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Titel: Die SPD schiebt den Russen die Inflation in die Schuhe

Datum: 20. Juni 2022 um 10:59 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, SPD, Strategien der Meinungsmache, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
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NachDenkSeiten-Leser Jürgen Schmid macht die Redaktion darauf aufmerksam, dass er als Mitglied der SPD einen Newsletter der beiden Parteivorsitzenden erhalten hat, in dem Russland für die Inflation hierzulande verantwortlich gemacht wird. Er hat darauf geantwortet. Beides geben wir unten wieder. Der Newsletter ist symptomatisch für den Geist und den Unverstand der Zeit. Die SPD stritt einmal dafür, die Konfrontation zwischen den Völkern abzubauen und Vertrauen aufzubauen. Jetzt sät sie Misstrauen. Ein guter Beleg dafür, wie sehr die Politik auf den Hund kommen ist. Der Vorgang ist ja nicht nur ein Beleg für einen konzeptionellen Niedergang der Sicherheitspolitik; er zeugt auch von einem kulturellen Niedergang. Wenn zwischen Menschen und Völkern Misstrauen zu säen wichtiger ist als Vertrauen aufzubauen, dann stimmt etwas nicht. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Hier nun nacheinander A. die Mail von NDS-Leser Schmid mit B. dem Newsletter der SPD-Vorsitzenden Esken und Klingbeil an die SPD-Mitglieder und C. die Antwort des SPD-Mitglieds Schmid:

  1. Liebes Nachdenkseitenteam,
    als SPD-Mitglied erhält man ja regelmäßig Newsletter. In diesem wird den Mitgliedern erklärt, wie man die Regierungspolitik Freunden und Bekannten erklären soll. Am 14.6. kam ein Newsletter zur Inflation. Kernaussage: alles externe Faktoren und im Wesentlichen ist der Russe schuld. Dazu habe ich einen “Leserbrief“ an den Parteivorstand verfasst. Anbei der Newsletter und der Leserbrief.
  2. Newsletter der SPD

    Hallo,

    die steigenden Preise sind ein aktuelles Thema, das viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land gerade sehr bewegt. Auch aus der SPD haben wir viele Rückmeldungen zu diesem Thema erhalten.

    Soziale Politik für Dich bedeutet, der Inflation eine Politik entgegenzusetzen, die Notlagen abfedert, ihre Ursachen abbaut und stabile, nachhaltige Strukturen aufbaut, etwa in der Energieversorgung. Das tun wir — mit klarer Analyse der Ursachen, mit denen wir es bei der Inflation in Europa zu tun haben:

    • Energie — Benzin, Heizöl oder Haushaltsenergie — ist der Hauptpreistreiber. Russlands Krieg ist einer der Hauptgründe, warum sich die Lage an den Weltmärkten verschärft. Hohe Energiepreise wirken sich auf das Preisniveau in der gesamten Wirtschaft aus.
    • Wir sehen vor allem bei Nahrungsmitteln hohe Preissteigerungen, gerade bei solchen, deren Herstellung energieintensiv ist oder die Pflanzenöle oder Weizen beinhalten. Sie sind seit Russlands Überfall knapper geworden.
    • Zudem sind globale Lieferketten durch die Corona-Pandemie weiterhin gestört.

    Es sind also externe Faktoren, die für steigenden Preise sorgen. Klassische Inflationstreiber wie eine überhitzende Wirtschaft hingegen nicht. Deshalb sind Forderungen nach Sparpolitik oder Lohnzurückhaltung aktuell fehl am Platz.

    Die Preissteigerungen treffen Alleinstehende und Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen besonders hart. Für viele stellt sich jetzt wieder die Frage, ob das Geld bis zum Monatsende reicht. Gerade die Sorgen und Nöte dieser Menschen stehen bei unseren Überlegungen und Maßnahmen im Fokus.

    Wir haben in der Ampelkoalition unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz zwei Entlastungspakete mit einem Umfang von über 30 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Einige Maßnahmen sind schon heute wirksam, viele weitere werden in den kommenden Monaten spürbar. Mit diesen Maßnahmen schaffen wir eine konkrete Unterstützung für alle, die sich jetzt berechtigte Sorgen machen.

    WAS KOMMT WANN?

    Olaf Scholz macht das Thema auch darüber hinaus zur Chefsache. Er holt die Spitzen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zu einer konzertierten Aktion an einen Tisch ins Kanzleramt. Gerade in dieser Situation ist es wichtig, kooperativ Lösungen zu entwickeln, die für Entlastung sorgen und eine gute wirtschaftliche Entwicklung fördern.

    In der Kaufkraft liegt ein Schlüssel. Dazu passt auch das, was wir uns als Fortschrittskoalition vorgenommen oder bereits umgesetzt haben: allen voran die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro. Millionen Menschen profitieren davon. Die Anhebung hat schon jetzt positive Auswirkungen auf Tarife, die knapp über dem Mindestlohn liegen. Mit einem Bundestariftreuegesetz und mehr Allgemeinverbindlichkeit wollen wir außerdem die Tarifbindung stärken.

    Mit der Kindergrundsicherung und dem neuen Bürgergeld werden wir dauerhaft diejenigen unterstützen, die es am dringendsten brauchen. Und unsere Zukunftsinvestitionen, etwa zur Entfesselung des Ausbaus der erneuerbaren Energien, sorgen dafür, dass wir unabhängig von fossilen Brennstoffen werden.

    Wir leben in Zeiten multipler Krisen und Herausforderungen. Die Bundesregierung unter unserem Bundeskanzler Olaf Scholz trägt in dieser Zeit große Verantwortung. Wir haben im Wahlkampf versprochen, dass wir unser Land mit einer Politik des Respekts durch schwierige Zeiten bringen können und dabei niemand auf der Strecke bleibt. Genau das machen wir jetzt.

    Wir machen Soziale Politik für Dich.

    Herzliche Grüße
    Saskia Esken und Lars Klingbeil

  3. Brief Jürgen Schmid an den SPD-Parteivorstand

    An Saskia Esken, Lars Klingbeil, SPD Parteivorstand

    Betr. Eurem Newsletter vom 14.6. „Wenn die Preise steigen, sorgen wir für Entlastungen“

    Liebe Genossinnen und Genossen,

    jetzt mal im Ernst, haltet ihr eure Mitglieder, also mich und die anderen 400.000 für politisch völlig unterbelichtet?

    Ihr schreibt zur derzeitigen Inflation: Für die Preissteigerung im Energiebereich ist Russlands Krieg die Hauptursache. Die Russen liefern Gas und Öl soweit man sie lässt und bezahlt, die Araber tun dies, die USA ebenfalls. Warum soll der Energiepreis wegen eines Krieges steigen? Wir hatten die letzten Jahrzehnte zahlreiche Kriege, einer völkerrechtswidriger als der andere, und nie hatten diese große Auswirkungen auf die Energiepreise, nicht mal als Saddam seine Ölquellen mutwillig in Brand steckte.

    Es sind die Sanktionen des Westens, die den Warenfluss behindern, damit den Pries nach oben treiben und den Spekulanten und Ölkonzernen Gewinne bescheren, von denen sie bisher nicht mal zu Ostern und Weihnachten geträumt haben. Besonders drollig (wenn‘s nicht so traurig wäre) im Sanktionstheater ist das Drama um die in Kanada festsitzenden Verdichter, die uns den Gashahn zudrehen. Sanktionen sind besonders dämlich, wenn sie dem Sanktionierten (Russland) sozusagen den roten Teppich für sehr wirksame Gegenmaßnahmen ausrollen.

    Den bösen Feind, also Russland, damit zu bestrafen, dass man sich selbst den Öl- und Gashahn zudreht, wie soll das funktionieren? Die Russen nehmen derzeit trotz sinkenden Verkaufsmengen auf Grund der steigenden Verkaufspreise deutlich mehr ein als zuvor. Und Ottonormalverbraucher:in in Deutschland weiß nicht mehr, wie er/sie die Heizöl- oder Gasrechnung bezahlen soll. Ganz toll.

    Das Vorgehen der deutschen Regierung gleicht dem Verhalten eines kleinen Kindes, das der Mutter droht, die Luft solange anzuhalten, bis es tot umfällt, falls die Mama nicht sofort ein Bonbon rausrückt. Ich glaube das beeindruckt den Putin jetzt ungemein. Oder wie seht ihr das?

    Und die Nahrungsmittel werden knapper, sagt ihr. Wegen des Krieges? Die Russen als weltweit größter Weizenexporteur, würden liefern, wenn man sie ließe. Weizen ist zwar nicht sanktioniert, aber die Reeder sind von Sanktionen bedroht. Und Weizen ohne Schiff kommt schlecht nach Ägypten, oder? Selbst der ukrainische Weizen könnte verschifft werden, dazu liegt, ein realistischer Vorschlag Russlands und der Türkei vor, allerdings müsste dazu die Ukraine die Minen vor Odessa räumen oder eine sichere Passage zusichern. Auch hier sind es im Wesentlichen die Sanktionen, die das Warenangebot verknappen, damit die Preise nach oben treiben und den Hungertod in die ärmeren Länder exportieren. 

    Alle wissen, dass Kriege nur durch Verhandlungen beendet werden können. Man weiß sogar wie der Verhandlungskompromiss in etwa aussehen muss. Die Italiener haben dazu einen vernünftigen Vorschlag vorgelegt. Deutschland, Frankreich und Italien könnten diesen Vorschlag gemeinsam vorantreiben. Mit einer solchen Initiative könnte auch gezeigt werden, dass Europa eine eigenständige politische Macht ist. Bisher hat man eher den Eindruck, das Machtzentrum Europas liege in Washington. Nun waren gerade alle drei in Kiew, und was kam raus? Die Ukraine soll in die EU, das ist jetzt politisch sicher das allererste Thema?! Bis dann in vielleicht 10 oder20 Jahren ein entsprechender Weg beschritten werden kann, hat die Ukraine unsere Freiheit sicher bis zum letzten Mann und zur letzten Frau verteidigt. Vielleicht gibt‘s dann gar keine Ukraine mehr und wir müssen Russland aufnehmen.

    Viele Grüße
    Jürgen Schmid, Stuttgart

Titelbild: SERSOLL / Shutterstock


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