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Titel: Schwurbler im Ministersessel: Lauterbach sorgt sich urplötzlich um Impfgeschädigte
Datum: 17. Juni 2022 um 11:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Redaktion
Nach monatelangem Schweigen berichtet der SPIEGEL über Impfschäden und man wundert sich: Sind die Hamburger Nachrichtenmacher zu den „Querdenkern“ übergelaufen? Natürlich nicht. Vielmehr war das Verleugnen von Opfern und Verleumden von Kritikern einer zunehmend beunruhigten Bevölkerung nicht länger vermittelbar. Deshalb soll es jetzt also doch Langzeitfolgen geben, verpackt im frisch entdeckten Post-Vac-Syndrom. Selbst Karl Lauterbach zeigt Einsicht, Herz und Opportunismus satt: Das Ganze sei „kein Tabuthema“. Der Verdacht drängt sich auf, dass hier die Grenzen für Denk- und Meinungsverbote lediglich leicht verschoben werden, um von vielleicht größerem Ungemach abzulenken. Von Ralf Wurzbacher.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Am Anfang gab es kein Vertun: Die Corona-Impfstoffe sind hochwirksam – nahe 100 Prozent – und hochverträglich, also absolut sicher oder, frei nach Karl Lauterbach (SPD), „nebenwirkungsfrei“. Diese Aussage ist – wie auch die damaligen Aussagen zur Wirksamkeit der Impfstoffe – heute nicht mehr haltbar. Dennoch bleibt das Weiterimpfen das Gebot der Stunde – jedenfalls für Lauterbach. „Wir empfehlen die Impfung gegen Covid und gegen Post-Covid“, twitterte der Bundesgesundheitsminister am Sonntag. „Der Nutzen übersteigt das Risiko in jeder Altersgruppe.“ Aber dann schrieb er noch das hier: „Trotzdem ist Post-Vac kein Tabuthema und muss erforscht und behandelt werden.“
Kein Mucks vom Faktenfuchs
Post-Vac? Kein Tabuthema? Tatsächlich trug sich am zurückliegenden Wochenende Ungeheuerliches zu. Der SPIEGEL, das Flaggschiff des deutschen „Qualitätsjournalismus“, machte sich doch glatt des Querdenkertums verdächtig und nahm sich des Themas Impfschäden an, auf über sechs Seiten und unter der Überschrift: „Unerklärliche Symptome nach der Coronaimpfung – und alle ducken sich weg“. Der Beitrag ist in jeder Hinsicht bemerkenswert, versammelt er doch eine Reihe an Thesen und Aspekten, die bisher das verminte Terrain von „Corona-Leugnern“, „Aluhüten“ und „Impfgegnern“ waren und bis dato immer eine Horde von „Faktencheckern“ auf den Plan riefen. Diesmal nicht. Seit der Veröffentlichung haben die Gedankenhygieniker Sendepause.
Eingangs wird in dem Artikel der Leidensweg einer Mitarbeiterin der Bundestagsverwaltung geschildert, die kurz nach der Impfung mit Moderna heftige und bleibende körperliche Reaktionen entwickelt: Kribbeln auf der Haut, Schmerzen im Kiefer, Lähmungen im Gesicht, ein taubes Ohr, Schlaflosigkeit, Panikattacken. Die Autorin Katherine Rydlink recherchierte weiter und fand heraus, dass dies kein Einzelfall ist, sondern zahllose Menschen mit derlei Beschwerden kämpfen. Sogar in die Tiefen des Internets, den Orkus der „Verschwörungsmystiker“, drang sie vor und stieß im Forum „Nebenwirkungen der Covid Impfungen“ auf „Dutzende Berichte über ähnliche Erfahrungen“, von „Sehstörungen, Muskelzuckungen, Herz- und Lungenbeschwerden, Schwindel, Stechen in Kniekehlen und Waden oder Brainfog“.
Tabuthema unter Ärzten
Aber es kommt noch doller: Im Artikel klingen leise Vorwürfe gegen die verantwortlichen Behörden durch, etwa das für die Arzneimittelsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut (PEI), dessen offizielles Meldesystem den Ernst der Lage unterschätzen könnte, oder das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das sich zu Schadensersatzansprüchen von Betroffenen nicht äußern will. Sogar die Ärzteschaft bekommt ihr Fett weg. Mediziner würden ihrer gesetzlichen Verpflichtung, Verdachtsfälle von Impfkomplikationen an das PEI zu melden, nicht nachkommen. Eine zitierte Hausärztin klagt über ein „Tabuthema in ihrer Zunft“, ein Marburger Kardiologe bemerkt, „gestandene Kollegen wollen mit dem Thema nichts zu tun haben, es ist ihnen zu heiß“. Selbst das Wörtchen „Langzeitnebenwirkungen“ taucht im Text auf, die, so die Schreiberin, „nach jeder Impfung“ auftreten könnten. So wären „auffällig viele Menschen“ nach der Impfung gegen die Schweinegrippe an der unheilbaren Schlafkrankheit Narkolepsie erkrankt. Der Hersteller GlaxoSmithKline (GSK) sei bis heute mit Anschuldigungen konfrontiert, frühe Warnsignale ignoriert zu haben.
Frühe Warnsignale ignorierte allerdings auch der „Spiegel“ und mit ihm praktisch die gesamte schreibende und sendende Zunft. Schon vor dem Start der Impfkampagne hatte etwa der österreichische Biologe Clemens Arvay vor denkbaren Langzeitschäden durch die nur unzureichend erforschten und erprobten Covid-19-Impfstoffe gewarnt. Dafür setzte es einen Bann, die Medien diffamierten ihn auch dann noch mit größter Inbrunst, als sich bereits erste Anzeichen gehäuft auftretender schwerer Nebenwirkungen zeigten. Nur ein Blick in die offiziellen Überwachungssysteme des PEI beziehungsweise der Pendants auf Ebene der EU und der USA hätte jeden halbwegs kritischen Geist aufrütteln müssen. Nicht nur absolut, auch relativ übertreffen die Verdachtsmeldungen die zu früheren Impfkampagnen um ein Vielfaches.
Stochern im Nebel
Aber sämtliche Zeitgenossen, die versuchten, der Sache auf den Grund zu gehen, landeten auf dem medialen Scheiterhaufen. Der Datenanalyst Tom Lausen ging mit offiziellen Klinikdaten zu hospitalisierten Impfgeschädigten an die Öffentlichkeit – die deutschen Leitmedien guckten weg. Eine Langzeitbefragung durch Harald Matthes von der Berliner Charité ergab ebenfalls eine massive Untererfassung von Impfnebenwirkungen und -schäden – seine Befunde wurden zerrissen. Der Chef der Betriebskrankenkasse ProVita, Andreas Schöfbeck, stieß in den BKK-Datenbeständen auf zigtausende Impfkomplikationen und rechnete für ganz Deutschland drei Millionen Fälle hoch – er wurde umgehend gefeuert. „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie lieber nicht diese Krankenkasse“, titelte seinerzeit der „Spiegel“ mit Häme.
Bei ihrem Feldzug gegen Zweifler schreckten die Politiker, sogenannte Wissenschaftler und Journalisten vor keiner Dämlichkeit zurück. Ihr Lieblingsargument: Nicht jede ärztliche Behandlung und nicht jede Verdachtsmeldung ist ein Impfschaden. Natürlich nicht. Aber jeder Verdacht ist zu melden und gegebenenfalls abzuklären, was allerdings solange nicht passiert, wie das PEI anhand statistischer Rechnereien kein Sicherheitssignal zu erkennen glaubt. Wenn aber mutmaßlich nur ein Bruchteil aller Fälle auf dem Schreibtisch der Behörde landet – Studien zu früheren Impfkampagnen bestätigen dies – dann sind die sogenannten PEI-Sicherheitsberichte ein einziges Stochern im Nebel. Im Übrigen haben die Verantwortlichen vor Monaten verkündet, bei ihren Lageeinschätzungen künftig auf die Daten der Krankenkassen zurückzugreifen. Weil aber die Kassenärztlichen Vereinigungen angeblich nicht kooperieren wollen, ist bisher nichts in dieser Richtung passiert. Also stochert das PEI einfach weiter wie bisher.
Karlchen Wendehals
Den Gipfel der Dummdreistigkeit markiert die Behauptung, dass es bei allen Impfungen „keine Langzeitfolgen gibt, die man erst später erkennen würde“. Die Einlassung stammt einmal mehr von Karl Lauterbach, wobei er die Sache mit der Narkolepsie offenbar verschlafen hat. Immerhin zu besagtem „Spiegel“-Beitrag hatte er jetzt sein Erweckungserlebnis und zwitscherte: „Guter Artikel. Post-Vac-Syndrom muss besser untersucht werden.“ Da zeigt sich, wer im Staate Deutschland das Sagen hat. Wenn das Hamburger „Sturmgeschütz der Demokratie“ die Grenzen des Denk- und Undenkbaren über Nacht verrückt, dürfen die Regierenden nicht nachstehen, ganz egal, wie lächerlich sie sich damit machen. Geriete Lauterbach heute als „Impfverharmloser“ in Verruf, wäre er vielleicht schon morgen seinen Job los. Politik erfordert eben Wendehalsfertigkeiten.
Wobei der „Spiegel“ im Verein mit anderen medialen Großkalibern wie dem „Stern“, der „FAZ“ und der „Welt“, die das Thema Post-Vac-Syndrom wie auf Absprache ebenso besetzt haben, den Rahmen des Denkbaren nicht überstrapazieren. Selbstredend bleiben die experimentellen Corona-Impfstoffe als die „am besten überwachten Arzneimitteln, die es je gegeben hat“, das Maß aller Dinge. Nur dürfe man eben bei ihrem überwältigenden Nutzen nicht eventuelle Gefahren außer Acht lassen, die sie für einige wenige mit sich bringen könnten. „Wir wollen einfach nur verstehen, warum das Immunsystem bei manchen falsch abbiegt und wie wir sie am besten therapieren können“, gab das Nachrichtenmagazin besagten Kardiologen wieder, der in Marburg eine von bundesweit zwei Post-Vac-Ambulanzen betreibt. „Hier muss man unbedingt aufklären und andere, wahrscheinlichere Ursachen zwingend ausschließen.“
Aufgalopp der Kümmerer
Soll heißen: Vielleicht leiden die Leidtragenden doch nicht unter der Impfung. Aber kümmern müsse man sich um sie auf jeden Fall. Hier schwingt Anteilnahme mit, etwas Befreiendes und Erleichterndes, genauso wie der Begriff Post-Vac-Syndrom selbst ein Gefühl des Greifbaren und damit Beherrschbaren vermittelt. Wenn sich das ganze Paket der beobachteten kognitiven und neurologischen Krankheitsbilder wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel und Herzrasen einem einzigen Syndrom zuschreiben lässt, für das ein begrenzter Personenkreis eine spezifische Disposition hat, dann erscheint das allemal tröstender als die Vorstellung, die Impfung könnte jedes dieser Symptome für sich und dazu noch viele mehr auslösen und dabei unterschiedslos jeden treffen. Schließlich gibt es eine Vielzahl weiterer Erscheinungen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Stich in den Oberarm: Gürtelrose, Nesselsucht, dazu verschiedene Autoimmunerkrankungen, zum Beispiel Thrombozytopenie, das Guillain-Barré-Syndrom oder rheumatoide Arthritis. Wer entscheidet eigentlich, welche dieser ganzen Krankheiten zu Post-Vac zählen und welche nicht?
Dieses sogenannte Syndrom ist bisher lediglich eine Theorie, mehr nicht, längst keine bewiesene Tatsache, so wenig wie das Post-Covid-Syndrom, das die Marburger Mediziner mit Post-Vac vergleichen. Wenn sich die Symptome so ähneln, wer kann dann sicher sein, dass nicht auch Long-Covid-Patienten eigentlich an den Spätfolgen der Impfung laborieren? Aufschluss darüber können letztlich nur Studien geben, die strikt zwischen Geimpften und Ungeimpften differenzieren. Aber großangelegte Kohortenuntersuchungen zu Corona wie auch zur Impfung selbst haben sich das PEI und das RKI bis zum heutigen Tage verkniffen. Und alle, die die Lücke aus Eigenantrieb schließen wollten, wurden medial als „Schwurbler“ gesteinigt. Der „Spiegel“ war stets an vorderster Front dabei.
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