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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Faktencheck der Faktenchecker: Ein neues Projekt der NachDenkSeiten
Datum: 3. Juni 2022 um 12:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Aufbau Gegenöffentlichkeit, Medien und Medienanalyse, Medienkonzentration, Vermachtung der Medien, Strategien der Meinungsmache
Verantwortlich: Florian Warweg
Ein Gespenst geht wieder um in deutschen Landen. Doch im Gegensatz zu seinem Vorgänger handelt es sich diesmal um ein Instrument zur Aufrechterhaltung der Machtverhältnisse, die nur eine Version der „Wirklichkeit“ zulassen und seit mehreren Jahren massiv daran beteiligt sind, die Meinungs- und Faktenkorridore dieser Republik einzuschränken. Die Rede ist von den selbsternannten „Faktencheckern.“ Die NachDenkSeiten wollen den Spieß umdrehen und einen Faktencheck der Faktenchecker etablieren. Dabei setzen wir vor allem auf die Unterstützung und Zusammenarbeit mit unseren Lesern. Dafür haben wir die E-Mail-Adresse [email protected] eingerichtet. Schreiben Sie uns auch gerne, was Sie grundsätzlich von diesem neuen Projekt der NachDenkSeiten halten. Von Florian Warweg.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
„Einseitige oder falsche Informationen kreieren verzerrte Weltbilder. CORRECTIV.Faktencheck wirkt dem entgegen und deckt tagtäglich Falschinformationen, Gerüchte und Halbwahrheiten auf“.
So lautet die Selbstdarstellung des „unabhängigen Recherchezentrums“ CORRECTIV.
Correctiv wird unter anderem von Google und der Open Society Foundations finanziert und arbeitet seit 2016 mit Facebook zusammen. In dessen Auftrag zensiert und sperrt es Veröffentlichungen auf dieser Plattform. NachDenkSeiten-Leser kennen unter Umständen bereits aus eigener Erfahrung die Willkür, mit der dies geschehen kann.
Schon die nicht näher definierte Einordnung „Fehlender Kontext“ reicht aus, damit CORRECTIV Facebook-Beiträge bannen kann. Ein eklatantes Beispiel für die Willkür bei diesem Vorgehen ist etwa die Verbannung eines Facebook-Beitrags mit Reichweite weit in die Hunderttausende über eine Frage auf der Bundespressekonferenz kurz vor der Bundestagswahl 2021. Ich fragte damals: „Die diesjährigen Bundestagswahlen werden nur von vier OSZE-Beobachtern aus drei Ländern begleitet. 2017 waren es noch 59 Beobachter und Experten aus 25 Ländern. Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung diese Differenz erklärt. Glauben Sie, dass diese vier Beobachter bei mehr als 60 Millionen Wahlberechtigten ausreichen, um diesen Wahlprozess entsprechend zu begleiten?“
Noch ein Schmankerl aus der #Bundespressekonferenz: Ich fragte wieso nur 4 (!) @OSCE-Beobachter die #Bundestagswahl21 begleiten. 2017 waren es noch 59 aus 25 Ländern. Zudem wollte ich wissen, ob #Bundesregierung mittlerweile auf OSZE-Kritik an der 🇩🇪Wahlgesetzgebung reagiert hat: pic.twitter.com/3r6vAQChy3
— Florian Warweg (@FWarweg) September 22, 2021
Der daraus resultierende Artikel bestand aus dem Video der Frage auf der Bundespressekonferenz und dem offiziellen Wortprotokoll der Bundespressekonferenz.
Die „Faktenchecker“ von Correctiv bewerteten diese Frage als „teilweise falsch“ und entfernten den Artikel sowie das BPK-Video von der BPK von Facebook.
Foto: Screenshot Correctiv
Die Begründung zeigt beispielhaft auf, wie staatstragend und zugleich manipulativ die selbsternannten Faktenchecker vorgehen. Correctiv begründete die Bewertung „teilweise falsch“ damit, dass 2017 nur „aus symbolischen Gründen“ wesentlich mehr Wahlbeobachter anwesend waren:
“Ein zusätzlicher Sonderbesuch von 56 Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung der OSZE 2017 war keine reguläre Beobachtungsmission, sondern hatte vor allem Symbolcharakter.”
Der angeblich reine „Symbolcharakter“ der Beobachtungsmission stellt jedoch lediglich (à propos Faktencheck) eine unbelegte Behauptung von Correctiv dar. Weder der Abschlussbericht der OSZE von 2017 noch die Einschätzung des Auswärtigen Amtes aus demselben Jahr geben Raum für diese Interpretation der Vize-Chefin von Correctiv, Alice Echtermann. Im Gegenteil.
Correctiv stützte sich bei dieser Einordnung auf eine einzige Quelle. Sie verweisen auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in welchem der nichtssagende Satz steht: „Mit der größten OSZE-Beobachtungsmission der deutschen Geschichte verbindet so mancher denn auch eine besondere Symbolkraft“.
Auf dieser „Fakten“-Basis erfolgte dann die Einordnung als angeblich „teilweise falsch“ und die Entfernung des Videos durch die Faktenchecker von Correctiv.
Foto: „Bedeutung teilweise falsch“
Correctiv verschwieg seinen Lesern in dem Beitrag zudem, dass die Wahlbewertungskommission der OSZE die Bundesregierung 2017 explizit dafür kritisiert hatte, dass die Wahlgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland keine expliziten Regelungen für die Präsenz von Wahlbeobachtern enthalte, und eine entsprechende gesetzliche Änderung einforderte. So viel zu „nur aus symbolischen Gründen“.
Neben Correctiv verbreiten noch die öffentlich-rechtlich finanzierten Sendeanstalten ARD und ZDF, die steuerfinanzierte Deutsche Welle sowie die Deutsche Presseagentur (dpa), die ein De-facto-Monopol bei deutschsprachigen Agenturmeldungen in der Bundesrepublik unterhält, „Faktenchecks“. Die dpa arbeitet auf Basis ihrer „Faktenchecks“ ebenso wie Correctiv mit Facebook zusammen.
Diese Konstellation erscheint noch gewagter. Reichweitenstarke Medienunternehmen, die zudem in einem direkten Konkurrenzverhältnis um Leser und Reichweite mit anderen Medien und Agenturen stehen, maßen sich an, Faktenchecks über andere private und staatliche Medienportale durchzuführen. Zudem mit der Macht ausgestattet, unliebsame Beiträge der Konkurrenz via Faktencheck-Strike in der Reichweite zu reduzieren oder sogar ganz zu verbannen. Allerdings richten sich die Faktenchecks bezeichnender Weise fast ausschließlich gegen alternative Medien. So gerieten auch die NachDenkSeiten schon mehrmals in das Visier der ARD-„Faktenfinder“. Wie manipulativ und faktenfrei dabei vorgegangen wurde, hat mein Kollege Jens Berger unter anderem hier und hier ausführlich aufgezeigt.
Im Gegenzug ist kein einziger Fall bekannt, in dem die „Faktenfinder“ der ARD sich etwa Meldungen der dpa vorgenommen hätten oder vice versa. Dabei hätte dies durchaus Potenzial, etwa bei der sehr einseitigen Berichterstattung und 1:1-Übernahmen von Behauptungen Kiewer Regierungsstellen durch ARD und ZDF zum Krieg in der Ukraine.
Auch die dpa fiel beispielsweise schon öfters mit falsch zugeordneten oder sogar erfundenen Zitaten auf. Nur hat dies bisher kein einziger der „etablierten“ Faktenchecks aufgegriffen. So zitierte die dpa etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Reiner Haseloff im Februar 2021 in einer Tickermeldung, die so auch unter anderem direkt von der Süddeutschen und ZEIT übernommen wurde, mit den Worten:
„Es sei wichtig, direkt das russische Regime zu treffen“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur.”
Foto: Screenshot dpa
Da ostdeutsche Ministerpräsidenten, im Gegensatz zu ihren westlichen Kollegen, den Terminus „Regime“ in Bezug auf Russland eigentlich nie öffentlich benutzen, fragte ich beim Regierungssprecher von Sachsen-Anhalt, Dr. Matthias Schuppen, nach, ob Herr Haseloff dies wirklich so formuliert hat. Dieser schickte mir umgehend die autorisierten Zitate des Ministerpräsidenten und erklärte: „Von ‚Regime‘ ist darin keine Rede, es heißt dort ‚Verantwortliche‘“.
Man stelle sich das Medienecho und insbesondere die Reaktion der Faktenchecker vor, wenn nicht die dpa, sondern eine nicht-westliche Nachrichtenagentur wie TASS oder Xinhua einem deutschen Ministerpräsidenten ein verfälschtes Zitat in den Mund gelegt hätte.
Als Eigenanspruch an ihre Faktenchecks formuliert die dpa übrigens nicht ganz ironiefrei:
„Die dpa-Faktenchecks sollen es den Leserinnen und Lesern ermöglichen, sich eine eigene, auf Fakten gestützte Meinung zu bilden. Im Idealfall können sie damit unbegründete Vorurteile oder in die Irre führende Manipulationen hinterfragen und letztlich widerlegen.“
Und mit diesen Beispielen sind wir auch schon bei einem der elementaren Probleme der aktuellen Faktenchecks. Diese unterteilen Teilnehmer in der öffentlichen Debatte in Gute (angeblich „faktentreue“) und Böse, die sich, ebenso angeblich, nicht an die „Fakten“ halten. Besonders eklatant zeigte sich diese Schwarz-weiß-Einteilung der Faktenchecker im Zuge der Kritik an Corona-Maßnahmen oder auch im aktuellen Fall der Berichterstattung zum Ukraine-Krieg. Mit diesem Schema versuchen die „Faktenchecker“ von Correctiv und Co, einen pluralistischen Diskurs strukturell zu unterdrücken, ganz im Sinne der Aufrechterhaltung des vom politischen und medialen Mainstream gewünschten Status Quo.
Der Philosoph Michael Andrick schrieb dazu passend in einer herrlichen Polemik:
„Denn so wenig, wie der Regenschauer den Regen schaut und der Weihnachtsmann die Nacht weiht, checkt ein „Faktenchecker“ einfach „die Fakten“. Er betreibt tatsächlich Gesinnungsprüfung und Meinungsrepression.“
Vor diesem skizzierten Hintergrund hat sich das NachDenkSeiten-Team entschieden, der Mode der Faktenchecks einen Kontrapunkt entgegenzusetzen und die Faktenchecker, was bisher kaum geschieht, selbst einer Prüfung zu unterziehen. Und hier kommen Sie als Leser der NachDenkSeiten ins Spiel.
Wie bereits ein Kernelement der NachDenkSeiten, die Hinweise des Tages, maßgeblich auf Unterstützung der Leser basiert, wollen wir Sie gerne bitten, uns ebenso auf Faktenchecks hinzuweisen, bei denen Sie Ungereimtheiten und Widersprüche sehen und von denen Sie sich sagen, diese hätten einen Gegencheck verdient. Das gilt vorrangig für die Faktenchecks der erwähnten Anbieter Correctiv, ARD, ZDF, dpa und Deutsche Welle. Doch auch, falls Sie als Leser nicht über einen expliziten Faktencheck, sondern einen normalen Artikel dieser Medien stolpern, bei dem Sie sich sagen, das müsste man mal gegenrecherchieren, dann schreiben Sie uns gerne unter der E-Mailadresse [email protected] an.
Titelbild: David Carillet / Shutterstock
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
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