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Titel: Leserbriefe zu „Journalisten: Gladbeck, Ukrainekrieg und die emotionale Besoffenheit“
Datum: 22. Juni 2022 um 11:00 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
Verantwortlich: Redaktion
Tobias Riegel kommentiert hier die Gefahren, die potenziell von „emotionalisierten und enthemmten“ Journalisten ausgehen könnten. Anlässlich der neuen Dokumentation „Gladbeck: Das Geiseldrama“ findet ein Vergleich mit der „überwältigenden aktuellen Kampagne zum Ukrainekrieg“ statt. Der Film dokumentiere „den moralischen Offenbarungseid eines ganzen Berufstandes“. Festgestellt wird: „Eine Parallele könnte aber sein, dass in beiden Fällen eine emotionale Besoffenheit zugelassen oder gar geschürt wird, um die Regeln des Anstands und der Vernunft zeitweise außer Kraft zu setzen.“ Abschließend wird gefordert, dass Emotionen aus den Berichten und den Redaktionen möglichst ferngehalten werden müssten, denn „wer etwas anderes fordert, führt mutmaßlich nichts Gutes im Schilde“. Wir danken für die interessanten Zuschriften. Hier also nun die Leserbriefe. Zusammengestellt von Christian Reimann.
1. Leserbrief
Hallo liebe NDS’ler.
Es gibt neben “Gladbeck” noch weitere Beispiele dafür, wie Journalisten angemessenes Verhalten vollkommen vermissen lassen, und dabei oft sogar von Behörden und Justiz nicht gestoppt werden. Extreme Beispiele gibt es auch aus England, wo ich 13 Jahre lang gearbeitet habe, und auch in den USA.
Unsere westliche Welt kennt sehr viele solcher katastrophalen Geschichten, aber wir ignorieren und vergessen das leider zu schnell. Böse sind eben nicht “wir”, der “Wertewesten”, sondern immer die anderen, in Asien, Afrika, Südamerika …
Liebe Grüße
Jürgen Warschun
2. Leserbrief
Lieber Herr Riegel,
danke für Ihren Hinweis auf die Doku in “Netflix”, auch wenn er mir nichts nutzt. Ich nutze weder Twitter, Facebook, Instagram usw. noch bezahle ich Netflix oder ähnliches für zusätzliche mediale Berieselung. Ich glaube, dass dies meiner mentalen Gesundheit förderlich ist, mir das ganze Brimborium vom Hals zu halten.
Dennoch möchte ich darauf aufmerksam machen, dass in der Gladbeck-Affäre sich der heutige “Moderator” von “Hart aber fair” – Frank Plasberg – besonders unrühmlich hervorgetan hat.. Er führte vor laufender Kamera Interviews (live?) mit den Geiselgangstern und soweit ich mich erinnere, begleitete er die Fahrt der Gangster auch auf ihrer Irrfahrt mit der Kamera.
Aus meiner Sicht hat sich das journalistische Niveau dieses Herrn seit dieser Zeit nicht deutlich gesteigert.
Mit den besten Grüßen und Wünschen
Claus Hübner
3. Leserbrief
Lieber Tobias, liebes Nachdenkseiten-Team,
das, was ich da aus dem SZ-Artikel herauslese ist wohl nur eine „Entschuldigung“ für die damalige Entgleisung, oder? Wir sind alle Schuld. Aber klar doch. Wenn in Berlin mal wieder ein Autofahrer in eine Menge fährt, sind alle Autofahrer automatisch Schuld, wenn sie statt erlaubten 50 52 km/h fahren, egal wo und unter egal welchen Umständen. Allein, dass sie Auto fahren, macht sie schuldig. So – meine lieben Journalisten der SZ geht Journalismus nicht. Das macht dann keinen Unterschied mehr zwischen Tätern und Beteiligten. Schuld ist im moralischen und juristischen Sinne allein der Täter bzw. die Täterin. Basta.
Sie – liebe Journalisten der SZ – betreiben eine Reinwaschung der Journalistenclique über eine allgemeine Schuldzuweisung. Sie relativieren Vergehen Ihrer Branche. Aber das ist ja üblich, dass man eigene Vergehen möglichst kleinredet.
So – nun genug der Schelte. Wir benötigen dringend eine neue Generation von Journalisten, die ihre Aufgabe ernst nehmen. Die anderen können meinetwegen in den Vorruhestand gehen. Ist mir egal. Wenn sie allerdings weiter arbeiten, und dies so, wie sie es tun, werden die Folgen für die Branche verheerend sein.
Und um es klar zu stellen. Ich greife nicht den gesamten Journalistenstand an. Ich greife diejenigen an, die sich nachweislich fehlverhalten. Das sollte mir zugestanden sein.
Mit solidarischen Grüßen
Gunther Troost
4. Leserbrief
Sehr geehrte Nachdenkseiten, sehr geehrter Herr Riegel,
Den Vergleich zu „Gladbeck“ empfinde ich an den Haaren herbeigezogen. Ich habe aber auch Karl Kraus gelesen, und erwarte von unserer „vierten Gewalt“ seit langem nichts mehr. Ihre Kritik stößt ins Nichts vor.
Diese emotionalisierte, banalisierte, vermeintlich kritisch „enthüllende“ Berichterstattung dort:
Ukraine-Ticker: Kiew pessimistisch vor Scholz-Besuch | MDR.DE
ist der Standard. Schon die Auswahl des Portaits von O. Scholz, die Mine, Schärfe, Belichtung … . Der grenzenlos idiotische Titel „Bundeskanzler Olaf Scholz“ … Die Meldung selbst nimmt kaum ein Zehntel von dem Platz des inhaltlich beziehungslosen Bildes ein, berichtet subjektive Erwartungen ohne Grund. Das ist aber auch schon öffentlich/rechtlich.
Man kann fast sagen, dass ein Journalist (m/w/d), der seinen – allerdings nicht einklagbaren, Berufsethos ernst nimmt, kein Journalist ist. Sondern schon Aktivist.
Schlagen Sie bitte nicht weiter auf ein totes Pferd ein. Man möchte meinen Sie hätten sich in der näheren Vergangenheit noch immer geirrt? Ihre Verachtung teile ich gern.
Dass es sich aber heuer um gerade zum Erbrechen ekelige Parallelen zur Kriegspropaganda des Nationalsozialismus handelt, hat man uns damals in der Schule noch beigebracht.
Mit freundlichen Grüßen
J/E
5. Leserbrief
Sehr geehrter Herr Riegel,
liebes NachDenkSeiten-Team,
gestern habe ich in mein Ukraine-Tagebuch eingetragen:
“Maßloser, wert(e)loser Journalismus (14.06.22)
Das Verhalten so mancher Journalisten derzeit erinnert doch stark an das ihrer Kollegen während des Geiseldramas in Gladbeck, als es wichtiger war, Liveschaltungen in den Fluchtwagen herzustellen, als die Arbeit der Polizei zu unterstützen.
So berichtet der Politikchef der „Neue Ruhr Zeitung“ (NRZ – Funke-Medien-Gruppe) seit geraumer Zeit direkt aus der Ukraine, gestern hat Christian Siebert, Chef des Heute-Journals, den ukrainischen Präsidenten vor dem Besuch des Bundeskanzlers in Kiew interviewt, um diesem die Forderungen der ukrainischen Staatsführung direkt per Nachrichtensendung zu präsentieren.
Das zeigt: Der Journalismus hat (wieder) jedes Maß verloren. Es ist die Distanzlosigkeit, die sprachlos macht, es ist die unmittelbare Teilnahme im sozialen Feld, mitten im Tatort, die Authentizität vortäuscht, wo es doch nur um Panikmache, um Sensationsgier geht. Die Ausschaltung der Polizei damals, die Behinderung und Ausschaltung von Politik heute werden billigend in Kauf genommen, wenn überhaupt reflektiert. Polizei damals und Politik heute werden in die Statistenrolle gedrängt. In einer seltsamen Hybris versucht sich der Medienapparat an die Stelle der Politik zu setzen, Gott zu spielen, weil er vergöttert werden möchte.”
Da kann ich nur sagen: Passt!
Beste Grüße
Dietrich Brauer
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