Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
Wir weisen darauf hin, dass die jeweiligen Anbieter für die Barrierefreiheit ihrer Angebote selbst verantwortlich sind und es durchaus sein kann, dass der Zugang von zunächst freien Inhalten nach einer Zeit beschränkt wird.
- “Negatives Bild von Leitmedien ist doch nicht unsere Schuld”
Albrecht Müller über Vorwürfe gegen sein Portal Nachdenkseiten, die Polarisierung der Medien und darüber, wie bundespolitische Netzwerke in die Debatte eingreifen
Herr Müller, Wir haben für dieses Interview eine Arbeit des Projektes “Gegneranalyse” zu Ihrem Portal, den Nachdenkseiten vorliegen. Das Projekt “Gegneranalyse” ist bei einem Thinktank mit dem Namen Institut Liberale Moderne angesiedelt, darüber sprechen wir später noch. Der Autor Markus Linden von der Universität Trier kommt in seinem Papier zu dem Schluss, Sie betrieben ein “Querfront-Medium”. Wie haben Sie diese Studie wahrgenommen? Ich gehe ja davon aus, dass Sie sie gelesen haben.
Albrecht Müller: Ich muss gestehen, dass ich sie nicht ganz gelesen habe, weil sie nur schwer lesbar ist. Der Autor stellt lauter Behauptungen auf, die nicht belegt werden. Und das auf 20 Seiten voller Anmerkungen, das ist wirklich eine schwere Zumutung, zumal eine schräge Behauptung auf die nächste folgt. Ich halte diese sogenannte Studie daher für ein wirkliches Machwerk. Am meisten stört mich dabei, dass es steuerfinanziert ist, dass ich also als Steuerzahler in Rheinland-Pfalz das mitfinanziere, was ein Professor in Trier, also auch in Rheinland-Pfalz, auftragsgemäß zu Papier gebracht hat.
Sprechen wir über die Inhalte. Es heißt in dieser Arbeit, bei den Nachdenkseiten, die jetzt schon einige Jahre online sind, handele es sich um einen “stark ideologisiertes, undifferenziert argumentierendes Medium”. Nehmen Sie diese Kritik an?
Albrecht Müller: Was ist denn ideologisiert? Da fängt es schon an. Wegen solcher unscharfen Begriffe habe ich Schwierigkeiten, diesen Text zu lesen. Ich stolpere schon über diesen ersten Punkt: Was ist ein ideologisches Medium? Gleiches gilt für den Vorwurf der undifferenzierten Argumentation. Weshalb sollen wir uns diese Etiketten anheften lassen?
Wir haben jeden Tag 200.000 Besucher und diese Besucher, die die Nachdenkseiten finanzieren und diese Behauptung offenbar überhaupt nicht teilen. Sie lesen die Nachdenkseiten gerne, schätzen sie und fördern sie, weil sie uns für differenziert halten, weil sie uns für faktenbasiert halten. Wie soll ich da ernsthaft solchen Behauptungen des Autors Markus Linden begegnen?
Quelle: Telepolis
dazu: “Gegneranalyse”: Zu einer “Fallstudie” über die Nachdenkseiten
Politologe Markus Linden kommt in Arbeit zum Onlineportal zu wenig schmeichelhaften Resultaten. Methodik lässt Autor jedoch schlecht dastehen. Umfeld der Studie wirft Fragen auf.
Im Rahmen des Projektes “Gegneranalyse” vom “Zentrum Liberale Moderne” liegt eine erste Fallstudie vor. Das 2017 von den (ehemaligen) Grünen-Politikern Marieluise Beck und Ralf Fücks gegründete “Zentrum Liberale Moderne” wird nach eigenen Angaben unterstützt vom Bundesfamilienministerium, von der Bundeszentrale für politische Bildung und vom Bundesprogramm “Demokratie leben!”.
In jenem Text widmet sich der Autor Markus Linden, der laut Universität Trier dort als außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft tätig ist, dem Medium Nachdenkseiten. Hier soll aus einer kommunikationswissenschaftlichen Sicht diese Fallstudie kurz diskutiert werden.
Laut Linden zeigt sein Text, dass es sich bei den Nachdenkseiten (Abkürzung: NDS) um ein “stark ideologisiertes, undifferenziert argumentierendes Medium” handele, welches “radikale Widerständigkeit” postuliere und “als Scharnier für verschwörungstheoretisches Denken” fungiere. Bei bestimmten Themen reihe sich die Plattform “bewusst in eine fundamentaloppositionelle Querfront ein.” Man folge bei den Nachdenkseiten einer “Destruktionslogik”, die aber als kritische Dekonstruktion ausgegeben werde.
Das Onlineportal bleibe dabei jedoch, schreibt Linden, politisch “klassisch links” verortbar, was z.B. Abgrenzungen zu “Fremdenfeindlichkeit” (sic!) oder aber die Wirtschaftspolitik betreffe. Es verbreite “die Ideologie” meist nicht mit klaren “Fake News”, sondern “mittels einer auf Halbwahrheiten und instrumenteller Pauschalkritik fußenden Methodik”. Journalistische Grundansprüche würden dabei verfehlt, schreibt Linden, ohne das näher zu belegen oder zu begründen.
Diese zumindest oft fehlenden Belege oder auch fehlenden sachlichen Begründungen erscheinen insgesamt als ein Hauptmangel des Textes. In starker Verallgemeinerung heißt es ebenso ohne weitere Argumente: “Auf den Nachdenkseiten wird dementsprechend mit bloßen Unterstellungen gearbeitet”. Im Verbund mit anderen so genannten “Alternativmedien” betrieben die Nachdenkseiten vor allem das, was sie vorgeblich kritisierten: “einseitige Meinungsmache”.
Angesichts vieler deutlicher und stark negativ wertender Formulierungen nicht nur in der Vorab-Zusammenfassung des Textes von Linden bleibt die Frage, inwieweit seine eigene Publikation als einseitig kritisiert werden kann.
Quelle: Telepolis
dazu auch: Gegneranalysten & Volksverpetzer
In Deutschland gilt die Pressefreiheit. Alle Medien haben das Recht auf die ungehinderte Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit. Eine Zensur findet nicht statt.
Hinter den Kulissen jedoch tobt ein Krieg. Transatlantische Platzhirsche hüten die angestammte Deutungshoheit wie ihren Augapfel. Abweichler und Emporkömmlinge werden von ihnen bekämpft. Bei wirklich hartnäckigen Widersachern wird die Pressefreiheit dann plötzlich sehr lästig. Man kann sie weder mundtot machen, noch sie einfach verbieten!
Also spricht man ihnen einfach jegliche journalistische Haltung ab. Dies gerne aus dem Hinterhalt und mit selbst in Auftrag gegebenen Studien. Und am liebsten auf Kosten der Steuerzahler.
Quelle: InfraRot – Sicht ins Dunkel via YouTube
- 8,9 Prozent Inflationsrate: Familien mit niedrigem Einkommen aktuell am stärksten belastet – soziale Schere geht weiter auf
Familien mit niedrigem Einkommen tragen aktuell die höchste Inflationsbelastung, Alleinlebende mit hohem Einkommen die geringste – und die Schere bei den Belastungen hat sich noch einmal deutlich geöffnet: Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben sind die Preise im Mai 2022 um 8,9 Prozent bzw. um 6,5 Prozent gestiegen, während der Wert über alle Haushalte hinweg bei 7,9 Prozent lag. Auch für Alleinlebende mit höheren und mit mittleren Einkommen lagen die Raten mit 7,6 und 7,7 Prozent im Mai leicht unterhalb der allgemeinen Preissteigerung. Die Preissteigerung bei Alleinlebenden mit niedrigem Einkommen lag mit 7,8 Prozent nahe am Durchschnitt. Dagegen sind auch Alleinerziehende und Familien mit zwei Kindern und jeweils mittleren Einkommen etwas überdurchschnittlich von der Teuerung belastet: Für diese Haushalte betrug die Inflationsrate im Mai 8,2 Prozent. Bei Familien mit höherem Einkommen verteuerte sich der haushaltsspezifische Warenkorb weniger stark – um 7,6 Prozent. Die haushaltsspezifische Inflationsrate für kinderlose Paare mit mittlerem Einkommen liegt aktuell bei 7,9 Prozent. Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert.
In Folge des Ukrainekriegs und von weiterhin durch die Corona-Pandemie angespannten Lieferketten stiegen die Verbraucherpreise für alle Haushalte im Mai so stark wie seit der Ölkrise der 1970er Jahre nicht mehr. Dabei sind die Unterschiede je nach Haushaltskonstellation und Einkommen erheblich und sozial hoch problematisch, zeigt der IMK Inflationsmonitor:
Quelle: Hans Böckler Stiftung
dazu auch: Zwischen Pandemie und Inflation: Paritätischer stellt Bericht zur Armut in Deutschland vor
Laut Paritätischem Armutsbericht 2022 hat die Armut in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,6 Prozent im zweiten Pandemie-Jahr (2021) einen traurigen neuen Höchststand erreicht.
13,8 Millionen Menschen müssen demnach hierzulande derzeit zu den Armen gerechnet werden, 600.000 mehr als vor der Pandemie. Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet angesichts der aktuellen Inflation mit einer weiteren Verschärfung der Lage und appelliert an die Bundesregierung, umgehend ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen, das bei den fürsorgerischen Maßnahmen ansetzt: Grundsicherung, Wohngeld und BAföG seien bedarfsgerecht anzuheben und deutlich auszuweiten, um zielgerichtet und wirksam Hilfe für einkommensarme Haushalte zu gewährleisten.
“Die Befunde sind erschütternd, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie schlagen inzwischen voll durch. Noch nie wurde auf der Basis des amtlichen Mikrozensus ein höherer Wert gemessen und noch nie hat sich die Armut in jüngerer Zeit so rasant ausgebreitet wie während der Pandemie”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.
Während 2020 noch die verschiedenen Schutzschilde und Sofortmaßnahmen der Bundesregierung und der Länder dafür sorgten, dass die Armut trotz des wirtschaftlichen Einbruchs und des rapiden Anstiegs der Arbeitslosigkeit nur relativ moderat anstieg, seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie 2021 offenbar voll auf die Armutsentwicklung durchgeschlagen, so die Ergebnisse der Studie.
Auffallend sei ein ungewöhnlicher Zuwachs der Armut unter Erwerbstätigen, insbesondere Selbständiger (von 9 auf 13,1 Prozent), die während der Pandemie in großer Zahl finanzielle Einbußen zu erleiden hatten. Armutshöchststände verzeichnen auch Rentner*innen (17,9 Prozent) sowie Kinder und Jugendliche (20,8 Prozent).
Quelle: Der Paritätische
und: Lindner macht uns alle ärmer
Preissteigerungen lassen bei uns allen das Geld knapper werden. Anstatt für Entlastung zu sorgen, setzt Linder auf Sparzwang und Scholz auf eine Einmalzahlung. Das ist ökonomischer Unsinn.
Es ist mittlerweile schon der zweite Monat mit rasant steigenden Lebensmittelpreisen. Im Vergleich zum Juni letzten Jahres sind sie um 12,7 Prozent gestiegen. Im Mai waren es schon 11,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit aber nicht genug: Die gesamten Preissteigerungen bleiben auch im Juni mit 7,6 Prozent auf einem sehr hohen Niveau.
Längst überfällige weitere Entlastungen werden nun umso wichtiger. Schon die Auswertung der ersten beiden Entlastungspakete zeigte, dass die Ärmsten auf Kosten sitzen bleiben. Man kann es nicht oft genug sagen: Das ist eine politische Entscheidung. Es ist nicht einmal die Schuldenbremse, die weitere Entlastungen verhindert – denn die ist aufgrund der »außergewöhnlichen Notsituation« ausgesetzt. Daher wird zur Rechtfertigung der große Mythos heraufbeschworen, dass wirksame Entlastungen nicht tragbar wären, schließlich könne niemand wollen, dass unsere Enkelkinder dann die Schulden zurückzahlen müssen. Genauso unsinnig ist der Mythos, dass Austerität geboten sei, damit die Inflation nicht noch weiter steigt.
Quelle: Lukas Scholle auf Jacobin
- Scheiternde Sanktionen
Die G7-Staaten haben auf ihrem Gipfeltreffen in Elmau im Grundsatz einen Preisdeckel für russisches Erdöl und Erdgas beschlossen und setzen damit einen großen Teil ihrer Energieversorgung aufs Spiel. Der Preisdeckel soll der westlichen Embargopolitik gegen Russland, die bislang mehr oder weniger gescheitert ist, zum Erfolg verhelfen, indem er Moskaus Exporteinnahmen drastisch reduziert und dem dramatischen Anstieg der Energiepreise im Westen ein Ende setzt. Experten bezweifeln, dass sich dies technisch bewerkstelligen lässt. Als möglich gilt zudem, dass Russland mit der Einstellung seiner Öl- und Gasexporte reagiert. Europas Versorgung bräche dann zusammen. Ein Importverbot für russisches Gold, das die G7 ebenfalls vorbereiten, wird laut Einschätzung eines Experten „nichts ändern“; es sei „reine Symbolpolitik“. Die G7 haben in Elmau außerdem beschlossen, mit einer riesigen Infrastrukturinitiative Chinas Neuer Seidenstraße das Wasser abzugraben. Dies hatten sie schon vor einem Jahr angekündigt; geschehen ist nichts. In der Klimapolitik haben die G7 in Elmau begonnen, sich Ausnahmen von den Beschlüssen der Glasgower Klimakonferenz zu genehmigen.
Quelle: German Foreign Policy
dazu auch: Sanktionen gegen Russland: Die Top Ten des Scheiterns
Die Sanktionen wirken nicht wie geplant, und das liegt unter anderem daran, dass manche Länder schlicht keine Übersicht darüber haben, welche Firmen im Land direkt oder indirekt Russen gehören; dass der “Westen” aus Eigeninteresse inkonsequent ist; oder dass man sich verkalkuliert hat. Der wichtigste Grund ist aber wohl der, den die westlichen Länder nicht gern wahrhaben wollen: Sie sind nicht mehr die einzigen Akteure mit Einfluss in der Welt.
Quelle: Telepolis
- Endlich verhandeln
Hintergründe und Lösungsperspektiven des Ukraine-Krieges. Ein Positionspapier des Bundesausschusses Friedensratschlag
In der vergangenen Woche legte der Bundesausschuss Friedensratschlag ein Positionspapier zum Ukraine-Krieg vor. Wir veröffentlichen an dieser Stelle einen Auszug aus der Stellungnahme. In voller Länge findet sie sich unter friedensratschlag.de/2022/06/baf-positionspapier-ukrainekrieg/ (jW)
Krieg als Mittel der Politik lehnen wir grundsätzlich ab. Wir haben uns stets entschieden dafür eingesetzt, Krieg als Mittel der Politik zu verhindern, auch bei dem Konflikt zwischen NATO, Ukraine und Russland. Der russische Einmarsch in die Ukraine ist daher ein Rückschlag für alle, die sich für Frieden engagiert haben – und gleichzeitig eine Herausforderung für die Friedensbewegung, ihre Bemühungen für zivile Lösungen zu intensivieren. Nicht zuviel Entspannungspolitik ist das Problem gewesen, sondern zuwenig.
Als Bürger eines NATO-Staates richten wir unsere Kritik in erster Linie an die NATO-Staaten. Denn der Krieg hätte verhindert werden können und müssen. An eindringlichen Warnungen, auch von zahlreichen führenden westlichen Außenpolitikern und Experten, dass die Missachtung essentieller Sicherheitsinteressen Russlands eine solche Reaktion provozieren könnte, hat es nicht gefehlt. Wir weisen zudem die Doppelmoral zurück, mit der ausgerechnet die Regierungen der USA und ihrer Verbündeten den russischen Einmarsch als Völkerrechtsbruch anprangern, sich als Richter aufspielen und härteste Sanktionen verhängen, nachdem sie selbst verheerende Angriffskriege geführt und Völkerrecht gebrochen haben.
Quelle: junge Welt
dazu auch: Waffenstillstand jetzt!
Die Verfasser dieses Appells fordern den Westen auf, den Ukraine-Krieg durch Verhandlungen zu beenden. Zu den Unterzeichnenden gehören Juli Zeh und Richard David Precht.
Europa steht vor der Aufgabe, den Frieden auf dem Kontinent wiederherzustellen und ihn langfristig zu sichern. Dazu bedarf es der Entwicklung einer Strategie zur möglichst raschen Beendigung des Krieges.
Die Ukraine hat sich unter anderem dank massiver Wirtschaftssanktionen und militärischer Unterstützungsleistungen aus Europa und den USA bislang gegen den brutalen russischen Angriffskrieg verteidigen können. Je länger die Maßnahmen fortdauern, desto unklarer wird allerdings, welches Kriegsziel mit ihnen verbunden ist. Ein Sieg der Ukraine mit der Rückeroberung aller besetzten Gebiete einschließlich der Oblaste Donezk und Luhansk und der Krim gilt unter Militärexperten als unrealistisch, da Russland militärisch überlegen ist und die Fähigkeit zur weiteren militärischen Eskalation besitzt.
Quelle: Zeit Online
- Die G-7 und der geistige Kolonialismus des Westens
Das also war G-7. Es war der Gipfel schlechthin, wenn man der Medienhype in den kleinen Ländern glaubt, die dort – bei den scheinbar Großen – vertreten waren (hier findet man das äußerst dünne Kommuniqué). Wer seinen Verstand benutzt, kommt zu ganz anderen Ergebnissen. Aber den eigenen Verstand zu benutzen und kritisch zu sein, ist out in diesen Zeiten, mega-out sogar. In den Nachdenkseiten erschien allerdings ein kritischer Kommentar von Jens Berger, dem man nur zustimmen kann. Er hat beispielsweise zu Recht auf den Gipfel der sogenannten BRICs in Peking hingewiesen, wo offensichtlich ein für die Zukunft weit bedeutenderer Teil der Weltwirtschaft vertreten war.
Das G-7 Format ist eigentlich schon vor langer Zeit beerdigt worden, weil Anfang dieses Jahrhunderts einigen klugen Leuten klar war, dass G-7 und Weltwirtschaft einfach nicht mehr zusammenpasst. Aus G-7 wurde zunächst für ganz kurze Zeit G-8 (mit Russland) und schließlich entstanden die G-20, die in der Tat für sich in Anspruch nehmen können, über die Weltwirtschaft zu sprechen und deren nächster Gipfel im Herbst in Indonesien stattfindet.
Die G-7 hat man im Westen nur wiedererfunden, um in den Zeiten der Krim-Krise Russland zu ärgern, denn man konnte Russland aus den G-8 ausschließen (was man bei der G-20 nicht konnte) und war wieder bei dem wunderbar alten und wunderbar belanglosen G-7 Format. In dieses Format quetschen sich peinlicherweise immer noch die EU-Kommission (in der Person der Präsidentin) und sogar der Präsident des europäischen Rates, die da eigentlich nichts verloren haben. Das führt zu einer gewaltigen Überrepräsentation Europas und reduziert das Interesse der USA an diesem „Gipfel“ enorm.
Quelle: Heiner Flassbeck auf Relevante Ökonomik
dazu auch: Berichterstattung in Elmau: Vorgekaute Inhalte in Heidi-Atmosphäre
Exklusive Rundumversorgung im Medienzentrum zum G7-Gipfel. Kaum kritische Öffentlichkeit zu erwarten
Für die Dauer des G7-Gipfels in Schloss Elmau ist für Pressevertreterinnen und -vertreter im Garmischer Zugspitzbahnhof Hausberg ein großes Pressezelt eingerichtet worden. Das »International Media Center« (IMC) inszenierte dabei eine Fassade von Öffentlichkeit und Berichterstattung, rund 20 Kilometer entfernt vom tatsächlichen Gipfelgeschehen. Dieses ist für einen Großteil der Medienvertreter nur aus dem IMC heraus über Bildschirme und Kopfhörer zu verfolgen. Ausgewählte Inhalte werden über den »hauseigenen« Sender ins Medienzentrum geleitet. Die anwesende Presse erhält so die vorgekauten Inhalte, nebst Liveschalte zu den Fototerminen der Staats- und Regierungschefs der sieben stärksten westlichen imperialistischen Länder.
Das am Freitag veröffentlichte Presseprogramm sah für den Ablauf des Gipfels beinahe ausschließlich Bildtermine vor, einzig die für diesen Dienstag angesetzte Pressekonferenz war für Berichterstattung über das offizielle Gipfelprogramm, über Bildmaterial hinaus, möglich. Nötige Akkreditierungen für abgesperrte Sicherheitsbereiche wurden nach einem Bewerbungsverfahren vergeben, zu dem sich Pressevertreter ab Anfang Juni anmelden konnten. Für die Pressekonferenz bestand am Wochenende noch eine Warteliste, auf die sich Journalistinnen und Journalisten im IMC eintragen konnten. Kritische Öffentlichkeit dürfte bei diesen Verfahren wohl kaum zu erwarten sein.
Quelle: junge Welt
- Waffenexporte in Kriegsgebiete: Deutschland an vorderster Front
Datenbank “ExitArms” schlüsselt weltweite Rüstungslieferungen in Krisenregionen auf. 41 Hersteller mit Sitz in der Bundesrepublik versorgen 16 Konfliktparteien
Keine deutschen Waffen in Krisengebiete? Eine seit Wochenanfang im Internet abrufbare Datenbank straft eine wiederholt bemühte Behauptung Regierender in Deutschland Lügen. Allein zwischen 2015 und 2020 waren hiesige Rüstungsunternehmen in mehr als 200 Fällen an Transaktionen im direkten Umfeld laufender kriegerischer Konflikte beteiligt.
Die Bandbreite der Geschäfte reichte dabei von der Lieferung schweren Kriegsgeräts, von Kleinwaffen über die Bereitstellung von Radarsystemen bis hin zu Maßnahmen der Instandsetzung und Modernisierung vorhandener Anlagen.
Hervorgeht dies aus dem Verzeichnis “ExitArms”, einem gemeinschaftlichen Projekt der Nichtregierungsorganisationen Facing Finance und Urgewald, das am Montag der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die beiden Initiativen mit Sitz in Berlin beziehungsweise in Sassenberg östlich von Münster engagieren sich für den Schutz von Menschenrechten und der Umwelt.
“ExitArms” greift auf Zahlen des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri zurück und ergänzt diese um in “akribischer” Eigenrecherche gewonnene Erkenntnisse. Dabei werden speziell jene Staaten und Konzerne ins Visier genommen, die an Rüstungslieferungen an Kriegsparteien beteiligt sind. Perspektivisch wollen Facing Finance und Urgewald auch die Namen der Finanziers offenlegen, sprich die Banken, Fonds und Investmentgesellschaften, die mit Krediten und Aktienkäufen die wehrtechnische Produktion und Forschung unterstützen.
Quelle: Telepolis
- Die Ukraine ist die neueste Katastrophe amerikanischer Neocons
Die Deutschen wollen es nicht hören, doch es gehört zur Wahrheit: Die amerikanischen Neocons sind für den Ukraine-Krieg mitverantwortlich. Ein Essay.
Der Krieg in der Ukraine ist der Höhepunkt eines 30-jährigen Projekts der amerikanischen neokonservativen Bewegung (Neocons). In der Regierung Biden sitzen dieselben Neokonservativen, die sich für die Kriege der USA in Serbien (1999), Afghanistan (2001), Irak (2003), Syrien (2011) und Libyen (2011) starkgemacht und die den Einmarsch Russlands in die Ukraine erst provoziert haben.
Die Erfolgsbilanz der Neocons ist ein einziges Desaster, und doch hat Biden sein Team mit ihnen besetzt. Infolgedessen steuert Biden die Ukraine, die USA und die Europäische Union in ein weiteres geopolitisches Debakel. Wenn Europa einen Funken Einsicht hat, wird es sich von diesen außenpolitischen Debakeln der USA distanzieren.
Die Neocon-Bewegung entstand in den 1970er-Jahren um eine Gruppe öffentlicher Intellektueller, von denen einige von dem Politikwissenschaftler Leo Strauss von der University of Chicago und dem Altphilologen Donald Kagan von der Yale University beeinflusst wurden. Zu den führenden Köpfen der Neocons gehörten Norman Podhoretz, Irving Kristol, Paul Wolfowitz, Robert Kagan (Sohn von Donald), Frederick Kagan (Sohn von Donald), Victoria Nuland (Ehefrau von Robert Kagan), Elliott Cohen, Elliott Abrams und Kimberley Allen Kagan (Ehefrau von Frederick).
Quelle: Berliner Zeitung
dazu auch: Wider historische Amnesie im Ukrainekrieg
Die auseinanderdriftenden Interessen zwischen den USA und Europa beziehungsweise Deutschland sind von erfahrenen „Alt-Politikern“ wie Klaus von Dohnanyi, selbst Herbert Münkler, hierzulande und dem US-amerikanischen Politikwissenschaftler John J. Mearsheimer, neuerdings auch Henry Kissinger, und kenntnisreichen Journalisten (Andreas Zumach, Michael Lüders) zwar begründet worden, werden aber in einem erstaunlichen Gleichklang in den deutschen „Qualitätsmedien“ ausgeblendet. Hierzu mögen jene transatlantischen Institutionen beitragen, die ihre Trump-Agonie seit der Biden-Administration überwunden haben. Sie orchestrieren eine duckmäuserische Gefolgschaft in der Regierungskoalition. Deren Kellnerrolle, um einen machohaften Ausspruch des nun verfemten Bundeskanzlers Gerhard Schröder gegenüber seinem grünen Koalitionspartner aufzunehmen, haben Wladimir Putin und Joe Biden gegenüber Olaf Scholz deutlich demonstriert. Das mag die Ausfälle des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und noch mehr seines inquisitorisch agierenden Botschafters Andrij Melnyk gegen Bundespräsident und Bundeskanzler beflügelt haben. Und diese Gemengelage schlägt sich wiederum in einer medial inszenierten Demontage der sozialdemokratisch geführten Bundesregierung, vornehmlich des „zögerlich“ agierenden Bundeskanzlers, nieder. Hiermit deutet sich bereits eine einst von der grünen Spitze angestrebte Regierungskonstellation mit der CDU/CSU an, die beispielsweise von der FAZ durchaus angepeilt wird. Eine fatale Folge: Überreaktionen sozialdemokratischer Führungsgruppen, die schon die unheilvolle Beteiligung der rot-grünen Bundesregierung an der völkerrechtswidrigen Bombardierung Serbiens 1999 kennzeichneten.
Quelle: Die Freiheitsliebe
- Fehlende medizinische Evidenz: Impfkampagne bei Kindern aus politischer Motivation?
Zur geänderten STIKO-Impfempfehlung für 5-11jährige Kinder ohne Vorerkrankungen
Die Thesenpapier-Autorengruppe hat sich in ihrer 7. Adhoc-Stellungnahme (s.a. Monitor Versorgungsforschung) mit der geänderten Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) für Kinder von 5 bis 11 Jahren beschäftigt. Die STIKO hatte ihre zurückhaltende Haltung mit Beschränkung der Impfempfehlung auf Kinder mit Vorerkrankungen am 24. Mai 2022 überraschend geändert und empfiehlt nun auch gesunden Kindern dieser Altersklasse die (einmalige) Impfung mit einem mRNA-Impfstoff. Allerdings muss man hinsichtlich der Stichhaltigkeit der wissenschaftlichen Begründung dieser Empfehlung stärkste Zweifel äußern, denn die der geänderten Empfehlung zugrunde liegenden Studien beziehen sich ausschließlich auf Erwachsene.
Auch aus epidemiologischer Sicht ergibt sich keine Evidenz für die Impfung in der Altersgruppe der 5- bis 11-Jährigen:
Quelle: Info-Plattform Corona
dazu auch: Zulassungsverfahren für Impfstoffe beschleunigen? „Epidemiologisch nicht nachvollziehbar“: Kekulé zerlegt Vorschlag von Biontech-Chef
Dass der Biontech-Chef ausgerechnet jetzt auf eine – weitere –Vereinfachung der Notfall-Zulassung drängt, ist epidemiologisch nicht nachvollziehbar. Als wahrscheinlichstes Szenario für den Herbst gilt, dem stimmt inzwischen auch der Corona-Expertenrat der Bundesregierung zu, eine erneute Welle des derzeit in Deutschland vorherrschenden Typs BA.5 oder einer anderen Omikron-Untervariante.
Dagegen angepasste Impfstoffe würden jedoch kaum Infektionen verhindern – das wäre bei den auf die oberen Atemwege spezialisierten Omikron-Mutanten noch weniger zu erwarten als bei ihren Vorgängern. Ob gegen künftige Varianten gerichtete Vakzine vor schweren und tödlichen Verläufen besser schützen als die derzeit verfügbaren Dreifachimpfungen, ist fraglich und ließe sich nur mit Hilfe klinischer Studien herausfinden – auf die Pharma-Manager Sahin aber gerade verzichten möchte.
Angesichts der ohnehin geringen Sterblichkeit von Omikron-Infektionen ist eine Überlastung der Intensivstationen auch dann nicht zu erwarten, wenn wir für die Boosterung von Menschen mit hohem Risiko im Herbst noch einmal die vorhandenen Vakzinen verwenden.
Die Aufregung des Biontech-Chefs dürfte deshalb in erster Linie unternehmerische Gründe haben. Konkurrent Moderna setzte bereits früh auf eine Kombination aus dem Wuhan-Impfstoff und einer gegen Omikron angepassten Komponente, präsentierte Anfang Juni die ersten Ergebnisse klinischer Studien und beantragte kurz darauf die Einleitung des Rolling-Review -Zulassungsverfahrens bei der Europäischen Arzneimittelbehörde.
Laut Unternehmensangaben wurden bereits mehrere Millionen des bivalenten Impfstoffes produziert, die Auslieferung soll im August beginnen. Mitte Mai gab Bundesgesundheitsminister Lauterbach bekannt, dass die Bundesregierung für den bivalenten Moderna-Impfstoff 830 Millionen Euro bereitgestellt hat.
Für den monovalenten Omikron-Impfstoff von Biontech/Pfizer sieht es dagegen schon länger nicht gut aus. Zuerst verzögerte sich die Entwicklung, dem Vernehmen nach wegen zu geringer Schutzwirkung des Prototyps. Dann zeigten mehrere Studien, dass eine durchgemachte Infektion mit der Omikron-Untervariante BA.1 so gut wie nicht gegen eine spätere Infektion mit den aktuell verbreiteten Untervarianten (BA.4, BA.5, BA.2.12.1) schützt. Da Biontech seine monovalente Omikron-Vakzine gegen BA.1 entwickelt hat, dürfte diese mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen ausreichenden Schutz vor den aktuell zirkulierenden oder ähnlichen, für den Herbst zu erwartenden Varianten bieten.
Quelle: Alexander Kekulé auf Focus Online
- Ein Datenfriedhof namens Bildungsbericht
Warum können 200.000 Kinder nach der vierten Klasse nicht sicher lesen und schreiben? Im Bildungsbericht findet sich Stoff für Debatten darüber, aber will die Politik sie überhaupt führen?
Alle zwei Jahre werden Politik und Bildungsverantwortliche mit einem großen Datenfriedhof namens Bildungsbericht beglückt. Die 375 Seiten Zahlen, Daten und Effekte wird kaum ein Politiker lesen, obwohl sie manche Anknüpfung für grundlegende Debatten böten: Wie kann es sein, dass nur Hamburg die Verpflichtung zur Sprachstandserhebung vor der Schule einlöst und sie mit einer verpflichtenden Förderung verbindet? Berlin drückt sich in bewährt widerständiger Weise auch davor. Die Pflicht gibt es, aber sie wird nicht eingehalten.
Quelle: FAZ
- Moshe Zuckermann zum documenta-Skandal: „Ein typisch deutscher Eklat“
Wegen eines Bildes mit antisemitischen Inhalten wird eine ganze Ausstellung desavouiert. Für den israelisch-deutschen Philosophen ist das im Gespräch mit Florian Rötzer ein typisch deutscher Eklat: „Der Antisemitismusdiskurs in Deutschland ist verquer.“
Es gibt jetzt große Aufregung über die documenta. Das indonesische Künstlerkollektiv Taring Padi hat ein großes Bild aufgehängt, das schon 20 Jahre alt ist. Und dort wurden dann zwei Darstellungen gefunden, die man als antisemitisch bezeichnet. Sie sind auch antisemitisch. Bundeskanzler Scholz hat gleich den Besuch der documenta abgesagt hat. In Zeitungen wird gesprochen von einem Antisemitismus von monströsem Ausmaß gesprochen. Wie wird denn das in Israel wahrgenommen?
Moshe Zuckermann: In Israel wurde es bis dato so gut wie gar nicht wahrgenommen. Nur diejenigen, die sich mit Kunst beschäftigen und von der documenta überhaupt wissen, haben etwas davon gehört. Es ist ein typisch deutscher Eklat und es ist klar, dass es ein deutsches Phänomen ist, wie jetzt damit umgegangen wird. Aber in Israel selber ist das kein Thema. Israel hat seine eigenen Sorgen mit seiner zusammengebrochenen Regierung. Von daher ist Antisemitismus auf der documenta für Israel kein Thema im Moment.
Wie würdest du das einschätzen? Es ist ein einziges Bild, das nur zwei Darstellungen enthält, das den Eklat hervorgerufen hat. Ist es denn angemessen, mit der üblichen Cancel Culture dagegen vorzugehen? Also das Bild abzubauen oder zu fordern, dass die Leiterin der documenta zurücktritt. Hätte man nicht auch ein bisschen konstruktiver damit umgehen können?
Moshe Zuckermann: Ich will erstmal damit beginnen, dass ich finde, dass es kein gutes Bild ist, weil es plakativ ist. Es möchte etwas aussagen, worüber wir uns unterhalten können und was ich für legitim halte. Aber in der Art und Weise, wie es malerisch umgesetzt worden ist, ist es für meine Begriffe zu plakativ. Wenn man beispielsweise darstellen will, dass es um den russischen Geheimdienst geht, dann schreibt man den Leuten KGB drauf, und wenn es um den englischen Geheimdienst geht, dann schreibt man 007, also James Bond. Und so weiter. Das hat mehr mit Karikatur zu tun als mit Kunst. Das Bild ist nicht gut komponiert und für meine Begriffe kein gutes Bild.
Eine ganz andere Frage ist natürlich, worum es da geht? Ich weiß gar nicht, warum man, wenn man Kapitalismus darstellen will, einen orthodoxen Juden dazu nehmen muss. Juden sind ja nicht unbedingt so erkennbar. Die Kritik am Kapitalismus in der darstellenden Kunst beispielsweiseweise von Georg Grosz war so, dass man sehr wohl erkennen konnte, dass ein fettes Schwein ist. Es muss nicht gleich ein Jude sein und auf keinen Fall noch mit Schläfenlocken usw. sein. Daran merkt man auch, dass die Leute, die an dem Bild gearbeitet haben, von Klischees ausgegangen sind, die ihnen für meine Begriffe keine allzu große Ehre angedeihen lassen. Und die Tatsache, dass man dann irgendwie Mossad und SS zusammenbringt, ist natürlich idiotisch. Die Leute haben sich in der Tat selbst ins Bein geschossen.
Die Reaktion darauf aber ist wieder einmal typisch deutsch. Jemand hat kurz gerülpst und das erschüttert das ganze Land und löst ein Erdbeben aus. Der deutsche Bundespräsident hat sich geäußert, der Bundeskanzler will nichts mehr damit zu tun haben, die Kuratoren sollen entlassen werden usw.
Quelle: Overton Magazin