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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Ungereimtes und immer wieder „Reformen“
Datum: 19. Oktober 2005 um 12:21 Uhr
Rubrik: Bundespräsident, Wahlen
Verantwortlich: Albrecht Müller
Tagebuchnotizen vom 18.10. abends. Wieder neigt sich ein denkwürdiger Tag seinem Ende entgegen.
Anlage 1:
Erklärung des Bundespräsidenten zur Verabschiedung des Kabinetts Schröder:
Bundespräsident Horst Köhler hat die Arbeit des Bundeskanzlers und der Bundesministerinnen und Bundesminister mit dem Ende ihrer Amtszeit bei der Überreichung der Entlassungsurkunden gewürdigt und auf die Aufgaben der kommenden Bundesregierung hingewiesen
18.10.2005
Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrte Bundesministerinnen und Bundesminister,
mit dem Zusammentritt des 16. Deutschen Bundestages endet nach dem Grundgesetz auch Ihre Amtszeit als Bundeskanzler und als Bundesministerinnen und Bundesminister. Dies bringen die Urkunden zum Ausdruck, die ich Ihnen sogleich aushändigen werde.
Herr Bundeskanzler, Sie haben mit Ihrer Koalition die Bundesrepublik Deutschland in das neue Jahrtausend geführt. Die sieben Jahre Ihrer Amtszeit standen weltweit im Zeichen des Umbruchs.
Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit trat die Bundeswehr an der Seite von NATO-Partnern in ihren ersten Kampfeinsatz ein, um eine humanitäre Katastrophe im Kosovo zu verhindern. Der 11. September 2001 konfrontierte die Welt mit einem bis dato unvorstellbaren Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika, der alle freien und friedliebenden Menschen und Nationen traf. In den Jahren danach wurde auch unser Kontinent Europa zum Ziel des Terrors.
Abschließende Antworten auf die neuen weltpolitischen Herausforderungen haben wir noch nicht gefunden. Doch mit der Einführung des EURO und mit der Erweiterung der Europäischen Union um die jungen Demokratien in Mittel- und Osteuropa sind wir zusammengerückt und stärker geworden, und Deutschland leistet tatkräftig einen wichtigen Beitrag für Frieden und Freiheit in der Welt.
In der Zeit nach ihrer Wiederwahl 2002 konzentrierte sich die Bundesregierung auf die Gestaltungsaufgaben im Inneren. Der verschärfte weltweite Wettbewerb und die Folgen der Alterung unserer Gesellschaft erforderten eine neue Politik. Die Agenda 2010 zu entwerfen und gegen große Widerstände durchzusetzen, verlangte politischen Mut und hohen Arbeitseinsatz. Wie Sie wissen, habe ich diesen Reformkurs immer unterstützt. Er dient dem Wohle Deutschlands.
Herr Bundeskanzler, im Sommer haben Sie sich entschieden, Neuwahlen anzustreben, da Sie für Ihre Politik keine verlässliche Mehrheit in den Reihen der Koalition mehr sahen. Meine Prüfung der Lage führte zu der Entscheidung, Neuwahlen anzusetzen.
Deutschland steht weiterhin vor großen Aufgaben. Die hohe Arbeitslosigkeit und die Last der Schulden wiegen schwer. Wir alle wollen den Sozialstaat erhalten, aber wir wissen: Um einen modernen, starken Sozialstaat zu sichern, brauchen wir die Kraft und den Mut zur Veränderung.
Es wird Aufgabe einer neuen Bundesregierung sein, diesen Weg zu gestalten und die begonnenen Reformen mit Stetigkeit, Stimmigkeit und Berechenbarkeit fortzusetzen. Eine breite Basis im Bundestag bietet die Chance, die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam für diesen Weg zu gewinnen. Ich bin sicher: Deutschland hat die Begabung und die Fähigkeit, die vor uns liegenden Aufgaben zu meistern. Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren Bundes ministerinnen und Bundesminister:
Für die dem deutschen Volke geleisteten treuen Dienste spreche ich Ihnen Dank und Anerkennung aus.
Sie haben mit Ihrer ganzen Kraft unserem Land gedient. Jedem von Ihnen wünsche ich alles Gute für Ihren weiteren Weg und persönliches Wohlergehen. Herr Bundeskanzler, ich bitte Sie, die Geschäfte bis zur Ernennung Ihrer Nachfolgerin oder Ihres Nachfolgers im Amt des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland weiterzuführen.
Anlage 2:
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
“REGIERUNGonline” – Wissen aus erster Hand
Veröffentlicht am: 18.10.2005
Große Koalition
Frank-Walter Steinmeier: Die Reformen gemeinsam konsequent fortführen
Mit Augenmaß und sozialer Verantwortung gelte es auch in der Großen Koalition, die mit der Agenda 2010 begonnenen Reformen zur Modernisierung der Sozialsysteme fortzusetzen und Deutschland zu neuer wirtschaftlicher Stärke zu bringen. Das hat der Chef des Bundeskanzleramts Frank-Walter Steinmeier auf einer Mittelstandstagung der deutschen Industrie gefordert.
Die kommende Bundesregierung müsse weiter daran arbeiten, “das zu stärken, was Deutschland stark gemacht hat”, sagte Steinmeier am 18. Oktober auf dem Tag des industriellen Mittelstandes beim Bund der Deutschen Industrie (BDI). Dazu zählten neben einem hohen Innovationspotenzial vor allem weltoffene Unternehmer und gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – und nicht zuletzt ein hohes Maß an sozialem Frieden in einem Staat, der verlässlich für Rechtssicherheit sorgt.
Mit diesen Stärken solle Deutschland sehr viel selbstbewusster umgehen, betonte Steinmeier. Das legten auch die Urteile internationaler Experten nahe, die der Bundesrepublik in den vergangenen Wochen mehrfach beachtliche Wettbewerbsstärke und eine dynamische Entwicklung bescheinigt hatten. Die Mittelständler tagen in Berlin unter dem Motto “In Deutschland zu Hause – erfolgreich in der Welt”.
Modernisierung eines Erfolgsmodells
Die bevorstehende Große Koalition habe von den Wählerinnen und Wählern den Auftrag zur Analyse und Renovierung des deutschen Erfolgsmodells erhalten, sagte Steinmeier. Bei der weiteren Modernisierung des Staates und der Sozialsysteme müsse allerdings auf gesamtgesellschaftliche Ausgeglichenheit geachtet werden, so der Kanzleramtschef. Forderungen nach einem radikalen Wechsel würden von den Menschen weniger als Ausweg, denn als Bedrohung verstanden – und gefährdeten so letztlich ihre Veränderungsbereitschaft.
Frank-Walter Steinmeier erinnerte daran, dass gesellschaftliche Veränderungen nicht allein Aufgabe der Politik seien, sondern ein gesamtgesellschaftliches Produkt. “Jeder ist gefordert, um das Land gemeinsam nach vorn zu bringen”, sagte Steinmeier und erinnerte an die Kampagne der Initiative Partner für Innovation unter dem Motto “Du bist Deutschland!”. Panikmache und ein “fast schon masochistischer Pessimismus”, wie er in jüngerer Vergangenheit häufig zu beobachten gewesen sei, seien dabei nur hinderlich.
“Wir brauchen Ehrlichkeit und Klarheit über unsere Schwächen – aber auch über unsere Stärken”, so Steinmeier. Und die Stärken seien unverkennbar: Als weltweit anerkannte so genannte “Hidden Champions” sorgten insbesondere die Unternehmen der mittelständischen Industrie für einen deutschen Spitzenplatz bei den Hochtechnologien: etwa in der Automobiltechnik, bei den regenerativen Energien oder im Maschinenbau.
Keine “Koalition des Stillstands”
Auch die Zeichen der vergangenen Monate seien ermutigend: So ist die Produktivität der Unternehmen gestiegen, während die Lohnstückkosten zurückgingen. “Unser Land bewegt sich in die richtige Richtung”, erklärte Steinmeier. Diesen Wachstumstrend müsse die Politik nun stärken, indem sie die sozialen Sicherungssysteme weiter zukunftsfest macht.
Gleiches gelte für die gemeinsame Einsicht in die Notwendigkeit, die Investitionen in Bildung und Forschung zu erhöhen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Um an die deutschen Erfolge der Vergangenheit anknüpfen zu können, sollen künftig drei Prozent des Bruttoinlandsprodukt (und damit rund 65 Milliarden Euro) in Forschung und Entwicklung fließen.
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