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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 21. Juni 2022 um 8:39 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Wie die Drei-Block-Demokratie Frankreich lähmt
  2. Vater und Bruder von Julian Assange im Berliner Verlag: „Die Bundesregierung muss endlich handeln“
  3. Krieg spaltet
  4. Grundsicherung für Geflüchtete: Zwei-Klassen-Recht?
  5. China nun Russlands Ölkunde Nr. 1 – und Indien trickst die EU weiter aus
  6. Atomabkommen mit Iran: Einigung rückt in weite Ferne
  7. Patrice Lumumba: Why Belgium is returning a Congolese hero’s golden tooth
  8. Trockenheit in Südeuropa: Norditalien geht das Wasser aus
  9. Klimaschutz war gestern
  10. Recycling, eine große Farce? Plastik und kein Ende
  11. Der Wachstumstreiber der Pharmabranche
  12. Angesteckt am Arbeitsplatz – Covid-19 als Berufskrankheit
  13. Bundesbank warnt: Rentenbeitrag steigt auf 29 Prozent
  14. Spuren und Wunden der NSU-Morde
  15. „Ich wünsche mir ein anderes Diskussionsklima“
  16. Triumph in Bogotá

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wie die Drei-Block-Demokratie Frankreich lähmt
    Es ist eine Phase politischen Stillstands: Linke, Liberal-Konservative und Nationalisten fechten in Frankreich ausweglose Konflikte aus. Hier skizziert der renommierte Ökonom Thomas Piketty eine Lösung.
    Ist es möglich, aus der Drei-Drittel-Demokratie auszusteigen und wieder ein klassisches linkes wie rechtes Lager aufzubauen, in dem man sich auf Fragen der Umverteilung und der sozialen Ungleichheit konzentriert – in Frankreich, aber auch auf europäischer und internationaler Ebene? Das wird die zentrale Herausforderung bei den aktuellen Parlamentswahlen in Frankreich sein.
    Aber erst einmal zurück zu den Umrissen dieser Drei-Drittel-Demokratie, wie sie sich in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen im April abzeichneten. Zählt man die verschiedenen Kandidaten aus den linken und ökologischen Parteien zusammen, entfallen 32 Prozent der Stimmen auf einen Linksblock, der entweder einen planwirtschaftlichen oder sozial-ökologischen Ansatz vertritt.
    Wenn man die auf Präsident Emmanuel Macron und die konservative Kandidatin Valérie Pécresse entfallenden Stimmen zusammenfasst, kommt man ebenfalls auf 32 Prozent für den liberalen oder Mitte-Rechts-Block. Derselbe Wert von 32 Prozent ergibt sich, zählt man die Stimmen der drei Kandidaten des nationalistischen oder rechtsextremen Blocks von Marine Le Pen, Éric Zemmour und Nicolas Dupont-Aignan zusammen.
    Quelle: DER SPIEGEL

    dazu: Klatsche für Macron: Parlamentswahlen in Frankreich
    Als Emmanuel Macron 2017 an die Staatsspitze Frankreichs gewählt wurde, versprach er, die extreme Rechte im Land »auszumerzen«. Heute, fünf Jahre und eine Amtszeit später, ist Marine Le Pens Rassemblement National (RN) so stark wie noch nie. Die faschistische Partei wird nach der Wahl vom Sonntag künftig mit 89 Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten sein, das beste Ergebnis ihrer Geschichte. Damit erreicht der RN zum ersten Mal bei einer Mehrheitswahl den Fraktionsstatus, was ihm ermöglichen wird, mehr Einfluss auf das Geschehen im Parlament zu nehmen. Das Wahlergebnis wird außerdem den Bankrott der hochverschuldeten Partei verhindern: In den kommenden fünf Jahren werden 1,64 Euro pro Wähler pro Jahr an Steuergeld an den RN fließen, am Ende werden das mehr als 35 Millionen Euro sein.
    Die Verantwortung für das beispiellose Erstarken der extremen Rechte trägt allein Macron. In den vergangenen fünf Jahren ließ der Staatspräsident systematisch Geflüchtete von Polizeitrupps verdreschen, verschärfte die Asylpolitik und hetzte mit einer solchen Leidenschaft gegen den Islam, dass seine Regierung vor einem Jahr Le Pen sogar vorwarf, zu »schlaff« bei dem Thema geworden zu sein.
    Das Ziel dieser Normalisierung rassistischer Politik und Rhetorik besteht darin, den RN so zu stärken, dass möglichst dieser und nicht die Linke bei Wahlen in die zweite Runde kommt. Den Franzosen bleibt dann nur noch die Möglichkeit, zwischen Macron und Le Pen wählen zu müssen. Bei den Präsidentschaftswahlen vor zwei Monaten ging diese perfide Strategie auf, bei den Parlamentswahlen nun aber nicht mehr.
    Quelle: junge Welt

  2. Vater und Bruder von Julian Assange im Berliner Verlag: „Die Bundesregierung muss endlich handeln“
    Julian Assanges Bruder und Vater sind in Berlin eingetroffen. Sie haben den Berliner Verlag besucht und haben eine klare Botschaft, insbesondere an die Grünen.
    Der Vater und der Bruder von Julian Assange, John und Gabriel Shipton, haben am Montag den Berliner Verlag besucht, um die deutsche Öffentlichkeit und insbesondere die deutsche Bundesregierung auf die prekäre Situation ihres Sohnes und Bruders aufmerksam zu machen.
    Am Freitag hatte die britische Innenministerin Priti Patel einen Auslieferungsbefehl veröffentlicht, der vorsieht, Assange an die USA auszuliefern. Der Wikileaks-Gründer sitzt seit über drei Jahren im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh ein. Assanges Anwälte haben nun 14 Tage Zeit, das Urteil anzufechten. Julian Assange wird vorgeworfen, wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente auf der Plattform Wikileaks und in anderen Medien, sich der Spionage schuldig gemacht zu haben.
    „Wir sind bestürzt“, sagte Julian Assanges Vater im Berliner Verlag. „Assange ist jetzt seit fast 14 Jahren in Unfreiheit. Sein Leben ist in Gefahr. Ihm geht es immer schlechter. Aber Julian hat unglaubliche Widerstandkräfte. Er will sich wehren. Die Vorwürfe gegen ihn sind absurd.“
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu: Rache und Kalkül
    Auslieferung von Assange: Entscheidung zugunsten Washingtons nicht alleine stehend. London führt Kampagne gegen Transparenz und Herrschaftskritik
    Die britische Innenministerin verkörpert derzeit sinnbildlich die drei Affen aus dem japanischen Sprichwort: Sie sieht nichts, sie hört nichts und sie sagt nichts. Von allen Seiten jenseits der politischen Bühne wurde Priti Patel aufgefordert, die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA zu stoppen, sie tat es nicht und nun kann der anvisierte Tod auf Raten per Verfahren weitergehen. Die Verfolgung dauert bereits mehr als zehn Jahre an und wie es in der Presseerklärung der Enthüllungsplattform am Freitag noch einmal deutlich betont wurde, hat der Fall nichts mit einer vermeintlichen Gefährdung US-Beamter durch die Veröffentlichung als geheim eingestufter Dokumente zu tun: »Machen Sie keinen Fehler, dies war schon immer ein politischer Fall. Julian hat Beweise dafür veröffentlicht, dass das Land, das ihn ausgeliefert haben will, Kriegsverbrechen begangen und diese vertuscht hat; es hat gefoltert und verschleppt; es hat ausländische Beamte bestochen; und er hat gerichtliche Ermittlungen zu Fehlverhalten der USA unterlaufen. Ihre Rache ist der Versuch, ihn für den Rest seines Lebens in den dunkelsten Winkeln ihres Gefängnissystems verschwinden zu lassen, um andere davon abzuhalten, Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen.«
    Quelle: junge Welt

    und: Eiskalt im Stich gelassen
    Julian Assange und die Doppelmoral des Westens. Ein Gastkommentar
    Die Anweisung der britischen Regierung, den Journalisten Julian Assange an die USA auszuliefern, wo ihm wegen der Enthüllung von Kriegsverbrechen 175 Jahre Gefängnis drohen, ist ein Generalangriff auf die Pressefreiheit. Die politische Verfolgung von Julian Assange offenbart die ganze Heuchelei und Doppelmoral des Westens. Bei Journalistenverbänden und Menschenrechtsorganisationen weltweit ist das Entsetzen groß über die Entscheidung in London, die Bundesregierung in Deutschland dagegen, die sich eine wertebasierte und menschenrechtsorientierte Außenpolitik auf die Fahnen schreibt, wiegelt ab. Was für eine Schande. Was für eine Feigheit. Was für eine unsägliche Doppelmoral, russische Kriegsverbrechen in der Ukraine anzuprangern, sich aber gleichzeitig feige wegzuducken, wenn US-Präsident Joseph Biden mit seinen britischen Helfern unter absurden juristischen Spionagevorwürfen den Aufklärer US-amerikanischer Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan verfolgen lässt.
    Fünf Mitglieder der heutigen Bundesregierung haben sich bis kurz vor den Bundestagswahlen im September 2021 für die Freilassung von Julian Assange eingesetzt: neben der heutigen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sind das Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck, Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Landwirtschaftsminister Cem Özdemir sowie Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Jetzt dagegen: Dröhnendes Schweigen beim Ampelkabinett oder billige Ausflüchte, das Urteil sei »noch nicht unanfechtbar« und »ein weiterer Rechtsweg möglich«. Bullshit. Es ist Gefahr im Verzug.
    Quelle: Sevim Dagdelen in junge Welt

  3. Krieg spaltet
    Eine europaweit organisierte Denkfabrik mit Hauptsitz in Berlin warnt vor einer dauerhaften Spaltung der EU durch den Ukraine-Krieg. Wie der European Council on Foreign Relations (ECFR) in der Auswertung einer Umfrage konstatiert, die er in zehn Ländern Europas durchgeführt hat, lassen sich bereits heute zwei klar gegeneinander abgegrenzte Meinungsspektren in den Bevölkerungen identifizieren. Während eines verlangt, Russland müsse um jeden Preis eine Niederlage zugefügt werden, dringt das andere auf einen raschen Friedensschluss, auch wenn das Zugeständnisse der Ukraine voraussetzt. Ursache sind Befürchtungen, der Krieg werde negative Folgen für den Lebensstandard in ganz Europa haben und drohe zudem in einen Nuklearkrieg zu eskalieren. Der ECFR urteilt, dauere der Ukraine-Krieg an, dann könnten sich die Gewichte zugunsten der Befürworter eines Friedens verschieben; womöglich gerate gar die Einheit der EU in Gefahr. Eine sinkende Zustimmung zu Waffenlieferungen an die Ukraine wurde in Deutschland bereits im Mai verzeichnet. In Italien nehmen sogar öffentliche Proteste dagegen zu.
    Quelle: German Foreign Policy
  4. Grundsicherung für Geflüchtete: Zwei-Klassen-Recht?
    Seit Monatsbeginn haben Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine Anspruch auf Hilfe vom Jobcenter. Der Sonderstatus stößt auf Kritik. Der Flüchtlingsrat fordert gleiche Rechte für alle Geflüchteten. […]
    Kai Weber vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat staunt, was möglich ist, wenn der politische Wille da ist. In kürzester Zeit sei es gelungen, gesetzliche und verwaltungstechnische Maßnahmen zu ergreifen, um tausenden Opfern von Krieg und Verfolgung unbürokratisch Aufenthaltssicherheit, eine Wohnung, Arbeitsangebote und soziale Leistungen zu vermitteln. Dass die ukrainischen Geflüchteten aber anders als andere Geflüchtete so schnell vom Asylbewerberleistungsgesetz in die Grundsicherung wechseln dürfen, kritisiert er als zwei-Klassen-Recht: “Wir fragen uns, warum die ergriffenen Maßnahmen nicht auch auf andere Schutzsuchende angewandt werden, die auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung in Deutschland ankommen. Von der Bundes- und Landesregierung fordern wir daher eine Neuorientierung der Flüchtlingspolitik”, sagt Weber. Die im Umgang mit ukrainischen Geflüchteten praktizierte Willkommenspolitik solle als Blaupause dienen, um die Asyl- und Flüchtlingspolitik grundlegend neu zu gestalten.
    Quelle: NDR
  5. China nun Russlands Ölkunde Nr. 1 – und Indien trickst die EU weiter aus
    Wem verdankt Russland Rekordeinnahmen aus den Energieexporten? Für China und Indien scheint die Öl-Einfuhr besonders lukrativ zu sein.
    Es scheint eine gegenseitige Win-Win-Situation zu sein, die allerdings dazu führt, das Russland abhängiger von seinen asiatischen Nachbarn wird: Allein im Mai habe Russland so viel Öl nach China verkauft wie noch nie, meldete die Zollbehörde in Peking am Montag, und sei damit zu Chinas größten Öl-Lieferanten aufgestiegen. Das heißt, kein anderes Land importiert jetzt so viel Öl nach China wie Russland. […]
    Interessanterweise kaufte zuletzt Indien mit 18 Prozent russischer Ölexporte so viel Öl aus Russland wie noch nie. „Ein erheblicher Teil des Rohöls wird als raffinierte Ölprodukte wieder exportiert, unter anderem in die USA und nach Europa, ein wichtiges Schlupfloch, das es zu schließen gilt“, warnen die finnischen Analysten. Zuletzt hatten mehrere Medien über die indischen Mega-Deals berichtet.
    Wie Reuters am Wochenende auf Berufung auf vertrauliche Informationen der indischen Regierung mitteilte, soll Indien im Zeitraum zwischen dem 27. Mai und dem 15. Juni die Kohle-Lieferungen aus Russland um das Sechsfache und die Öllieferungen sogar um das 31-fache im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2021 gesteigert haben. Russland bietet demnach indischen Importeuren Rabatte von bis zu 30 Prozent an. Nicht zuletzt erhöhte auch Frankreich Importe von russischen Öl zu reduzierten Preisen in den ersten 100 Tagen Ukraine-Krieg, so eine weitere Erkenntnis des des finnischen Forschungszentrums.
    Doch so leicht haben es die russischen Öllieferanten trotzdem nicht. Die größte Herausforderung liegt für sie am Bedarf an noch mehr Tankerkapazitäten, um die Ware in weitentfernte Märkte zu transportieren.
    Quelle: Berliner Zeitung
  6. Atomabkommen mit Iran: Einigung rückt in weite Ferne
    Die Aussichten für eine Rückkehr zum Atomabkommen haben sich weiter verschlechtert. Die Entwicklungen im Überblick.
    Teheran habe den Wiener Verhandlungen um das Atomabkommen möglicherweise einen «tödlichen Schlag» versetzt, sagt der Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi: Der Iran hatte auf eine kritische Resolution des IAEA-Gouverneursrats mit der Ankündigung reagiert, dass die Urananreicherung weiter ausgebaut und ein Teil der IAEA-Kameras im Iran abgeschaltet werden. Sie überwachen das iranische Atomprogramm. Ist damit das Ende des Atomdeals von 2015 endgültig besiegelt? Präsident Donald Trump wollte ihn durch den Austritt der USA 2018 zu Fall bringen, im April 2021 wurden in Wien Verhandlungen über seine Rettung aufgenommen.
    Quelle: Infosperber
  7. Patrice Lumumba: Why Belgium is returning a Congolese hero’s golden tooth
    A gold-crowned tooth is all that remains of assassinated Congolese independence hero Patrice Lumumba.
    Shot by a firing squad in 1961 with the tacit support of former colonial power Belgium, his body was then buried in a shallow grave, dug up, transported 200 km (125 miles), reburied, exhumed and then hacked into pieces and finally dissolved in acid.
    Belgian police commissioner Gerard Soete, who oversaw and had a hand in the destruction of the remains, took the tooth, he later admitted.
    He also spoke of a second tooth and two fingers from the body, but these were not found.
    The tooth has now been returned to the family at a ceremony in Brussels.
    Soete’s impulse to pocket the body parts mirrored the behavior of European colonial officials over the decades, who took remains home as macabre memorabilia.
    But it also served as the final humiliation of a man whom Belgium viewed as an enemy.
    Quelle: BBC
  8. Trockenheit in Südeuropa: Norditalien geht das Wasser aus
    Die Poebene erlebt die schlimmste Dürre seit 70 Jahren. Seit Monaten hat es nicht geregnet. Die Hälfte der Anbauflächen ist von Ernteausfall bedroht.
    Einigermaßen ungewohnt ist das Bild, das sich den Turiner*innen jetzt im Juni beim Spaziergang an der Flusspromenade bietet. Der Po, eigentlich ein mächtiger Strom, hat sich in ein trauriges, schmales Rinnsal verwandelt.
    Und so ist es nicht nur in Turin. Italiens größter Fluss, der über 650 Kilometer den Norden des Landes vom Piemont bis hin zur Emilia Romagna und dem Veneto an der Adriaküste durchschneidet, fällt auf seiner ganzen Länge durch historische Tiefstände auf. 7 Meter unter Normalnull werden dieser Tage gemeldet, und die TV-Nachrichten liefern Bilder von Ausflugsbooten, die am Ufer schlicht auf dem Trockenen gestrandet sind, und auch vom Grund des Flussbetts, von völlig ausgetrockneter, aufgebrochener Erde, die an eine Wüstenlandschaft erinnern.
    Die schlimmste Dürre seit 70 Jahren erlebe die Poebene, erlebe ganz Italien gerade, erläutern die Expert*innen, für die der direkte Zusammenhang mit dem Klimawandel auf der Hand liegt. Das fängt damit an, dass es seit fast vier Monaten nicht mehr geregnet hat. Es geht damit weiter, dass auf den milden, trockenen Spätwinter und Frühling Hitzewellen folgten, die so früh einsetzten wie kaum je zuvor.
    Quelle: taz
  9. Klimaschutz war gestern
    Eine Gemeinwohl-Ökonomie würde den Klimaschutz erübrigen – er wäre nur der unmittelbare Kollateralnutzen des Wirtschaftens.
    Wer etwas für den Klimaschutz tun möchte, muss aufhören, sich mit dem Kilmaschutz zu beschäftigen. Der Kampf für ein dem Menschen zuträgliches Klima auf dem Planeten ist gekämpft, er ist verloren, und er bindet die guten Kräfte jener, die ihn mit sehr achtbarer Haltung aber ohne vernünftige Aussicht auf Erfolg weiterkämpfen.
    Der am 3. April 2022 veröffentlichte Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change zeigt das mit eindringlicher Deutlichkeit. Im Berichtsjahrzehnt 2010- 2019 sind die jährlichen Treibhausgasemissionen, allen Bemühungen, Beteuerungen und ohnedies sehr bescheidenen Zielsetzungen zu ihrer Reduktion zum Trotz, nicht gesunken, sondern gestiegen – und haben ihren vorläufigen Höchststand in der Geschichte der Menschheit erreicht.
    Quelle: Makroskop
  10. Recycling, eine große Farce? Plastik und kein Ende
    Der ARD-Dokumentarfilm „Die Recycling-Lüge“ räumt den Mythos von der Wiederverwertung ab.
    In Indonesien verhaken sich die Plastikmassen in den Mangrovenbäumen eines potenziellen Traumstrandes. In Bulgarien stapeln sich auf dem Hof eines dubiosen Zwischenlagers große Ballen aus Plastikmüll, den Freiwillige in Großbritannien in bester Absicht gesammelt haben, weil er von der US-Firma Terracycle angeblich vollständig wiederverwertet wird – nun aber wohl nur verbrannt werden soll.
    Der Dokumentarfilm „Die Recycling-Lüge“ von Tom Costello und Benedict Wermter erschüttert mit einigem Nachdruck die beruhigende Vorstellung, dass es im Kampf gegen den Plastikmüll vorangeht. Man kann es auch nüchtern in einer Zahl ausdrücken wie Ernesto Bianchi vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung: Beim illegalen Müllhandel werden weltweit jährlich elf bis zwölf Milliarden Euro umgesetzt, sagt er. Die Autoren mischen mit einer eigens gegründeten Fake-Firma auf dem Markt des Müll-Schmuggelns mit und bringen außerdem Tom Szaky, den Gründer von Terracycle, in Erklärungsnot.
    Quelle: Tagesspiegel
  11. Der Wachstumstreiber der Pharmabranche
    Die am Freitag gefällte WTO-Entscheidung zur befristeten Aussetzung von Covid-19-Impfstoffpatenten ist von der Bundesregierung systematisch ausgehöhlt worden und wird wohl kaum Wirkung entfalten. Dies beklagen global tätige Menschenrechts- und Hilfsorganisationen. Demnach darf nur eine begrenzte Zahl an Entwicklungsländern Covid-19-Vakzine ohne Absprache mit den Patentinhabern produzieren. Fachleute bezweifeln, dass sie die komplexe Technologie für die Herstellung der aufwendigen mRNA-Impfstoffe beschaffen können. Ohnehin haben vor allem Deutschland, Großbritannien und die Schweiz die jetzige Aussetzung der Patente so lange hinausgezögert, bis der Weltmarkt für Covid-19-Impfstoffe weitgehend gesättigt ist. Die Patentfreigabe bei Covid-19-Medikamenten hingegen, bei denen weiterhin Marktchancen bestehen, blockieren sie unverändert. „Erkrankte in einkommensschwächeren Ländern“ könnten auch künftig nicht auf „die Behandlung“ hoffen, „die sie benötigen“, heißt es bei Amnesty International. Zu den Profiteuren zählt die Firma BioNTech (Mainz), die mit Quartalsgewinnen in Milliardenhöhe zu einem der finanzstärksten Biotech-Unternehmen weltweit aufgestiegen ist.
    Quelle: German Foreign Policy
  12. Angesteckt am Arbeitsplatz – Covid-19 als Berufskrankheit
    Seit Ausbruch der Corona-Pandemie im Februar 2020 haben sich unzählige Menschen am Arbeitsplatz oder am Weg dorthin mit dem Virus infiziert. Insbesondere für Betroffene von Long-Covid kann die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit bedeutend sein, um existenziellen Ängsten entgegenzuwirken und eine bestmögliche medizinische Versorgung zu erhalten. Aktuelle Zahlen zeigen, dass Versicherte in der praktischen Durchsetzung ihrer Ansprüche allerdings vor zahlreiche Probleme gestellt sind.
    Quelle: A&W blog
  13. Bundesbank warnt: Rentenbeitrag steigt auf 29 Prozent
    Die von SPD und Grünen geplante Abkehr vom demographischen Lastenausgleich in der Rente treibt deren Beitragssatz auf Dauer stark nach oben: Im Jahr 2070 müssten Arbeitnehmer und Arbeitgeber damit 29 Prozent des Bruttolohns an die Rentenkasse zahlen. Zudem müssten die Zuschüsse aus dem Bundesetat in einem Maß steigen, das 6 Prozentpunkten Mehrwertsteuererhöhung entspricht. Dies zeigen Berechnungen der Bundesbank in ihrem neuen Monatsbericht. Beließe man es beim heutigen Rentenrecht, steigt der Beitragssatz bis 2070 auf 25 Prozent, zudem müsste die Mehrwertsteuer um 4 Punkte steigen.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers M.K.: In der Überschrift heißt es: “Bundesbank warnt: Rentenbeitrag steigt auf 29 Prozent” Erst im weiteren Text erfährt man, dass sich diese Zahl auf das Jahr 2070 bezieht. Die FAZ (bzw. die Bundesbank, die das berechnet haben soll) kann also solche Zahlen auf fast 50 Jahre in die Zukunft rechnen? Lächerlich! In meinen Augen ist das ein klarer Fall einer versuchten Manipulation, der Autor will den Menschen einfach nur Angst einreden.

  14. Spuren und Wunden der NSU-Morde
    Zwischen September 2000 und April 2007 wurden acht Männer mit türkischen Wurzeln, ein Mann griechischer Abstammung und eine deutsche Polizistin ermordet. Die Ermittlungen wurden zunächst ausschließlich im Umfeld der nicht-deutschen Opfer mit Verdacht auf Drogenhandel und organisierte Kriminalität geführt. Nach einem gescheiterten Bankraub führte die Spur schließlich zu der rechtsextremen Terrorgruppe “Nationalsozialistischer Untergrund” (NSU).
    Nach dem Suizid der beiden Haupttäter begann 2013 der Prozess gegen die einzige Überlebende des NSU-Trios, Beate Zschäpe, sowie vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer. Der Hass, der das NSU-Trio bei der Auswahl ihrer Opfer leitete, richtete sich gegen die zweite und dritte Generation der Deutschtürken. Eine Generation, die sich darauf verlassen hatte, dass der Staat Rassismus nicht duldet und sie davor schützen würde. Stattdessen versagten die Institutionen: Die Ermittlungen in den Mordfällen selbst waren geleitet von Misstrauen, Ressentiments und rassistischen Motiven.
    Die NSU-Morde sind mehr als menschliche Schicksale, sie sind für die zweite und dritte Einwanderergeneration ein dramatischer Wendepunkt in ihrem Verhältnis zu Deutschland und ihrer Sehnsucht nach einer Heimat, die Deutschland vielleicht einmal war. Auf die Suche nach den Spuren der NSU-Morde begibt sich der Dokumentarfilm der Regisseurin Aysun Bademsoy – ein Film, der das Scheitern von Ermittlern und Justiz beleuchtet und den Angehörigen der Opfer endlich eine Stimme gibt.
    Quelle: arte
  15. „Ich wünsche mir ein anderes Diskussionsklima“
    Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot hat viele Anfeindungen erlebt, weil sie zu den Coronamaßnahmen oder dem Krieg in der Ukraine unpopuläre Meinungen vertritt. Für eine befriedete Gesellschaft müssen wir ohne Vorurteile miteinander reden, sagt sie.
    Quelle: Deutschlandfunk Kultur
  16. Triumph in Bogotá
    Das erste Mal in der Geschichte: Linker Kandidat Petro gewinnt Stichwahl um Präsidentenamt in Kolumbien
    »Ab heute verändert sich Kolumbien«, erklärte Petro auf der zentralen Wahlparty in Bogotá am Sonntag abend. Dieser Wandel verfolge jedoch keineswegs das Ziel, Rache zu üben. Im Wahlkampf hatte die kolumbianische Rechte versucht, in der Bevölkerung Angst vor einem Triumph Petros zu schüren. So zeichneten sie das Bild eines »antidemokratischen Kommunisten« und betonten seine Mitgliedschaft in der früheren Guerilla »M–19«. Im Gegensatz dazu steht Petros Wahlprogramm – es sieht unter anderem höhere Steuern für Unternehmen und mehr Umweltschutz vor – in einer Linie mit linken Sozialdemokraten der Region.
    Der künftige Präsident weiß, wem er seinen Erfolg zu verdanken hat. Zu Beginn seiner Rede forderte er symbolträchtig die Freilassung aller im Rahmen der Protestwelle des vergangenen Jahres festgenommenen Jugendlichen. 2021 waren über mehrere Monate Hunderttausende gegen soziale Ungerechtigkeit und staatliche Gewalt auf die Straße gegangen. Ein bedeutender Anteil der Stimmen für Petro kam nun laut Statistiken von Frauen und jungen Kolumbianern, die die Proteste angeführt hatten.
    Hinzu kommt die große Unterstützung durch indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften, die sich durch Francia Márquez repräsentiert fühlen. Die in armen Verhältnissen aufgewachsene Umweltaktivistin aus dem Departamento Cauca wird künftig die erste schwarze Vizepräsidentin des Landes. Am Sonntag abend erklärte Márquez, die auch Gleichstellungsministerin werden soll, die neue Regierung werde sich »entschieden« für Frieden, Würde und soziale Gerechtigkeit einsetzen.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: In Südamerika können progressive Kräfte Wahlen gewinnen, während es hierzulande ein Trauerspiel ist. Die Linkspartei zerlegt sich quasi selbst und auf die SPD ist nun auch seit über zwei Jahrzehnten lediglich Verlass darauf, dass sie große Konzerne im In- und Ausland unterstützt – z.B. während der merkwürdigen Coronazeit die Pharmaindustrie und im Ukrainekonflikt die Rüstungsindustrie.


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