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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 19. April 2011 um 8:31 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Die Quittung der Skeptiker; S&P schockiert Amerika; In 2012 sind Gewinne von 1.000 Milliarden möglich; Merkel riskiert Verfassungskrise in Deutschland; Griechen misstrauen Regierung und Opposition; Jürgen Habermas: Europapolitik – Merkels von Demoskopie geleiteter Opportunismus; Sparen bei den Schwächsten; Schuldenhochburg Berlin; Manager als Totschläger; Die Schrecken der Meere Frachter verpesten die Umwelt; Teure Privatisierung; Vorratsdatenspeicherung; Libyen; Saudi-Arabien; Ungarn; Zahl der gewaltbereiten Neonazis nimmt zu; Jahrestag der US-Ölpest; Umweltschutz predigen, Dreckschleudern fahren; Wie viel Porsche verträgt Grün?; Nachtrag zu Hinweis 16 vom 18.4.2011 (KR/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Die Quittung der Skeptiker
  2. S&P schockiert Amerika
  3. In 2012 sind Gewinne von 1.000 Milliarden möglich
  4. Merkel riskiert Verfassungskrise in Deutschland
  5. Griechen misstrauen Regierung und Opposition
  6. Jürgen Habermas: Europapolitik – Merkels von Demoskopie geleiteter Opportunismus
  7. Sparen bei den Schwächsten
  8. Schuldenhochburg Berlin
  9. Manager als Totschläger
  10. Die Schrecken der Meere Frachter verpesten die Umwelt
  11. Teure Privatisierung
  12. Vorratsdatenspeicherung: Schwarz-gelber Osterkrimi
  13. Libyen – Am Anfang war der Rote Scheich – Eine kleine Geschichte des libyschen Öls
  14. Saudi-Arabien – Ein Regime wird belagert
  15. Ungarn – Verfassungsputsch
  16. Zahl der gewaltbereiten Neonazis nimmt zu
  17. Jahrestag der US-Ölpest: Wir finden heraus, wie groß dieses Ding ist
  18. Umweltschutz predigen, Dreckschleudern fahren
  19. Wie viel Porsche verträgt Grün?
  20. Nachtrag zu Hinweis 16 vom 18.4.2011

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die Quittung der Skeptiker
    Der Populist Soini hat bei den finnischen Wahlen auch mit seiner Euro-Schelte gepunktet. Tatsächlich wächst vielerorts die Distanz zur EU. Sie muss sich wieder mehr den Bürgern zuwenden. […]
    Die Regierenden der EU-Staaten haben es versäumt, den Menschen klarzumachen, was die Einheit Europas bedeutet. Die Finnen sind dafür ein gutes Beispiel. 1994 meldeten sie sich unter die Europafahne, als sie in der schwersten Wirtschaftskrise seit dem Krieg steckten und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion ein Bündnis mit Westeuropa möglich war. Der Eigennutz war leicht verständlich. Doch dass anschließend finnische Regierungen ihr Land zum „Kernland“ der EU machen wollten, geschah ohne Einbeziehung der Wähler, und je stärker die Integration voranschritt, desto skeptischer wurde die Bevölkerung. Dafür gibt es jetzt die Quittung. Die Zeiten, in denen Finnland zu den willigen Hilfstruppen der Föderalisten zählte, sind wohl vorbei.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  2. S&P schockiert Amerika
    Die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) erwägt eine Herabstufung der USA. Die Bonitätswächter bestätigten am Montag zwar die Top-Note “AAA” für die Vereinigten Staaten, änderten den Ausblick aber von “stabil” auf “negativ”. Dies bedeute, “dass die Wahrscheinlichkeit einer Herabstufung der USA innerhalb der nächsten zwei Jahre mindestens bei 1 von 3 liegt”, sagte die S&P-Analystin Nikola Swann. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte in der vergangenen Woche gewarnt, das Haushaltsdefizit der USA werde in diesem Jahr voraussichtlich auf 10,8 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen und damit die Neuverschuldung aller anderen Industrieländer übertreffen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Was ist hier eigentlich schockierend? Die Zahlen zur Staatsverschuldung und zum Haushaltsdefizit der USA sind längst bekannt. Schockierend ist eher, dass eine einzelne Ratingagentur eine solche Reaktion an den Märkten auslösen kann. Auch die Prognose des IWF wie auch das Hickhack um die Konsolidierung der Staatsfinanzen in Washington ist den Marktteilnehmern bekannt. Man fragt sich, warum die diversen Akteure an den Finanzmärkten eine Heerschar von Analysten beschäftigen, wenn diese erst auf eine Nachricht einer Ratingagentur reagieren und nicht selbstständig eine Einstufung von Staatsanleihen oder Firmen vornehmen können. Man fragt sich, was schlimmer ist: die Macht der Ratingagenturen oder Inkompetenz der Analysten?

  3. In 2012 sind Gewinne von 1.000 Milliarden möglich
    Die Unternehmen, deren Aktien im S&P-500-Index enthalten sind, werden ihre Gewinne weiter steigern können. Allerdings werden die Zuwächse im Jahresvergleich abnehmen, erklärt Dirk von Dijk, Direktor bei Zacks Investment Research.
    Der Markt rechnet auf Sicht trotz der hohen Energie- und Rohstoffpreise mit steigenden Margen. Im kommenden Jahr sollten die betrachteten Unternehmen gemeinsam erstmals in der Geschichte mehr als eine Billion Dollar verdienen, so der Konsens.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Jens Berger: Sollten sich die Regierungen noch fragen, woher sie das Geld für die steigenden Staatsausgaben nehmen sollen …
    Das Geld liegt auf der Strasse, nur bücken müssen sich unsere Volksvertreter schon selbst.

  4. Merkel riskiert Verfassungskrise in Deutschland
    Deutschland begibt sich mit seiner Hilfe für strauchelnde Euro-Länder auf juristisches Glatteis. Experten sehen einen Verfassungsbruch, sollte die Kanzlerin nicht das Okay des Bundestags für die Finanzspritzen einholen.
    In der Debatte über künftige Milliardenhilfen für strauchelnde Euro-Länder mehren sich die Forderungen nach einer strengen Kontrolle durch das Parlament. Nicht nur der Bundestag rebelliert dagegen, dass die Bundesregierung quasi im Alleingang Steuergelder für die Rettung von Pleitestaaten in der Euro-Zone bereitstellt. Auch profilierte Wissenschaftler begehren auf. “Wenn jetzt sogar das Budgetrecht des Parlaments ausgehöhlt wird, droht Deutschland eine Verfassungskrise”, meint etwa Joachim Wieland, Staatsrechtler an der Universität Speyer, in einem Gastbeitrag für das Handelsblatt. Der Bundestag müsse seine Rechte verteidigen, damit er nicht zum “Akklamationsorgan für die Regierung” verkomme. “Das Volk erwartet von seinen Repräsentanten mit Recht mehr Standhaftigkeit.”
    Quelle: Handelsblatt

    Kommentar AM: Das ist alles so daher gesagt, ohne zu bedenken, dass es manchmal Handlungszwänge gibt.

  5. Griechen misstrauen Regierung und Opposition
    Die Finanzmisere in Griechenland wächst sich immer mehr zu einer Krise des politischen Systems aus. 81 Prozent sehen ihr Land „auf dem falschen Weg“. Rund 90 Prozent vertrauen weder der Regierung noch der konservativen Opposition.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Kommentar AM: Korrekter wäre es, wenn zu Anfang formuliert wäre: „Die Finanzkrise, die mit Lust in gang gesetzten Spekulationen gegen Griechenland und die Auflagen von IWF und EU …“.

  6. Jürgen Habermas: Europapolitik – Merkels von Demoskopie geleiteter Opportunismus
    An Gründen für eine europäische Gemeinschaft fehlt es nicht, doch die politischen Eliten setzen unverfroren die Entmündigung der Bürger fort. Auch die deutsche Politik folgt schamlos dem opportunistischen Drehbuch der Machtpragmatik. Merkels Atommoratorium ist das auffälligste Beispiel. Im Fall Guttenberg hat sie sogar das rechtsstaatliche Amtsverständnis kassiert.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Dagegen, speziell was die EU-Bürokratie betrifft:
    Brüssel ist die Maschine, die unsere Realität produziert. Hans Magnus Enzensberger und Jürgen Habermas kritisieren die EU. Doch stimmt das Bild vom bürokratischen Monster? Der Schriftsteller Robert Menasse widerspricht:
    “Und die Kritik von Hans Magnus Enzensberger an der EU wäre sogar ganz besonders berechtigt – wenn die Prämissen seiner Kritik stimmten: dass die Bundesrepublik das Glanzstück einer lebendigen Demokratie darstellt, während die EU institutionell ein undemokratisches Monster ist. Nun hat aber die Bundesrepublik, wie jeder Nationalstaat in der Union, erhebliche Demokratiedefizite, die ja auch der Grund für das Phänomen der “Wutbürger” sind.”
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ein Auszug aus dem Essay von Hans Magnus Enzensberger, auf den sich Robert Menasse bezieht, bietet der Spiegel.

    Siehe auch seine Rede zum Sonning-Preis.

    Menasse recherchiert zurzeit im Milieu der Brüsseler EU-Behörden für seinen neuen Roman. Siehe hierzu: “Robert Menasse over de Europese Unie en de Europese Commissie [PDF – 97 KB]

    Zu allen Beiträgen ließe sich Manches – auch Kritisches – anmerken, zum Nachdenken regen sie allemal an. In allen Beiträgen kommt allerdings ein ganz wesentlicher Erfolg kaum zur Sprache, der Erfolg der großen Industrie. Die Europäische Union in ihrer heutigen Form dient vor allem den Interessen des Kapitals. Man schaue sich nur einmal die Liste der Mitglieder des European Round Table of Industrialists an, der Mutter aller Lobbies, und vergegenwärtige sich, dass das von der Kommission präsentierte Weißbuch zum Europäischen Binnenmarkt (1985) ein Grundlagenpapier des ERT eins zu eins umsetzte. Bis heute bildet die Kommission eine quasi symbiotische Beziehung mit dem ERT, das von der Lissabon-Strategie bis zu einzelnen Infrastrukturprojekten wie dem Tunnel zwischen Frankreich und Großbritannien einem Einfluss geltend machte. Das Ziel der Lissabon-Strategie, die EU “zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen”, läuft, wie an der Dienstleistungsrichtlinie zu sehen ist, auf die Aufhebung nationalen Vorschriften und Standards hinaus, die das europäische Kapital als Hindernisse für seine wirtschaftliche Expansion betrachtet.

  7. Sparen bei den Schwächsten
    Ursula von der Leyen vergisst bei den Kürzungen von Ein-Euro-Jobs den entscheidenden Punkt: Eine schlechte Förderung für Langzeitarbeitslose ist immer noch besser als gar keine. Dass sie nur bei den Schwächsten kürzt, ist ein Armutszeugnis. […]
    Doch von der Leyen vergisst bei ihrem Vorgehen einen, den entscheidenden Punkt: Eine schlechte Förderung für Langzeitarbeitslose ist immer noch besser als gar keine. Allein der geschenkte Aufschwung wird nicht reichen, um den Menschen mit den größten Problemen eine echte Chance zu geben. Doch in der Arbeitsmarktpolitik freut sich die Koalition über die gute Konjunktur und beschränkt sich ansonsten darauf zu kürzen und zu streichen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  8. Schuldenhochburg Berlin
    In keinem Bundesland sind so viele Menschen überschuldet wie in Berlin. Ein neues Gesetz soll ihnen helfen.
    Von Aufschwung keine Spur: Während sich die Wirtschaft erholt, wächst in vielen Haushalten die Schuldenlast. „Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise erreichen die Schuldnerberatungsstellen erst jetzt“, sagt Claus Richter, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Schuldner- und Insolvenzberatung. 6,5 Millionen Menschen sind nach Berechnungen der Auskunftei Creditreform überschuldet, und die Zahl wächst weiter.
    Besonders dramatisch ist die Situation in Berlin. Beim Ende März vorgestellten Schufa-Kreditkompass landete die Hauptstadt im Vergleich der Bundesländer 2010 nicht nur erneut auf dem letzten Platz, die Lage hat sich noch einmal verschlechtert: Der sogenannte „Privatverschuldungsindex“, der den Anteil ver- und überschuldeter Menschen an der Gesamtbevölkerung zählt, stieg von 12,1 auf 12,4 Prozent und ist damit höher als in jedem anderen Bundesland.
    „Die Berliner kommen immer häufiger in existenzbedrohende Situationen“, sagt Claus Richter. „Bei Alleinerziehenden und Familien ist das Armutsrisiko besonders hoch.“ Doch auch im übrigen Bundesgebiet nehmen die Probleme zu. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen erreichte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2010 mit 108 798 Verfahren einen neuen Höchststand.
    Quelle: Tagesspiegel
  9. Manager als Totschläger
    Sechzehn Jahre und sechs Monate Haft für den ThyssenKrupp-Manager Harald Espenhahn, außerdem Haftstrafen zwischen zehn und 13 Jahren für fünf weitere Manager der italienischen Tochter des deutschen Stahlkonzerns: Noch nie in der jüngeren Geschichte wurde ein Arbeitsunfall in Italien so schwer geahndet wie jetzt die Brandkatastrophe vom Dezember 2007 im ThyssenKrupp-Werk Turin, bei der sieben Arbeiter starben. – Rechtsgeschichte aber schrieb das am Freitag in Turin verkündete Urteil vor allem deshalb, weil es Espenhahn vorsätzlichen Totschlag zur Last legt: Wenn ein Manager um die Risiken am Arbeitsplatz wisse, wenn er die nötigen Investitionen in Sicherheit und Brandschutz unterlasse, dann nehme er Tote bewusst in Kauf. Das Urteil steht so für eine Wende in der Haltung nicht bloß der Justiz, sondern der ganzen Gesellschaft gegenüber Unfällen am Arbeitsplatz.
    Quelle: taz
  10. Die Schrecken der Meere Frachter verpesten die Umwelt
    Früher nannte man Piraten die “Schrecken der Meere”. Heute sind das die Schiffe, die die Weltmeere befahren: Alleine die 15 größten Frachter produzieren so viel Schwefel- und Stickoxide wie alle Pkw – weltweit. Möglichkeiten, die Schifffahrt sauberer zu machen, gibt es schon, aber sie werden kaum genutzt.
    Quelle: BR Online
  11. Teure Privatisierung
    Hamburg hat seine Krankenhäuser privatisiert – und zahlt dafür immer noch drauf. Allein 2010 mußte die Freie und Hansestadt über 36 Millionen Euro für die Rückkehr von Klinikbeschäftigten in den öffentlichen Dienst ausgeben. Im Vorjahr waren es sogar fast 47 Millionen Euro. Das berichtet das Hamburger Abendblatt (Montagausgabe) unter Berufung auf ein Behördenpapier. Seit dem Verkauf von sieben kommunalen Krankenhäusern an die private Asklepios-Gruppe seien für die Stadt Personalkosten in »dreistelliger Millionenhöhe« angefallen. Rund 750 ehemalige Klinikmitarbeiter sind in Bezirksämtern und Behörden zwischengeparkt, ohne eine sinnvolle Beschäftigung auszuüben. Die Kosten dafür tragen die Steuerzahler, nicht etwa der Asklepios-Konzern.
    Anfang 2005 hatte die damalige CDU-Alleinregierung den Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) privatisiert. Zuerst gingen 49,9 Prozent der Anteile und die unternehmerische Leitung für knapp 320 Millionen Euro an das Unternehmen Asklepios. 2007 erhielt der Gesundheitskonzern weitere 25 Prozent der Aktien. Hamburg hält heute nur noch eine Sperrminorität von 25,1 Prozent. Die Beschäftigten erhielten damals eine Garantie des Senats, daß sie in den öffentlichen Dienst zurückkehren dürften. Nach dem gleichen Modell wurde 2007 der städtische Dienst pflegen & wohnen verkauft. Die CDU hatte mit maximal 500 rückkehrwilligen LBK-Beschäftigten gerechnet. Tatsächlich gingen beinahe 1500 Angestellte wieder in den Staatsdienst.
    Quelle: Junge Welt
  12. Vorratsdatenspeicherung: Schwarz-gelber Osterkrimi
    Wer hat mit wem wie lange telefoniert? Wer an wen eine E-Mail verschickt? Wer wann und wie oft welche Internetseiten aufgerufen? Die Vorratsdatenspeicherung ist das Horten von Daten in riesigem Umfang. Die EU will Deutschland jetzt zur Umsetzung einer Richtlinie zwingen. Drei Gründe, wieso beim Thema Vorratsdatenspeicherung nicht weggehört werden darf.
    Ein Kommentar von Heribert Prantl
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

    Siehe dazu auch:

    AK Vorrat fordert europaweites Vorratsdatenspeicherungs-Verbot
    Die von der EU-Kommission angeführten Statistiken und Einzelfälle belegen die Notwendigkeit einer Erfassung aller Verbindungsdaten nicht. Die EU muss zur Kenntnis nehmen, dass eine Vorratsdatenspeicherung weder die Quote der aufgeklärten Straftaten erhöht noch die Zahl der begangenen Straftaten vermindert hat. Die EU muss ihr Vorratsdaten-Experiment daher sofort abbrechen und den völlig unverhältnismäßigen Zwang zur Totalspeicherung aller Verbindungsdaten von 500 Mio. Europäern durch ein Verfahren zur gezielten Aufbewahrung der Daten Verdächtiger ersetzen.
    Quelle: AK Vorratsdatenspeicherung

  13. Libyen – Am Anfang war der Rote Scheich – Eine kleine Geschichte des libyschen Öls
    Auf den ersten Blick ist es unerklärlich. Selbst die wenigen Partner, die mit ihm Geschäfte machten, hielten ihn für unberechenbar, sprunghaft und bizarr. US-Präsident Ronald Reagan nannte ihn 1986 “the mad dog of the Middle East”1 – den Irren von Nahost. Und schickte die 6. US-Flotte nach Libyen, ließ Tripolis bombardieren und setzte ein strenges Erdölembargo durch. Jetzt war der Mann offiziell zum Schurken geworden. Zwanzig Jahre später hatte Oberst Muammar al-Gaddafi das Kunststück fertiggebracht, dass sein Land zur führenden Gruppe der erdölexportierenden Länder gehörte und das nicht zuletzt mit Hilfe der großen US-Ölkonzerne. Wie hat er das geschafft?
    Sicher ist, dass “der Ölmagnat Gaddafi” auf wirtschaftlichem Gebiet mehr Vernunft gezeigt und vorsichtiger agiert hat als bei seinen diversen innen- oder außenpolitischen Initiativen. Sicher ist auch, dass die Ölkonzerne aus aller Welt gelernt haben, sich in dem besonders instabilen, wenn nicht sogar feindlichen libyschen Umfeld zurechtzufinden – und Geld zu verdienen, viel Geld. Dennoch ist das Ganze ein Paradox.
    Quelle: Le Monde diplomatique
  14. Saudi-Arabien – Ein Regime wird belagert
    Die Monarchie will sich mit gewaltigen finanziellen Zuwendungen und Sozialtransfers von Aufruhr und Revolution freikaufen, um so den Status quo einfrieren zu können. Während die saudische Elite nervös auf das Ausland schaut, klafft im Inneren die Lücke zwischen der konservativen Ideologie des Regimes und der modernen urbanen Realität immer weiter auseinander. Das schürt Unzufriedenheit, und zwar quer durch die ganze Gesellschaft. So weiß sich das saudische Regime derzeit in einer wenig komfortablen Lage. Im Westen ist ihm mit Ägyptens Diktator Mubarak ein wichtiger Alliierter abhanden gekommen. Im Norden befinden sich Syrien und Jordanien fest im Griff einer Protestwelle, die keine Anzeichen von Ermüdung zu erkennen gibt. An seiner Südgrenze toben die Aufstände in Jemen und Oman. Nach Bahrain hat das Regime sogar Soldaten entsandt, um den Einfluss auf das winzige vom Khalifa-Clan beherrschte Königreich nicht zu verlieren und zu verhindern, dass noch mehr revolutionäre Funken auf die östlichen Provinzen Saudi-Arabiens überspringen. Denn dort lagern die größten Ölreserven des Landes, und dort leben auch die meisten Schiiten.
    Die Befürchtungen, die Unruhen könnten auf Saudi-Arabien übergreifen, sind mittlerweile nicht mehr weit hergeholt. Kurz nach dem Sturz des tunesischen Diktators starb ein später nicht mehr zu identifizierender 65-jähriger Mann in der Provinz Jizan, gleich an der Grenze zum Jemen, nachdem er sich selbst angezündet hatte. Forderungen nach politischen Reformen, der Wahl eines königlichen Beirats, die Freilassung politischer Gefangener und mehr Rechten für Frauen erhalten regen Zuspruch. Als am 11. März zum “Tag des Zornes” aufgerufen war, fühlten sich 26.000 angesprochen.
    Quelle: Der Freitag
  15. Ungarn – Verfassungsputsch
    Das ungarische Parlament verabschiedete am Montag eine neue Verfassung. Die Abgeordneten nahmen die Vorlage mit der Zweidrittel-Mehrheit der rechtskonservativen Fidesz-Partei von Regierungschef Viktor Orbán an; 262 Abgeordnete stimmten für, 44 gegen sie, einer enthielt sich. Ein EU-Mitgliedsland gibt sich damit einen rechtlichen Rahmen, in dem nationalistische, ethnische und religiöse Gesichtspunkte bestimmend sind. Nach eigenem Bekunden knüpfen die Urheber des Textes an die Zeit der faschistischen Diktatur (1920–1945) des »Reichsverwesers« Miklós Horthy (1868–1957) an. Er führte in Ungarn bereits 1920 ein erstes antisemitisches Gesetz ein. […]
    Nach Ansicht von Kritikern beschneidet die neue Verfassung die Bürgerrechte und baut die Macht Orbáns unzulässig aus. Er beherrscht nach Umbildung des ungarischen Verfassungsgerichts, der Einführung eines restriktiven Mediengesetzes und der Installierung Schmitts als Staatspräsidenten de facto alle Machtstränge des Landes. Nichtregierungsorganisationen kritisierten, daß die Verfassung von einer starken »christlich-rechten Ideologie« geprägt sei, die Atheisten, Homosexuelle und Alleinerziehende benachteilige. […] Ein neu eingerichteter Haushaltsrat der Zentralbank erhält das Recht, das Parlament aufzulösen, wenn der Haushalt nicht entsprechend den Normen der neuen Verfassung verabschiedet wurde, d.h. Orbán kann über diese Institution Neuwahlen herbeiführen, auch wenn er bei den Wahlen 2014 verlieren sollte. Die Opposition wertete das als »Verfassungsputsch«.
    Quelle: Junge Welt
  16. Zahl der gewaltbereiten Neonazis nimmt zu
    Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Montag): «Die gewaltbereite Neonazi-Szene ist stärker geworden. Sie ist 2010 erneut um 600 auf 5600 Personen gewachsen.» Im Jahr 2000 waren es nach Angaben Fromms noch 2200 Neonazis. «Auch die Autonomen Nationalisten, die bei Aufmärschen immer wieder durch Gewalt in Erscheinung treten, haben unverändert Zulauf», sagte der Chef des Verfassungsschutzes. «Bei dieser Gruppe war im vergangenen Jahr ein Anstieg von zuvor 800 auf 1000 Personen zu verzeichnen.»
    Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten in Deutschland ist nach den aktuellen Erkenntnissen des Geheimdienstes aber rückläufig.
    Fromm warnte zugleich davor, die Aktionsfähigkeit der NPD zu unterschätzen. Insbesondere der Misserfolg bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 20. März habe die Partei getroffen. «Aber trotzdem ist die NPD, wie der bevorstehende Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern zeigen wird, handlungsfähig.» Sie verfüge über Strukturen im kommunalen Bereich und werde wieder auf Unterstützung von Neonazis rechnen können. «Ein Wiedereinzug in den Landtag erscheint aus heutiger Sicht nicht unrealistisch», sagte Fromm.
    Quelle: Neue OZ
  17. Jahrestag der US-Ölpest: Wir finden heraus, wie groß dieses Ding ist
    Barack Obama nannte es die größte Umweltkatastrophe in der US-Geschichte: Vor rund einem Jahr explodierte die “Deepwater Horizon”, gigantische Ölmengen strömten in den Golf von Mexiko. Aber wie verheerend sind die Folgen wirklich?
    Forscher wie Robert Haddad von der US-Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA kartieren noch immer die Schäden durch die Ölpest. Auf Basis dieser Ergebnisse sollen die Pläne für die Wiederherstellung der Natur vorangetrieben werden. Gemeinsam mit anderen Bundesbehörden und den betroffen Staaten sei man gerade mittendrin, sagt Haddad: “Es ist ein langfristiger Prozess.” “Der Stand ist: Wir finden heraus, wie groß dieses Ding ist”, so der Wissenschaftler. “Wir hoffen, dass wir in den kommenden zwei Jahren ein gutes Verständnis vom Ausmaß der Schäden haben.” Zu klären ist auch die Frage, ob das mysteriöse Sterben von jungen Delfinen im Golf mit der Ölkatastrophe zu tun hat. Noch immer arbeiten nach Angaben von BP 2200 Menschen und 220 Schiffe an der Beseitigung der Umweltschäden. Rund 380 Kilometer Strand werden aktuell noch gesäubert, weitere 480 Kilometer sind nach dem Ende von Vogelbrut- und Tourismussaison dran. Dass der Kampf gegen die Folgen der “Deepwater Horizon”-Katastrophe ein langwieriges Unterfangen ist, weiß auch NOAA-Forscher Haddad. Auf die Frage, wann man mit einem Plan zur Beseitigung der Umweltschäden starte, antwortet er: “Ich glaube, es werden weniger als zehn Jahre ins Land gehen, bis die Wiederherstellung der Natur anfängt.”
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Auch wenn kritische Wissenschaftler zu Wort kommen, ist der Tenor dieses Artikels eher optimistisch. Der Bericht des Auslandsjournals (ARD) schildert eindrucksvoll, wie wenig Grund für Optimismus besteht. Erhellend der Hinweis Exxon-Valdez-Katastrophe. Ein Jahr nach dem Unglück war fast alles normal auf. Erst vier Jahre danach verschwanden die Heringe – und kamen nie wieder zurück. vor allem gewinnt man den Eindruck, dass die offiziellen Stellen an neuen Erkenntnissen gar nicht interessiert sind. Eine außergewöhnlich hohe Anzahl an toten, jungen Delfinen stapelt sich in Sammellagern, ohne dass diese laborttechnisch untersucht werden.

  18. Umweltschutz predigen, Dreckschleudern fahren
    Die Deutsche Umwelthilfe hat wieder einmal die Dienstwagen deutscher Politiker untersucht. Das Ergebnis: blamabel – für die Politik.
    Die Bundesminister der schwarz-gelben Koalition fordern gerne mehr Bewusstsein für Umweltschutz ein, sind jedoch nicht bereit, ihre eigenen Worte zu beherzigen: Sie fahren weiterhin “Schmutzschleudern” als Dienstwagen. Das ist das eindeutige Ergebnis der 5. Dienstwagenerhebung der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Kein einziger Minister-Dienstwagen bleibt unter der von der EU erwünschten Norm von 140 Gramm CO2 pro Kilometer.
    Auf Ebene der Bundesländer sieht es nicht besser aus. Spitzenreiter im “Schaufahren gegen den Klimaschutz”, so die DUH, ist Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU), der sich in einem Audi A8 6.0 Quattro chauffieren lässt. Mit 353 Gramm CO2 pro Kilometer ist der Wagen trauriger Gesamtsieger im Klimakiller-Ranking. […] Dass es “aktive Täuschungsversuche” der Politiker bei den Anfragen der DUH gibt, ist besonders erstaunlich: So wollte Hessens Ministerpräsident Bouffier den Umweltschützern erzählen, sein Wagen – ein 12 Zylinder VW Phaeton mit 450 PS – schlucke nur 6 Liter Super auf 100 Kilometer. Die Wahrheit ist: Der Wagen braucht mehr als doppelt so viel, im Stadtverkehr sogar 21,4 Liter. Der DUH-Vorsitzende Jürgen Resch kommentierte dies als “besonders dreisten Versuch, uns falsche Daten unterzujubeln”.
    Quelle: Stern
  19. Wie viel Porsche verträgt Grün?
    Die Grünen plagen Identitätsfragen: Wie bürgerlich soll die Partei werden? Wer wird Kanzlerkandidat? Eine interne Studie sorgt zusätzlich für Unruhe.
    Die neuen Hochglanz-Wörter der Grünen-Elite lauten “bürgerlich” und “wertkonservativ”. Kaum ein Interview vergeht, in denen Jürgen Trittin, Renate Künast oder Cem Özdemir sie nicht fallen lassen.
    “Ich kenne nur noch bürgerliche Parteien”, sagt beispielsweise Fraktionschef Trittin, einst berüchtigt für seine stramm-linken Ansichten. Parteichef Özdemir ist stolz auf die schwäbischen “Firmenbosse”, die diesmal in Baden-Württemberg grün gewählt haben. Und Künast kündigt an, dass sie den “Porschefahrern ihren Spaß lassen” werde, wenn sie erst einmal Berlin regiert.
    Die grüne Botschaft dieser Tage ist klar zu vernehmen: Wir sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und: Wir sind nicht wirtschafts- oder spaßfeindlich. Die Phase, in der sich die Grünen-Führung vornehmlich einem linken Lager verpflichtet fühlte, gehört offensichtlich der Vergangenheit an. […]
    Drei linke Grünen-Politiker, die seit Längerem als Hoffnungsträger der Partei gelten, haben nun ein 21-seitiges Strategiepapier verfasst, das ZEIT ONLINE vorliegt. Das Papier von Stephan Schilling, Agniezka Malczak und Arvid Bell ist eine Analyse der Baden-Württemberg-Wahl. Aber sie birgt Streitpotential, weil sie den neuen Grundsatzkonflikt der Grünen explizit verbalisiert. Die Autoren warnen davor, zur “Wischi-Waschi-Partei” zu werden, die es allen recht machen wolle.
    Der Erfolg in Stuttgart, so argumentieren sie, beruhe auf “Themenzuspitzung” und einer “Mobilisierung” der Wähler “links der Mitte”. Das habe sich auch daran gezeigt, dass die Linkspartei “schlicht und einfach nicht gebraucht” wurde, und am Landtagseinzug scheiterte. Man habe sich eindeutig “als Gegenspieler zur CDU” positioniert und habe damit reüssiert.
    Quelle: ZEIT
  20. Nachtrag zu Hinweis 16 vom 18.4.2011 (Rüstungsfirmen, Rekrutierung – Protest an der TU-Dresden)
    Die gestrigen Hinweise stammten von 2010. Einen aktuellen offenen Brief der Kritischen Studentinnen und Studenten der TU Dresden finden Sie hier.


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