Heute unter anderem zu folgenden Themen: Revolutionen in Nordafrika; Tango Mit der Deutschen Bank; Schuldenkrise – Schon wieder wanken Banken; J. Bradford DeLong: Sinnloser Schmerz; Bischof unterliegt Atheisten; Petra Roth “Aufstand der Städte”: Eine Art Schadensbilanz; Merkel chaotisiert Zapfsäule; Rambos ohne Orientierung; Nach Stuttgart-21-Leserbrief – Vorladung aufs Revier; Wie das Pentagon Bradley Manning brechen will; Guttenberg-Demos; Stefan Mappus: Wir brauchen mehr Streitlust; Unter Generalverdacht gestellt; Bauer-Konzern jetzt komplett tariffreie Zone; Lügen mit Zahlen (KR/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Revolutionen in Nordafrika
- Tango Mit der Deutschen Bank
- Schuldenkrise – Schon wieder wanken Banken
- J. Bradford DeLong: Sinnloser Schmerz
- Bischof unterliegt Atheisten
- Petra Roth “Aufstand der Städte”: Eine Art Schadensbilanz
- Merkel chaotisiert Zapfsäule
- Rambos ohne Orientierung
- Nach Stuttgart-21-Leserbrief – Vorladung aufs Revier
- Wie das Pentagon Bradley Manning brechen will
- Guttenberg-Demos
- Stefan Mappus: Wir brauchen mehr Streitlust
- Unter Generalverdacht gestellt
- Bauer-Konzern jetzt komplett tariffreie Zone
- Lügen mit Zahlen
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Revolutionen in Nordafrika
- Interview mit Jean Ziegler – “Gaddafi ist völlig verrückt”
Der Schweizer Soziologe und UN-Berater Jean Ziegler hat den libyschen Despoten bei vielen Treffen als “blitzgescheiten und analytisch begabten Menschen erlebt”. Ein Gespräch über die Wandlung des Muammar al-Gaddafi, die Tragödie des libyschen Volkes – und die Gemeinsamkeiten mit Deutschland 1989.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
- Ägypten: Ausnahme ist kein Zustand
Am Donnerstag musste Ministerpräsident Ahmed Shafik, ein Vertreter der alten Garde, das Handtuch werfen. Die Militärs übergaben das Amt an den als integer bekannten Essam Sharif, der am Freitag auf dem Tahrir-Platz bejubelt wurde. Sharif betonte, dass er seine Legitimation den Demonstranten verdanke und ihre Forderungen durchsetzen werde. Die wollen mehr: Mehrere hundert Demonstranten stürmten in der Nacht zum Samstag das Hauptquartier des Geheimdienstes in der Hafenstadt Alexandria, und in Kairo versammelten sich am Samstag aufgebrachte Menschen vor einer Geheimdienstzentrale im Bezirk Scheich Sajid. Beim Umbau des Systems geht es schnell voran. Innerhalb von nur zehn Tagen hat ein Komitee unter der Leitung des anerkannten und unabhängigen Richters Tarek el-Bishri die Verfassung so umgearbeitet, dass sie demokratische Wahlen und demokratische Verhältnisse ermöglichen soll. Schon am 19. März sollen die Ägypter über diese Verfassungsänderungen abstimmen. Teile der Opposition fürchten jedoch, dass die Entwicklung zu schnell und ohne ausreichende Diskussion voranschreitet.
Die vorgeschlagenen Änderungen der Verfassung, die am 26. Februar vorgestellt worden waren, erfüllen die meisten Forderungen der Opposition. Vor allem wird die übermächtige Stellung des Präsidenten beschnitten. Höchstens eine Wiederwahl bei einer verkürzten Amtszeit von jeweils vier Jahren ist vorgesehen. Die Überwachung der Wahlen durch die Justiz wird wiedereingeführt. Ein Gericht wird auch das letzte Wort bei Anfechtungen der Wahl haben. Seit 30 Jahren gilt in Ägypten der Ausnahmezustand. Zukünftig soll ein Präsident ihn nur mit Zustimmung des Parlaments verhängen können. Sollte er mehr als sechs Monate dauern, wäre eine Volksabstimmung nötig. Auch in Verfahren gegen Terrorverdächtige sollen rechtsstaatliche Regeln und die Einhaltung der Menschenrechte gewährleistet sein. Der Artikel, der Parteien mit religiösen Referenzen die Zulassung verbietet, soll nicht geändert werden. Damit war bisher das Verbot der Muslimbruderschaft begründet worden. Diese müsste also ein neues Parteiprogramm ausarbeiten, wollte sie bei den Wahlen antreten.
Quelle: Tagesspiegel
- Die Freiheit der anderen
Der aus einem antityrannischen Aufstand erwachsene libysche Bürgerkrieg scheint derzeit in einem Patt zu stehen. Während die Weltgemeinschaft Gaddafi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit anklagen will, ist ein militärischer Sieg der einen oder anderen Seite nicht in Sicht. Dafür hat sich ein Flüchtlingsproblem ungeahnten Ausmaßes entwickelt, das der Westen pflichtschuldig zu lösen versucht. Die Wucht dieser humanitären Krise, die derzeit noch mit rein logistischen, nichtmilitärischen Mitteln mindestens gelindert werden kann, schenkt dem Westen eine Atempause, in der er das entscheidende politisch-moralische Problem umgehen kann. Kann, soll und darf sich der Westen militärisch – und sei es “nur” mit einer vom Sicherheitsrat verhängten Flugverbotszone – in diesen Bürgerkrieg einmischen? Realpolitisch, mit Blick auf absehbare Folgen und nicht kalkulierbare Nebenfolgen, verbietet sich jede militärische Einmischung. […]
Eine direkte militärische Intervention zugunsten der Aufständischen verbietet sich also aus realpolitischen und völkerrechtlichen Gründen. Das heißt aber nicht, dass der Westen, die EU, also auch Deutschland die Hände in den Schoss legen und sich auf das Retten von Flüchtlingen beschränken müssen. Immerhin wäre es denkbar, eine demnächst gebildete Regierung der libyschen Revolution sogar dann anzuerkennen, wenn sie noch nicht das ganze Territorium beherrscht.
Quelle: taz
- Nutzlose Sanktionen: Öl-Millionen fließen weiter an Gaddafi
Libyens Zentralbank habe die Kontrolle über Gelder aus den Rohölexporten – und damit potenziell auch Gaddafi, schreibt die “Financial Times” aus London unter Berufung auf Experten. Grund sei, dass die Sanktionen der UN und der EU nicht auf die Zentralbank zielten und die Sanktionen der USA Firmen libyscher Eigner im Ausland nicht beträfen. In der letzten Februarwoche hat das Land nach Angaben der Zeitung rund 570 000 Barrel Rohöl pro Tag exportiert. In dieser Woche sei die Menge auf 400 000 Barrel gesunken, berichteten Ölexperten und Schiffsmakler dem Blatt. Bei derzeitigen Preisen wären so etwa 770 Millionen Dollar (551 Mio. Euro) in das Land geflossen.
Sollte es Gaddafi schaffen, den Ölexport auf dem Stand von Freitag zu halten, könne das Land weiterhin pro Woche fast 200 Millionen Dollar einnehmen. Daran hätten mehrere Experten allerdings Zweifel. Viele Raffinerien und Reedereien haben aus Sorge um ihren Ruf die Kontakte zu dem von schweren Unruhen zerrütteten Land abgebrochen. Chinesische und indische Firmen würden allerdings weiterhin Rohöl aus Libyen beziehen.
Quelle: FTD
Anmerkung Orlando Pascheit: Bezeichnenderweise wurde über Libyens entscheidende Ressource keine Sanktion verhängt. Wie viele Raffinerien und Reedereien ihre Beziehungen zu Gaddafi freiwillig ruhen lassen, würde man doch gerne genauer wissen. Außenminister Guido Westerwelle hatte sich Ende Februar auf einem Treffen der Außenminister aus den USA, Frankreich, Großbritannien und Italien am Rande der Sitzung des UN-Menschenrechtsrates für das „Einfrieren von sämtlichen Zahlungen an Libyen“ für einen Zeitraum von 60 Tagen ausgesprochen. Dazu gehöre beispielsweise auch die Begleichung von Öl-Rechnungen. „Wir müssen verhindern, dass frisches Geld in die Hände von Herrn Gaddafi kommt.“
Der Vorschlag wurde bisher in keiner Form aufgegriffen. Soweit sind wir von der Haltung Indiens oder Chinas nicht entfernt: Business as usual.
- Das Bündnis der EU mit Libyen bei der Flüchtlingsbekämpfung
Die westlichen Großmächte bereiten derzeit ein militärisches Eingreifen gegen Libyen vor und führen dazu „humanitäre“ Vorwände ins Feld. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat erklärt, man könne „nicht zusehen, wie Menschen ermordet werden“. Doch genau das hat die Europäische Union über die letzten Jahre getan, als sie mit den Diktaturen in Libyen und Tunesien bei der Flüchtlingsabwehr eng zusammenarbeitete.
Quelle: WSWS
- Tango Mit der Deutschen Bank
Der Emissionshandel soll eigentlich den Umweltschutz fördern. Fabriken und Kraftwerke, die sauber produzieren, können nicht benötigte Verschmutzungsrechte an Unternehmen veräußern, die noch zu viel Kohlendioxid (CO2) ausstoßen. Und die über den teuren Ankauf von CO2-Zertifikaten gedrängt werden sollen, weniger Schadstoffe in die Atmosphäre zu pusten. Eine schöne Idee, die aber wohl ziemlich zwielichtige Gestalten angezogen hat.
International agierende Banden sollen den Staat beim Handel mit Verschmutzungsrechten (Emissionszertifikate) um horrende Beträge geschädigt haben. Es gibt mehr als 150 Beschuldigte, meist Firmenchefs und weitere Geschäftsleute. Vier von ihnen sitzen in Untersuchungshaft, zum Teil schon seit fast einem Jahr.
Die Dimension der Schmutzdeals ist immens. In den vergangenen Wochen haben Finanzämter aus ganz Deutschland begonnen, den Schaden für den Staat auszurechnen. Ergebnis: 15 Firmen sollen zusammen mehr als 300 Millionen Euro Steuern hinterzogen haben. Und das ist nur eine erste Zwischenbilanz. Insgesamt 50 Firmen sollen den Fiskus betrogen haben. Der Gesamtschaden beträgt nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt 850 Millionen Euro. […]
Die Fahnder, die mit den Kollegen in Frankfurt eng kooperieren, stießen gleich auf drei “Hauptlieferstränge”, die über die Deutsche Bank abgewickelt worden seien. Die Großbank sei jeweils das letzte Glied in der Kette gewesen und habe beim Fiskus mehr als 100 Millionen Euro an Umsatzsteuer-Rückerstattung geltend gemacht.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
- Schuldenkrise – Schon wieder wanken Banken
Bald gipfelt es wieder in Europa. Aber die Politiker verschweigen die fragile Lage ihrer Banken. Dabei ist das der Kern der Euro-Krise. Die Krise ist wieder dort angekommen, wo sie einmal anfing. […]
Aber das stimmt nicht. Es geht auch um Banken. Auch um deutsche Banken. Dazu lohnt ein Blick zurück auf die Rettung Irlands im vorigen Herbst. Europa drängte Irland geradezu unter den europäischen Rettungsschirm. Warum? Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte die Rettung Irlands damals als Euro-Rettung. „Um die starke Stellung des Euro zu halten, müssen wir die Schwächen beseitigen.“
Unter Ökonomen macht indes eine plausiblere Erklärung die Runde: Die irische Regierung hatte damals erwogen, auf Hilfe aus dem Rettungsfonds zu verzichten. Dafür wollte sie aber ihre Banken, die am Abgrund standen, in ein Insolvenzverfahren schicken. Dann aber hätten die Gläubiger der irischen Banken bluten müssen und zumindest auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten müssen. Das hätte gerade die deutschen Banken stark getroffen. Kein Wunder, dass die Idee im Europäischen Rat auf heftige Ablehnung stieß – besonders bei den Deutschen. Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, sagt: „Alle Anzeichen sprechen dafür, dass das der wahre Grund gewesen ist.“ […]
Europa hat sich entschieden, in der Krise die Bürger zur Kasse zu bitten und die Banken ungeschoren davonkommen zu lassen. […] Das Ganze funktioniert nur, weil die Banken im Verhältnis zu den Staaten so unglaublich groß geworden sind. „Allein die Anglo Irish Bank in Irland brauchte eine Rettung in Höhe von 20 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts Irlands“, sagt Fuest.
Quelle: FAZ
- J. Bradford DeLong: Sinnloser Schmerz
Heute sehen wir im Vergleich zum Trend vor der Rezession einen nominellen Nachfrageausfall von 8%, keine Anzeichen anziehender Inflation, und Arbeitslosenquoten in der Nordatlantikregion, die mindestens drei Prozentpunkte über jeder glaubhaften Nachhaltigkeitsschätzung liegen. Und obwohl Politiker, die kein Wirtschaftswachstum und keine hohen Beschäftigungsraten sichern können, meist die nächsten Wahlen verlieren, rufen die Verantwortlichen in Europa und den USA lautstark nach politischen Maßnahmen, die kurzfristig Wirtschaftsleistung und Beschäftigung verringern würden.
Quelle: Project Syndicate
- Bischof unterliegt Atheisten
Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller hat im Rechtsstreit mit dem Philosophen Michael Schmidt-Salomon eine Niederlage erlitten: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sah es als erwiesen an, dass Müller in der Auseinandersetzung mit Schmidt-Salomon die „Pflicht zur Sorgfalt, Sachlichkeit und Wahrhaftigkeit“ nicht erfüllt hat. Ein Urteil mit weitreichenden Folgen.
Quelle: Wochenblatt
- Petra Roth “Aufstand der Städte”: Eine Art Schadensbilanz
Die jüngste, im Jahr 2008 einsetzende Finanzkrise, die man oft mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 vergleicht , hat in den bundesrepublikanischen Städten, Landkreisen und Gemeinden große Schäden angerichtet. Die Kommunen erwarteten angesichts dieser Lage, dass die von der Bundesregierung angepeilte Reform der Gemeindefinanzen etwas bringen würde…
Um es deutlich zu machen. Sozialpolitisch sind wir längst am Ende der Fahnenstange angekommen.
Quelle: Frankfurter Rundschau
- Merkel chaotisiert Zapfsäule
Zumindest für eine ist das E10-Debakel an deutschen Tankstellen super – die Mineralölindustrie. Sie macht erstens ein gutes Geschäft, weil die Autofahrer den mit 10 Prozent Bioethanol angereicherten Sprit meiden und stattdessen das teure Super kaufen. Und sie darf sich zweitens zurücklehnen, weil sich die Umweltpolitik von selbst erledigt. Zu stümperhaft ist die Einführung des Kraftstoffs, der der Umwelt nicht mal viel hilft. […]
Biomasse kann künftig womöglich zur Energiegewinnung beitragen, im Tank nützt sie aber wenig. Wer dem Klima helfen, den Spritkonsum drosseln will, muss das Auto abspecken und die PS-Fantasien in der Garage lassen. […]
Dass sich Merkels Truppe dies nicht traut, ist ärgerlich. Sie verwirrt lieber Tausende Autofahrer, als fünf deutsche Konzernchefs zu behelligen. Dabei würde das nicht nur dem gebeutelten Planeten helfen, es wäre auch im Interesse der Konzerne und Arbeitnehmer: Sie könnten sich Absatzmärkte sichern in Zeiten hoher Ölpreise. Die Regierung habe die Verbraucher bei E10 nicht mitgenommen, so erklären die Spin-Doctors das Debakel. Mag sein. Viel wichtiger: Die Regierung muss die Unternehmer mitnehmen, besser gesagt: nötigen.
Quelle: taz
- Rambos ohne Orientierung
Nach dem Dresdner Nazi-Aufmarsch stürmte das SEK in filmreifer Manier die Räume der Linkspartei. Die klagt nun. Hat sich die Polizei nur in der Adresse geirrt? […]
Laut Schollbach war das Vorgehen der Beamten in dreifacher Hinsicht rechtswidrig. Die richterliche Anordnung erging nur mündlich. Die später nachgereichte Begründung von drei Sätzen genüge “nicht einmal minimalen Rechtsstaatsbedürfnissen”, sagte Schollbach. Alle Computer wurden inzwischen vollständig zurückgegeben, und laut Staatsanwaltschaft gibt es weder gegen Linke noch gegen Mitglieder des “Roten Baums” ein Ermittlungsverfahren. In dessen Vereinsgebäude war am Demonstrationstag niemand anwesend. Schließlich sei das Vorgehen der Beamten unverhältnismäßig gewesen.
Quelle: taz
- Nach Stuttgart-21-Leserbrief – Vorladung aufs Revier
Das rigorose Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft gegen Stuttgart-21-Gegner beschäftigt immer häufiger auch die Rechtsanwälte der Landeshauptstadt, bei denen sich die Verfahren, die mit dem Widerstand gegen das Bahnprojekt zusammenhängen, langsam häufen. Nach der Berichterstattung in der StZ über eine richterlich angeordnete Wohnungsdurchsuchung in Untertürkheim sind weitere Fälle bekannt geworden, die von den Betroffenen als Einschüchterungsaktionen empfunden worden sind. […]
Selbst Meinungsäußerungen in Form von Leserbriefen an Tageszeitungen können dazu führen, dass deren Autoren ins Visier der Behörden geraten – wie im Fall des in Sachsenheim wohnenden gebürtigen Stuttgarters Ulrich Scheuffele. Unter der Überschrift “Die Presse schweigt” hatte er nach einer Demo am 4. Dezember vor dem Neuen Schloss einen Brief an die “Bietigheimer Zeitung” verfasst. Darin setzte er sich kritisch mit dem Polizeieinsatz auseinander, bei dem Beamte bei der Verfolgung eines jungen Mannes, der diese beleidigt haben soll, eine Frau umgerannt hatten. Sie wurde dabei schwer verletzt und hat inzwischen Anzeige erstattet.
Scheuffele wurde als Zeuge aufs örtliche Revier vorgeladen, wo er nach eigenen Worten “ausgequetscht” worden sei. Der Vorfall selbst sei dabei nicht Gegenstand der Befragung gewesen. Vielmehr hätten die Beamten wissen wollen, ob er Näheres über die Rädelsführer einer Befreiungsaktion für den flüchtigen Demonstranten wisse.
Quelle: Stuttgarter Zeitung
Anmerkung Jens Berger: Es ist beschämend, mit ansehen zu müssen, wie die Stuttgarter Behörden die Projektgegner kriminalisieren und dabei sämtliche Regeln des Anstandes verletzen.
- Wie das Pentagon Bradley Manning brechen will
Vor wenigen Tagen hat das Pentagon weitere Anklagepunkte gegen den 23-jährigen Bradley Manning erhoben, der seit Ende Juli 2010 im Hochsicherheitstrakt des Militärgefängnisses im Marinestützpunkt Quantico in Einzelhaft sitzt. Er wird nun beschuldigt, mit dem Feind kollaboriert zu haben, wenn auch nur indirekt, worauf die Todesstrafe stehen kann. Offenbar will man Manning zumindest lebenslang hinter Gittern verschwinden lassen. Sein Anwalt berichtet, dass nun die sowieso schon harten Haftbedingungen weiter verschärft wurden, was den Eindruck entstehen lässt, dass man so den jungen Mann brechen will.
Nicht nur Mannings Anwalt und seine Unterstützer, auch Amnesty International hat dem Pentagon vorgeworfen, dass die Haftbedingungen unmenschlich seien und gegen die Menschenrechte verstoßen. Der UN-Sonderbotschafter für Folter hat eine Untersuchung eingeleitet.
In seiner 6,7 Quadratmeter großen Zelle, in der er täglich 23 Stunden alleine eingesperrt ist, gibt es nicht einmal einen Stuhl und einen Tisch, um Mahlzeiten einzunehmen. Wenn er von Anwälten oder Freunden besucht wird, wird er angekettet, obgleich er niemals aggressiv war, ständig wird er befragt, wie es ihm geht, alle 5 Minuten wird er von den Wachen gefragt, ob sein Befinden in Ordnung ist, worauf er antworten muss. Das geschieht auch nachts. Persönliche Gegenstände darf er nicht besitzen. Und auch weitere Haftbedingungen für einen zudem nicht Verurteilten sind bewusste Quälereien. Eine Bettdecke und ein Kissen werden ihm verweigert, er muss in seiner Zelle in Unterhosen schlafen. Erwähnt werden muss nicht, dass seine Zelle permanent mit Videokameras überwacht wird.
Quelle: Telepolis
- Guttenberg-Demos
- Das Volk fehlt
Sie machten es ganz wie ihr Vorbild: Erst kamen die großen Posen – dann eine schlechte Performance. Die Offline-Demos für Guttenberg blieben eine Randnotiz. Er hat es sich nicht nehmen lassen, heute selbst dabei zu sein: Die Brille, der Anzug, die Pomade im Haar. Das ist er, Karl-Theodor zu Guttenberg oder zumindest sein Double. Mit seiner Stephanie unterm Arm schreitet er tapfer umher, hier auf dem Hamburger Gänsemarkt, und er sagt: “Ich weiß jetzt, ich will Deutschland treu bleiben, weil Deutschland mir treu geblieben ist.” Das passt an diesen Ort in Hamburg, an diesem Wochenende. Denn hier gibt es einige von diesen Deutschen, die ihm treu geblieben sind. […] Doch zugegeben: Das Volk fehlt.
500 Menschen stehen hier am Gänsemarkt. Das soll die Zentralveranstaltung der bundesweiten Guttenberg-Demonstrationen sein. Aber wer hier auf wessen Seite steht, ist nicht ganz klar. Gut die Hälfte ist verkleidet und treibt Späße: Männer in Barbour-Jacken verteilen Doktortitel. Auf ihren Transparenten steht: “Schöne Herrscher braucht das Land” und “Haargel ist kein Verbrechen”.
Auch vier ältere Damen mit Hut, Sonnenbrille, falschem Pelz und roten Clownsnasen im Gesicht fallen sofort auf. “Ich bin aus Blankenese”, sagt eine mit spitzem Lächeln und zieht dabei jedes “e” übertrieben in die Länge. “Wir wollen Guttenberg zurück, wir brauchen einfach schöne Männer im Parlament”, sagt sie. Und außerdem würde in Zukunft ohne ihn ein Showmaster in Afghanistan fehlen. Dann schreit sie in die Menge und hält ihr Plakat hoch: “Schönheit vor Wahrheit!”.
Quelle: taz
Anmerkung Orlando Pascheit: Wenn sich die Union, aber auch manche Medien nicht arg verrechnet haben. Das Anklicken auf Facebook oder auch bei manchen Tageszeitungen ist nicht identisch mit Demonstrieren und wahrscheinlich auch nicht mit “Zur-Wahl Gehen”.
Anmerkung WL: In den zu Guttenberg-Demonstrationen manifestierte sich eine vordemokratische Sehnsucht nach dem großen, einsamen Entscheider, der ohne Rücksicht auf Verluste durchregiert. Die Sympathiekundgebungen sind Symptom für die wachsende Personalisierung der Politik. Ausschließlich auf einzelne Personen fokussierte Kampagnen sind üblicherweise ein Kennzeichen von obrigkeitsstaatlichen Regimes oder von Diktaturen und ein Ausdruck dafür, dass ein demokratisches System, das aus dem Wettbewerb um politische Konzepte unterschiedlicher Parteien lebt, immer mehr an Bedeutung verliert. Es ist ein Beleg dafür, dass mit Kampagnen (vor allem der Bild-Zeitung) für angeblich charismatische Eigenschaften von Politikern Debatten um die realen Probleme oder um Interessenkonflikte völlig in den Hintergrund gedrängt werden können.
Bundestagspräsident Lammert hat den Fall zu Guttenberg daher zu Recht als „Sargnagel für das Vertrauen in unsere Demokratie“ bezeichnet.
- Fischer-Lescano zur Plagiats-Affäre: „Die Uni Bayreuth hätte Vorsatz feststellen müssen“
Die Universität Bayreuth hat es sich und Guttenberg zu leicht gemacht, als sie sich beim Entzug des Doktortitels davor drückte, eine Täuschung auch eine Täuschung zu nennen. Sie hat es verpasst, für die Integrität der Wissenschaft Partei zu ergreifen.
Quelle: Frankfurter Rundschau
- Bei der wundersamen Fan-Vermehrung des Ex-Ministers auf Facebook tauchen Ungereimtheiten auf
Nach FR-Recherchen geht es dabei anscheinend aber nicht mit rechten Dingen zu. Denn einer Fortsetzung der Guttenberg-Kampagne im Boulevardblatt Bild mit anderen Mitteln gleich, vermehren sich die Fans im Sozialnetzwerk auf wundersame Weise. So listet etwa der Medienberater Peter Berger, selbst einst lange als Reporter bei Bild, in seinem Internet-Blog zahlreiche Hinweise dafür auf, die ihn zu dem Schluss kommen lassen, die Guttenberg-Fanseiten könnten gefälscht sein.
Quelle: Frankfurter Rundschau
- Stefan Mappus: Wir brauchen mehr Streitlust
Ministerpräsident Stefan Mappus sprach mit dem Tagesspiegel über Stuttgart 21, die Landtagswahl und das Profil der CDU nach Guttenbergs Rücktritt.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung Orlando Pascheit: Die übliche Verbiegerei in der Affäre Guttenberg entlarvt sich in der spontanen Aussage zu Beginn des Interviews: “Diese Melange aus jugendlichem Auftreten, herausragenden rhetorischen Fähigkeiten, aus Spontaneität und Verlässlichkeit, dazu der Glamour-Faktor des Adeligen, das Ganze noch im Gespann mit seiner Frau – das alles war einzigartig. Sein Rückzug ist für die Union ein Riesenverlust.”
Wer etwas mehr über die Projektionsfläche Adel für uns Deutsche wissen möchte, informiere sich im Ausland.
- Unter Generalverdacht gestellt
Die Klausel forciert ein Klima des Misstrauens, schreiben über 80 Experten und Initiativen an Kanzlerin Merkel. Es sei nicht Aufgabe der Zivilgesellschaft, Kollegen zu bespitzeln.
Ein breites Bündnis von zivilgesellschaftlichen Initiativen, Wissenschaftlern und Bildungsträgern hat in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegen die Extremisklausel protestiert. “Der Zwang für die betroffenen Träger, eine ,Demokratieerklärung’ zu unterschreiben (…) forciert ein gesellschaftliches Klima des Misstrauens”, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Schreiben. Eine Pädagogik, die auf demokratischen Prinzipien beruhe, brauche Vertrauen.
Quelle: taz
- Bauer-Konzern jetzt komplett tariffreie Zone
Der Hamburger Medienkonzern Bauer räumt auf. Im Januar dieses Jahres lagerte die Verlagsgruppe die Produktion der von ihr im Druckzentrum Barleben produzierten sachsen-anhaltischen Tageszeitung Volksstimme unvermittelt aus. Dann wurden die 19 tariflich entlohnten und langjährig im Unternehmen beschäftigten Fachkräfte in einer Nacht- und Nebelaktion an die Luft gesetzt. Statt dessen produzieren nun Leiharbeiter die Volksstimme – zum halben Lohn. Die zum 31. August 2011 gekündigten und seit dem 17. Januar »unwiderruflich von der Arbeit freigestellten« Drucker wollen jetzt klagen, nachdem ein Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen das Kündigungsbegehren scheiterte.
Die Leiharbeiter im Druckhaus Barleben erhalten laut ver.di einen Gesamt-Stundenlohn von rund zehn Euro, alle Zulagen mit einberechnet. Für den Unternehmer sei das ein guter Deal. Damit bezahle er nicht einmal die Hälfte der üblichen Tariflöhne (inklusive Nachtschicht- und Wochenendzuschlägen sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld). »Der Zeitungsverleger Bauer hat berufserfahrene Drucker arbeitslos gemacht«, so das Resümee der Gewerkschaft. »Er hat sie ohne Not, nur um seine Gewinne zu steigern, gegen preiswerteres Leiharbeitspersonal ausgetauscht«. Mit diesem »letzten Akt der Willkür« gebe es zudem in Deutschland kein Unternehmen des Verlegers Bauer mehr, das tarifgebunden ist.
Quelle: Junge Welt
Anmerkung Orlando Pascheit: Der Bauer-Verlag ist nicht irgendwer. Wer möchte, informiere sich beim NDR: “Bauer ist Marktführer beim Klatsch und beim Tratsch: “Neue Post”, “Das Neue Blatt” und “Das Neue” heißen Bauers bunte Blätter. Und natürlich “Bella”, “Tina” und “Laura”. Bei den Frauenzeitschriften ist die Hamburger Verlagsgruppe deutscher Spitzenreiter. Bei den Programmheften wie “TV Movie” und “tv14” auch – und die Jugendzeitschrift “Bravo” regiert quasi seit Menschengedenken – genauer: seit 1956 – im Zahnspangenlager. 42 Zeitschriften hat der Verlag in Deutschland – mit einer Gesamtauflage von rund 16 Millionen Heften. Zusammen mit Bauers Töchtern sind es noch wesentlich mehr: Allein der Pabel-Moewig-Verlag aus dem badischen Rastatt hat noch mal 30 regelmäßig erscheinende Titel im Programm. Jeder zweite Deutsche lese ein Bauer-Blatt, sagt der Bauer-Verlag.”
- Lügen mit Zahlen
Es gibt zahlreiche Methoden, um mit Zahlen zu manipulieren. Eine weitverbreitete ist der verzerrende Umgang mit absoluten und relativen Zahlen, sprich Prozentzahlen. Gerd Bosbach macht das an den angeblich explodierenden Ausgaben für den Sozialstaat deutlich:
“Der Sozialstaat der wuchert, der muss beschnitten werden. Es werden Zahlen genannt, das seit 1991 die Sozialausgaben in Deutschland um 70 Prozent gewachsen sind. Wenn man diese Zahl hört, erschreckt man. Auch ich erschrecke dann.”
Wenn man die Zahlen allerdings mal etwas genauer unter die Lupe nimmt, dann relativiert sich die hohe Prozentzahl schnell. Zum einen gibt es eine Inflationsrate. Zum anderen sind im selben Zeitraum ist auch der Wohlstand und die Wirtschaftsleistung insgesamt gestiegen.
“Denn wenn die Wirtschaft wächst, können wir auch mehr für das Soziale ausgeben. Wenn man sich die Zahlen anguckt, ist man völlig überrascht. Da ist nämlich die Sozialleistung überhaupt nicht gestiegen. Sie sind halt seit 1991 so um die 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, worin wir unsere Wirtschaft messen. Und wenn man dann noch länger in die Vergangenheit zurückguckt, halt in den Bereich von Westdeutschland, dann ist es seit 1975, haben wir, geben wir konstant 30 Prozent für Soziales aus. Und jetzt wird der Schuh ein ganz anderer. Unsere sozialen Probleme sind seit 1975 massiv gewachsen. Wir geben aber anteilsmäßig genau so viel aus wie 1975. Also haben wir keinen Wildwuchs, sondern eine Beschneidung des Sozialen.”
Quelle: DLF