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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Das Schweinesystem hat Angst
Datum: 27. Mai 2022 um 13:30 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Innen- und Gesellschaftspolitik
Verantwortlich: Redaktion
Der Deutschen und der Europäer meistes Nutztier ist bedroht von einer Seuche – von der Afrikanischen Schweinepest, kurz ASP. Eine ganze Industrie hat Angst vor diesem Virus: die globale Fleischindustrie. Wenn wir uns anschauen, wie wir mit dieser Bedrohung umgehen, dann erfahren wir sehr viel auch über unser Verhältnis zu dem empfindsamen und intelligenten Tier, das unser liebster Fleischlieferant ist und eines unserer gewichtigen Exportgüter im Weltmarkt der Lebensmittel. Von Florian Schwinn
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Nach der Vorstellung der beiden aktuellen „Schweinebücher“ von Kristoffer Hatteland Endresen und Rudolf Buntzel habe ich für diesen Beitrag mit der Tierärztin Anita Idel gesprochen, die sich in Gutachten mit dem Umgang mit der Afrikanischen Schweinepest auseinandergesetzt hat und in einem Kommentar für den Kritischen Agrarbericht fordert: „Impfen statt Keulen“. Ob Europa, USA oder China, tatsächlich dreht die weltweite Impfstoffentwicklung auf Hochtouren. Und ein US-amerikanischer Impfstoff ist bereits auf dem Weg zur Marktreife.
Tod am Zaun
In Deutschland haben wir bisher versucht, die Afrikanische Schweinepest mit Grenzzäunen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen und Bayern einzudämmen. Auch hier im Blog mehrfach berichtet. Zäune, die Naturräume durchschneiden, Wildwechsel unterbinden und tierische Wanderwege durchtrennen. Und die im Oderbruch dazu führten, dass viele Wildtiere im Hochwasser ertranken. Die Afrikanische Schweinepest aufgehalten haben die Zäune nicht. Im Gegenteil, zuletzt sprang sie von der polnischen Grenze über zweihundert Kilometer weit direkt in den Landkreis Ludwigslust-Parchim im Westen Mecklenburg-Vorpommerns, also von der Oder bis zur Elbe.
Eine Evaluierung der ASP-Grenzzäune hat Anita Idel schon vor einem Jahr gefordert. Sie steht nach wie vor aus. Und der letzte Ausbruch im Westen Mecklenburg-Vorpommerns spricht nicht dafür, dass die Seuche von Wildschweinen oder aasfressenden Vögeln übertragen wird. Das spricht eher für autofahrende Menschen als Virustransporter. Zumal die Afrikanische Schweinepest am Nordufer der Elbe nicht etwa zuerst bei Wildschweinen nachgewiesen wurde, sondern gleich in einer Schweinemastanlage, in der dann viertausend Tiere gekeult wurden.
Das ist unser Umgang mit Tierseuchen: Wir töten dort, wo sie ausbrechen, auch die gesunden Tiere. Übrigens auch dann, wenn es einen Impfstoff gibt, wie bei der Europäischen oder Klassischen Schweinepest. Offizielle Begründung: Um die weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Weniger offiziell, aber immer mal wieder am Rande auch genannt: die sogenannte Marktbereinigung, die eigentlich Keulung zur Preisstützung bedeutet.
Wenn wir uns mit unserem Umgang mit den Tieren beschäftigen, dann lernen wir auch immer viel über uns selbst – so wie im Gespräch mit Anita Idel …
Ablenken vom Faktor Mensch
Seit dem 25. Mai 2022 gibt es nun doch einen Ausbruch in einer Freilandhaltung in Deutschland. Aber es sieht so aus, dass wieder keine Wildtiere am Eintrag des Virus beteiligt waren. Siehe hierzu das Update am Ende des Beitrags.
Impfen statt Keulen
Impfstoff auf dem Weg
Wir sind gespannt, was geschieht, wenn es demnächst dann tatsächlich den Impfstoff gegen die Afrikanische Schweinepest gibt. Und das könnte in absehbarer Zeit sein, denn Wissenschaftler des Agricultural Research Service des US-Landwirtschaftsministeriums meldeten Ende April, der Impfstoff ASFV-G-DI177L habe die letzten Sicherheitstests bestanden und werde jetzt von dem Partner National Veterinary Joint Stock Company in Vietnam für die kommerzielle Nutzung weiterentwickelt.
Was bedeutet das für unsere Schweine, wenn die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA dann irgendwann den Impfstoff auch für Europa freigeben sollte? Ich zitiere abschließend noch einmal das Friedrich-Loeffler-Institut. Das schreibt in einer Bewertung zum Stand der Forschung beim ASP-Impfstoff: „Ausbrüche der ASP beim Hausschwein konnten in den meisten Ländern mit den etablierten Verfahren der Tierseuchenbekämpfung erfolgreich unter Kontrolle gebracht werden. Die Akzeptanz eines Impfstoffeinsatzes in der Schweineproduktion, der mit Handelseinschränkungen verbunden wäre, ist daher fraglich.“
Was heißt: Wir impfen eher nicht und keulen weiter ganze Bestände, also notfalls tausende von Schweinen. Aber wir impfen vielleicht die Wildschweine, wie Anita Idel das vorschlägt. Und wir kümmern uns endlich um das Tier, das die Afrikanische Schweinepest um die Welt trägt: um den Menschen.
Update
Der fünfte Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest in Deutschland wird am 26. Mai 2022 aus dem Landkreis Emmendingen in Baden-Württemberg berichtet. Am Tag zuvor hat das Friedrich-Loeffler-Institut bei einem verendeten Mastschwein aus einem Betrieb in Forchheim die Seuche diagnostiziert und neue Restriktionszonen um den Betrieb ausgewiesen. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) sprach von einem „vorbildlichen Betrieb“ mit strikter Einhaltung der Biosicherheitsmaßnahmen, doppeltem, eingegrabenem Zaun und Hygieneschleuse. Schon am Morgen hieß es aus dem Landwirtschaftsministerium in Stuttgart außerdem: „Bisher liegen keine Erkenntnisse vor, dass das Ausbruchsgeschehen auf Wildschweine übergegangen ist.“ Es wird deshalb im Betrieb selbst nach der Ursache gesucht. Der Minister erklärte, man müsse vom Menschen als Einträger des Virus ausgehen. Eine Gensequenzierung soll klären, woher der Erreger kommt. Das neue ASP-Gebiet liegt ganz im Südwesten Deutschlands, weitab von jeglichem bisherigen Seuchengeschehen bei Wildschweinen, aber in einer Spargelregion, in der zurzeit viele Saisonarbeiter aus Osteuropa beschäftigt werden. Sie kommen aus Regionen, in denen die ASP weit verbreitet und teilweise außer Kontrolle ist.
Titelbild: Gabor Tinz/shutterstock.com
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