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Titel: Preisobergrenzen, Zölle, Goldembargo – ein Haufen Schnapsideen
Datum: 29. Juni 2022 um 12:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Denkfehler Wirtschaftsdebatte, Ressourcen, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Jens Berger
Die G7-Staaten wollen die Sanktionen gegen Russland verschärfen und gleichzeitig die Inflation in den eigenen Ländern drücken. Dafür prüft man nun die Umsetzbarkeit von Preisobergrenzen für russische Ölimporte. Doch das ist – genauso wie die in Deutschland diskutierten Zölle auf russische Öl- und Gasimporte – eine ökonomisch unsinnige Idee, die am Ende die Inflation nur weiter ankurbeln würde. Reine Symbolpolitik ist das verabschiedete Importverbot für russisches Gold. Im März wurden gerade einmal 26 Kilogramm russischen Goldes auf dem größten G7-Markt importiert. Der Wegfall dieser zwei Barren wird Russland nicht schmerzen. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Sind es Allmachtsphantasien, Planlosigkeit oder der unbedingte Wille, irgendetwas zu beschließen, das nach noch härteren Sanktionen klingt? Rational erklärbar sind die jüngsten Vorstöße zur „Verschärfung“ der Energiesanktionen gegen Russland jedenfalls nicht. Der Westen steht vor folgendem Problem: Seit der russischen Invasion in der Ukraine hat man zahlreiche Sanktionen gegen Russland verhängt, die den Import russischen Öls und Gases teilweise erschweren und teilweise ganz unterbinden. Damit hoffte man – so wird es zumindest kommuniziert – der russischen Regierung den Geldhahn abzudrehen.
Das Ergebnis ist jedoch das genaue Gegenteil. Die Handelsströme haben sich zum Teil ganz einfach auf den asiatischen Markt verlagert. In Summe exportiert Russland seit Beginn der Sanktionen lediglich acht Prozent weniger Öl, nimmt jedoch wegen des gestiegenen Ölpreises dafür mehr Geld ein als vor den Sanktionen. Nicht Russland, sondern vor allem der Westen selbst ist Opfer der eigenen Sanktionen, da die steigenden Energiepreise direkt und indirekt die Verbraucherpreise in die Höhe getrieben und zu den größten Preissteigerungen in den letzten fünfzig Jahren geführt haben. Haushalte und Industrie ächzen und der Kaufkraftverlust wird die Konjunktur nachhaltig schwächen und den Westen in eine Wirtschaftskrise treiben.
Um dies abzuwenden und gleichzeitig Russland zu schwächen, plädieren die USA und Kanada, also die zwei Staaten, die ohnehin kein Öl aus Russland mehr importieren, für eine Preisobergrenze für russisches Öl. Die Idee ist so einfach wie weltfremd – gesetzliche Mechanismen erlauben den Import von russischem Öl nur dann, wenn der abgerechnete Ölpreis unter einer festgelegten Grenze und somit deutlich unter dem Weltmarktpreis liegt. Die offene Frage: Warum sollte Russland sein Öl an den Westen mit einem Abschlag verkaufen?
Lässt man einmal die physischen Grenzen von Verlade- und Tankerkapazitäten außer Acht, ist Öl global handelbar und da die Nachfrage nach russischem Öl ja vorhanden ist, würde Russland sein Öl ganz einfach an die Abnehmer verkaufen, die die besten Preise bezahlen. Allein China und Indien könnten als Kunden die EU vollständig ersetzen. Europa müsste sich dann neue Lieferanten suchen. In Frage kämen unter anderem die USA und Kanada, also genau die beiden Länder, aus denen diese Schnapsidee kommt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Die Preisobergrenze würde nur dann „funktionieren“, wenn alle vorhandenen und potenziellen russischen Ölkunden sie anwenden würden. Das ist aber nicht der Fall. Wenn nur der Westen dieses Instrument anwendet, führt dies lediglich zu einer weiteren Verschiebung der Handelsströme und zu einer weiteren Verteuerung des Öls – Russland nimmt also noch mehr Geld ein, der Westen leidet noch stärker unter den Preissteigerungen.
Zumindest in der Theorie sieht die Situation beim Gas anders aus. Zwar ist auch Gas in verflüssigter Form weltweit handelbar, aber hier sind die physischen Grenzen durch Terminals und Tankerkapazitäten viel enger gesetzt. Europas Gas kommt vor allem aus Pipelines und die lassen sich nicht so schnell in andere Länder verlegen. Aus Italien kommt daher der Vorschlag, man solle eine Obergrenze für russische Gaslieferungen umsetzen. Anders als beim Öl sind die Gaspreise jedoch langfristig durch Preisanpassungsklauseln geregelt. Eine Preisobergrenze wäre ein klarer Vertragsbruch, auf den Russland ohne jeden Zweifel mit einem Lieferstopp reagieren würde. Das ist genau das Szenario, das vor allem Deutschland verhindern will. Darum wurde die Schnapsidee aus Italien in Elmau auch nicht ernsthaft weiterdiskutiert.
Doch auch in Deutschland haben Schnapsideen Hochkonjunktur. So macht zurzeit die Idee von Strafzöllen für russisches Öl und Gas in den Medien von sich Reden. Ausgedacht haben sich das Forscher vom IfW Kiel. Demnach sollte der Staat russische Energieimporte durch eine Sondersteuer verteuern. Die marktwirtschaftliche Logik dahinter – am Ende werden Öl und Gas zum Marktpreis gehandelt, so dass die russischen Anbieter ihren Preis um die Summe der Zölle senken müssen, um am Ende den gleichen Endpreis anbieten zu können wie andere Anbieter, deren Güter nicht verzollt werden müssen.
Auf freien Märkten mit einem Angebotsüberschuss mag so etwas ja funktionieren. Aber so funktioniert weder der Öl- noch der Gasmarkt. Diese sind durch ein Angebotsoligopol und Kartelle gekennzeichnet. Verkürzt: Nicht der Abnehmer, sondern der Anbieter bestimmt den Preis. Wenn man also den Endpreis des größten Anbieters mit Zöllen künstlich verteuert, würde sich der Marktpreis mittelfristig nicht auf den Preis ohne, sondern auf den Preis mit Zöllen einpendeln. Für Russland wäre dies ein Nullsummenspiel, andere Anbieter würden von höheren Preisen profitieren und die Abnehmer wären die eigentlichen Verlierer, weil sie noch mehr Geld für ihre Ölimporte bezahlen müssten.
Noch deutlicher wäre diese Entwicklung beim Gas. Da hat Russland streng genommen fast ein Monopol. Es gibt gar keine freien Mengen auf dem Markt, die den Preis für russisches Gas nach unten bewegen könnten. So gesehen wären Zölle auf russisches Gas allen voran ein Konjunkturpaket für amerikanisches und kanadisches Fracking-Gas. In jedem Fall wären die Zusatzbelastungen für Haushalte und Industrie ein nicht wegzudiskutierender Kollateralschaden von Zöllen. Das wissen natürlich auch die IfW-Forscher.
Sie schlagen daher vor, der Staat solle die zusätzlichen Zolleinnahmen an die Bürger weiterleiten. Dass dies ohnehin nicht funktioniert, wissen wir ja schon seit Tankrabatt und Energiepauschale. Hinzu kommt, dass man nur umverteilen kann, was man auch einnimmt. Da die Preise für Öl und Gas aus anderen Ländern sich an dem künstlich verteuerten Preis für russische Importe orientieren würden und der Staat diese Preissteigerung nicht über Zölle abschöpfen und umverteilen kann, bleibt für die Haushalte und die Industrie so oder so eine zusätzliche Belastung. Einmal mehr würden die Schäden der Sanktionen vor allem auf die Bürger und die Unternehmen im eigenen Lande abgewälzt werden, während der „Nutzen“ – wenn überhaupt – marginal ist.
Kommen aus dem Westen nur noch Schnapsideen? Nein! Das in Elmau verkündete Importembargo für russisches Gold ist keine Schnapsidee, sondern eine reine Nullnummer für PR-Zwecke. Russland ist in der Tat hinter China und Australien der größte Goldproduzent und hat zumindest auf dem Papier vor den Sanktionen gewaltige Mengen Gold in die Schweiz (Uhrenproduktion) und nach Großbritannien exportiert. Warum Großbritannien? Dort befindet sich mit dem LBMA der mit Abstand größte Handelsplatz für Goldbarren. Diese werden zwar über den LBMA gehandelt, das heißt aber nicht, dass das Gold physisch in London über die Theke geht. Somit ist Großbritannien nur auf dem Papier der größte Importeur russischen Goldes.
Die LBMA hat Russland jedoch bereits im März die Akkreditierung entzogen. Wurden im Februar noch 29 Tonnen Gold für 1,7 Mrd. USD auf dem Papier von Russland nach Großbritannien „exportiert“, waren es im März nur noch 26 Kilogramm. Der Wegfall dieser zwei Barren Gold dürfte Russland nicht sonderlich wehtun. Im Endeffekt hebelten die März-Sanktionen Großbritanniens lediglich den Londoner LBMA aus. Nun verkauft Russland sein Gold halt direkt und nicht über den Umweg London an die Endkunden, die heute vor allem in China und Indien sitzen. Und der Westen? Der wird es schwer haben, die Herkunft des Goldes überhaupt zu kontrollieren. Wenn das Gold erst einmal in Schweizer Luxusuhren oder Schmuck aus China, Indien oder den Emiraten verarbeitet wurde, ist ein Einfuhrverbot nicht mehr umsetzbar. Der Rubel rollt weiterhin und das Goldimportembargo hat keine praktische Bedeutung.
Der Plan des Westens, Russland durch Importbeschränkungen und Embargos finanziell auszutrocknen, ist schlichtweg nicht durchführbar. Vor allem der gigantische und stets nach Rohstoffen lechzende asiatische Markt verhindert hier jeden wirksamen Hebel. Das hindert den Westen aber nicht, jede noch so große Schnapsidee zu promoten und vielleicht am Ende sogar durchzuführen. Doch nicht Russland, sondern der Westen selbst leidet unter diesen Sanktionen. Rational wäre ein radikales Umdenken nötig. Doch rational ist die Politik des Westens nun einmal nicht.
Titelbild: ramcreations/shutterstock.com
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