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Titel: Ein verhängnisvoller Deal

Datum: 15. April 2011 um 9:14 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Steuerhinterziehung/Steueroasen/Steuerflucht, Ungleichheit, Armut, Reichtum
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Über drei Billionen Euro Privatvermögen werden in der Schweiz gebunkert. Schätzungen gehen davon aus, dass 50% bis 70% dieses Geldes illegaler Herkunft sind. Ein dreistelliger Milliardenbetrag stammt von deutschen Steuerflüchtlingen. Eine Studie der Bundesbank geht davon aus, dass 500 Milliarden Euro ohne Kenntnis des Fiskus im Ausland schlummern, ein Drittel davon in der Schweiz. Doch wer nun denkt, dass der deutsche Fiskus ein übermäßiges Interesse daran hätte, diese Straftaten zu ahnden, der irrt. Wie die Schweizer Nachrichtenagentur sda meldet, haben die deutschen Behörden hinter den Kulissen einen Deal mit dem Schweizer Bankhaus Julius Bär abgeschlossen. Die Bank zahlt einmalig 50 Mio. Euro Bußgeld, dafür stellen die Behörden die laufenden Verfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ein. Das ist bereits skandalös – vollends skandalös wird dieser Deal allerdings, wenn man sich vor Augen hält, dass der Whistleblower, der die Verfahren gegen Julius Bär ermöglichte, seit Januar diesen Jahres ohne Verfahren und ohne Anklageerhebung in der Schweiz in Untersuchungshaft sitzt. Jens Berger

Vorgeschichte: Whistleblower vor Gericht – die Rudolf-Elmer-Story

Als der ehemalige Schweizer Banker Rudolf Elmer im Januar im feinen Londoner Frontline-Club unter dem Blitzlichtgewitter der Photographen Wikileaks-Sprecher Julian Assange eine CD übergab, die angeblich die Bankdaten hunderter hochkarätiger Steuersünder enthielt, löste dies offenbar bei einigen Superreichen die blanke Panik aus. Elmer war früher als leitender Manager des Bankhauses Julius Bär für dessen Tochter im Steuerparadies Cayman Islands verantwortlich. Es liegt daher auf der Hand, dass die meisten deutschen Staatsbürger, die sich seitdem durch Selbstanzeige den Steuerbehörden stellten, Kunden von Julius Bär sind, die die ganz besonderen Dienste des Hauses in Anspruch nahmen.

Steuerhinterziehung unter karibischer Sonne und Schweizer Aufsicht

Wer sein Geld von einer Schweizer Bank über Trusts auf den Caymans anlegt, der tut dies nicht, um Risiken zu streuen oder weil er eine besondere Rendite erwartet. Im Gegenteil – die Mondpreise, die Banken und Anwaltskanzleien für ihre Dienstleistungen auf den Caymans verlangen, lassen nur den Schluss zu, dass der einzige Zweck solcher Modelle Steuerhinterziehung und Geldwäsche sind. Ein solcher Trust ist eine Stiftung, die von einem Treuhänder (Anwalt) geführt wird und bei der der Name des oder der „Stifter“ nur dem Treuhänder selbst bekannt ist. Diese Trusts sind dann vollkommen legal, wenn der „Stifter“ kein Geld aus ihnen abzieht – aber warum sollte man einen sündhaft teuren Trust auf den Caymans gründen, wenn man vorhat, das Geld wirklich zu stiften? Für Schweizer Banken ist dies ein durchaus lukratives Geschäft, wobei man jedoch erwähnen muss, dass die Praxis, nach der diese Banken vorgehen, sogar gegen Schweizer Gesetze verstößt.

Eigentlich sollte der Staat für jeden Bürger, der ihm gerichtsfeste Beweise gegen einen Straftäter vorlegt, dankbar sein. Wenn neben der strafrechtlich relevanten Beweise auch noch Informationen ausgehändigt werden, mit denen der Staat einen Diebstahl an der Allgemeinheit (nichts anderes ist Steuerhinterziehung) in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe ahnden kann, sollte der Informant nach gesundem Menschenverstand eigentlich mit den höchsten Orden überhäuft werden. Die Realität sieht jedoch anders aus. Der Informant Rudolf Elmer wurde zwei Tage nach der CD-Übergabe im Frontline-Club von den Schweizer Behörden in Haft genommen und sitzt auch heute – drei Monate später – noch im Gefängnis. Da den Schweizer Behörden die CD überhaupt nicht vorliegt handelt es sich hierbei um eine Haft ohne konkrete Anhaltspunkte. Als Begründung führt die Staatsanwaltschaft die angebliche Verdunklungsgefahr an – ein abstruser Vorwurf.

Recht ohne Gerechtigkeit

Die Daten, wegen der 150 deutsche Steuerbetrüger Selbstanzeige erstatteten stammen jedoch nicht von der WikiLeaks-CD, sondern wahrscheinlich von früheren Datensätzen, die über Rudolf Elmer an die deutschen Behörden gelangten. Wenn man die Erfahrungswerte zugrunde legt, werden die Steuerbetrüger wegen ihrer Selbstanzeige wohl ohne Haftstrafen davonkommen. Die Bank Julius Bär, ohne deren tätige Mithilfe diese Straftaten nicht hätten begangen werden können, hat sich mit einer lächerlich wirkenden Bußgeldzahlung vor weiterer Strafverfolgung freigekauft. Der Whistleblower, ohne dessen Zivilcourage diese Verbrechen überhaupt nicht ans Licht gekommen wären, sitzt im Gefängnis, während die Straftäter und deren Helfer mit einer Verwarnung davonkommen.

Nach der Bußgeldzahlung plant Julius Bär derweil bereits den ganz großen Einstieg ins Deutschland-Geschäft. In den nächsten vier Jahren will Bär sein Deutschlandgeschäft verdreifachen und sich dabei das Mäntelchen der Legalität überstreifen. Die Verhandlungen über ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem deutschen Finanzministerium und der Schweiz sind bereits fortgeschritten und sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Die Kapitulation vor dem Verbrechen

Um die Interessen der Schweizer Banken zu wahren, soll eine Abgeltungssteuer in Höhe von 25% eingeführt werden, die auch rückwirkend gilt. Wenn sich die Schweizer Banken an die Gesetze halten, ziehen sie ihren deutschen Kunden diese 25% Abgeltungssteuer auf Zinsgewinne ab und überweisen sie anonymisiert an den deutschen Fiskus. Der deutsche Fiskus erhält das Geld, weiß aber nicht, von wem es stammt. Aufgrund dieses offensichtlichen Informationsdefizits wäre dann jedes Schweizer Konto legal – ob nun tatsächlich Steuern abgeführt werden oder nicht. Und was, wenn die Banken sich nicht an die Gesetze halten? Müssen sie dann auch wieder ein verschwindend geringes Bußgeld zahlen? Für das lukrative Geschäft mit den Cayman-Trusts wäre das Abgeltungssteuermodell ohnehin keine Gefahr, da die „Stifter“ den Banken offiziell gar nicht bekannt sind und Trusts, die aus einer Steueroase heraus operieren, weder in der Schweiz noch in Deutschland steuerpflichtig sind.

Wenn der Staat nur wollte, könnte er den Schweizer Banken-Banditismus (Jean Ziegler) ohne weiteres bekämpfen. Man müsste die bereits vorhandenen Gesetze nur anwenden und mit angemessener Härte gegen die Mittelsmänner dieser organisierten Kriminalität vorgehen. Wie das gehen kann, haben die US-Behörden im Fall UBS bewiesen. Nachdem Washington ankündigte, nicht nur Haftbefehle gegen Suballterne, sondern auch gegen den Bankvorstand auszustellen, lenkten die Schweizer Banker ein, zahlten ein Bußgeld von 780 Millionen Dollar und verpflichteten sich, keine Offshore-Dienstleistungen mehr für US-Bürger anzubieten, die unter das Schweizer Bankgeheimnis fallen. Warum geht so etwas nicht auch in Deutschland? Der jüngste Deal mit Julius Bär ist eine Kapitulationserklärung vor dem organisierten Verbrechen mit weißem Kragen.

Siehe dazu auch schon: Steuerhinterflucht als Kavaliersdelikt [PDF – 23.6 KB]


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