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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 30. Juni 2022 um 8:41 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Die G-7 und der geistige Kolonialismus des Westens
  2. Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands: »Deutschland droht am unteren Rand auseinanderzubrechen«
  3. Reiche zur Kasse bitten: Ungleichheit auf Rekordniveau
  4. Lindner macht uns alle ärmer
  5. Die EU spielt Beitrittsdomino und lässt den Balkan links liegen
  6. Das klare „jein“ der Türkei zum NATO-Beitritt von Schweden und Finnland
  7. Im Zentrum der drohenden Eskalation
  8. Waffenstillstand jetzt!
  9. Die Pandemie als Forum für Eitelkeiten
  10. Lauterbachs Klassenkampf von oben
  11. Krankenkassenbeitrag soll 2023 auf Rekordhöhe steigen
  12. Corona-Alarm nach dem Hurricane Festival
  13. Landgrabbing in Deutschland: Boden darf keine Ware sein
  14. Spiegel: „Oligarch Deripaska nennt Invasion »kolossalen Fehler«“
  15. Julian Assanges 51. Geburtstag ist sein vierter Geburtstag im Gefängnis

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Die G-7 und der geistige Kolonialismus des Westens
    Das also war G-7. Es war der Gipfel schlechthin, wenn man der Medienhype in den kleinen Ländern glaubt, die dort – bei den scheinbar Großen – vertreten waren (hier findet man das äußerst dünne Kommuniqué). Wer seinen Verstand benutzt, kommt zu ganz anderen Ergebnissen. Aber den eigenen Verstand zu benutzen und kritisch zu sein, ist out in diesen Zeiten, mega-out sogar. In den Nachdenkseiten erschien allerdings ein kritischer Kommentar von Jens Berger, dem man nur zustimmen kann. Er hat beispielsweise zu Recht auf den Gipfel der sogenannten BRICs in Peking hingewiesen, wo offensichtlich ein für die Zukunft weit bedeutenderer Teil der Weltwirtschaft vertreten war.
    Das G-7 Format ist eigentlich schon vor langer Zeit beerdigt worden, weil Anfang dieses Jahrhunderts einigen klugen Leuten klar war, dass G-7 und Weltwirtschaft einfach nicht mehr zusammenpasst. Aus G-7 wurde zunächst für ganz kurze Zeit G-8 (mit Russland) und schließlich entstanden die G-20, die in der Tat für sich in Anspruch nehmen können, über die Weltwirtschaft zu sprechen und deren nächster Gipfel im Herbst in Indonesien stattfindet.
    Die G-7 hat man im Westen nur wiedererfunden, um in den Zeiten der Krim-Krise Russland zu ärgern, denn man konnte Russland aus den G-8 ausschließen (was man bei der G-20 nicht konnte) und war wieder bei dem wunderbar alten und wunderbar belanglosen G-7 Format. In dieses Format quetschen sich peinlicherweise immer noch die EU-Kommission (in der Person der Präsidentin) und sogar der Präsident des europäischen Rates, die da eigentlich nichts verloren haben. Das führt zu einer gewaltigen Überrepräsentation Europas und reduziert das Interesse der USA an diesem „Gipfel“ enorm.
    Quelle: Heiner Flassbeck auf Relevante Ökonomik
  2. Armutsbericht des Paritätischen Gesamtverbands: »Deutschland droht am unteren Rand auseinanderzubrechen«
    Die Armut im Land ist laut Paritätischem Gesamtverband in den vergangenen beiden Jahren so rasant gestiegen wie seit der Wiedervereinigung nicht. Und die Lage könnte sich im Herbst noch verschlimmern.
    Wie geht es den Deutschen in Zeiten von Krieg und Inflation? Wie resilient ist das Land?
    Wirtschaftsminister Robert Habeck klang jüngst im SPIEGEL-Gespräch optimistisch – und voller Bewunderung. Die Menschen in Deutschland trügen die hohen Preise und die Inflation mit »großer Geschlossenheit«. Das sei eine »starke Antwort« auf Wladimir Putins Plan, eine Spaltung der Gesellschaft zu erreichen, sagte Habeck. »Putin will, dass sich unser Land zerlegt. Aber wir zerlegen uns nicht.«
    Wer aber an diesem Mittwoch Ulrich Schneider, dem Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, zuhörte, bekam ein völlig anderes Bild gezeichnet. »Deutschland droht am unteren Rand schlicht auseinanderzubrechen«, sagte Schneider bei der Vorstellung des Armutsberichts für das Jahr 2021.
    Quelle: DER SPIEGEL

    dazu: Zwischen Pandemie und Inflation: Paritätischer stellt Bericht zur Armut in Deutschland vor
    Laut Paritätischem Armutsbericht 2022 hat die Armut in Deutschland mit einer Armutsquote von 16,6 Prozent im zweiten Pandemie-Jahr (2021) einen traurigen neuen Höchststand erreicht.
    13,8 Millionen Menschen müssen demnach hierzulande derzeit zu den Armen gerechnet werden, 600.000 mehr als vor der Pandemie. Der Paritätische Wohlfahrtsverband rechnet angesichts der aktuellen Inflation mit einer weiteren Verschärfung der Lage und appelliert an die Bundesregierung, umgehend ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen, das bei den fürsorgerischen Maßnahmen ansetzt: Grundsicherung, Wohngeld und BAföG seien bedarfsgerecht anzuheben und deutlich auszuweiten, um zielgerichtet und wirksam Hilfe für einkommensarme Haushalte zu gewährleisten.
    “Die Befunde sind erschütternd, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie schlagen inzwischen voll durch. Noch nie wurde auf der Basis des amtlichen Mikrozensus ein höherer Wert gemessen und noch nie hat sich die Armut in jüngerer Zeit so rasant ausgebreitet wie während der Pandemie”, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.
    Während 2020 noch die verschiedenen Schutzschilde und Sofortmaßnahmen der Bundesregierung und der Länder dafür sorgten, dass die Armut trotz des wirtschaftlichen Einbruchs und des rapiden Anstiegs der Arbeitslosigkeit nur relativ moderat anstieg, seien die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie 2021 offenbar voll auf die Armutsentwicklung durchgeschlagen, so die Ergebnisse der Studie.
    Auffallend sei ein ungewöhnlicher Zuwachs der Armut unter Erwerbstätigen, insbesondere Selbständiger (von 9 auf 13,1 Prozent), die während der Pandemie in großer Zahl finanzielle Einbußen zu erleiden hatten. Armutshöchststände verzeichnen auch Rentner*innen (17,9 Prozent) sowie Kinder und Jugendliche (20,8 Prozent).
    Quelle: Der Paritätische

    Anmerkung Christian Reimann: Den Armutsbericht 2022 des Paritätischen können Sie hier nachlesen.

    Anmerkung JK: Und gleichzeitig verkündet Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), dass neben dem sogenannten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro zur Aufrüstung der Bundeswehr, weiter jedes Jahr 70 bis 80 Milliarden Euro in den Rüstungsetat fließen sollen. Diese Skrupellosigkeit und diese Verachtung der eigenen Bürger macht sprachlos.

    dazu auch: Mehr als die Hälfte der Erwerbspersonen mit niedrigerem Einkommen gibt an, wegen Inflation Kauf von Lebensmitteln einzuschränken
    52 Prozent der Erwerbspersonen in Deutschland mit einem relativ niedrigen Haushaltseinkommen bis 2000 Euro netto monatlich sehen sich genötigt, weniger Lebensmittel zu kaufen, weil die Preise so stark gestiegen sind, insbesondere für Energie. Darunter wollen rund 18 Prozent den Konsum von Nahrungsmitteln, Getränken, Tabakwaren und Ähnlichem sogar „bedeutend“ zurückfahren. 63 Prozent geben zudem an, beim Kauf von Kleidung und Schuhen inflationsbedingt kürzer treten zu wollen, darunter 28 Prozent „bedeutend“ (siehe auch Abbildung 1 in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Das ergibt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung auf Basis einer repräsentativen Befragung von Erwerbstätigen und Arbeitsuchenden.
    Der akute Druck, den Konsum solcher Alltagsgüter zu reduzieren, nimmt zwar mit wachsendem Einkommen ab. Gleichwohl wirkt er weit in die Gesellschaft hinein: Über alle Einkommensgruppen hinweg wollen 39 Prozent der Erwerbspersonen künftig weniger Nahrungs- und Genussmittel kaufen, darunter zehn Prozent „bedeutend weniger“.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung

  3. Reiche zur Kasse bitten: Ungleichheit auf Rekordniveau
    Während der Covid-19-Pandemie ist die Armut bis zur Mitte der Gesellschaft vorgedrungen, und Deutschland weist eine sozioökonomische Ungleichheit in vorher nie gekanntem Maße auf. Einerseits ist der Anteil einkommensarmer Personen an der Bevölkerung mit 16,6 Prozent größer als jemals zuvor, wie der Armutsbericht des Paritätischen dokumentiert, andererseits konzentriert sich das Vermögen stärker in wenigen Händen als jemals zuvor.
    Arme wurden eher von einer Coronainfektion getroffen und erkrankten schwerer als Wohlhabende, die aufgrund besserer Lebens-, Arbeits- und Wohnbedingungen nicht bloß finanz-, sondern auch immunstärker waren. Ebenso wurden Einkommensschwache von der anwachsenden Inflation – die übrigens nicht erst mit der Ukraine-Invasion und westlichen Sanktionen begann, unter denen die Armen in Deutschland mehr leiden als die reichen Oligarchen in Russland – stärker getroffen. Hierzulande sind die meisten Reichen zuletzt noch reicher, aber auch – wie die Armen – zahlreicher geworden. Sehr viele Deutsche haben ihr Vermögen während der Pandemie vermehrt, die Zahl der Millionäre ist 2021 um rund 100.000 gewachsen, wie die französische Unternehmensberatung Capgemini festgestellt hat.
    Quelle: Christoph Butterwegge in junge Welt
  4. Lindner macht uns alle ärmer
    Preissteigerungen lassen bei uns allen das Geld knapper werden. Anstatt für Entlastung zu sorgen, setzt Linder auf Sparzwang und Scholz auf eine Einmalzahlung. Das ist ökonomischer Unsinn.
    Es ist mittlerweile schon der zweite Monat mit rasant steigenden Lebensmittelpreisen. Im Vergleich zum Juni letzten Jahres sind sie um 12,7 Prozent gestiegen. Im Mai waren es schon 11,1 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit aber nicht genug: Die gesamten Preissteigerungen bleiben auch im Juni mit 7,6 Prozent auf einem sehr hohen Niveau.
    Längst überfällige weitere Entlastungen werden nun umso wichtiger. Schon die Auswertung der ersten beiden Entlastungspakete zeigte, dass die Ärmsten auf Kosten sitzen bleiben. Man kann es nicht oft genug sagen: Das ist eine politische Entscheidung. Es ist nicht einmal die Schuldenbremse, die weitere Entlastungen verhindert – denn die ist aufgrund der »außergewöhnlichen Notsituation« ausgesetzt. Daher wird zur Rechtfertigung der große Mythos heraufbeschworen, dass wirksame Entlastungen nicht tragbar wären, schließlich könne niemand wollen, dass unsere Enkelkinder dann die Schulden zurückzahlen müssen. Genauso unsinnig ist der Mythos, dass Austerität geboten sei, damit die Inflation nicht noch weiter steigt.
    Quelle: Lukas Scholle auf Jacobin
  5. Die EU spielt Beitrittsdomino und lässt den Balkan links liegen
    Wer der EU beitreten darf und wer nicht, gleicht mehr und mehr einem Spiel, bei dem Glück und Willkür eine Rolle spielen […]
    Alle sechs Westbalkan-Staaten werden aus dem Spiel genommen. Ob sie jemals wieder reindürfen, ist ungewiss. Albaniens Premier Edi Rama trägt’s mit Fassungslosigkeit und verschenkt an unwürdige Ohren eine unverwüstliches Gleichnis: Solche EU-Treffen erschienen ihm wie „eine Versammlung von Priestern, die über das Geschlecht der Engel diskutieren, während die Mauern von Konstantinopel einstürzen“.
    Quelle: Lutz Herden in der Freitag
  6. Das klare „jein“ der Türkei zum NATO-Beitritt von Schweden und Finnland
    Deutsche Medien überschlagen sich mit Meldungen darüber, die Türkei habe dem NATO-Beitritt von Schweden und Finnland zugestimmt. Aber ist das so? Die Antwort ist jein. (…)
    Einladung ist nicht Beitritt
    Das könnte durchaus kompliziert werden, denn dazu müssen Gesetze geändert werden. Beide skandinavischen Staaten waren bisher ein sicherer Hafen für PKK-Mitglieder, deren Auslieferung die Türkei fordert. Erdogan kann also abwarten, ob Schweden und Finnland die in dem Memorandum genannten Schritte tatsächlich umsetzen.
    Die Türkei ist bei ihren ursprünglichen Forderungen hart geblieben. Schweden und Finnland haben in dem Memorandum de facto versprochen, alle türkischen Forderungen zu erfüllen. Daher hat die Türkei sich mit der Einladung der beiden Staaten in die NATO einverstanden erklärt, aber die Türkei kann die Ratifizierung – und damit den tatsächlichen NATO-Beitritt – trotzdem noch verhindern oder hinauszögern, wenn sie der Meinung ist, dass Schweden und Finnland die türkischen Forderungen nicht umsetzen.
    Natürlich würde es enormen Druck der NATO bedeuten, wenn die Türkei sich nach der offiziellen Einladung wieder querstellt, aber Erdogan ist für seinen Dickkopf bekannt und berüchtigt. Es könnte also weiterhin spannend bleiben.
    Quelle: Anti-Spiegel
  7. Im Zentrum der drohenden Eskalation
    Die NATO erklärt Russland zu ihrer „bedeutendsten und unmittelbarsten Bedrohung“ und richtet ihr neues Streitkräftemodell auf die Massierung militärischer Kräfte an ihrer Ostflanke aus. Dies geht aus dem neuen Strategischen Konzept und dem neuen Streitkräftemodell hervor, auf das sich die Staats- und Regierungschefs des westlichen Militärpakts auf ihrem gestrigen Gipfeltreffen in Madrid geeinigt haben. Zudem sollen künftig nicht mehr 40.000, sondern mehr als 300.000 Soldaten in hoher Einsatzbereitschaft gehalten werden. Den einzelnen Streitkräften werden darüber hinaus für den Fall eines Krieges feste Operationsgebiete zugeordnet. Die Bundeswehr wäre, dies geht aus dem Stand der Debatte hervor, vor allem für Litauen zuständig. Das Land, dessen Südteil zwischen Belarus sowie der russischen Exklave Kaliningrad liegt, ist dadurch geostrategisch exponiert; zudem ist seine Regierung, wie ihr Handeln in Konflikten mit China und mit Russland zeigt, außerordentlich provokationsbereit. Das erhöht die Eskalationsgefahr – nicht zuletzt auch für die Bundeswehr.
    Quelle: German Foreign Policy
  8. Waffenstillstand jetzt!
    Die Verfasser dieses Appells fordern den Westen auf, den Ukraine-Krieg durch Verhandlungen zu beenden. Zu den Unterzeichnenden gehören Juli Zeh und Richard David Precht.
    Europa steht vor der Aufgabe, den Frieden auf dem Kontinent wiederherzustellen und ihn langfristig zu sichern. Dazu bedarf es der Entwicklung einer Strategie zur möglichst raschen Beendigung des Krieges.
    Die Ukraine hat sich unter anderem dank massiver Wirtschaftssanktionen und militärischer Unterstützungsleistungen aus Europa und den USA bislang gegen den brutalen russischen Angriffskrieg verteidigen können. Je länger die Maßnahmen fortdauern, desto unklarer wird allerdings, welches Kriegsziel mit ihnen verbunden ist. Ein Sieg der Ukraine mit der Rückeroberung aller besetzten Gebiete einschließlich der Oblaste Donezk und Luhansk und der Krim gilt unter Militärexperten als unrealistisch, da Russland militärisch überlegen ist und die Fähigkeit zur weiteren militärischen Eskalation besitzt.
    Quelle: Zeit Online
  9. Die Pandemie als Forum für Eitelkeiten
    Gesundheitsminister Lauterbachs neuer Plan zur Pandemiebekämpfung beruht auf verschiedenen Szenarien. In Ordnung, angesichts der Unsicherheit über die zu erwartende Entwicklung. Wären da nicht profilierungssüchtige Politiker, Wissenschaftler und Journalisten, die stets alles besser wissen. […]
    Das Streichen kostenloser Corona-Tests ist die hilflose Symbolpolitik eines Finanzministers, der nicht weiß, wie er aus der selbst gestellten Falle der Schuldenbremse herauskommt und stattdessen ins Kleinkrämerische verfällt.
    Unterdessen betätigt sich Karl Lauterbach als Kassandra und warnt vor einer im Herbst einsetzenden großen Pandemiewelle, auch wenn es dafür noch keine Anzeichen gibt, wie der ExpertInnenrat feststellt. Nun gehört es zu den Aufgaben eines Gesundheitsministers, vor der Verharmlosung der Lage in der Pandemie zu warnen. Aber mit seinen beständigen „Verbalimpfungen“, so die treffende Bezeichnung des Salon-Philosophen Peter Sloterdijk für seine Dramatisierungen der Infektionslage, betreibt er einen riskanten Kurs.
    Beständige Menetekel von großen Krisen, die dann nicht eintreffen, führen leicht zu einer Immunisierung in der Bevölkerung auch gegenüber berechtigten Warnungen. Karl Lauterbach sorgt regelmäßig mit seinen unabgestimmten Ankündigungen für Verärgerung im Regierungslager. Er kann sie sich leisten, weil seinen mit vielen politischen Tretminen verbundenen Job niemand außer ihm haben will. Aber es wird klar, weshalb Olaf Scholz Karl Lauterbach nicht in seinem Kabinett haben wollte. In der US-Politik bezeichnet man Leute wie ihn als lose cannon, eine unberechenbare politische Figur, die schon mal auf die eigenen Leute schießt.
    Quelle: Makroskop
  10. Lauterbachs Klassenkampf von oben
    Die Löcher in der Krankenversicherung stopft der Gesundheitsminister aus dem Geldbeutel der Ottonormalverdiener. Stattdessen hätte er die Beitragsbemessungsgrenze oder die Steuern anheben sollen.
    Lange wurde die Entscheidung erwartet, gestern war es dann so weit. Nach wochenlangen Verhandlungen mit Finanzminister Lindner tritt Karl Lauterbach vor die Presse und verkündet seine Finanzreform für die gesetzliche Krankenversicherung. Er wirkt genervt, aber entschlossen. Die Pandemie hat ein Loch in den Versicherungstopf gerissen. Und zwar ein 17-Milliarden-Loch. Lauterbach beteuert, dass er das Problem von Jens Spahn, seinem Vorgänger, geerbt habe. Spahn hatte noch Glück. 2021 hat der damalige Finanzminister Scholz rund 14 Milliarden aus dem Bundeshaushalt zugeschossen, um das Loch zu schließen. Mit Lindner war das nicht zu machen.
    Denn der Finanzminister ist längst zum rigorosen Sparkommissar geworden. Vor einigen Tagen hatte er Lauterbach schon den Wunsch genommen, die kostenlosen Bürgertest über den Juni hinaus bis zum Jahresende zu verlängern. Die Tests kosten ab dem 1. Juli wieder drei Euro. Hier hatte Lauterbach schon einmal zurückstecken müssen, Lindners Entscheidung aber öffentlich damit verteidigt, dass die Haushaltslage nun mal ”sehr angespannt” sei. Eine glatte Lüge. Denn bis zum Jahresende ist die Schuldenbremse für coronabedingte Ausgaben noch ausgesetzt. Den etwas mehr als zwei Milliarden, die es für kostenfreie Bürgertests gebraucht hätte, hätte nichts im Weg gestanden. Eine Entscheidung, die sich mit unglücklichem Pandemieverlauf im Herbst noch rächen kann!
    Quelle: Maurice Höfgen
  11. Krankenkassenbeitrag soll 2023 auf Rekordhöhe steigen
    Auf die über 57 Millionen Mitglieder der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kommt 2023 ein deutlich höherer Beitrag zu. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kündigte am Dienstag eine Erhöhung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um 0,3 Prozentpunkte auf 1,6 Prozent an. Die konkrete Höhe ihres jeweiligen Zusatzbeitrags legen die Kassen selbst fest. (…)
    Zudem solle durch größere Effizienz Geld eingespart werden. Rund drei Milliarden Euro würden aus Effizienzverbesserungen gehoben. Hierbei sei eine Solidarabgabe der Pharmaindustrie hervorzuheben, die zuletzt erhebliche Umsatzsteigerungen habe verzeichnen können, so Lauterbach. (…)
    Anfang des Monats hatte bereits der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) das erwartete Milliardendefizit für 2023 unter anderem auf politische Entscheidungen zurückgeführt. So führten Gesetze für mehr Pflegepersonal oder kürzere Wartezeiten beim Arzt allein zu dauerhaften Mehrkosten von fünf Milliarden Euro pro Jahr. Nun sagte Verbandschefin Doris Pfeiffer:
    „Die heute vorgelegten Eckpunkte verschaffen der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt allenfalls eine finanzielle Atempause.“ Das Aufbrauchen von Rücklagen sei „keine solide und nachhaltige Finanzierung“.
    Heftige Kritik kam von den Arbeitgebern. Die Eckpunkte seien enttäuschend und kämen einem Taschenspielertrick gleich, sagte der Hauptgeschäftsführer ihres Verbands BDA, Steffen Kampeter
    DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel nannte den Vorschlag einer Beitragserhöhung durch höhere kassenindividuelle Zusatzbeiträge „brandgefährlich“. Das verschärfe den Preiswettbewerb zwischen den Kassen um gesunde Patientinnen und Patienten und gefährde so das solidarische GKV-System.
    Quelle: Tagesspiegel

    dazu: Kritik an Lauterbachs Plan für höheren Krankenkassen-Zusatzbeitrag
    Karl Lauterbach hat höhere Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen angekündigt. Die Kritik kommt nun von vielen Seiten – gefordert werden unter anderem umfassende Reformen bei der Finanzierung.
    Quelle: Welt Online

    Anmerkung Christian Reimann: Der amtierende Bundesgesundheitsminister klagt u.a. darüber, dass sein Vorgänger, den auch er selber beraten hatte, “teure Leistungsausweitungen vorgenommen” habe. Dazu zählen u.a. auch die häufigen Corona-Tests bei gesunden Bürgerinnen und Bürgern, die z.B. zur Arbeit oder Schule wollten. Angedeutet werden “Strukturreformen” – zu befürchten sind weitere Privatisierungen im Gesundheitswesen. Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut:

    1. Harvard-Influenzer Lauterbach (2/2)
    2. Professor Seltsam oder: Wie ich lernte, Talkshows zu hassen
    3. Campact-Kampagne für Karlchen Überall – das hat schon ein Gschmäckle

    Anmerkung JK: „Zudem solle durch größere Effizienz Geld eingespart werden.“ Aber für Aufrüstung sind 80 Milliarden Euro im Jahr vorhanden.

    dazu auch: Lauterbachs Sparpläne: Kopfschütteln bei Ärzteschaft und Kassen
    Ärzteschaft und verschiedene Verbände der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) kritisieren die Sparpläne zur Sanierung der GKV-Finanzen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Insbesondere die Streichung der Neupatientenregelung trifft auf deutlichen Widerstand.
    Der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) reagiert „irritiert und alarmiert“ auf die heute vorgestellten Eckpunkte eines Gesetzes zur GKV-Finanzreform. Insbesondere die Ankündigung, die mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingeführten höheren Vergütungen für Neupatienten ersatzlos zu streichen, empörte sich die KBV.
    Quelle: Ärzteblatt

  12. Corona-Alarm nach dem Hurricane Festival
    Drei Tage lang wurde gefeiert – ohne Corona-Auflagen. Jetzt liegen viele flach. Lungenspezialist Thomas Fühner im Interview.
    Quelle: NDR

    Anmerkung André Tautenhahn: Ein Beitrag, der anders endet, als er startet. Das Hurricane Festival ein Hotspot? Vermutlich, aber ist das wirklich ein Problem? Wenn wir nicht wüssten, dass es die Pandemie gibt, würde uns aus Krankenhaussicht nicht viel auffallen. Die Lage werde durch Impfungen und Infektionen eigentlich immer stabiler, so der Lungenspezialist Thomas Fühner im Interview mit Hallo Niedersachsen.

    dazu auch: Studie der Berliner Charité: Corona-Viren befallen nur wenige Lungenzellen
    Schwere Covid-19-Verläufe könnten laut den Wissenschaftlern aus Berlin auf Risikofaktoren zurückzuführen sein. […]
    Sie zeige zudem, warum SARS-CoV-2 im Gegensatz zu MERS-Coronaviren in der Mehrzahl der Fälle einen eher moderaten Verlauf aufweist. Es lasse sich davon ausgehen, dass die lokalen Immunmechanismen im Atemgewebe die SARS-CoV-2-Viren in den allermeisten Fällen sehr effizient beseitigen und die Entzündungsreaktion begrenzen.
    „Geschieht das nicht, was möglicherweise durch individuelle Risikofaktoren beeinflusst wird, können in seltenen Fällen schwere und tödliche Verläufe entstehen“, teilte Hocke weiter mit. Im Zentrum nachfolgender Arbeiten soll deshalb der Einfluss von allgemeinen Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und anderen Medikationen vertiefend analysiert werden.
    Quelle: Berliner Zeitung

  13. Landgrabbing in Deutschland: Boden darf keine Ware sein
    Auch in Deutschland ist Ackerland längst zum Spekulationsobjekt geworden. Die steigenden Bodenpreise sorgen dafür, dass Bauern kaum ein Auskommen haben. Ein Skandal, findet die Autorin Annette Jensen, und fordert eine radikale Bodenreform.
    In den vergangenen Jahren sind nicht nur die Preise für städtische Grundstücke explodiert. Auch landwirtschaftliche Flächen haben sich extrem verteuert. Einfach nur, weil Investoren nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 nach sicheren Geldanlagemöglichkeiten suchten.
    Solche Leute kalkulieren völlig anders als Bauern. Sie spekulieren. Weil Boden für die Produktion von Gemüse, Getreide und nachwachsenden Rohstoffen auch in Zukunft gebraucht wird, ist er eine sichere Geldanlage mit enormem Wertsteigerungspotenzial, ohne dass die Käufer etwas tun müssen. Irgendwann erben das alles ihre Nachkommen – und die können das Monopoly-Spiel dann einfach fortsetzen.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  14. Spiegel: „Oligarch Deripaska nennt Invasion »kolossalen Fehler«“
    Der Spiegel hat in einem Artikel behauptet, der russische Milliardär Deripaska hätte das Vorgehen der russischen Regierung scharf kritisiert. Das ist allerdings Wunschdenken der Spiegel-Redaktion.
    Der Spiegel-Artikel mit der Überschrift „Ungewöhnlich offene Kritik an Krieg in der Ukraine – Oligarch Deripaska nennt Invasion »kolossalen Fehler«“ hat mich sehr verwundert, denn davon hatte ich in russischen Medien nirgendwo etwas gehört. Also habe ich intensiv im russischen Internet gesucht, um darüber etwas zu finden. Gehen wir den Spiegel-Artikel also einmal durch.
    Quelle: Anti-Spiegel
  15. Julian Assanges 51. Geburtstag ist sein vierter Geburtstag im Gefängnis
    Notiz: Am Sonntag, den 3. Juli 2022, wird Julian Assange 51 Jahre alt. Es wird der 4. Geburtstag des australischen Journalisten, Verlegers und Gründers der Enthüllungsplattform Wikileaks, den er auf Verlangen der USA im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London unter unmenschlichen Bedingungen verbringen muss; die der langjährige UN-Sonderberichterstatter über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, Prof. Nils Melzer, als Folter bezeichnet.
    Die furchtbare Situation von Assange hat weltweite Auswirkungen auf investigativen und regierungskritischen Journalismus: Wenn Journalisten bei nicht genehmen Artikeln der Hochsicherheitstrakt oder Deportation in ein verfolgendes Land mit Todesstrafe droht, wird der Pressefreiheit – und ganz allgemein der freien Meinungsäußerung – der Todesstoß versetzt.
    Quelle: FreeAssange.EU

    dazu: Free Assange Frankfurt am Main
    Am 03.07.2022 wird Julian Assange 51 Jahre alt. Der vierte Geburtstag, den er im Gefängnis verbringt. Wir wollen ihn natürlich gebührend feiern und laden euch zu unserer Sonderveranstaltung #Picknick4Assange ein.
    Quelle: Twitter

    Weitere Veranstaltungen

    dazu auch: Time running out for Julian Assange as Tories introduce law to savage our human rights
    As reported by The Canary, on 17 June, home secretary Priti Patel gave her approval to a court ruling to extradite WikiLeaks founder Julian Assange to the US. He will face 17 counts of violating the Espionage Act and one of conspiracy to commit computer intrusion. Assange’s lawyers are planning to appeal Patel’s approval of extradition and cross-appeal on other grounds – including a breach of client-lawyer confidentiality. But the High Court will have to approve those appeal requests. A judicial review of Patel’s decision is also possible.
    In addition, Assange may appeal to the European Court of Human Rights (ECHR). However, proposed UK legislation could make such an appeal problematic – and not just for Assange. […]
    Rather than enhance our rights, the BBR will serve to diminish them. For example, UK courts will be better positioned to ignore ECHR rulings in relation to the offshore processing of refugees, which will no doubt please Johnson’s xenophobic constituency.
    The BBR also comes at a time when other contentious bills are being examined. They include the National Security Bill, which seeks to jail journalists, and the Public Order Bill, which seeks to further criminalise protests.
    These are dangerous times
    Quelle: the Canary

    Anmerkung Moritz Müller: Sehr bedenklich, und es sieht so aus als sei das Vereinigte Königreich bei der Beschneidung von Bürgerrechten nicht allein. Wenn man zu obigen Veranstaltungen geht, merkt man zumindest, dass man als skeptischer Bürger auch nicht allein ist.


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