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- Kriegsmüde oder amtsmüde? Annalena Baerbock ist als Diplomatin untauglich
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnt Europa vor Kriegsmüdigkeit. War Ukraine-Müdigkeit gemeint? Oder soll Europa in den Krieg hineingeredet werden? Wer sich so äußert, sollte zurücktreten
Außenministerin Annalena Baerbock kam vor wenigen Tagen in Aachen mit Blick auf die Ukraine zu dem Urteil: „Wir haben einen Moment der Fatigue erreicht.“ Sie warnte vor einer Kriegsmüdigkeit in den westlichen Staaten. Eine Aussage, die suggeriert, dass diese Staaten im Krieg stehen. Wie sonst kann man „kriegsmüde“ sein oder werden.
Baerbock konterkariert damit die von Olaf Scholz unablässig wiederholte Beteuerung, Deutschland sei – trotz aller Waffenhilfe – am militärischen Konflikt in der Ukraine nicht beteiligt, wolle und dürfe es nicht sein. Der Regierungschef sagt dies vermutlich in dem Bewusstsein, dass ein Übergreifen von Kriegshandlungen auf deutsches Staatsgebiet – etwa durch Luft- oder Raketen- oder auch Cyber-Angriffe – eine Katastrophe heraufbeschwören kann. Davor ist vorrangig aus zwei Gründen zu warnen. Die ausgelösten Zerstörungen träfen eine völlig unvorbereitete und höchst verwundbare Gesellschaft. Sie würden eine militärische Reaktion provozieren, die den Ernstfall Krieg zur Folge hätte. Die in Deutschland leichtfertig vergessene, daher verschüttete Erfahrung wäre zurück, dass Kriege nicht von Armeen oder gläubiger Zuversicht, sondern vom Tod gewonnen werden. […]
Außenminister werden gemeinhin als Chefdiplomaten ihrer Regierungen gesehen. Baerbock ist seit ihrer Amtsübernahme in dieser Funktion nicht auffällig geworden. Es gibt keine Initiativen, denen man bescheinigen könnte, auf diplomatische Weise zwischen Interessen zu vermitteln und Kompromisse zu suchen. Sie hält es mit Ansage und Zurechtweisung, man denke an die Visite in Mali. Aus dem Auswärtigen Amt heraus ist nichts geschehen, um einen Waffenstillstand in der Ukraine anzustoßen, um Tod und Zerstörung zu begrenzen, wenn nicht zu beenden. So sehr die Ukraine sich der russischen Aggression erwehren muss, so wenig kann es doch angebracht sein, dabei Tausende von Soldaten zu opfern und den Bestand des Landes zu gefährden. Wenn Deutschland Initiativen schuldig bleibt, warum wird dann nicht wenigstens in Kiew auf russisch-ukrainische Verhandlungen gedrängt?
Quelle: Lutz Herden in der Freitag
dazu auch: Negative Dialektik
- „Feindbild“ Russland: Strack-Zimmermann fordert Neuausrichtung der Bundeswehr
Wenn es nach Willen von FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann geht, soll die Bundeswehr neu ausgerichtet werden. Helfen könne ein neues altes Feindbild.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), hat sich dafür ausgesprochen, die Bundeswehr künftig an der neuen konfrontativen Stellung gegenüber Russland auszurichten. Gebraucht werde, „um aus Sicht der Bundeswehr zu agieren, ein Feindbild“, sagte Strack-Zimmermann am Dienstag in einem Video-Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Auch wenn das „martialisch klingen“ möge, fügte die FDP-Politikerin hinzu.
In den vergangenen Jahren der sogenannten Appeasement-Politik, also der Beschwichtigungspolitik gegenüber dem Kreml, sei Russland nicht mehr als Feindbild empfunden worden. „Jetzt wissen wir, wie ein Feind aussehen könnte, in diesem Fall aussieht“, sagte Strack-Zimmermann. Deswegen müsse auch die Nato angepasst werden „an das Thema China, was passiert mit dem Iran, wie gehen wir weiter mit Russland um“.
Quelle: Berliner Zeitung
Anmerkung unseres Lesers P.S.: Manch einer hat wohl all die Jahre innerlich die „Ungerechtigkeit“ beklagt, dass da die falschen zu den Siegern des II. Weltkrieges gehören und jetzt kann man wohl endlich auf Revanche sinnen. Unglaublich, was sich in den letzten Monaten ereignet und wie man in Windeseile und ungebremst auf die nächste Katastrophe zusteuert!
- 100 Milliarden verballert
Koalition und CDU/CSU einigen sich auf »Sondervermögen« für Bundeswehr. Linke kritisiert »organisierte Bereicherung von Rüstungskonzernen«
Union und Regierungsparteien haben sich auf die gesetzlichen Grundlagen für das geplante »Sondervermögen« in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr geeinigt und peitschen es nun offenbar durch den Bundestag. »Es wird unverzüglich und noch vor der parlamentarischen Sommerpause eine Initiative zur Beschleunigung der Beschaffung auf den Weg gebracht«, teilten Vertreterinnen und Vertreter von SPD, Grünen, FDP, CDU und CSU nach mehr als dreistündigen Verhandlungen in einer gemeinsamen Erklärung am Sonntagabend mit. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt fügte am Montag im ZDF-»Morgenmagazin« hinzu: »Es gibt die Möglichkeit, dass wir noch in dieser Woche das Gesetzgebungsverfahren abschließen.« Kriegsministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte in derselben Sendung, allein an Munition gebe es für die Verpflichtungen in der NATO Bedarf im Volumen von 20 Milliarden Euro.
Quelle: junge Welt
dazu: „Patriotische Mehrheit“ für Kriegskredite
Am heutigen Mittwoch stimmt der Bundestag der nächsten Erhöhung des deutschen Militärhaushalts zu; zudem ist soeben eine Einigung über das 100 Milliarden Euro schwere „Sondervermögen“ für die Bundeswehr getroffen worden. Damit übersteigt der deutsche Wehretat ab sofort die Zwei-Prozent-Schwelle, auf die sich die NATO 2014 geeinigt hat – freilich nicht zwingend schon unmittelbar in diesem Jahr, aber auf jeden Fall im mehrjährigen Durchschnitt bis mindestens 2026. Kanzler Olaf Scholz fordert mit Blick auf den Machtkampf gegen Russland eine „große, nationale Kraftanstrengung“, um „neue, starke Fähigkeiten“ für die Bundeswehr aufzubauen. Die Bundesrepublik arbeitet nicht erst seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs, sondern bereits seit Jahren daran, ihren Großmachtanspruch mit militärischen Fähigkeiten zu untermauern; der russische Überfall auf die Ukraine ermöglicht es nun, einen schon lange geplanten Aufrüstungsschub gegenüber der Bevölkerung zu legitimieren. Der 100-Milliarden-Euro-Kriegskredit, der noch vom Bundestag abgesegnet werden muss, soll konkrete Maßnahmen im Kontext des globalen Einflusskampfes der NATO gegen Russland finanzieren.
Quelle: German Foreign Policy
- Nuland-Pyatt Tondokument nach 8 Jahren von YouTube entfernt
(Eigene Übersetzung)
Der Beweis für die Beteiligung der USA am Putsch in Kiew 2014 wurde nach acht Jahren von YouTube entfernt.
Es war eine der meistgesehenen Versionen des abgefangenen und durchgesickerten Gesprächs zwischen der damaligen stellvertretenden Außenministerin Victoria Nuland und Geoffrey Pyatt, dem damaligen US-Botschafter in der Ukraine, in dem die beiden darüber diskutieren, wer die neue Regierung bilden soll, Wochen bevor der demokratisch gewählte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch am 21. Februar 2014 durch einen gewaltsamen Putsch gestürzt wurde.
Die beiden sprechen darüber, wie sie den verfassungswidrigen Regierungswechsel “einfädeln” und “festkleben”, welche Rolle der damalige Vizepräsident Joe Biden spielen sollte und welche Treffen mit ukrainischen Politikern anberaumt werden sollten.
Das US-Außenministerium hat die Echtheit des Videos nie bestritten und sich sogar bei der Europäischen Union entschuldigt, nachdem Nuland auf dem Band zu hören ist, wie sie sagt: “Fuck the E.U.”. Die Mainstream-Medien konzentrierten sich damals fast ausschließlich auf diese anzügliche Bemerkung und ignorierten die größere Bedeutung der Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten der Ukraine. […]
Die Entfernung eines Videos, das acht Jahre lang online war, wirft große Fragen auf, da sie jetzt, während des Krieges in der Ukraine erfolgt. […]
Der Putsch von 2014 ist der Ausgangspunkt für all diese Ereignisse, die im Februar in der russischen Invasion gipfelten. Die Entfernung des Videos würde der Unterdrückung jeglicher Informationen entsprechen, die nicht in das erzwungene Narrativ der Ereignisse in der Ukraine passen, einschließlich der Beschönigung jeglicher Erwähnung des von den USA unterstützten Putsches.
Quelle: Consortium News
- Der Furor des Präsidenten: Selenskyj lebt in der politischen Eindimensionalität
Spätestens seit Beginn des Ukraine-Kriegs ist er den meisten Menschen ein Begriff: Wolodymyr Selenskyj. Weitgehend ungefiltert flutet seine Ukraine-First-Politik die Nachrichtenkanäle. Zumindest medial zieht der Präsident durch, auch wenn sich das Stimmungsbild zu drehen beginnt.
Jede Zeit hat ihre Geister und der Zeitgeist unserer Zeit sieht aus wie Wolodymyr Selenskyj. Er ist Präsident der Ukraine und der wirkungsmächtigste Influencer der Gegenwart.
Er nutzt die sozialen Medien als seien sie für ihn erfunden. Kaum ein Tag ohne Liveschaltung zum Europaparlament, in die Knesset oder zu den Senatoren, die auf Capitol Hill andächtig auf ihn warten. Seit dem Überfall der russischen Armee auf sein Land wird gnadenlos zurück getwittert: Politik mit digitalem Megaphon und in olivgrün. […]
Wolodymyr Selenskyj lebt ein Leben in der politischen Eindimensionalität, was seine weltweite Popularität erklärt. Die Communities auf Twitter, Instagram und Facebook sind seine natürlichen Siedlungsgebiete.
Der Realpolitiker aber lebt auf einem anderen Stern. Er respektiert Selenskyj. Aber er darf ihm in seiner eifernden Totalität nicht folgen. Er muss auf seiner Souveränität bestehen. Oder in der gebotenen Deutlichkeit gesagt: Berlin ist kein Vorort von Kiew.
Quelle: Gabor Steingart auf Focus Online
- Mit einem 40-Milliarden-Dollar-Plan steuern die USA auf ein Scheitern in der Ukraine zu
Der offensichtliche Mangel an Bewusstsein für Kontext, der die Afghanistan-Mission zum Scheitern verurteilte, ist für die USA ein anhaltendes Problem, wenn es um die Ukraine geht. Das Versäumnis, das Problem der Korruption zu einem Zeitpunkt anzugehen, zu dem der US-Kongress versucht, Mittel in Höhe von rund 40 Milliarden Dollar im Eiltempo durchzupeitschen, scheint kaum mehr als ein Beispiel dafür zu sein, dass sich die Geschichte wiederholt.
Der Gesetzentwurf umfasst elf Milliarden Dollar an Mitteln der Präsidialbehörde, die es dem Weißen Haus ermöglicht, militärische Ausrüstung und Waffen direkt aus US-Beständen zu versenden. Es sieht auch eine Finanzierung der Ukraine Security Assistance Initiative in Höhe von sechs Milliarden Dollar vor, die verwendet werden kann, um Waffen direkt von Herstellern zu kaufen und diese Waffen dann an die Ukraine zu liefern.
Oberflächlich scheint es hier nur um Waffen zu gehen. In dieser Finanzierung ist jedoch bis zu eine Milliarde Dollar vergraben, die für die Bezahlung der Gehälter und Renten ukrainischer Regierungsangestellter und Soldaten bestimmt ist. Dies ist keine einmalige Zahlung – die Regierung des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij hat angegeben, dass bis zu sieben Milliarden Dollar pro Monat benötigt werden, um die Ukraine am Laufen zu halten. Während die meisten US-Bürger bei dem Gedanken, dass ihre Steuergelder verwendet werden, um ukrainische Soldaten und Beamte zu finanzieren, nicht wirklich erbleichen werden, ist die Realität, dass ein Großteil dieses Geldes verwendet wird, um die Gehälter und Renten ultrarechter ukrainischer Politiker und Soldaten zu bezahlen, die eine neonazistische Ideologie vertreten. Kontext ist alles.
Quelle: Scott Ritter auf RT DE
- Wie weit darf Kritik an der Nato gehen?
Und wie sollte sich die Friedensbewegung zu Russland positionieren? Ein Kongress in Berlin wirft Fragen auf. Veranstalter wollen Stellung nehmen, eine Universität will Konsequenzen prüfen
Eine Nato-kritische Konferenz an der Humboldt-Universität Berlin hat heftige Debatten provoziert. Die Veranstaltung war von Aktivist:innen der Friedensbewegung organisiert worden und sollte die Rolle des Nordatlantikpaktes beim Krieg Russlands gegen die Ukraine kritisch beleuchten. Nun ist die Humboldt-Universität auf Distanz zu dem Event gegangen – und hat damit – ebenso wie die Veranstalter – Fragen aufgeworfen.
Am 21. Mai hatte der Kongress “Ohne Nato leben – Ideen zum Frieden” im Hauptgebäude der Humboldt-Universität stattgefunden. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung unter anderem vom Verein “Aktiv für den Frieden – Stopp Ramstein e.V.”. Die Aktivisten hatten zu diesem Zweck einen Hörsaal angemietet.
Einige Tage später nun erklärte die Humboldt-Universität Berlin, der Kongress habe zu “hoher medialer Aufmerksamkeit und Unmut über dort von Kongressteilnehmer:innen und Redner:innen gemachten Aussagen” geführt. Das Präsidium der Humboldt-Universität stelle daher im Nachgang klar, dass sich die Humboldt-Universität von diesen Aussagen distanziert, heißt es in einer Erklärung der Hochschule. Konkrete Aussagen werden in dem Text jedoch nicht genannt. […]
Auf die Frage hin, ob die HU ähnlichen Veranstaltungen künftig Raum geben werde, verwies Universitätssprecher Keller auf den letzten Satz der Erklärung. Dort heißt es: “Aufgrund der Erfahrungen mit dieser Veranstaltung wird die Humboldt-Universität die Vergabekriterien für externe Veranstaltungen noch einmal überprüfen.”
Quelle: Telepolis
dazu auch: Zeitenwende und das Ende der Vernunft: Russland, die Ukraine und der Westen
„Zeitenwende“. Damit beschrieb der deutsche Bundeskanzler die Zäsur, die der russische Angriff auf die Ukraine bedeute. Was so apokalyptisch drohend artikuliert wurde, ist eine rasante Anpassung an die konfrontative Strategie der USA gegenüber Russland (und China) und in derem Gefolge der NATO. Schwupps wurden langfristig bewährte Prinzipien der deutschen Außenpolitik über Bord geworfen.
Helmut Schmidt konnte noch unwidersprochen auf dem im Völkerrecht verankerten Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten beharren – Vorbei. Helmut Kohl konnte noch das Verbot der Ausfuhr von Kriegswaffen in Spannungsgebiete aufrechterhalten – Vorbei. Gerhard Schröder konnte noch die Mitwirkung an einer amerikanischen Aggression verweigern – Vorbei. Angela Merkel konnte noch den Einstieg der NATO in den Ukrainekonflikt abbremsen – Vorbei. Die EU träumte von strategischer Autonomie und globalen Ambitionen – vorbei. Sie kann und will noch nicht einmal ihre Energiepolitik souverän gestalten.
Wir wären aber nicht in Deutschland, wenn diese radikale Wende nicht verbunden wäre mit Selbstbezichtigung und tiefster Zerknirschung darüber, wie man bisher nur so eigensüchtig, naiv und blind sein konnte, diesem schrecklichen russischen Despoten Putin zu vertrauen und sich in russische Fänge zu begeben, so als wäre die deutsche Außenpolitik in den letzten 20 Jahren von der Beziehung zu einem einzigen Mann abhängig gewesen und von Trotteln gemacht worden.
Der Bundespräsident ging den Weg der Selbstkasteiung als Erster und entwertete damit nicht nur Jahrzehnte deutscher Außenpolitik, sondern brach im Vorbeigehen seiner eigenen Partei das Rückgrat, und davon wird die SPD sich nicht erholen. Die Leitmedien, allen voran die früher als fortschrittlich liberal angesehenen Redaktionen in Hamburg und München überbieten sich in Schuldvorwürfen an die deutsche Adresse und feuern sich mit ihrem Kriegsgeschrei selber an. Tatsächlich sind auch sie nicht emanzipiert und folgen schon seit Jahren mehr oder minder jeder Interpretation, die im amerikanischen liberalen Mainstream en vogue ist. Die Verteidigung der imperialen Rolle der USA ist dort immer en vogue. Zudem wurde durch die Trump-Präsidentschaft ein neues Kapitel Russlandhetze aufgeschlagen. Jenseits und diesseits des Atlantiks verkündeten selbsternannte Verteidiger der Demokratie allen Ernstes, Trump sei vom Kreml auf den Thron gehievt worden und stehe in dessen Schuld. Das erwies sich im Laufe der Jahre als grandioses Desinformationsmanöver, wird aber bis heute gerne geglaubt und demzufolge immer wieder neu kolportiert.
Quelle: “Nachrichten einer Leuchtturmwärterin”
- “China ist die größte internationale Herausforderung”
Trotz der akuten Krise durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sieht die US-Regierung China auf lange Sicht als größte Herausforderung für die internationale Ordnung. US-Außenminister Antony Blinken sagte bei einer Rede in Washington: “Auch wenn der Krieg von Präsident (Wladimir) Putin weitergeht, werden wir uns weiterhin auf die größte langfristige Herausforderung für die internationale Ordnung konzentrieren – und die geht von der Volksrepublik China aus”. China sei das einzige Land, “das sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, und zunehmend auch die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht, um dies zu tun”. Pekings Vision würde die Welt von den universellen Werten wegführen, die in den letzten 75 Jahren Voraussetzung für einen Großteil des weltweiten Fortschritts gewesen seien.
Blinken äußerte sich in einer Grundsatzrede an der George Washington Universität in Washington DC zur China-Politik der US-Regierung. Die Regierung von Präsident Joe Biden hat von Anfang an einen harten Ton gegenüber Peking angeschlagen und China eine herausgehobene Stellung in ihrer Außenpolitik eingeräumt – als größter Konkurrent der Vereinigten Staaten. (…)
Blinken beteuerte: “Wir sind nicht auf einen Konflikt oder einen neuen Kalten Krieg aus. Im Gegenteil, wir sind entschlossen, beides zu vermeiden.” Die USA wollten mit China kooperieren, wo immer dies möglich sei – und streiten, wo immer dies nötig sei. Er betonte: “Wir haben tiefgreifende Differenzen mit der Kommunistischen Partei Chinas und mit der chinesischen Regierung. Aber diese Unterschiede bestehen zwischen Regierungen und Systemen, nicht zwischen unseren Völkern.”
Quelle: DW
Anmerkung Christian Reimann: Auch wenn es wegen des Ukraine-Krieges anders erscheinen mag: Nicht Russland, sondern China wird von den US-Herrschenden als “größte Herausforderung” betrachtet.
dazu: China unzufrieden mit Blinken
Verleumdung und Einmischung: Beijing reagiert auf Grundsatzrede des US-Außenministers
Beijing hat die Grundsatzrede von US-Außenminister Antony Blinken über die Beziehungen zu China »entschieden abgelehnt« und sich »stark unzufrieden« gezeigt. Das sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin, am Freitag. Blinken »verbreitet falsche Informationen, übertreibt die ›China-Gefahr‹, mischt sich in Chinas innere Angelegenheiten ein und verleumdet Chinas inländische und ausländische Politik«, hieß es laut übereinstimmenden Medienberichten. Der Zweck sei, die Entwicklung der Volksrepublik »einzudämmen und zu unterdrücken und die Vorherrschaft und Macht der USA zu wahren«, so Wang.
Blinken hatte am Donnerstag in einer lang erwarteten, etwa einstündigen Rede an der George-Washington-Universität in Washington erklärt, China sei »die langfristig größte Herausforderung für die internationale Ordnung«. Es sei das einzige Land, »das sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, und zunehmend auch die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht, um dies zu tun«. Alle Länder der Welt seien aufgerufen, für den Erhalt der gegenwärtigen internationalen Ordnung zu kämpfen, so Blinken.
Quelle: junge Welt
- Europa – wie die ewig Satten auf eine selbst gemachte Hungerkrise zusteuern
Die russophobe Sanktionspolitik der EU hat die Gemeinschaft von Importquellen für gleich drei Ressourcen abgeschnitten: Getreide, Dünger und das Erdgas zu deren Gewinnung. Wenn noch eine Dürre hereinbricht, bleiben die erwarteten Flüchtlingsmassen ebenso hungrig wie ihre europäischen Gastgeber. […]
Die gesamte westliche Getreidelandwirtschaft sitzt wie auf einem Pulverfass, die Märkte sind in Panik, alle sind auf dringender Suche nach den drei für die Ernte wichtigsten Grunddüngern – Amid-, Ammonium- und nitrathaltige Stickstoffdünger und Flüssigstickstoff, Kalisalze und Phosphate. Und hat man auch einmal Finderglück, ist damit noch lange nicht alles getan: Einfach mal 1.200 Tonnen auf einmal bestellen wie früher? Nix da, geliefert werden lediglich kleine Partien von je 200 Tonnen, und jede hat ihren eigenen, eigens auszuhandelnden Preis. Und der Preis ist enorm hoch. Ammoniumnitrat kostete letztes Jahr 270 Euro pro Tonne – und jetzt sind es 790 Euro. Die Kosten für Flüssigstickstoff stiegen von 240 Euro auf 400 Euro pro Liter. […]
Einige Landwirte denken nun darüber nach, auf Kulturen umzusteigen, die weniger Dünger benötigen: Sie sind beispielsweise bereit, Sonnenblumen anstelle von Weizen anzubauen. Schön und gut, Arbeitsplätze und ihre Gewinne könnten sie damit sichern. Aber woher soll dann das Mehl für das Brot kommen? Nach Europa importiert werden? Auch eine Idee – doch die beiden wichtigsten Getreideerzeugerländer sind Russland und die Ukraine. Das erste Land verkauft nicht, das zweitgenannte wird gerade mit Waffen überschüttet – von den Europäern, die im Gegenzug verzweifelt versuchen, alle dort gelagerten Getreidevorräte an sich zu reißen, so dass für die Ukrainer selbst nichts mehr übrig bleibt.
Mit solch räuberischem Verhalten könnte die Alte Welt sich wenigstens zum Teil aus der Patsche helfen. Aber jetzt spielt auch noch das Wetter gegen sie. An Düngemittel wird man, so Gott will, noch irgendwie, irgendwo, irgendwelche paar Tonnen schon finden. Was aber, wenn es kein Wasser gibt und die ganze Ernte einfach verdorrt? In diesem Fall kann man nicht einmal Russland die Schuld geben. […]
Denn zu all den anderen Problemen in der Europäischen Union kommt nun auch noch die drohende Dürre hinzu.
Quelle: RT DE
dazu: Kehrtwende in Indien: Regierung verbietet Weizenausfuhren wegen Ernteausfällen
Gluthitze Durch eine Hitzewelle sind die indischen Weizenerträge eingebrochen – zulasten der globalen Ernährungssicherheit […]
Von akuten Einbußen auf den Weizenschlägen ist ganz Indien heimgesucht, sodass viele Landwirte umso mehr in der Schuldenfalle sitzen. Sie haben sich von Mittelsmännern Geld geliehen, um Saatgut und Dünger zu bezahlen. Nun aber bringt die Ernte höchstens die Hälfte des erwarteten Ertrags, häufig weniger. Daher reichen die Einnahmen aus dem Verkauf bei weitem nicht aus, um das geschuldete Geld zurückzuzahlen. Zu allem Überfluss steigen derzeit noch die Zinsen für die Kredite. „Alle Bauern sind in Mitleidenschaft gezogen, fast jeder ist mehr oder weniger stark verschuldet“, klagt Uppal. „Wenn das heiße Wetter um diese Zeit zur Regel wird, könnten immer mehr Bauern gezwungen sein, ihr Land zu verkaufen.“ […]
Die Höchsttemperaturen bei der so noch nie dagewesenen Hitzewelle verzeichnete man freilich nicht in Rajasthan, sondern Mitte Mai in einigen Bezirken der Hauptstadt Delhi, in denen Rekordwerte von 49 Grad gemessen wurden. Damit konfrontiert, verkündete die Regierung von Premier Narendra Modi das Verbot aller Weizenausfuhren, „um die Lebensmittelsicherheit im Land zu garantieren“. Die Entscheidung schlug überall auf dem Globus hohe Wellen. Ein Schlag für die internationale Gemeinschaft, die damit gerechnet hatte, dass indische Weizenexporte helfen würden, die durch den Krieg in der Ukraine entstandene Angebotslücke zu schließen. […]
Erneut ist allen die Instabilität globaler Nahrungsmittelvorräte angesichts eines sich schnell erwärmenden Planeten vor Augen geführt.
Quelle: der Freitag
- Ölbrunnen im Nationalpark: Längste beheizte Pipeline der Welt
Zwischen Elefanten und Giraffen fördert Total künftig Öl in Uganda. Tausende werden verdrängt. Und das könnte erst der Anfang sein. Eine visuelle Recherche […]
Es gibt Gründe, warum sich die Ölfirmen Uganda ausgesucht haben. Das Land mit seinen 41 Millionen Menschen ist eines der stabileren in der Region. Aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo trieben Warlords und Ebola-Ausbrüche bis heute schätzungsweise vier Millionen in die Flucht, Uganda nimmt weiterhin einen Großteil davon auf. In Ruanda herrscht nach dem Völkermord zwar endlich Frieden, jedoch nur, weil ein fragwürdiger Polizeistaat ihn erzwingt. […]
Die Petrol Authority of Uganda (PAU) geht von jährlich 1,4 bis 2,9 Milliarden Euro Ölgewinnen aus, schreibt eine Sprecherin. Zum Vergleich: Der gesamte Staatshaushalt von Uganda 20/21 betrug 11,8 Milliarden Euro. Dazu kämen Steuereinnahmen und positive Auswirkungen für andere Branchen, schreibt die Sprecherin. 160.000 Jobs sollen entstehen. Und eine kleine Raffinerie soll 60.000 Barrel pro Tag für den nationalen Bedarf verarbeiten. […] Die 60.000 Barrel werden künftig den gesamten Bedarf an Kerosin, Diesel und Benzin in Uganda decken, schreibt die Sprecherin. Der Präsident hat es da einfach, die Pipeline als Chance anzupreisen. Aber es gibt ein Problem: Das Gebiet ist nicht leer. Da leben Menschen, zumeist von Landwirtschaft. Und einige sehr seltene Tiere.
Was bedeutet es, in so einem Gebiet von Grund auf eine Ölförderung aufzubauen? Anhand von Satellitenaufnahmen, 3D-Modellen des Gebiets und genauen Daten der geplanten Infrastruktur lässt sich ein Eindruck davon vermitteln. […]
Entlang der gesamten Pipeline reihen sich Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Einige davon sind Ramsar-Schutzgebiete. Das sind Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung, Lebensraum etwa für Wasser- und Wattvögel. Und am Ende der Pipeline, dort, wo das Öl verschifft wird, ist ein Korallenriff nicht weit.
Quelle: Tagesspiegel
Anmerkung unserer Leserin A.F.: Das nächste Umweltverbrechen!
dazu: Jetzt drehen die Ölkonzerne richtig auf: Fossile Industrie greift Klima an wie nie zuvor
CO₂-Bomben Ein Rechercheteam des britischen „Guardian“ deckte auf, wie die Konzerne ihre Förderung ausweiten wollen. Wird dies Realität, ist es das Ende aller Klimaziele
ExxonMobil, Shell, BP und Chevron: Die größten fossilen Energieunternehmen planen still und leise Großprojekte zur Förderung von Öl und Gas, die jedes CO₂-Budget in den kommenden Jahren zum Platzen bringen könnten. Die Pläne solcher Großkonzerne sind normalerweise nicht leicht zugänglich: Öffentliche Informationen sind rar und schwer auszuwerten. Ein Investigativteam der britischen Tageszeitung The Guardian konnte nun jedoch recherchieren, welche Mengen Öl und Gas in den nächsten Jahren von den Unternehmen gefördert und gehandelt werden sollen – viel zu viel, wenn das Ziel erreicht werden soll, die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten. Noch beunruhigender: Die Unternehmen haben weitere Projektoptionen in der Schublade, die nicht einmal mit einer verheerenden Erderwärmung von 2,7 Grad vereinbar wären. UN-Generalsekretär António Guterres warnte im April die führenden Politiker der Welt: „Unsere Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen bringt uns um.“ […]
Im Jahr 2015 ergab eine Studie unter Federführung des University College London, dass die Hälfte der bekannten Ölreserven, ein Drittel der Gasreserven und 80 Prozent der Kohle in der Erde gelassen werden müssen, um die globale Temperatur auf unter zwei Grad Celsius zu halten. Im Mai 2021 kam dann ein Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) zu dem Ergebnis, dass es gar keine neuen Öl- oder Gasfelder geben darf, wenn die Welt bis zum Jahr 2050 Netto-Null erreichen soll. Die IEA galt eigentlich als konservative Organisation.
Quelle: der Freitag
- Krise für die Masse
»Wirtschaftstag« fordert: Unternehmen entlasten und Löhne einfrieren. Gewerkschaft und Lobbycontrol üben scharfe Kritik
Sozialabbau, Umweltzerstörung, Krieg – Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern des diesjährigen »Wirtschaftstags«. Zu dem Stelldichein aus Politik und Kapital lud der private Lobbyverband »Wirtschaftsrat der CDU« am Dienstag nach Berlin. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) kam der Einladung gerne nach – und teilte aus: Ungarns Staatschef Viktor Orban habe »ruchlos»« für seine eigenen Interessen gepokert, indem er sich einem Ölembargo gegen Russland verwehrt hatte. Die »Entschlossenheit Europas« habe durch das »Gewürge« um das sechste Sanktionspaket gelitten. Um dem deutschen Großmachtanspruch gerecht zu werden, müsse das Einstimmigkeitsprinzip auf EU-Ebene abgeschafft werden. […]
Die Gewerkschaften halten von solchen Konzepten wenig. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte am Dienstag gegenüber jW: »Ein Stoppschild für Sozialausgaben wäre nichts anderes, als die Axt am Sozialstaat anzulegen. Anstatt über Kürzungen bei Sozialausgaben herumzuschwadronieren, sollte der Wirtschaftsrat besser darüber nachdenken, wie Reiche und Superreiche stärker am Gemeinwesen beteiligt werden können, um die Krisenlasten gerechter zu verteilen.«
Die ungenierte Zurschaustellung der Zuneigung von Kapital und Politik hinterlässt bei vielen mehr als nur ein Geschmäckle.
Quelle: junge Welt
- Die Berliner SPD und die Enteignungs-Initiative: Das S steht für Sabotage
Die Berliner SPD sabotiert das Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen. Die Enteignungskommission arbeitet nicht wie abgesprochen.
Kaum jemanden lässt die SPD so zuverlässig im Stich wie die Mieter*innen. In Berlin gehen die Sozialdemokraten sogar noch einen Schritt weiter: Hier sabotieren sie aktiv seit Längerem das erfolgreiche Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen. Die Vorsitzende der Enteignungskommission, Herta Däubler-Gmelin (SPD), pfeift offenbar auf beschlossene Kompromisse, will Sitzungen geheim durchführen und die Initiative so gut es geht raushalten.
Die ehemalige Bundesjustizministerin will lieber über Alternativen zur Vergesellschaftung reden und in dem Gremium selbst mit abstimmen, obwohl das Gegenteil vereinbart war. Einschreiten dagegen müsste Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (auch SPD). Dass er das nicht machen wird, ist absehbar.
In historischer Perspektive könnte man mittlerweile denken, das S in SPD stehe für Sabotage. Nachdem die SPD (zusammen mit der Linken) in den 2000er Jahren unter Finanzsenator Thilo Sarrazin öffentliche Wohnungen und Sozialbauten reihenweise verscherbelt und dabei nebenbei heutige Aktienunternehmen wie Vonovia aufgeblasen hat, verhinderte die Partei jahrelang im Bund zusammen mit der CDU wirksamen Schutz vor Mietpreissteigerungen. […]
Nachdem die SPD das Volksbegehren nicht auf rechtlichem Wege verhindern konnte, sorgte sie im Wahlkampf für größtmögliche Augenwischerei mit Quatschargumenten: „Davon entsteht keine einzige Wohnung“, war 2021 das Wahlkampf-Mantra von SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey.
Was sie nicht gesagt hat: Von Populismus entsteht auch keine einzige neue Wohnung. […]
Dass aber ewiges Spiel auf Zeit und Sabotage dabei helfen, das Volksbehren möglichst geräuschlos abzuwickeln, kann sich Franziska Giffey abschreiben wie ihre Uni-Abschlussarbeiten. Berlins Mieter*innen werden nicht vergessen, wofür sie gestimmt haben. Und sich das hoffentlich nicht bieten lassen.
Quelle: taz
Anmerkung unseres Lesers H.M.: Berlins Bausenator Andreas Geisel liegt mit seiner Privatisierung-Idee völlig daneben, und die SPD macht solche Leute im Brennpunkt Berlin zum Bausenator. Zur Finanzierung von Neubauten will der SPD-Politiker städtische Wohnungen verkaufen an Selbstnutzer. Da Neubauten vermutlich teurer sind als Wohnungen aus dem Bestand, dürfte das Angebot an städtischen Wohnungen unterm Strich sinken.
Mehr noch: Mit einem Verkauf aus dem Bestand der Stadt an Selbstnutzer würde Geisel auf längere Sicht viele neue Klein- oder Kleinsteigentümer produzieren, die in der Regel nach den gleichen Mechanismen handeln wie große Konzerne: Beim Verkauf oder Vererben möglichst viel Geld oder Miete aus den Wohnungen rausholen. Die Stadt bzw. unser Land muss aber den Kreislauf einer Gewinnmaximierung bei der Vermietung und Verkauf durchbrechen, benötigt mehr städtische oder frei-gemeinnützige Wohnungen, die dem Verwertungszwang nicht unterliegen, weil die Stadt bzw. das Land den Daumen auf die Mieten hält.
Geisel hat offenbar, wie viele andere Sozialdemokraten, den Bezug zur sozialen Wirklichkeit verloren. Erst wurden Banken, Fonds und Pensionsgesellschaft in der Finanzkrise mit viel Steuergeld gerettet und die Verschuldung erhöht, das gleiche bei Corona, viele Milliarden Euro wurden durch Schlamperei und sinnlose Maßnahmen aus dem Fenster geworfen, jetzt kostet der Krieg in der Ukraine, der vom Westen hätte verhindert werden können, wieder viele Milliarden Euro. Dann muss sich niemand wundern, wenn, wie Sozialdemokrat Geisel beklagt, für zum Neubau städtischer Wohnungen nicht genügend Geld zur Verfügung steht.
dazu: Öffentlicher Wohnraum in Berlin: Geisels schräge Privatisierungs-Idee
Darauf muss man erstmal kommen: Um neuen Wohnraum in Berlin zu finanzieren, könnten Landes-Wohnungsunternehmen selbst Wohneinheiten verkaufen. Ein Gedanke, den Bausenator Andreas Geisel (SPD) der Tageszeitung „nd“ darlegte. Begründet hat er das mit steigenden Rohstoffpreisen durch den Ukraine-Krieg, weshalb Neubauten finanziell kaum zu stemmen seien. Dass Neubauten derzeit teurer sind, ist richtig. Dass Privatisierung das Problem löst, jedoch nicht, findet tipBerlin-Redakteur Tim Kröplin.
Quelle: tip Berlin
dazu auch: Giffey kriegt auf den Deckel
Berlin: Regierende Bürgermeisterin will Miete an Einkommen koppeln – und bekommt Gegenwind von fast allen Seiten
Eine sozialdemokratische Idee und ihre Gegner – so könnte der Titel der derzeit laufenden Debatte über einen Vorschlag von Berlins Regierender Bürgermeisterin zur Mietenregulierung lauten. Am Wochenende hatte Franziska Giffey (SPD) im Tagesspiegel für die Einführung einer Belastungsgrenze für Mieter geworben. Ihr gehe es darum, »dass niemand in Berlin mehr als 30 Prozent seines Haushaltsnettoeinkommens für die Miete zahlen muss«. Der Tagesspiegel wähnte Giffey sogleich im »Kampf gegen Wohnungsnot und Mietenanstieg« – wenngleich die Rolle der Sozialdemokratin beim Verschleppen der Umsetzung des Enteignungsvolksentscheids vom September letzten Jahres vermuten lässt, dass sie eher für die Interessen der Immobilienlobby in die Bresche springt.
Springers Welt versammelte am Montag kritische Stimmen zu Giffeys Idee eines »Mietendeckel light«. Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Bernhard Daldrup, verwies auf die Herausforderung, eine 30-Prozent-Grenze »rechtlich überprüfbar« zu machen. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, sprach von »bürokratischem Irrsinn« und forderte, statt dessen den Wohnungsmarkt »halbwegs gesittet« zu gestalten. Der Sprecher für Wohnungspolitik der Unionsfraktion im Bundestag, Jan-Marco Luczak (CDU), sorgte sich vor einem »vollständig durchregulierten und behördlich überwachten Mietmarkt«. Und Daniel Föst, Sprecher für Bau- und Wohnungspolitik der FDP-Bundestagsfraktion, fragte: »Jedes Mal, wenn das Gehalt steigt, steigt dann auch die Miete? Wenn man einen besseren Job hat, meldet man das bei der Mietpreisprüfstelle?«
Quelle: junge Welt
und: Wohnkosten belasten Arme mehr
Arme Haushalte geben einen höheren Anteil ihres Haushaltseinkommens für Miete, Strom und Heizung aus. 2020 lag die so genannte Wohnkostenbelastung in Deutschland insgesamt bei knapp 22 Prozent. Bei (wegen niedriger Einkommen) armutsgefährdeten Haushalten betrug dieser Wert 43 Prozent. Besonders betroffen sind Single-Haushalte: Sie wenden 47 Prozent ihrer Einkommen für Wohnkosten auf.
Besonders hoch fällt die Wohnkostenbelastung mit 38 Prozent auch bei überschuldeten Haushalten aus. In den meisten Fällen bestehen dabei Schulden gegenüber öffentlichen Einrichtungen (etwa Krankenkassen) oder Telekommunikationsunternehmen. Seltener hingegen bestehen Mietschulden. Aufgrund der hohen Gefahr, die eigene Wohnung zu verlieren, bedienen selbst überschuldete Haushalte offenbar nach Möglichkeit zuerst die Ansprüche von Vermieterinnen und Vermietern.
Wohnkostenbelastung
Um die hohe Mietkostenbelastung ärmerer Haushalte anzugehen, braucht es zweierlei: mehr bezahlbaren Wohnraum und höhere Einkommen. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde ist dabei ein wichtiger Schritt, dem eine Erhöhung der Regelsätze von Hartz IV und anderer Sozialleistungen folgen muss. Zugleich brauchen wir mehr Sozialwohnungen und gemeinnützige Wohnungsanbieter sowie eine striktere Regulierung der Mietpreise. Dass die Ampel-Regierung von Letzterem quasi nichts wissen will, ist verheerend.
Quelle: Verdi
- Shopping in der Praxis
Vermehrt Warnungen vor Vormarsch von Finanzinvestoren im Gesundheitssektor. Ampelkoalition bleibt untätig
Bei der Hamburger Sparkasse (Haspa) ist jedes Geschäft ein gutes Geschäft. Auf ihrer Webseite wirbt ein Berater für Firmenübernahmen dieser Tage ganz freimütig für das neue, heiße Ding auf dem Gesundheitsmarkt: den Erwerb von Arztpraxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) durch Private-Equity-Fonds (PEF). Die Investments verhießen »konjunkturunabhängige und damit stabile Cash Flows« und »hohes Potential aufgrund der zunehmenden Alterung der Gesellschaft«, liest man da. Die Verkäufer hingegen sicherten sich »einen Großteil des (…) investierten Kapitals auf die private Ebene und damit gegebenenfalls auch für nachfolgende Generationen«. Aber Vorsicht: »Wir sehen oft Unternehmen, die den optimalen Verkaufszeitpunkt verpasst haben.«
Ein öffentliches Finanzinstitut legt sich also dafür ins Zeug, das über weite Strecken noch öffentliche Gesundheitswesen sogenannten Heuschrecken auszuliefern. […]
Anfang April hatte eine von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) beauftragte Analyse ans Licht befördert, dass sich die Zahl der Arztpraxen in Händen von Spekulanten im Freistaat in den Jahren 2018/19 um 72 Prozent erhöht hat. Begehrlichkeiten wecken demnach vor allem die MVZ, in denen Behandlungen schon ohne Zutun von Finanzjongleuren deutlich teurer abgerechnet werden als in Einzelpraxen. Noch kostspieliger wird es, sobald ein Investor am Ruder ist. Gemäß der Analyse werden dann Zuschläge von 10,4 Prozent über dem üblichen Honorar fällig. Die Abzocker sind längst in ganz Deutschland unterwegs. Nach einem Bericht des ARD-Magazins »Panorama« von April haben sich diese in jüngeren Jahren »bereits Hunderte, möglicherweise sogar Tausende Arztsitze« unter den Nagel gerissen.
Quelle: junge Welt
- Giorgia Melonis “Marsch auf Rom”: Italiens Postfaschisten führen Umfragen an
Die “Brüder Italiens” führen derzeit die Umfragen an. Das Renommee des Landes steht auf dem Spiel
Am 27. Oktober 1922 hatte Benito Mussolini seine faschistischen Verbände auf den “Marsch auf Rom” geschickt; drei Tage später, am 30. Oktober, wurde er von König Vittorio Emanuele III. zum neuen Ministerpräsidenten Italiens ernannt. Nach der Machtergreifung verwandelte der “Duce” Italien in eine totalitäre Diktatur, verbündete sich mit Adolf Hitler, verlor mit Nazideutschland den Krieg. Und nun, hundert Jahre nach dem “Marsch auf Rom”, führt in Italien erstmals wieder eine Partei die Umfragen an, deren ideelle Wurzeln im “ventennio” liegen, also in den zwei Jahrzehnten der Mussolini-Diktatur.
Quelle: der Standard
- Populär statt nur anti-neoliberal: Da geht was, Linke!
Es ist ziemlich klar, wo es bei der Linkspartei hakt. Gegen den Neoliberalismus zu sein, reicht nicht mehr. Jetzt macht der Aufruf „Für eine populäre Linke“ Hoffnung […]
Mit der Linkspartei gelang es zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, eine Sammlungspartei links der Sozialdemokratie zu etablieren – von Kommunist*innen über Linkssozialist*innen und Bewegungslinken bis zu („alten“ oder tatsächlichen) Sozialdemokrat*innen. Doch die Mosaiksteinchen bewegten sich seitdem eher auseinander, sodass das gemeinsame Muster der einzelnen Teile kaum noch erkennbar ist. Die Sammlungspartei blieb eine Partei der vielen Parteien, was notwendige inhaltliche Klärungen, verbindliche Einigungen und somit die Entwicklung einer gemeinsamen Strategie verhinderte.
Hinzu kommt: Der ideologische Kleister, der das linke Mosaik zusammenhalten musste, verlor an Klebkraft: die Ablehnung des Neoliberalismus. Zwar gehören neoliberale Prinzipien längst nicht der Vergangenheit an, sie sind aber nicht mehr so klar erkennbar. Ökonomisch setzt der moderne progressive Neoliberalismus vordergründig auf „nachhaltige“ Investitionen, sozialpolitisch wird vor dem Hintergrund eines knappen Arbeitskräfteangebots weniger nach unten getreten, Sanktionen gegen Erwerbslose werden vorübergehend eingeschränkt; ideologisch vermengen sich neoliberale Gesellschaftsentwürfe mit dem perfiden, weil lächelnd daherkommenden Pragmatismus der Konstruktiven, die Probleme nur lösen, nicht aber deren Ursachen bekämpfen wollen. […]
Eine Linke, die konsequent deren Klasseninteressen in den Mittelpunkt rückt, bräuchte es tatsächlich. Eine, die sozialdemokratischer sein will als die Sozialdemokratie und grüner als die real existierenden Grünen aber nicht. Der Aufruf „Für eine populäre Linke“, unterzeichnet von Sahra Wagenknecht, Amira Mohamed Ali, Caro Butterwegge und anderen, geht in die richtige Richtung – weil er sich grundsätzlich gegen kapitalistische Herrschaft richtet, nicht mehr nur gegen die neoliberale Spielart.
Quelle: der Freitag
dazu auch: Das Grummeln der Agonie: Die Linkspartei vor ihrem Parteitag
Während die USA gerade Europa in einen Atomkrieg drängen, bekriegt sich eine „Friedenspartei“ über schlüpfrige Tweets. Dem Juni-Parteitag der Linkspartei steht ein Showdown bevor: Bei der Wahl des neuen Vorsitzenden tritt gegen einen NATO-Gegner ein NATO-affiner Minister an. Dessen Regierungschef Bodo Ramelow hatte, bevor die Linkspartei bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen abgesoffen war, die Lieferung von schweren Waffen und einen schnellen EU-Beitritt der Ukraine gefordert.
Wenn eine Partei unten untergeht, braucht es lange, bis sie es oben merkt. Rituelle Parteitagsabläufe umschläfern die Sinne in wohliger Gewohnheit. Wenn also „Die Linke“ Ende Juni ihren Vorstand neu wählt, wird sich in der Halle alles so anfühlen wie immer. Beim letzten Bundesparteitag hatte der Chef des Parteiapparats, Jörg Schindler, „die zwei tollen Frauen“ Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler als Vorsitzende durchgedrückt. In den Auszählungspausen gab es lauwarmes Anti-Sahra-Kalauerkabarett. Der Drill, das In-sich-Hineingrollen, der müde, inszenierte Parteitagsapplaus – all das dürfte sich nun rächen.
Quelle: Dieter Dehm in unsere Zeit
und: Der Aufruf
Die Preise für Energie und Lebensmittel steigen, und mit ihnen die gesellschaftliche Ungleichheit. Denn Löhne, Renten und soziale Leistungen halten mit der Teuerung bei weitem nicht Schritt. Die Mieten gehen seit langem durch die Decke, die Probleme im Gesundheitssystem wurden auch nach Jahren der Pandemie nicht behoben. Für Menschen mit geringem Einkommen ist das Lebensnotwendige kaum noch erschwinglich. Aber auch Familien mit mittlerem Einkommen müssen sich einschränken und haben Angst vor der Zukunft. Nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Putins gegen die Ukraine, den wir aufs schärfste verurteilen, bestimmt auch hierzulande die Logik der Eskalation immer stärker das Denken und Handeln der politisch Verantwortlichen. Mit der Lieferung mittlerweile auch schwerer Waffen an die Ukraine sowie der Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden macht die Bundesregierung Deutschland zunehmend zur Kriegspartei. Die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts auch auf unser Land wächst. Zu keinem Zeitpunkt seit dem Ende des Kalten Krieges war das Risiko eines Atomkrieges in Europa so groß wie heute. […]
Wir wollen eine LINKE, die für die Mehrheit der Bevölkerung, die Arbeitenden, die Familien, die Rentnerinnen und Rentner und die sozial Benachteiligten aktiv ist. DIE LINKE darf sich nicht auf bestimmte Milieus verengen. Es geht um die gemeinsamen Klasseninteressen.
Quelle: Populäre Linke