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Titel: Immobilienhai als „Sendechef-Kontrolleur“ des RBB – Der eigentliche Skandal in der Causa Schlesinger
Datum: 16. August 2022 um 10:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Lobbyismus und politische Korruption, Medien und Medienanalyse
Verantwortlich: Florian Warweg
Viel ist berichtet worden über die Verfehlungen, die zum Rücktritt der ARD-Vorsitzenden und RBB-Intendantin Patricia Schlesinger führten. Doch bei aller Berichterstattung zu dem Thema blieb eine Personalie im Schatten, die strukturell gesehen den viel größeren Skandal darstellt: Der Chef des Kontrollorgans des RBB war seit 2013 der skandalumwobene Immobilienunternehmer Wolf-Dieter Wolf. Wie konnte ein in Berlin und Brandenburg mit Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe tätiger Immobilienhai Verwaltungsratsvorsitzender eines öffentlich-rechtlichen Senders werden? Von Florian Warweg.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Wolf-Dieter Wolf ist der personalisierte Inbegriff des bundesweit bekannten Ausdrucks „Berliner Filz“. Wolf kam 1979 nach Berlin und gründete dort die „Grundkonzept Immobilienverwaltungs- und Beratungsgesellschaft für wirtschaftliche Grundstücksnutzung mbH.“
Seine große Zeit begann mit der sogenannten Wiedervereinigung. Im Zeitraum von 1992 bis 2007 betrug das Volumen von Wolfs Immobilien-Investitionen in Berlin und Ostdeutschland laut eigenen Angaben rund 100 Millionen Euro. Sein Spezialgebiet war die „Revitalisierung von Einkaufszentren“. Apropos Berliner Filz. In einem Gefälligkeitsporträt ohne jede Distanz im Berliner Tagesspiegel von 2007 heißt es zu ihm:
„Wolf-Dieter Wolf ist einer, der an vielen Stellen großzügig hilft, sponsert und fördert und ein wenig wie Gottvater aussieht.“
2004 leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den „großzügigen Gottvater“ wegen Korruptionsverdacht im Rahmen des Verkaufs und Vermietung des Immobilienobjektes „Geschäftszentrum Adlershofer Tor“ in Treptow-Köpenick ein. Wolf agierte bei dem Geschäftszentrum mit über 8.400 Quadratmetern und zusätzlich 1.000 Stellplätzen als Bauherr, Vermieter und Käufer. Die finanziellen Risiken wälzte er dabei auf die öffentliche Hand ab, die zum Land Berlin gehörende öffentliche Gesellschaft BAAG (Berlin Adlershof Aufbaugesellschaft).
Und das gelang ihm wie folgt: Im Juni 2001 hatte der Träger des Entwicklungsgebiets Adlershof (die BAAG) mit Wolfs Unternehmen „Grundkonzept“ einen bis 2009 gültigen Generalmietvertrag abgeschlossen. „Generalmietvertrag“ heißt, die BAAG kommt für die Miete selbst dann auf, wenn das Gebäude komplett leer steht. Ende 2001 wurde der Komplex an die „Grundkonzept“ GmbH für 5,568 Millionen Euro verkauft. Das finanzielle Risiko blieb aber – dank des Mietvertrags – bei der BAAG, die treuhänderisch für das Land Berlin tätig ist: 8,726 Millionen Euro Steuergelder über 65 Monate. Der Komplex stand auch tatsächlich lange leer und ist bis heute defizitär. Pikant war und ist der Grundstücksdeal zu Gunsten von Wolf auch durch die darin involvierten Personen. Der damalige BAAG-Chef war Jens Krause, zuvor CDU-Staatssekretär für Bauverwaltung, abgesegnet wurde dieser für die Stadt Berlin so ungünstige Deal durch den Verantwortlichen für Stadtentwicklungs- und Finanzverwaltung, den damaligen SPD-Staatssekretär Frank Bielka.
Rund um den Deal sind auch Wolfs enge Beziehungen zum damaligen SPD-Regierungschef von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), aufschlussreich. Wie unter anderem das „Handelsblatt“ berichtet, hielt der Regierende Bürgermeister nicht nur die Festrede zur Einweihung des „Adlershofer Tors“, sondern spielte auch in Wolfs Firmen-Team „Grundkonzept“ bei einem Golfturnier am Scharmützelsee. Präsident des austragenden „Sporting-Club“ war, dreimal darf der Leser raten, ebenfalls ein gewisser Wolf-Dieter Wolf. Der stadtbekannte Immobilienunternehmer wurde wiederum regelmäßig zu Fundraising-Festessen zugunsten der politischen Aktivitäten von Klaus Wowereit eingeladen. Wolf verkaufte das „Adlershofer Tor“ im April 2006 an den Investor CLS Holding aus London. Das Strafverfahren gegen Wolf wurde unter fragwürdigen Umständen ebenfalls 2006 eingestellt. Nur ein Jahr später wird dem Immobilienunternehmer, verdient ist verdient, das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.
Mitten um den Skandal der Megaimmobilie „Adlershofer Tor“ wird Wolf 2003 in den Verwaltungsrat des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) berufen und am 22. Oktober 2013 zum Vorsitzenden dieses Kontroll-Gremiums eines öffentlich-rechtlichen Senders gewählt. Laut Eigendarstellung des RBB hat der Verwaltungsrat und insbesondere dessen Chef folgende Aufgabe:
„Der Verwaltungsrat überwacht die Geschäftsführung der Intendantin/des Intendanten mit Ausnahme der inhaltlichen Gestaltung der Angebote des rbb. Vor allem im Hinblick auf finanzielle Entscheidungen wirkt der Verwaltungsrat beratend und unterstützend.“
Zum Zeitpunkt seiner Ernennung zum Sendechef-Kontrolleur des RBB sowie als Aufsichtsratschef der kommerziellen Tochter RBB Media (die Werbung akquiriert und Lizenzen erteilt) hat Wolf zusätzlich folgende Posten in Berlin inne:
2017, da hat er bereits seit drei Jahren den Posten als Vorsitzender des Aufsichtsrats des Rundfunks Berlin-Brandenburg inne, wird er zudem Vorsitzender des Aufsichtsrats der Messe Berlin, eine der weltweit umsatzstärksten Messegesellschaften.
Vielsagend in diesem Zusammenhang der akkumulierten Posten ist auch eine fast nebenbei getroffene Einschätzung im Handelsblatt zum Ausmaß von dessen politischer Einflussnahme. Dort heißt es in einem Artikel vom 10. August zu Wolf-Dieter Wolf wie selbstverständlich:
„Der Mann, der über Jahrzehnte die politische Landschaft Berlins – mit Ausnahme der Linken – eingehegt hatte, war nicht mehr zu halten. Gegen ihn, aber auch gegen die langjährige Intendantin Patricia Schlesinger, 61, und ihren Ehemann Gerhard Spörl, 73, ermittelt der Staatsanwalt wegen des Verdachts auf Untreue und Vorteilsnahme.“
Das muss man sich wirklich alles auf der Zunge zergehen lassen: Ausgerechnet ein umstrittener Immobilienhai, der knapp einem Strafverfahren wegen „Untreue und Bestechlichkeit“ entgangen ist sowie diverse Pöstchen im Berliner Politik- und Unternehmenskontext innehat und damit massiv Einfluss auf das Berliner Politgeschehen nimmt („einhegt“), soll federführend den RBB, also einen öffentlich-rechtlich finanzierten Sender, „im Hinblick auf finanzielle Entscheidungen“ überwachen, unterstützen und beraten. Mehr konnte man den sprichwörtlichen Bock wohl nicht zum Gärtner machen.
Werte Leser, was sagt es Ihrer Meinung nach über die Verfasstheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus, dass ohne jeden Widerspruch eine solche Personalie über fast 10 Jahre den Chefposten der gesamten Senderkontrolle beim RBB (inhaltliche Fragen ausgenommen) innehaben konnte, ohne dass auch nur einmal von den ARD-Gremien die Frage nach evidenten Interessenskonflikten aufgeworfen wurde? Schreiben Sie uns gerne: [email protected]
Titelbild: Screenshot RBB
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