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Titel: Die Lüge von den Rüstungs-Milliarden für „Frieden und Demokratie“

Datum: 2. Juni 2022 um 8:30 Uhr
Rubrik: Aufrüstung, Strategien der Meinungsmache
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Diese Woche entscheidet der Bundestag darüber, die Militärausgaben auf dem von der Nato geforderten Weg der Hochrüstung auf neue Rekordhöhen hochzutreiben. Dies legitimierte Olaf Scholz in seiner ‚Zeitenwende‘-Rede mit dem Bild, die Nato verteidigt das Recht, die Demokratie und den Frieden, während kriegerische Umtriebe und entsprechend immer neue Gefahren nur aus dem Osten kommen, so als hätte es den Balkan-, Irak-, Afghanistan-, Libyen- und all die weiteren Kriege, die mit westlichen Waffen eröffnet wurden, nie gegeben. Von Bernhard Trautvetter.

Aus der Gesellschaft kommt nur geringer Protest, obwohl es um Schritte geht, die bis zur Nuklearrüstung gehen und damit bis zur Gefährdung der Existenz einer europäischen Zivilisation. Vor nicht allzu langer Zeit hätte das zu einem massiven Protest einer breit verankerten Friedensbewegung geführt. Vor über vier Jahrzehnten appellierte Petra Kelly, pazifistische Mitbegründerin der Grünen, auf der ersten großen Friedensdemonstration der Hunderttausende: „Lassen wir uns nicht zu Tode verteidigen!“ In unseren Tagen erweckt die Ampelregierung mit deutlicher medialer Unterstützung in der Öffentlichkeit den täuschend echten Anschein, ihre Aufrüstungspläne seien eine notwendige und solidarische Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine im Sinn der Menschenrechte und des Friedens. Und wer sich dagegenstellt, gerät in Gefahr, als Unterstützer von Kriegsherren und als Putin-Versteher an den Pranger gestellt zu werden. Was Olaf Scholz Zeitenwende nannte, ließ viele Positionen kippen, nicht nur die Friedenshaltung vieler Deutscher – Lange Zeit galt, was dieser Tweet des Sozialdemokraten Mustafa Güngör ausdrückt: „Die Geschichte muss uns eine Lehre sein: … ‚Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts‘ – dieser mahnende Satz von Willy Brandt hat bis heute seine Berechtigung.“

Wenn heute das Motto ‚Frieden schaffen mit immer mehr Waffen‘ breite Unterstützung gewinnt, wird die Gefahr greifbar, vor der Petra Kelly warnte. Den Meinungsumschwung in der Öffentlichkeit hat die Propaganda der Macht dadurch erzielt, dass über Grausamkeiten fast nur noch dann berichtet wird, wenn sie Russland zugeschrieben werden. Das Ergebnis ist entsprechend: „Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der F.A.Z. sprechen sich 56 Prozent für eine Abschreckung durch eigene militärische Stärke aus.“

Wie gefährlich dieser unbedachte Meinungsumschwung ist, ergibt sich schon aus der Tatsache, dass Militarisierung in einem Land wie Deutschland mit nuklearer, chemischer und schwerindustrieller Infrastruktur einen Waffengang ein für alle Seiten unverantwortlich großes Risiko wäre: Die Atomanlagen in Greifswald, Ahaus/Lingen, Neckarwestheim, Gorleben und bei Landshut sowie die über 30 Forschungsreaktoren sowie die im Rückbau befindlichen alten Atommeiler bedeuten ein unkalkulierbares Risiko, das jedes Kriegsgeschehen in ein Selbstmordkommando auch für einen Angreifer verwandeln würde.

Bundeskanzler Olaf Scholz nahm den Angriff Russlands gegen die Ukraine zum Anlass für die Legitimation einer nie gekannten Militärplanung Deutschlands. Das Vorhaben wird im Bundestag aktuell im Eiltempo durchgepeitscht und mit einer Grundgesetz-Änderung für eine kontinuierliche Hochrüstung verbunden, die es möglichen zukünftigen linken Mehrheiten erschweren würde, von der Hochrüstung abzukehren, solange sie keine 2/3-Mehrheit haben. Hier wird die Gefahr gesteigert und die Demokratie weiter untergraben.

Olaf Scholz antwortete auf dem Katholikentag am 27. Mai 2022 auf die Frage, ob es wirklich so vieler neuer Waffen bedarf, mit einem kurzen „Ja“. Eine Erläuterung für diese Antwort blieb er dort schuldig.

Die vorgesehenen Aufrüstungspläne werden ‚Ausrüstung‘ genannt und sind weniger als Unterstützung der Ukraine geplant, sondern die Ampel-Regierung nutzt den Ukraine-Krieg, um ganz andere strategische Ziele bis hin zur Vorbereitung der Führung eines Atomkrieges ohne Widerstand durchsetzen zu können. Der Militäretat steigt laut dem Bundeswehr Journal um 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Die Ampel-Koalition und die CDU drücken bei allen Planungen für die Hochrüstung aufs Tempo, sie nutzen die aktuelle Stimmung: „Das Sondervermögen muss vor der Sommerpause ins Grundgesetz, weil wir sonst viel Zeit verlieren“, erklärte der verteidigungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Alexander Müller.

Im Gesetzesentwurf geht es nicht um die Ukraine, sondern um die „Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit und komplexe überjährige Maßnahmen“.

Zu diesen Maßnahmen zählt laut TAZ das Raketenabwehrsystem ‚Arrow 3’ aus Israel, das mehrere Milliarden Euro kostet. Schon allein dieses System offenbart die gefährliche Vorgehensweise der Militärs und ihrer Lobby: Arrow 3 könnte im Kriegsfall, für den es vorgesehen wäre, nicht das verhindern, was es offiziell soll: Es kann keinen vollständigen Schutz vor Angriffen bieten. Das wäre nur mit einer Friedenspolitik präventiver Kriegsvermeidung möglich.

Als Nachfolger des Schützenpanzers Marder und des Kampfpanzers Leopard II soll ebenfalls für mehrere Milliarden Euro das ‚Main Ground Combat System‘ mit Anbindung an Systeme künstlicher Intelligenz folgen. Sein Einsatz auf einem möglichen Schlachtfeld Deutschland und Europa würde das Risiko eines Totalzusammenbruchs der empfindlichen High-Tech-gesteuerten Ver- und Entsorgungssysteme und damit der Lebensfähigkeit unserer Gesellschaft bedeuten, ein Ende, ab dem nichts mehr ist.

Fünf Milliarden soll ein neuer Transporthubschrauber für diverse ‚Kriegsszenarien‘ kosten.

Zehn Kriegsschiffe mittlerer Größe – Typ Korvette K130 – sollen die Marine für mehrere Milliarden Euro verstärken. Zur Munition zitiere ich die TAZ hier ausführlich: „Besonders teuer könnte die Beschaffung neuer Munition werden: In einer Wunschliste des Verteidigungsministeriums aus dem Herbst waren 20 Milliarden Euro vorgesehen, um langfristig über alle Waffengattungen hinweg die Vorräte aufzufüllen. Für den Kriegsfall sollten die Reserven 30 Tage ausreichen.“ Was für ein Kriegsgeschehen haben die Strategen vor Augen, die Munition für diese Unsumme in einem Monat verschießen wollen?

Circa 35 Bomber F-35, die als Tarnkappenjet für den gegnerischen Radar nur schwer zu erkennen und deshalb für Atomschläge im Inneren Russlands besonders geeignet sind, finden sich ebenfalls auf der Wunschliste des militärisch-industriellen Komplexes. Dies, obwohl die existenzielle Gefahr, die ein Atomkrieg für die Menschheit darstellt, offensichtlich ist.

„Der Preis für eine Maschine inklusive Triebwerk liegt bei rund 100 Millionen Euro. Der Jet soll die nukleare Teilhabe Deutschlands sichern. „Verbündete“ haben dabei „Zugriff auf US-Atombomben“.

Zu den Anschaffungskosten kommen die Milliarden für den Unterhalt und zum Betrieb der Atombomber über ihre Nutzungsdauer hinzu.

Weitere Milliarden sind für die Luftwaffe als Hauptfaktor des modernen Krieges geplant, darunter fallen auch die Kosten für über zwanzig Kampfdrohnen. Bewaffnete Drohnen sind Instrumente zu außergerichtlichen Tötungen, verursachen eine Vielzahl an sogenannten Kollateral-Toten, lösen dadurch posttraumatische Belastungsstörungen und oft Suizide beim Personal der Fernsteuerung der Tötungsmaschinen aus, und sie verwischen die Grenze zwischen Krieg und Frieden, die Ingeborg Bachmann vor fast sieben Jahrzehnten folgendermaßen vorhersagte:

„Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt. …“

Hinweis des Autors: Die Friedensbewegung wird im Juni 2022, dem Monat der Haushaltsberatungen und der Gesetzgebung, über die grundgesetzliche Verankerung dieses Wahnsinns weiter aufklären und mobilisieren.

Siehe z.B. hier.

Konstantin Wecker unterstützt das Engagement.

Titelbild: Mike Mareen/shutterstock.com


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