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Titel: Angela Merkel will „betriebliche Bündnisse“, damit die „Weichen wieder aufwärts gestellt“ werden. Wie eine aktuelle Betriebsräte-Befragung des WSI zeigt, gibt es solche Bündnisse schon massenhaft.
Datum: 7. September 2005 um 15:15 Uhr
Rubrik: Arbeitsmarkt und Arbeitsmarktpolitik, Gewerkschaften
Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Entweder fordert Frau Merkel etwas, was die Gewerkschaften schon längst mitmachen oder es steckt etwas ganz anderes hinter dieser scheinbar so harmlosen Forderung. In der Tat werden hier wieder einmal „Tarnwörter“ benutzt, die das Denken in die falsche Richtung lenken sollen(Oskar Lafontaine). In Wahrheit geht es darum, „betriebliche Bündnisse“ per Gesetz zu regeln. Das stellte aber eine staatliche Regulierung des Arbeitsmarktes dar und das bedeutete einen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Tarifautonomie. Noch 1999 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Betriebsbündnisse ohne Zustimmung der Gewerkschaften illegal seien. IG-Metall Chef Peters hat also Recht, wenn er gegen einen solchen Systemwechsel eine Verfassungsklage einreichen will.
Betriebliche Bündnisse längst keine Ausnahmen mehr
Betriebliche Bündnisse zur Beschäftigungssicherung sind in deutschen Unternehmen längst keine Ausnahmen mehr. Aktuell gibt es in jedem vierten Betrieb mit mehr als 20 Beschäftigten eine derartige Vereinbarung, die zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung ausgehandelt und von den Tarifparteien, also Gewerkschaft und Arbeitgeberverband, gebilligt wurde. Die Bündnisse beschränken sich auch nicht auf Unternehmen, die in akuten wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken. Das ist das Ergebnis einer Analyse des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Die Daten stammen aus der aktuellen Betriebsräte-Umfrage unter mehr als 2000 Betriebsrätinnen und Betriebsräten.
“Während Politiker gesetzliche Öffnungsklauseln fordern, haben sich Betriebs- und Tarifparteien längst auf betriebliche Bündnisse geeinigt”, resümieren die WSI-Forscher Dr. Hartmut Seifert und Heiko Massa-Wirth. Die Flächentarifverträge ließen erhebliche betriebliche Gestaltungsmöglichkeiten zu. Sie stärkten gleichzeitig die Position der Belegschaft, beispielsweise bei Verhandlungen über verbindliche Beschäftigungs- oder Standortzusagen als Gegenleistung für Zugeständnisse bei Arbeitszeiten oder übertariflichen Leistungen.
Unter den Firmen mit schlechter Auftragslage sind Beschäftigungs-Bündnisse am häufigsten. 39 Prozent in dieser Gruppe haben eine Vereinbarung. Doch auch in gut 21 Prozent der Betriebe mit guter Auftragslage gibt es ein Bündnis. Dient die Gewinnsituation als Maßstab, ist der Abstand bei der Verbreitung noch geringer: In 30 Prozent der Betriebe mit schlechter Ertragslage existiert ein Bündnis, bei den Betrieben mit gutem Gewinn sind es 23 Prozent.
Betriebsräte sehen “Verbetrieblichung” skeptisch
Auch unabhängig von betrieblichen Bündnissen gibt es vielfältige Möglichkeiten, bei Arbeitszeit und Einkommen betriebsspezifische Lösungen zu finden. Drei von vier tarifgebundenen Betrieben nutzen inzwischen die Möglichkeiten der Flächentarifverträge, über “Differenzierungs-” und “Öffnungsklauseln” von Standards abzuweichen. Die Flächentarifverträge erweisen sich damit als sehr flexibel: Gegenüber der letzten WSI-Betriebsräte-Befragung von 2002 hat sich der Anteil der Betriebe etwa verdoppelt, die so auf besondere Situationen reagieren. Betriebsrätinnen und Betriebsräte sehen den allgemeinen Trend, dass wichtige Regelungen der Tarifpolitik auf die betriebliche Ebene verlagert werden, oft skeptisch. 53 Prozent finden sie “generell problematisch”, weitere 30 Prozent sehen sie “zwiespältig”. Lediglich 12 Prozent nennen die Entwicklung “begrüßenswert”. Im Vergleich zu 2002 ist der Anteil der positiven Bewertungen leicht gesunken.
Weitere Informationen und Grafiken zu betrieblicher Mitbestimmung und Tarifautonomie im Online-Angebot der Hans-Böckler-Stiftung.
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