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Titel: Biden-Laptop: „Eine der erfolgreichsten Desinformations-Kampagnen in der modernen Geschichte amerikanischer Wahlen“
Datum: 6. Dezember 2022 um 12:46 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Tobias Riegel
Die aktuelle Veröffentlichung von interner Twitter-Kommunikation durch Elon Musk lenkt den Blick auf einen großen und längst nicht aufgearbeiteten Medienskandal: die Unterdrückung von Nachrichten rund um das Laptop von Hunter Biden, Sohn des US-Präsidenten. Daran beteiligen sich indirekt auch deutsche Medien – bis heute gibt es keine angemessene Berichterstattung über die Vorgänge. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Der Journalist Glenn Greenwald hat deutliche Worte für einen großen, nicht aufgearbeiteten Medienskandal gewählt. Er beschrieb die Zensur rund um das „Biden-Laptop“, an der sich Medien, Politiker, Ex-Geheimdienstler und Internet-Konzerne beteiligt hätten, bereits im März folgendermaßen:
Eine der erfolgreichsten Desinformationskampagnen in der modernen Geschichte amerikanischer Wahlen. (…) Der wohl schwerste Fall von Zensur vor den Wahlen in der modernen amerikanischen Politikgeschichte.
Aktuell hat der neue Twitter-Chef Elon Musk laut Medienberichten interne Twitter-Dokumente über diese Kontroverse um die unterdrückten Informationen zum „Biden-Laptop“ veröffentlicht. In einem kurz vor der Präsidentenwahl 2020 erschienenen Artikel der „New York Post“ waren Inhalte vom „aufgefundenen“ Laptop von Hunter Biden, Sohn des US-Präsidenten Joe Biden, thematisiert worden. Twitter hatte damals, wie viele große Medien und Soziale Netzwerke, die Berichterstattung über das Laptop und die Informationen über Geschäftspraktiken der Biden-Familie (etwa in der Ukraine) weitgehend unterdrückt. Die Begründung für diesen Akt der Zensur lautete, dass das Laptop Teil einer russischen Desinformationskampagne gewesen sei.
Politische Korruption, persönliche Abstürze
Inzwischen steht auch „offiziell“ fest: Das Laptop und die von dort erhaltenen Informationen sind echt. Nochmals hat etwa das US-Medium CBS diesen November unter Berufung auf eine unabhängige Untersuchung festgestellt, dass „die auf dem Laptop von Hunter Biden, dem Sohn von US-Präsident Joe Biden, gefundenen Daten weder manipuliert noch verändert worden“ seien.
Der Ursprung des Vorfalls liegt in 2020, aber er ist noch immer aktuell, denn er ist in keiner Weise aufgearbeitet. Und auch viele deutsche Medien haben keine angemessene Berichterstattung geliefert – und verweigern das teils bis heute, wie etwa die „Berliner Zeitung“ anmerkte, anlässlich eines weiteren Leaks betreffend Hunter Biden:
„Ähnlich wie die Bilder des vollgedröhnten, nackten, bewaffneten Hunter Biden jetzt hätten auch diese Informationen so kurz vor der Präsidentschaftswahl 2020 ein gefundenes Fressen für Journalisten sein müssen. Doch damals wie heute wurde die Geschichte nicht nur von den meisten Zeitungen und Fernsehsendern ignoriert, selbst in den sozialen Medien gab es eine Art Blackout. Auf Twitter und Co. wurde die Berichterstattung der New York Post teils versteckt und nicht mehr an Nutzer ausgespielt.“
Wie dagegen von zahlreichen Journalisten belastende Informationen ausgeschlachtet worden wären, wenn sie Donald Trump und seine Familie betroffen hätten, kann man sich ausmalen. Und die von Drogenmissbrauch und mutmaßlicher politischer Korruption geprägten Einblicke, die das Laptop in das Leben der Bidens ermöglicht, sind potenziell höchst belastend. Das parteiische Verhalten ist nicht überraschend – aber in diesem Fall ist die Parteinahme von Medien und Geheimdiensten für eine politische Seite schon besonders offensichtlich. Dass man mit der Forderung nach neutralen Berichten über die Biden-Vorgänge nicht automatisch Propaganda für Donald Trump fordert, ist selbstverständlich.
Wenn doch über das Biden-Laptop und die Inhalte berichtet wird, dann liegt der Fokus oft eher auf den persönlichen Belangen von Hunter Biden (Drogen, Prostituierte etc.). Wegen persönlicher Eskapaden der eigenen Kinder sollten aber Politiker nicht zwingend in Schwierigkeiten kommen, diese persönlichen Fehltritte gehen die Öffentlichkeit meiner Meinung nach nur unter bestimmten Vorzeichen etwas an. Aspekte von mutmaßlicher wirtschaftspolitischer Korruption in der Biden-Familie wären da viel relevanter.* Thomas Röper lässt den Vorgang in diesem Artikel Revue passieren. Dabei übersetzt er auch die aktuellen Tweets von Musk und geht auf die Berichterstattung des „Spiegel“ ein.
Neue Mehrheit: Republikaner regen Ermittlungen gegen die Bidens an
Die aktuell von Musk veröffentlichten Tweets mögen keine echten Neuigkeiten enthalten, aber sie sind Illustration einer hochproblematischen Nachrichtenunterdrückung auch von privater Seite. Außerdem lenken die internen Twitter-Tweets den Blick nochmals auf die skandalösen und nicht aufgearbeiteten Vorgänge von 2020, die mutmaßlich auch das Ergebnis einer Präsidentschaftswahl beeinflusst haben.
Ein weiterer Grund, sich die Geschichte rund um das Biden-Laptop und die folgende Nachrichtenunterdrückung nun nochmals in Erinnerung zu rufen, ist die kürzliche Ankündigung der US-Republikaner, auch auf Basis der Laptop-Infos Ermittlungen anzustrengen, wie Medien berichten:
„Die Republikaner wollen ihre neu errungene Mehrheit im Repräsentantenhaus für Ermittlungen gegen Präsident Joe Biden nutzen. Der Abgeordnete James Comer kündigte an, der Ausschuss für Aufsicht und Reformen werde Bankunterlagen und Aussagen von Informanten auswerten, in denen es um den Präsidenten und seinen Sohn Hunter Biden gehe.“
„Unterdrückung der Geschichte durch US-Medienunternehmen“
Ein Beispiel dafür, wie US-Medien 2020 den Fund des Laptops als russische Propaganda markieren wollten, ist etwa dieser Artikel von „Politico“, wo es heißt:
„Mehr als 50 ehemalige hochrangige Geheimdienstmitarbeiter haben ein Schreiben unterzeichnet, in dem sie ihre Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass die jüngste Offenlegung von E-Mails, die angeblich dem Sohn von Joe Biden gehören, ‚alle klassischen Anzeichen einer russischen Informationsoperation aufweist‘.“
Die gesamte Botschaft der Ex-Spione lautete jedoch etwas anders:
„Wir möchten betonen, dass wir nicht wissen, ob die E-Mails, die der New York Post von Präsident Trumps persönlichem Anwalt Rudy Giuliani zur Verfügung gestellt wurden, echt sind oder nicht, und dass wir keine Beweise für eine russische Beteiligung haben – nur dass unsere Erfahrung uns zutiefst misstrauisch macht, dass die russische Regierung in diesem Fall eine bedeutende Rolle gespielt hat.“
Glenn Greenwald fand bereits in diesem Artikel vom März deutliche Worte zu den Vorgängen. Der Text war entstanden, nachdem US-Medien endgültig öffentlich eingestehen mussten, dass die Behauptungen, das Biden-Laptop sei Teil einer russischen Desinformationskampagne, falsch waren. Weil der Text nur in Englisch vorliegt, soll hier ausführlich daraus zitiert werden. Greenwalds schwere und begründete Vorwürfe an viele US-Medien lassen sich zu weiten Teilen auch auf das Verhalten vieler großer deutscher Medien übertragen:
„Eine der erfolgreichsten Desinformationskampagnen in der modernen amerikanischen Wahlgeschichte fand in den Wochen vor den Präsidentschaftswahlen 2020 statt. Am 14. Oktober 2020 – weniger als drei Wochen vor der Wahl – begann die älteste Zeitung des Landes, die New York Post, mit der Veröffentlichung einer Reihe von Berichten über die geschäftlichen Aktivitäten des demokratischen Spitzenkandidaten Joe Biden und seines Sohnes Hunter in Ländern, in denen Biden als Vizepräsident erheblichen Einfluss ausgeübt hat (darunter die Ukraine und China) und im Falle seiner Wahl zum Präsidenten wieder ausüben würde. Die Gegenreaktion auf diese Berichterstattung war unmittelbar und heftig und führte zur Unterdrückung der Geschichte durch US-Medienunternehmen und zur Zensur der Geschichte durch führende Silicon-Valley-Monopole.“
Greenwald betont, dass nur sehr wenige Artikel die in diesem Text bereits erwähnte Erklärung von Ex-Geheimdienstmitarbeitern in dem Sinne zitiert haben, dass diese keine Beweise angeführt hatten:
„Stattdessen begannen, wie ich im vergangenen September feststellte, praktisch alle Medien – CNN, NBC News, PBS, Huffington Post, The Intercept und zu viele andere, um sie aufzuzählen – die Substanz der Berichterstattung völlig zu ignorieren und verbreiteten stattdessen immer wieder die Lüge, dass diese Dokumente das Nebenprodukt russischer Desinformation seien.“
Diese Desinformationskampagne über die Biden-E-Mails sei dann von Internetfirmen genutzt worden, „um eine brutale Zensur jeglicher Berichterstattung oder Diskussion über diese Geschichte zu rechtfertigen“. Das sei „der wohl schwerste Fall von Zensur vor den Wahlen in der modernen amerikanischen Politikgeschichte“, wie Greenwald beschreibt:
“Twitter sperrte das Twitter-Konto der New York Post für fast zwei Wochen, weil sie sich weigerte, die Anweisung von Twitter zu befolgen, jeden Hinweis auf ihre Berichterstattung zu löschen. Die Social-Media-Website blockierte auch alle Verweise auf die Berichterstattung durch alle Nutzer; Twitter-Nutzer durften sogar in privaten Chats untereinander nicht mehr auf die Geschichte verweisen. Facebook kündigte über seinen Sprecher, den langjährigen DNC-Mitarbeiter Andy Stone, an, dass es die Diskussion über die Meldung algorithmisch unterdrücken würde, um sicherzustellen, dass sie sich nicht verbreite, bis eine “Faktenüberprüfung durch Facebooks Drittpartei-Faktenprüfungspartner” stattfinde, die natürlich nie stattfand – eben weil das Material unbestreitbar authentisch war.“
„Absolute Lüge der Konzernmedien“ vor den Wahlen
Das Fazit von Greenwald ist eindeutig:
„Das bedeutet, dass die meisten Konzernmedien in den entscheidenden Tagen vor den Präsidentschaftswahlen 2020 eine absolute Lüge über die Berichterstattung der ‚New York Post‘ verbreitet haben, um die amerikanische Wählerschaft in die Irre zu führen und zu manipulieren. Es bedeutet, dass Big-Tech-Monopole, zusammen mit Twitter, diese Geschichte auf der Grundlage einer Lüge der “Intelligence Community” zensiert haben. (…) Das bedeutet, dass Millionen von Amerikanern die Möglichkeit verwehrt wurde, über den in allen Umfragen führenden Kandidaten für das Amt des nächsten Präsidenten zu berichten, und sie stattdessen einer Flut von Lügen über die Herkunft (‚Russland hat es getan‘) und Authentizität (‚Desinformation!‘) dieser Dokumente ausgesetzt waren.“
Auch bei der mutmaßlichen Motivation vieler Journalisten, sich an der hier beschriebenen Nachrichtenunterdrückung zu beteiligen, könnte Greenwald richtig liegen:
„Der wahre Grund, warum die meisten Liberalen und ihre Verbündeten in den Medien nichts davon hören wollen, ist, dass sie glauben, dass die Mittel, die sie eingesetzt haben (absichtliches Belügen der Öffentlichkeit mit CIA-Desinformationen), durch ihre edlen Ziele (Trump zu besiegen) gerechtfertigt sind.“
* 6.12.2022, 15:00 Uhr: Dieser Absatz wurde zum Teil ergänzt.
Titelbild: Spike Johnson / Shutterstock
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