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Titel: Montagsdemo vor Grünen-Zentrale in Berlin: „Mit Haltung kann ich meine Wohnung nicht heizen“

Datum: 6. September 2022 um 14:41 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Soziale Gerechtigkeit
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Über 1.000 Demonstranten waren dem Aufruf des Bündnisses „Für Heizung, Brot und Frieden“ gefolgt und hatten sich zum Protest gegen die aktuelle Regierungspolitik vor der Bundesgeschäftsstelle von Bündnis 90/Die Grünen eingefunden. Redebeiträge kamen unter anderem von Vertretern der Linkspartei, der Sammlungsbewegung Aufstehen, der Naturfreunde und Gewerkschaftsgruppen. Die Kundgebungsteilnehmer und Redner forderten unter anderem eine gesetzliche Deckelung von Gas- und Strompreisen, die Vergesellschaftung der Energiewirtschaft sowie die Aufhebung der Sanktionen. Von Florian Warweg.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Näherte man sich von der Charité kommend gegen 18 Uhr dem Veranstaltungsort vor der Grünen-Zentrale, dem Platz vor dem Neuen Tor, fiel zunächst eine Reihe von DKP-Fahnen ins Auge, etwas später sollten sich noch zahlreiche Linken-Flaggen dazugesellen, ergänzt um Banner der Sammlungsbewegung Aufstehen (die zumindest in Berlin noch erstaunlich aktiv ist) sowie Fahnen der aus der Arbeiterbewegung Ende des 19. Jahrhunderts abstammenden Naturfreunde.

Vereinzelt sah man auch Fahnen der „Freien Linken“, die allerdings im weiteren Verlauf oft von selbsternannten Antifa-Vertretern runtergerissen worden, was zu einigen unschönen Szenen am Rande der Veranstaltung führte. Vereinzelt anwesenden Vertretern der Partei dieBasis wurden von den Ordnern zu verstehen gegeben, dass ihre Präsenz bei der Veranstaltung nicht erwünscht sei, und des Platzes verwiesen.

Zumindest die teilweise erfolgte Ausgrenzung der Freien Linken wurde innerhalb der Bündnisorganisation im Nachhinein kritisiert. Ein Mitinitiator des Protestes erklärte gegenüber den NachDenkSeiten, dass der Umgang mit den „Freien Linken“ und auch das Agieren der Antifa beim nächsten Bündnistreffen kritisch diskutiert werden müsse.

Den Aufschlag bei den Rednern machte der Anmelder der Kundgebung, der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Bundesvorstand der Naturfreunde Deutschland, Uwe Hiksch:

„Liebe Freunde, wir nehmen nicht mehr hin, dass die Damen und Herren im Deutschen Bundestag uns sagen, dass wir uns warm anziehen sollen, damit die ihre falsche Politik fortsetzen können. Wo leben wir denn? Nicht wir müssen uns warm anziehen, sondern die Damen und Herren (und weist dabei auf die Eingangstür zur Grünen-Zentrale), die uns dies erzählen wollen.“

Des Weiteren betonte Hiksch, dass das Bündnis ein internationales und solidarisches Bündnis sein wird, und prangerte dann das maßgeblich von den Grünen vorangetriebene größte Aufrüstungspaket in der Geschichte der Bundesrepublik an. Baerbock sei vielmehr eine Aufrüstungs- denn eine Außenministerin und daher eine komplette Fehlbesetzung. Zudem sei Armut in einem reichen Land eine Schande, daher gelte es auf die Straße zu gehen für eine Politik der Umverteilung und Besteuerung der Reichen.

Darauf folgte ein Redebeitrag der Bundestagsabgeordneten der Linksfraktion und Obfrau im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dağdelen, die unter anderem darlegte, wieso das Bündnis vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen demonstriert:

„Wir protestieren hier und heute, weil wir im Winter nicht frieren wollen. Wir protestieren hier und heute, weil wir nicht im Dunkeln sitzen, sondern wieder Perspektiven sehen wollen. Wir protestieren hier und heute vor der Geschäftsstelle der Grünen, weil zwei Minister dieser Partei, Annalena Baerbock und Robert Habeck, wesentlich verantwortlich sind für eine desaströse Regierungspolitik. Deshalb sind sie der richtige Adressat unserer Proteste.“

Zudem verwies sie auf die Rede von Außenministerin Baerbock bei der Botschafterkonferenz in Berlin am selben Tag, in welcher diese erklärt hatte, es gebe für sie zwei entscheidende Punkte in der Außenpolitik. Das Erste sei eine Politik der „klaren Haltung” und das Zweite sei eine Politik, die erläutert und erklärt.

Auf diese Aussagen bezugnehmend erklärte Dağdelen:

„Liebe Freundinnen und Freunde, von der Haltung kann ich meine Wohnung nicht heizen. Und von einer Politik, die uns erklärt, warum wir alle ärmer werden, will ich auch nichts wissen. Ich will eine Politik, die verhindert, dass Millionen Menschen in diesem Land ärmer werden.“

Die zum Wagenknecht-Flügel gehörende Dağdelen führte im weiteren Verlauf ihrer Rede noch die „absurden“ Folgen der „irrsinnigen Sanktionen“ aus:

„Der russische Energieriese Gazprom, den man mit den Sanktionen ja treffen wollte, meldet dank gestiegener Weltmarktpreise infolge der Wirtschaftssanktionen des Westens Rekordgewinne von 41,6 Milliarden Dollar. Und die US-amerikanische Fracking-Industrie verdient mit ihrem dreckigen Flüssiggas 200 Millionen Dollar pro LNG-Tanker, während Millionen Bürgerinnen und Bürger nicht wissen, wie sie Tausende Euro Mehrkosten für Gas und Strom bezahlen sollen.“

Ihre Rede beendete sie mit der Aufforderung an die Demoteilnehmer, sich von Politik und Medien nicht verunsichern zu lassen:

„Wir brauchen diesen Protest. Lasst uns diese Kampfansage weiterführen. Und lasst euch nicht für dumm verkaufen. Es ist eine Propagandamasche, eine unliebsame Meinung und Position in eine bestimmte Ecke zu stellen, um diese Position indiskutabel zu machen. Manchmal sagen sie, wir sind Rechte, manchmal sagen sie, wir sind „Putin-Trolle“. Wir sind nichts von dem. Wir sind Demokraten, die hier das Recht auf Versammlungsfreiheit praktizieren und gegen die Ampel-Regierung protestieren.“

Als Abschlussredner und Vertreter der Sammlungsbewegung Aufstehen sprach der in der Außenstelle des Lagers Förenwald bei München für jüdische Überlebende des Holocaust geborene Harri Grünberg. Als einziger Redner des Bündnisses forderte er im Namen von Aufstehen die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland:

„Eine Sache, die uns bei Aufstehen bewegt, ist die Frage der Sanktionen. Wir denken, dass, solange nicht genügend Gas fließt, die Spekulationen und damit die Preise nach oben gehen werden und wir sie nicht mehr bezahlen können. Deswegen ist es wichtig, die Sanktionen aufzuheben und den Gashahn aufzudrehen, damit genug Gas fließt (starker Applaus der Demoteilnehmer). Und das Gleiche gilt für die Verteidigung unserer sozialen Rechte, unseres Lebensstandards und dies ist eng verbunden mit der Frage des Friedens.“

Das Bundesvorstandsmitglied von Aufstehen erklärte weiter, man müsse aufpassen, „was unter rechts verstanden wird“. Er verwies auf seine Biografie als „Überlebender der Shoa“ und seinen Dienst in der israelischen Armee, er wisse daher, was Antisemitismus und Rassismus ist:

„Aber wenn man Menschen weiter entwickeln will, dann muss man sie mitnehmen und mit ihnen kämpfen. Und nicht jeder, der eine andere Meinung hat zu Covid, ist automatisch ein Rechter. Dieser Ansatz hat die linke Bewegung stark gespalten. Das dürfen wir nicht wiederholen, denn sonst werden wir scheitern.“

Weiter führte er aus, dass die Bundesregierung Deutschland immer weiter in einen Krieg hineinziehe, der in einer Katastrophe enden könne. Deshalb sei es auch so dringlich geboten, dass soziale Frage und Forderung nach Verhandlungen und Frieden zusammenlaufen. Auf Basis „dieses Konsens“ könne man dann auch der AfD „den Wählerboden unter den Füßen wegziehen“, denn diese unterstütze programmatisch die Politik der Ausbeutung. Er schloss seinen Beitrag mit dem Wunsch, dass „die linke Bewegung“ bald wieder stärker auf der Straße präsent sei und die AfD dann nicht mehr diejenige sein könne, die als einzige Oppositionskraft in Erscheinung trete.

Titelbild: Florian Warweg


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