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Titel: Tagesschau ruft zum „Kampf gegen die Lüge“ auf und bringt „Strafverfolgung“ von RT-Journalisten ins Spiel
Datum: 19. August 2022 um 15:20 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Europäische Union, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Medienkritik
Verantwortlich: Florian Warweg
In einem als „exklusiv“ gekennzeichneten Beitrag mit dem Titel „Russische Propaganda – Kampf gegen die Lüge“ wird auf der Tagesschau-Seite unter völlig vagen Verweisen auf BND und Verfassungsschutz für noch mehr Zensur gegen russische Medien und „die Möglichkeiten der Strafverfolgung“ geworben. Dies geschieht wohlgemerkt auf dem Portal der Hauptnachrichtensendung in diesem Land. Von Florian Warweg.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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„Die Bundesregierung tut sich bislang sichtlich schwer mit dem Kampf gegen Moskaus Lügen, will nun aber verstärkt dagegen vorgehen.“
So die einleitende Behauptung des Tagesschau-Beitrags aus der Feder des WDR-Journalisten Florian Flade. Die Implikation dieses Satzes muss man sich noch einmal vor Augen führen.
Die Bundesregierung hat in einem historisch einmaligen und zudem medienrechtlich sehr fragwürdigen Akt eine EU-Verordnung umgesetzt, die das Verbot aller Angebote von RT und Sputnik zum Inhalt hatte. Das Verbot umfasst dabei nicht nur die Sender inklusive RT DE, sondern auch alle technischen Dienstleister – also Internet-Plattformen wie YouTube, Pay-TV-Sender oder Kabel-TV-Angebote wie Sky, Vodafone oder Kabel Deutschland. Ihnen ist es verboten, RT- sowie Sputnik-Inhalte „zu senden oder deren Sendung zu ermöglichen, zu erleichtern oder auf andere Weise dazu beizutragen, auch durch die Übertragung oder Verbreitung über Kabel, Satellit, IP-TV, Internetdienstleister, Internet-Video-Sharing-Plattformen oder -Anwendungen, unabhängig davon, ob sie neu oder vorinstalliert sind“, heißt es in der entsprechenden Veröffentlichung im EU-Amtsblatt vom 2. März. Ebenso wurden alle Rundfunklizenzen oder -genehmigungen sowie Übertragungs- und Verbreitungsvereinbarungen ausgesetzt.
Abgesehen von dem damit verbundenen massiven Einschnitt in die Meinungs- und Pressefreiheit ist es auch fraglich, ob die EU überhaupt das Recht hat, so in die Medienpolitik ihrer Mitgliedsländer einzugreifen. Denn zumindest Medienpolitik und -recht lagen bisher eigentlich im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der einzelnen Nationalstaaten, nicht der EU. In einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags heißt es dazu beispielsweise:
„In der Europäischen Union (EU) sind in erster Linie die Mitgliedstaaten für die Medienpolitik verantwortlich. In Deutschland sind es insbesondere die Bundesländer.“
Es ist davon auszugehen, dass Deutschland sehr wahrscheinlich auch ohne die Initiative der EU solch zutiefst der Presse- und Meinungsfreiheit widersprechenden Maßnahmen durchgeführt hätte, es zeigt aber die ganze Fragwürdigkeit des rechtlichen Konstruktes gegen RT und Sputnik sowie einer Reihe weiterer Medien mit staatlicher russischer Finanzierung auf. Die EU hat damit einen Präzedenzfall geschaffen, der bei Bedarf auch auf andere Medien ausgeweitet werden kann.
Angesichts des skizzierten restriktiven Vorgehens der EU und die in einigen Bereichen darüber sogar hinausgehenden Umsetzungen in Deutschland fragt man sich, was der Autor des Tagesschau-Beitrags denn an zusätzlichen Maßnahmen einfordert, wenn ein de facto komplettes RT- und Sputnik-Verbot (Websites, TV, Radio, Soziale Medien) ihm nicht weit genug gehen und er sogar das bisherige massive Vorgehen der Bundesregierung als hilflos bezeichnet. Die Antwort darauf lässt nicht lange auf sich warten.
Zunächst gibt es aber einen kurzen (vermutlich unentgeltlichen?) Werbeblock des Tagesschau-Autors zum Verfassungsschutz und dessen neuen Projekts „Gemeinsam gegen Desinformation“, in welchem bezeichnender Weise wiederum Werbung für das private und hauptsächlich vom US-Milliardär Pierre Omidyar finanzierte „Faktencheck“-Portal Correctiv gemacht wird:
Vielsagend in dem Absatz ist dabei auch die Art der genutzten Sprachbilder wie etwa „identifizierte Propagandisten“, welches im Kontext des ganzen Artikels offensichtlich und komplett generalisierend unter anderem auf für russische Auslandssender arbeitende deutsche Journalisten abzielt.
Dies steht so wohlgemerkt bei der Tagesschau, die laut Rundfunkstaatsvertrag eigentlich zu sprachlicher Ausgewogenheit und Neutralität verpflichtet wäre.
Nach diesem Exkurs kommt der Tagesschau-Autor zu seinem eigentlichen Anliegen, bei dem man nach der Lektüre nicht ganz sicher sein kann, ob es genuin von ihm stammt oder eher Produkt eines Hintergrundgespräches beim Verfassungsschutz ist. Was würde sonst auch die Betitelung eines Artikels als „exklusiv“ rechtfertigen, der keinerlei neue Fakten oder konkret benennbare Quellen vorweisen kann?
„Das Sendeverbot für den russischen Propagandakanal Russia Today (RT) in der EU – das durchaus nicht unumstritten ist – erweist sich indes als mäßig erfolgreich. Die Inhalte des Senders werden auch hierzulande weiter im Netz verbreitet. So gibt es auch Stimmen innerhalb der Behörden, die ein härteres, gezieltes Vorgehen gegen die Kreml-Propagandisten fordern und auf die Möglichkeiten der Strafverfolgung verweisen.“
Es braucht wohl keine weitere Erläuterung, was der Verfasser dieses Tagesschau-Stücks mit der Nennung von RT in direkter Verbindung mit dem Kampfbegriff „Krem-Propagandisten“ und dem dann erfolgten Verweis auf „Möglichkeiten der Strafverfolgung“ erreichen will: Ein kaum verhohlener Versuch der Drohung und Einschüchterung gegen die für RT DE tätigen Journalisten.
Die eigentlich auf der Hand liegende Frage, wie Strafverfolgung von journalistischer Tätigkeit und Meinungsäußerung auch nur im Ansatz mit einer mutmaßlich demokratisch verfassten Gesellschaft, im konkreten Fall der Bundesrepublik Deutschland, zu rechtfertigen wäre, thematisiert der Tagesschau-Beitrag mit keinem einzigen Satz.
Gleichzeitig gibt aber die dabei genutzte Floskel „Stimmen innerhalb der Behörden“ auch einen Hinweis darauf, dass es um die Relevanz der „Quelle“ nicht so doll bestellt sein kann. So unbestimmte Ausdrücke werden meistens von Journalisten gewählt, die eine Botschaft an ihre Leser vermitteln wollen und dabei versuchen, diese mit einem Autoritätsargument zu verstärken, gleichzeitig aber wissend, dass es eigentlich keine ernsthafte Quelle gibt, die man dafür als Beleg anführen könnte. Zu diesem Floskel-Arsenal gehört neben den „Stimmen innerhalb der Behörden“ auch der Klassiker „zahlreiche Experten/Beobachter/Analysten…“.
Im konkreten Fall ist es sogar so vage formuliert, dass darunter selbst eine private Äußerung eines übereifrigen Social-Media-Mitarbeiters im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (NachDenkSeiten berichteten) fallen würde. Auch dies wäre im Sinne der gewählten Formulierung eine Stimme innerhalb einer Bundesbehörde.
Fazit: Bei dem im Tagesschau-Stück herbeigeschriebenen Ruf nach strafrechtlicher Verfolgung von RT-Journalisten scheint es sich, zumindest noch, eher um den Wunsch des Autors oder der Tagesschau-Redaktion zu handeln als um reale Pläne im Bundesinnenministerium und den nachgeordneten Behörden wie Verfassungsschutz & Co.
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