die Kurianowicz empfindet, empfand ich 2020 als „falsch verstandene Solidarität“ und beklagte zudem eine „Doppelmoral“, die sich beispielsweise am menschenunwürdigen Umgang mit Geflüchteten an den europäischen Außengrenzen zeigte, aber auch darin, dass sozial besonders vulnerable Gruppen die Maßnahmen härter trafen als beispielsweise die intellektuelle Oberschicht, die mit ihren Familien in geräumigerem Wohnraum lebte, von dort arbeiten und ihre Kinder beschulen konnte.
Ich schätze beider Autoren offenherzige Beiträge sehr und hoffe auf einen echten, wertschätzenden Dialog. Dabei gilt: Gefühle – oder das Realitätsbewusstsein – sind nicht verhandelbar. Aber sie können täuschen.
Quelle: Jessica Hamed in Berliner Zeitung
Anmerkung Christian Reimann: Kürzlich hat auch der „Cicero“ eine dreiteilige Folge mit Zehn Thesen zur Aufarbeitung der Corona-Krise gestartet.
- Lindners Aktienrente: „Mit Staatsknete zu spekulieren, ist nicht die Lösung“
Herr Höfgen, der Finanzminister will die Rente durch Aktien stärken. Was halten Sie von dieser Idee?
Mit Staatsknete an der Börse zu spekulieren, ist nicht die Lösung des Rentenproblems. Damit zwackt der Finanzminister zwar Gewinne aus ausländischen Unternehmen ab, aber sorgt nicht dafür, dass in Deutschland mit weniger Erwerbstätigen und mehr Rentnern noch genug produziert wird. Das ist aber das eigentliche Rentenproblem. Eine alternde Gesellschaft muss produktiver werden und alle Arbeitskräfte, die es gibt, nutzen. Dafür braucht es Investitionen und Vollbeschäftigungspolitik, aber keine Spekulationsgewinne an der Börse. Im Gegenteil: Jeder Euro, der in Aktienfonds fließt statt in die Wirtschaft, fehlt dort an Nachfrage.
Eine Finanzierung des Pakets soll notfalls über neue Schulden erfolgen.
Der Finanzminister verstrickt sich in Widersprüchen. Immerhin ist er strenger Verfechter der Schuldenbremse, will die sogar am liebsten in den Kommunen einführen. Schulden für Schulen, Straßen und energetische Sanierungen seien schlecht, aber Schulden für Börsenspekulation gut? Das passt nicht zusammen. Ein Totalverlust der Anlagen ist natürlich unwahrscheinlich, dafür müsste die Welt untergehen. Aber die Börse unterliegt gewissen, üblichen Schwankungen.
Unabhängig von der Aktienrente: Welche Möglichkeiten gäbe es, um die Rentenbeiträge zu stabilisieren und das Niveau zu erhöhen? Was müsste sich am System ändern?
Rund 100 Milliarden Euro schießt der Bund mittlerweile Jahr für Jahr aus dem Staatshaushalt in die Rentenkasse. An sich erstmal nicht schlimm, aber unter der Schuldenbremse werden andere Ausgaben verdrängt. Zuschießen muss der Staat, weil die Beiträge nicht reichen. Viele Menschen zahlen etwa kaum ein, weil sie Niedriglöhne verdienen. Die Agenda 2010 hat Deutschland zu einem der größten Niedriglohnländer Europas gemacht.
Quelle: FR Online
- Rinks wie lechts
Für den Berliner Tagesspiegel ist die Sache klar. »Das einst linke Portal Nachdenkseiten (NDS) blinkt nach rechts«, befand Autor Matthias Meisner am 16. November über »eines der reichweitenstärksten Parallelmedien im deutschsprachigen Raum«. Belege? NDS-Chefredakteur Jens Berger habe der AfD als einziger Partei eine »progressive friedenspolitische Antwort« auf den Ukraine-Krieg bescheinigt. Tatsächlich hatte dieser eine Rede des AfD-Abgeordneten Alexander Gauland im Bundestag von Ende April gelobt, die »man eigentlich aus den Reihen der SPD, ja im Idealfall sogar vom Bundeskanzler hätte erwarten müssen«. Zum Beispiel sagte Gauland, die Russen erlebten seit langem ein »unaufhaltsames Vorrücken eines ihnen entgegengesetzten Militärbündnisses gegen die russischen Grenzen«, und es sei »falsch, diesen Konflikt mit schweren Waffen anzuheizen«.
Muss man diese richtigen Einlassungen verschweigen, weil sie aus dem falschen Munde kommen? Seit den Anfängen der Coronakrise hat hierzulande der Gagadiskurs Hochkonjunktur, und jeder mit »Haltung« sollte eigentlich längst sein Fahrrad verschrottet haben, weil es Nazis geben soll, die auch gerne radeln. Kein Zufall ist es, dass die NDS gerade in diesen Zeiten ein Schreiben des Finanzamtes Landau erreicht hat, in welchem dem Trägerverein der Entzug der Gemeinnützigkeit zum Jahresende angekündigt wird. Die Betreiber verfolgten mit dem Betrieb des Politblogs »weder die Volksbildung noch einen anderen (…) gemeinnützigen Zweck«, lautet die Begründung, nachdem die NDS in davor 19 Jahren nichts anderes getan hatten, als gesellschaftliche Aufklärung zu betreiben.
Initiiert wurde das Projekt als Reaktion auf den Rechtsruck der SPD, die seinerzeit Gerhard Schröders »Agenda«-Politik samt Hartz-Reformen und Angriffskrieg gegen Jugoslawien möglich gemacht hat. Gründer und Herausgeber ist der einst für Willy Brandt und Helmut Schmidt im Kanzleramt tätige Albrecht Müller, der das Angebot als linke Alternative zu den herrschenden neoliberalen Dogmen aufbaute, das schwerpunktmäßig Themen wie Rentenklau, Privatisierungen, Militarisierung, Staatsterror und die Kriege des Westens behandelt. Das alles wurde von den Herrschenden lange geduldet, aber dann kam die Pandemie. Anfangs noch auf Regierungslinie, schwenkten die NDS später auf die der Maßnahmenkritiker um, warnten vor Kollateralschäden durch Lockdowns, Schul- und Kitaschließungen und dem Versteckspiel mit Intensivbetten. Derlei Differenzierung läuft beim heutigen Zeitgeist unter »Verschwörungsmythen« und »Querdenker«, und das Stigma wurde den NDS prompt angeheftet.
Quelle: Ralf Wurzbacher in junge Welt