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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise der Woche
Datum: 20. November 2022 um 9:00 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Redaktion
Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung Albrecht Müller: Antje Vollmer bringt einiges wichtiges über die neue Konfrontation auf den Punkt. Sehr gut getroffen ist dabei auch die Beschreibung des Wandels bei NGOs Von der Stiftung Wissenschaft und Politik bist du Heinrich-Böll-Stiftung.
dazu: “Jetzt hilft nur noch die Weisheit des westfälischen Friedens”
Antje Vollmer über die Notwendigkeit von internationaler Kooperation, über hybride politische Thinktanks und die Bedeutung des Zweifels an der veröffentlichten Mehrheitsmeinung. (Teil 2 und Schluss) […]
Frau Vollmer, im ersten Teil dieses Gesprächs haben Sie politische Stiftungen und Thinktanks kritisiert, weil sie „eine ziemlich einheitliche Agenda“ verbreiteten. Das betrifft auch ehemalige grüne Mitstreiter von Ihnen, konkret Ralf Fücks und Marieluise Beck. Die beiden haben 2017 einen Thinktank mit dem Namen Zentrum Liberale Moderne gegründet. In den Jahren 2018 bis 2021 sind nach Auskunft der Bundesregierung rund 4,5 Millionen Euro an diese Organisation geflossen, die auf die öffentliche Meinung einwirkt. Wie bewerten sie das?
Antje Vollmer: Diese sogenannte NGO ist ein besonders eklatantes Beispiel eines hybriden politischen Thinktanks. Zwei ehemalige Spitzenpolitiker nutzen sämtliche Netzwerke der Institutionen, in denen sie lange tätig waren, und gründen dann mit Staatsgeld einen antirussischen Thinktank, den sie “Non Government Organisation” nennen und der durch keine echte Praxis im Land ausgewiesen ist.
Es gibt viele engagierte Städtepartnerschaften, die würden sich freuen, wenn sie auch nur punktuell Projektmittel vom Staat erhielten. Aber dieser Thinktank hat von Beginn an höchste politische Unterstützung genossen.
Warum ausgerechnet das Zentrum Liberale Moderne, was macht diese Organisation so besonders?
Antje Vollmer: Ich vermute, es sollte damals die zentrale Denkfabrik für eine schwarz-grüne Regierungsoption sein. Das würde dann aber auch bedeuten, dass das Postulat der Unabhängigkeit von Beginn an nicht stimmt. Es stimmt nicht die Regierungsferne, es stimmt nicht die Basisverankerung. Das Zentrum Liberale Moderne ist stattdessen ein Instrument eines ideologischen Lobbyismus.
Quelle: Telepolis
dazu auch: Die Ukraine und die außenpolitische Krise des Westens
Keine Rückkehr zum „Business as usual“ hatte die Devise westlicher Außenpolitik nach der Integration – nach westlicher Lesart Annexion – der Krim in die Russische Föderation im Jahr 2014 geheißen. Seit dem 24. Februar änderte sich dies zum „No Business at all“ und der Westen droht jedem Staat und auch Individuen mit Sanktionen, welche trotzdem noch Beziehungen zu Russland pflegen. Die Ereignisse der letzten Monate lassen aber Zweifel aufkommen, ob es dem Westen gelingen wird, der Welt seine Auffassungen aufzuzwingen. Die Bedeutung namentlich Westeuropas schwindet; es wird lernen müssen, mit dem ungeliebten Nachbarn im Osten leben zu lernen.
Die außenpolitisch-diplomatischen und wirtschaftlichen Kampfinstrumente des Westens erwiesen sich im Kampf gegen Russland als zu wenig wirksam. Dazu kommt, dass viele Staaten den Führungsanspruch, den gerade US-Präsident Joe Biden im Wahlkampf erhoben hatte, ablehnen. Nach drei Jahrzehnten, in welchen der Westen jeden missliebigen Staat zum „Rogue State“ – zum Schurkenstaat – erklären und bestrafen zu können glaubte, regt sich Widerstand. Der Ruf nach der multipolaren Welt ist die Antwort auf die Dominanz des Westens seit dem Zerfall der Sowjetunion.
Zur Empörung des Westens über die russische Intervention in der Ukraine mag die Tatsache beigetragen haben, dass die russische Seite im Fall der Krim und des Donbass die gleichen Argumente vorbrachte, mit denen der Westen seine diversen Interventionen in den vergangenen drei Jahrzehnten begründet hatte: Teil dieser Argumentation ist der Hinweis auf das Recht auf Sezession der russischsprachigen Bevölkerung im Süden und Osten der Ukraine versus jenes der Kosovo-Albaner im ehemaligen Jugoslawien. Dazu kommt der Begriff der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect) bzw. der humanitären Intervention, die ebenfalls im Zusammenhang mit dem Kosovo, aber auch mit der westlichen Intervention in Libyen bemüht worden war.
Quelle: Global Bridge
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Man muss inzwischen, so schräg das klingt, NATO-Generalsekretär Stoltenberg und US-Präsident Biden, die sonst gerne höhere Rüstungsausgaben fordern, für ihre Besonnenheit loben, während die EU, und vorne dran die Deutschen, den Russen alle Schuld an jeglichem Geschehen zuschieben und am liebsten sofort mit Waffengewalt losschlagen wollen. Die sind alle irre geworden.
dazu: Maximal aufgeblasen: Raketeneinschlag auf NATO-Territorium.
Kein Zweifel: Wäre die Rakete, die am Dienstag nachmittag die ostpolnische Ortschaft Przewodow traf, zehn Kilometer weiter östlich in einer ukrainischen Getreideankaufstelle eingeschlagen und hätte dort zwei Landarbeiter getötet, kein Hahn hätte groß danach gekräht – war nicht beabsichtigt, ist aber halt passiert. Etwas, was man im NATO-Sprech einen Kollateralschaden nennt. Dass das auch im Westen so gesehen wird, zeigen die Kommentare von Politikern. Sie laufen einhellig darauf hinaus, es sei völlig egal, wessen Rakete da explodiert sei, schuld sei ohnehin Russland (so Kanzler Olaf Scholz). Dass Vorfälle wie dieser im Krieg geschehen, ist also unterstellt. Nun ist die Rakete aber in Polen eingeschlagen, also auf dem Territorium eines NATO-Landes, und deshalb wird dieser Vorfall maximal aufgeblasen. Die polnische Presse wärmt die bereits im Frühjahr von den USA zurückgewiesene Forderung nach der Einrichtung einer »Flugverbotszone« – die sie faktisch hätten durchsetzen müssen – zumindest über der Westukraine wieder auf, die baltischen Außenminister vertwitterten, während in Przewodow noch die Trümmer rauchten, tiefempfundene Solidaritätsadressen an die »polnischen Waffenbrüder«. Darin wiederholten sie alles, was sie ohnehin immer schon sagen wollten über das »terroristische Russland« und so weiter.
Quelle: junge Welt
dazu: Wirklich besser als Hartz IV? „Bürgergeld“ klingt nach neoliberalem Blödsprech
Eine Arbeitsvita mit so einigen Bullshitjobs, seriösen Anstellungen und Phasen der Arbeitslosigkeit, klassisch also, man gerät durcheinander, also nageln Sie mich nicht fest, aber es muss ungefähr zeitlich so zusammen gefallen sein: kurz bevor „Hartz IV“ eingeführt wurde, arbeitete ich noch bei einer Agentur für politische Kommunikation. Zu unseren Kunden gehörte die Schrödersche Bundesregierung. Unsere Agentur organisierte Kampagnen für das Bundespresseamt. Hartz IV hatten wir nicht mitverbockt, aber damals arbeiteten wir zum Beispiel an der Kampagne zum neuen „Asylbewerbergesetz“. Ich erinnere mich gerade, wie die Sitzungen (wie erklären wir die Politik pflegeleicht dem ressentimentgeneigten Wähler), im Bundespresseamt dazu manchmal verbal zynisch gerieten, sie waren ja off the record, einmal hätte ich fast den Raum verlassen – wie hier geredet wurde, brachte mich in einen moralischen Konflikt.
Warum erzähle ich das? Hartz IV ist ja nur der Volksmundausdruck für die berüchtigte größte Arbeitsmarktreform der Bundesrepublik – aber „Bürgergeld“ hat sich jemand ausgedacht. Und wie die rot-grüne Koalition plus FDP auf das hübsche Wort „Bürgergeld“ gekommen ist, ich hätte hier gern Mäuschen gespielt.
Damals jedenfalls. Es kam die Werbekrise, unsere Agentur ging pleite, ich wurde arbeitslos. Viele Agenturen gingen pleite, viele wurden arbeitslos, es war komplett aussichtslos, einen Job in der Werbung zu finden. Aber: Irgendwas wollte man ja machen. Die meisten Menschen, die arbeitslos werden, geraten zuerst in eine tolle Aufbruchstimmung. Man wittert Chancen. Da ist etwas Rebellisches. Man hofft auf etwas Neues, das da kommt. Also leiert man etwas an. Ich organisierte mir einen Business-Englisch-Kurs an einer Berlitz School, den das Arbeitsamt, äh Jobcenter finanzierte. Ich ging nach London (danke Europäische Union), denn das Arbeitslosengeld I wurde nach London transferiert. In London lebte ich in einer WG, in der WG waren alle mit Arbeitssuche und Geldproblemen in Vollzeit beschäftigt, so war London. Manchmal flitzte eine Maus durch mein Zimmer.
Quelle: der Freitag
dazu auch: Zur Debatte um das Bürgergeld: Widerwärtig
Das Schauspiel um das Bürgergeld ist abstoßend wegen des schreienden Kontrastes zwischen der Freigiebigkeit, mit der die Herrschenden in diesem Land Milliarden über Milliarden für ihren Aufrüstungskurs ausgeben, und der sturen Geizhaltung, mit der dieselben Leute Menschen gegenübertreten, die aus Angst vor der nächsten Gasrechnung und Sorgen um Kleidung und Nahrungsmittel für ihre Kinder nicht in den Schlaf kommen. Abstoßend ist das Geschachere auch wegen der durchsichtigen Manöver, mit der die einen – vor allem CDU/CSU – die Erhöhung der Regelsätze abkoppeln wollen von der leisen Erweiterung von Grenzen für das Schonvermögen, und die anderen – die Regierungsparteien – sehenden Auges akzeptieren, dass beim Pokerspiel zwischen Bundestag und Bundesrat dann eben mitten im Winter noch nicht einmal die viel zu kleine Erhöhung der viel zu niedrigen Regelsätze zu erwarten ist. Wechselseitig werden so die Ärmsten in politische Geiselhaft genommen.
Quelle: Manfred Sohn in unsere zeit
dazu auch: Alt, arm und abgehängt
Immer mehr älteren Menschen wird in Deutschland die Würde genommen. Covid-19-Pandemie, Energiepreisexplosion und Inflation besonders verheerend. Doch Altersarmut ist keine Naturkatastrophe.
Während die bereits seit geraumer Zeit auf einem hohen Niveau verharrende Kinderarmut mittlerweile in der (Medien-)Öffentlichkeit relativ viel Aufmerksamkeit erfährt, stellt die Altersarmut nach wie vor einen blinden Fleck dar, obwohl das Armutsrisiko keiner anderen Altersgruppe in den vergangenen Jahren stärker gestiegen ist als jenes der Senior:innen. Man kann sogar von einer Reseniorisierung der Armut sprechen, nachdem zur Jahrtausendwende von einer „Infantilisierung der Armut“ (Richard Hauser) die Rede war.
Beide Tendenzen bestehen nebeneinander, denn aufgrund der Tatsache, dass von einer sozialen Misere auch wieder mehr Senior:innen betroffen sind, die jahrhundertelang als „würdige Arme“ galten, heute jedoch bezichtigt werden, nicht genug vorgesorgt zu haben, wird kein einziges Kind materiell bessergestellt.
Umso notwendiger ist es, dieses politische Armutszeugnis in einem vermögenden Land zu skandalisieren und gleichzeitig Druck auf Regierende wie Parlamentarier:innen auszuüben, damit sich etwas ändert. (…)
Wenn die obige Analyse der Entstehungsursachen von Altersarmut richtig ist, muss eine Gegenstrategie auf zwei Ebenen ansetzen: Notwendig ist die Reregulierung des Arbeitsmarktes, ergänzt um die Fortentwicklung der Gesetzlichen Rentenversicherung zu einer solidarischen Bürger- bzw. Erwerbstätigenversicherung.
Quelle: Christoph Butterwegge in gewerkschaftsforum.de
und: Von der Aktienrente profitieren nicht die Versicherten, sondern die Finanzmärkte
Die FDP schlägt vor, dass die Rente künftig zum Teil auf der Rendite von Aktien basiert. Unser Gastautor, ein Gewerkschaftsvorstand, warnt: Die Altersversorgung dürfe nicht von spekulativen Abenteuern abhängen. Unter dieser Bedingung habe eine Aktienrente aber durchaus Vorteile.
Die Menschen wollen eine verlässliche gesetzliche Rente. Doch Bundesfinanzminister Christian Lindner will die „Aktienrente“. Ein Aktienfonds soll ab Mitte des nächsten Jahrzehnts die Rentenkasse entlasten. 10 Milliarden will die Bundesregierung dafür 2023 zur Verfügung stellen – teilweise kreditfinanziert. Das Ganze wirft nur dann ein Plus ab, wenn die erwirtschafteten Erträge die Kreditzinsen übersteigen.
Ob sich diese Zins-Wette am Ende für den Staat bezahlt machen wird, steht in den Sternen der Finanzmärkte. Einem privaten Anleger würde man jedenfalls davon abraten, Aktienkäufe mit Krediten zu finanzieren. Noch dazu, wenn kaum etwas über die geplanten Anlagevorschriften oder das Risikomanagement der Wertpapieranlage bekannt ist.
Quelle: Hans-Jürgen Urban in Welt
dazu: Katar: Was bei der Empörungs-WM ausgeblendet wird
Kriegswaffen für Diktaturen? – Normalität. WM-Halligalli – verwerflich? Was Deutschland und andere westliche Staaten sonst noch mit der Region verbindet – und was an der aktuellen Debatte heuchlerisch ist.
Anlässlich der bevorstehenden Herrenfußball-WM in Katar beherrscht die Kritik an Menschenrechtsverletzungen in dem Golfemirat die Schlagzeilen und erhitzt die Gemüter, wie es fast undenkbar ist, wenn es um militärische Zusammenarbeit und Energiepartnerschaften westlicher Staaten mit Diktaturen in der Ölregion am Golf geht. Der Kooperation mit Saudi-Arabien etwa steht nicht einmal der staatlich verantwortete Mord am Journalisten Jamal Khashoggi entgegen.
Einige Staaten, die in den Jemen-Krieg verwickelt sind, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Kuwait und Katar, befinden sich unter den Ländern, die Kriegswaffen aus Deutschland erhalten. Von dieser Verletzung des Paragraphen 6 Kriegswaffenkontrollgesetzes lenkt auch die Empörung über homophobe Äußerungen von Funktionären aus Katar im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft der Männer ab. […]
Die US-Armee ist in Katar nicht nur großzügig unterstützter Gast, sondern auch Partner bei Verletzungen des Völkerrechts, etwa in Afghanistan und im Irak sowie in Syrien. Militärinterventionen in diesen Staaten sind nur entweder auf Einladung der Staatsmacht oder auf der Basis von UNO-Mandaten zulässig. Doch hier wird darauf keine Rücksicht genommen: Das US-Magazin Airforce Times berichtete 2016 über täglich Hunderte von Flugzeugeinsätzen im Luftraum des Irak, Syriens und in anderen Staaten der Region.
Al Udeid sei “ein integraler Bestandteil der Missionen in Afghanistan, die derzeit als Operationen Freedom’s Sentinel oder Resolute Support bezeichnet werden, sowie des Kampfes gegen die Gruppe Islamischer Staat im Rahmen der Operation Inherent Resolve”. Diese militärischen Aktivitäten werden durch Konflikte zwischen den Partnerstaaten des Westens nicht gefährdet. […]
Katar ist nicht nur ein landgestützter Flugzeugträger für die USA, sondern zugleich auch eine Schaltzentrale für die US-Kriegsführung in dieser Region und weit nach Afrika hinein über sie hinaus. Dies alles auszublenden und lediglich die WM zu skandalisieren, ist ein willkommenes Mittel zur Verblendung der Weltöffentlichkeit.
Quelle: Bernhard Trautvetter auf Telepolis
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