Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
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- Nein zu Nato und Krieg – Ja zum Frieden
Der Krieg in der Ukraine hat die bundesdeutsche Friedensbewegung gespalten. Doch die Kritik an Russland ist kein Ja zur Nato, machten eine Reihe von Friedensaktivisten und -gruppen auf einem Kongress in Berlin deutlich. Sie warnten vor den Folgen der Kriegslogik westlicher Politik. […]
Wir brauchen keine Aufrüstung, sondern Abrüstung“, stellte Lafontaine klar. „Wir brauchen gemeinsame Sicherheit. Das war die beste Formel, die gefunden worden ist. Man kann nur gemeinsam Sicherheit haben. Und wir brauchen eben Wandel durch Annäherung, auch wieder mit Russland.“ Dazu gehöre auch der kulturelle Austausch, der Menschen zusammenführe, aber der derzeit von westlicher Seite zerstört werde, wie der Ex-SPD-Politiker beklagte.
Er forderte eine Sicherheitsarchitektur für Europa, „aber nicht das Sicherheitsbündnis, das sich Nato nennt“. Diese müsste „im Grunde genommen USA heißen“, setzte Lafontaine der offiziellen Propaganda entgegen: „Die Nato ist ein Tarnname. Die Nato ist in der jetzigen Struktur nichts anderes als die Militärmaschinerie der USA, mit einigen Staaten, die sich dieser Militärmaschinerie angeschlossen haben.“
Es sei die Frage zu stellen, „ob wir ein Bündnis mit den USA brauchen, um sicher in Europa zu leben.“ Seine Antwort sei seit vielen Jahren, mit der vom Oligarchenkapitalismus geprägten Weltmacht sei kein friedliches Bündnis möglich. „Denn es gilt die alte Formel von Jean Jaurès: Der Kapitalismus trägt den Krieg in sich wie die Wolke den Regen“, erklärte Lafontaine.
Der Ex-SPD-Vorsitzende bezog in seine Kritik am oligarchisch geprägten Kapitalismus ausdrücklich den in Russland wie auch den in der Ukraine ein. Ein solches System sei zu Frieden nicht fähig. Das bedeutet für ihn, „dass wir eine andere Wirtschaftsordnung brauchen, um zum Frieden zu finden“.
Quelle: Vierte
dazu: »Die USA wollen keinen Frieden«
Über den Ukraine-Krieg, »grüne« Preistreiberei und den falschen Kurs der Linkspartei. Ein Gespräch mit Oskar Lafontaine
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine dauert nun fast drei Monate. Die Antwort der Bundesregierung darauf lautete: aufrüsten und Waffen liefern. Stimmen Sie Kanzler Olaf Scholz zu: Erleben wir gerade eine »Zeitenwende«?
Nein, das ist keine Zeitenwende – zumindest mit Blick auf die geopolitische Lage. Schon seit langem befinden wir uns in einer Phase, in der Russland und China militärisch von den USA eingekreist werden. Seit 20 Jahren weist Moskau darauf hin, dass die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen werden darf. Das heißt, dass keine US-Raketen an der ukrainisch-russischen Grenze aufgestellt werden dürfen. Diese Sicherheitsinteressen wurden konsequent ignoriert. Das ist einer der entscheidenden Gründe für den Ausbruch des Ukraine-Kriegs.
Die Regierung in Kiew könne ebenso wie die in Warschau oder Budapest souverän über einen NATO-Beitritt entscheiden, heißt es von seiten der westlichen Kriegsallianz. Dem ist nicht so?
Das Argument, jeder Staat könne selbst entscheiden, welchem Bündnis er betritt, ist verlogen. Jeder weiß, dass die USA einen Beitritt Kubas zu einem Militärbündnis mit Russland niemals akzeptieren würden, ebenso wenig wie die Aufstellung von russischen Raketen an der US-Grenze zu Mexiko oder Kanada.
Quelle: junge Welt
- Ex-US-Außenminister Kissinger: Ukraine soll Gebiete an Russland abgeben, um den Krieg zu stoppen
Es gebe nur ein kleines Zeitfenster, um den bewaffneten Konflikt in der Ukraine zu beenden und eine Friedenslösung zu finden, sagte der ehemalige US-Außenminister und Politikwissenschaftler Henry Kissinger auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. In seiner Rede am Montag erklärte er: “Die Friedensverhandlungen müssen in den nächsten zwei Monaten beginnen, bevor der Krieg zu Umbrüchen und Spannungen führt, die nicht leicht zu überwinden sind.”
Der Ausgang des Konflikts werde die Beziehungen Europas zu Russland und der Ukraine gleichermaßen bestimmen, so der 98-Jährige. Dabei merkte der Diplomat an, dass die Trennungslinie im Idealfall die “Rückkehr zum Status quo ante” sein würde. Kissinger betonte: “Würde der Krieg über diesen Punkt hinaus fortgesetzt, ginge es nicht mehr um die Freiheit der Ukraine, sondern um einen neuen Krieg gegen Russland selbst.”
Der Ex-US-Außenminister erinnerte daran, dass er beim Ausbruch der Ukraine-Krise durch einen bewaffneten Staatsstreich in Kiew vor acht Jahren dafür eingetreten sei, dass die Ukraine ein neutraler Staat und eine “Brücke zwischen Russland und Europa und nicht eine Frontlinie von Gruppierungen innerhalb Europas” werden sollte. Stattdessen habe Kiew die Mitgliedschaft in der NATO als strategisches Ziel verfolgt und damit den Weg für die aktuellen Feindseligkeiten geebnet. Die Gelegenheit, für die er damals geworben habe, bestehe heute nicht mehr, aber “sie könnte immer noch als Endziel angesehen werden”, erklärte Kissinger.
Quelle: RT DE
dazu: Neue Haltung zur Ukraine: New York Times klingt plötzlich wie Sahra Wagenknecht
Die einflussreichste Zeitung der Welt fordert den US-Präsidenten auf, Selenskyj Grenzen aufzuzeigen. Krieg mit Russland sei nicht in Amerikas Interesse.
Das Sturmgeschütz der amerikanischen Liberalen, die New York Times, hat ihre Haltung zum Ukraine-Krieg überraschend geändert. Die wohl einflussreichste Zeitung der Welt veröffentlichte am Freitag einen Kommentar ihres Editorial Boards, in dem vor einer Ausweitung des Krieges gewarnt und nach den Zielen Amerikas in der Ukraine gefragt wurde.
Die New York Times forderte US-Präsident Joe Biden in dem Text dazu auf, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj die Grenzen westlicher Unterstützung aufzuzeigen. Es könne nicht im Interesse Amerikas sein, in einen langwierigen und kostenreichen Krieg mit Russland hineingezogen zu werden. Die Äußerungen des 1896 gegründeten Editorial Board der New York Times sind auch deshalb so bemerkenswert, weil sie traditionell die Haltung der Ostküstenelite in Grundsatzfragen wiedergibt.
Quelle: Berliner Zeitung
Anmerkung unserer Leserin A.D.: Offenbar befürchten die Demokraten ein massives Wahldebakel im Herbst und sehen sich nun genötigt, ein andere Richtung einzuschlagen.
dazu auch: Kriegswidersprüche in Washington
In einer bemerkenswerten Stellungnahme dringt eine der einflussreichsten US-Zeitungen auf Kurskorrekturen des Westens im Ukraine-Krieg – mit potenziell weitreichenden Auswirkungen auf Berlin und Brüssel. Die Vereinigten Staaten dürften nicht in einen lange andauernden, „umfassenden Krieg mit Russland“ gezogen werden, fordert das Editorial Board der New York Times. Das Risiko einer unkontrollierbaren Eskalation sei hoch; auch werde sich die Kriegsbegeisterung in der US-Bevölkerung angesichts anhaltend hoher Inflation und dramatisch gestiegener Energie-, speziell Benzinpreise nicht lange halten lassen. Darüber hinaus zieht der Ukraine-Krieg wichtige Kräfte vom Machtkampf gegen China ab. Die New York Times wendet sich gegen Aussagen wie die Ankündigung der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die USA würden die Ukraine „bis zum Sieg“ unterstützen. Derlei Äußerungen haben auch Politiker in Berlin und Brüssel getätigt – so etwa EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die erklärte, sie wünsche, „dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt“, oder Außenministerin Annalena Baerbock, die erklärte, man wolle „Russland ruinieren“.
Quelle: German Foreign Policy
und: Italien legt Friedensplan für Ukraine vor: Selenskyj betont Bedeutung von Verhandlungen – Bewegung in der Diplomatie?
Rom hat einen Friedensplan erarbeitet, will viele Organisationen einbinden, erstes Ziel: lokale Kampfpausen. Auch Aussagen aus Kiew lassen aufhorchen.
Quelle: Tagesspiegel
- Hexenjagd auf Gerhard Schröder muss aufhören
Meinung Vom hochmoralischen Deutschen Fußball-Bund bis hin zu VW-Aufsichtsrat Stephan Weil: Der Umgang mit Altkanzler Gerhard Schröder wegen seiner Moskau-Kontakte zeigt, dass wir in die hysterischste Phase des Kalten Krieges zurückfallen
Er habe „immer deutsche Interessen vertreten“, sagte Gerhard Schröder kürzlich der New York Times. An anderer Stelle betonte er, sein Ziel sei gewesen, den wachsenden Energiehunger der deutschen und europäischen Wirtschaft zu stillen. Die Rohstoffe dafür lägen in Russland. Deshalb sollten wir seine Jobs in russischen Unternehmen gefälligst für so selbstverständlich halten wie Mandate anderer Ex-Politiker in amerikanischen Firmen. Ein souveränes Land dürfe sich nicht von außen aufnötigen lassen, was es zu tun oder zu lassen habe. Oder, wie Schröder es ausdrückte, als ihn eifernde Journalisten mal wieder auf Linie bringen wollten: „Das ist mein Leben, nicht eures!“ Schröder weicht nicht aus, er druckst nicht herum, sondern macht „klare Ansagen“. Wer das für stur oder unzeitgemäß hält, dem sagt er: „Dann bin ich eben aus der Zeit gefallen.“ Basta.
Ja, er ist aus der Zeit gefallen. Aber wir sind es leider auch. Denn die Hexenjagd, die gegen den „starrsinnigen“ Altkanzler läuft, weil er sich nicht leidenschaftlich genug vom „Reich des Bösen“ distanziert, ist ein untrügliches Zeichen für den Rückfall in die wohl hysterischste Phase des Kalten Krieges.
Quelle: Wolfgang Michal in der Freitag
dazu: Warum Gerhard Schröder nicht abserviert werden sollte
Die New York Times forderte am letzten Freitag Joe Biden dazu auf, dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj Grenzen aufzuzeigen. Der Krieg mit Russland sei nicht in Amerikas Interesse, hieß es außerdem. Ein Sieg der Ukraine um jeden Preis sei nicht realistisch und auch kein Ziel. Selbst in den Vereinigten Staaten scheint jetzt so etwas wie Realismus zurückzukehren. In Deutschland kläfft man noch, die oberste Diplomatin will noch immer nicht mit Putin sprechen und macht klar, dass wir nie wieder Energie aus Russland beziehen werden – sie erteilt der osteuropäischen Weltmacht eine arrogante Generalabfuhr nach der anderen.
Doch wenn die Vordenker aus Washington umschwenken, wird auch eine Annalena Baerbock umdenken müssen – aller moralischer Dünkel zum Trotz. Tut sie das dann nicht, wird sie halt abgezogen: Denn Einflussagent und Einflussagentinnen, die nicht spuren, stellt man schon aus Prinzip politisch kalt.
Und dann bricht die Zeit an, wo man eben doch wieder mit Putin sprechen muss. Auch Deutschland. Es wäre dann geschickt jemanden zu entsenden, der sich in den letzten Monaten nicht ganz so exponiert hat. Jemanden, mit dem auch Putin sprechen kann. Das wäre die Stunde einer Person, die vielleicht gute Beziehungen nach Russland pflegte. Na, wer fiele uns denn für so eine Rolle ein? Stimmt, wir haben da ja noch diese ungeliebten Gerhard Schröder. Das könnte sein Einsatz werden. Wenn er dann noch mitspielen möchte – nach der heiligen Hetzjagd auf seine Person, wäre es nun wirklich nicht verwunderlich, wenn er dann ablehnte.
Quelle: neulandrebellen
- Scholz, der Krieg und die Kampagne gegen Deutschland
Bundeskanzler Olaf Scholz glaubt, dass Kremlchef Wladimir Putin den Krieg in der Ukraine nicht gewinnen wird. Doch was, wenn auch die Ukraine nicht gewinnt? Ist dann Deutschland schuld? […]
Selenskyj und seine medialen Hilfstruppen bezichtigen vor allem Deutschland, zu wenig und zu zögerlich Waffen zu liefern. Damit stricken sie an einer Dolchstoßlegende, derzufolge Scholz und die SPD Schuld sein sollen, wenn es am Ende schief geht und Selenskyj seine Ziele nicht erreicht.
Mit seiner Rede in Davos hat Scholz nun versucht, gegenzusteuern. „Auf Deutschland ist Verlass”, erklärte er. Einen “Diktatfrieden” werde die Bundesregierung nicht akzeptieren. Doch schon die ersten Reaktionen lassen erkennen, dass das nicht reicht. Die Kampagne gegen Deutschland geht weiter.
Scholz ist daran nicht ganz unschuldig – denn er tritt viel zu defensiv auf. Er müsste die Kritik aus Kiew offensiv zurückweisen und auf ein schnelles Ende des Krieges drängen. Zudem wäre es höchste Zeit, den deutschen, europäischen und amerikanischen Einsatz ins richtige Verhältis zu setzen.
Ob die Ukraine überlebt, hängt nicht von ein paar Panzern aus Deutschland ab. Nur die USA, die gerade 40 Milliarden Dollar für Kiew locker gemacht haben, können die Ukraine mit dem Nötigen versorgen.
– Stefan Reinecke in der taz
Seit dem Gipfel in Ramstein haben die USA den Krieg gegen Russland zu ihrem Krieg gemacht. Mit 40 Mrd. Dollar, rund 40 Alliierten und dem “Lend-Lease-Programm” organisieren sie die Bewaffung der Ukraine, mit Geheimdienst-Informationen steuern sie die großen Schlachten.
Auf einen Panzer made in Germany mehr oder weniger kommt es vor diesem Hintergrund schon längst nicht mehr an. Auf den militärischen Beitrag der meisten anderen EU-Länder übrigens auch nicht. Doch das mag in Berlin niemand aussprechen, auch bei der Nato in Brüssel ist es tabu…
Quelle: Lost in Europe
- Der Wirtschaftskrieg geht nach hinten los
Drei Monate dauert der Wirtschaftskrieg der EU und der USA gegen Russland nun schon, 50 Beiträge haben wir in unserem Live-Blog veröffentlicht. Höchste Zeit für eine Zwischenbilanz.
Als alles losging, hieß es in Brüssel, man wolle den Krieg in der Ukraine mit “massiven” Sanktionen beantworten, um den “Preis für Putin” hochzutreiben und den Kremlchef so zu einem schnellen Ende zu bewegen. Damit werde auch der Ukraine geholfen, hieß es. Der Wirtschaftskrieg sollte eine zweite Front aufmachen und Russland isolieren.
Quelle: Lost in Europe
dazu: Die Sanktionen schlagen zurück
Die aktuellen westlichen Russland-Sanktionen drohen die deutsche Wirtschaft in eine „strukturelle Krise“ zu stürzen, werden aber nicht genügen, um Russland zu „ruinieren“ (Annalena Baerbock). Dies ergibt sich aus aktuellen Prognosen und Einschätzungen deutscher Experten. Demnach verschärft nicht nur der Ukraine-Krieg die ohnehin angespannte Lage der deutschen Wirtschaft, die für dieses Jahr allenfalls noch mit einem schwachen Wachstum rechnen kann. Der dramatische Anstieg der Energiepreise, der etwa durch den Umstieg auf teureres Flüssiggas und insbesondere durch die anhaltende Drohung mit einem Öl- und Gasboykott immer weiter forciert wird, belastet die in hohem Maße energieabhängige deutsche Industrie stark. Er könne dazu führen, dass die deutsche Wirtschaft „Kernbranchen verliere“, und „Teile der wirtschaftlichen Struktur“ der Bundesrepublik „zersetzen“, warnen Spezialisten. Die russische Wirtschaft wiederum werde durch die Sanktionen zwar geschwächt, aber nicht, wie in Berlin erwünscht, in den Kollaps getrieben, sagt ein Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) voraus; sie werde „überleben“.
Quelle: German Foreign Policy
dazu auch: Säuseln und Zuckerbrot
Kommandoton gescheitert: Scholz versucht, afrikanische Staaten zu Russland-Sanktionen zu bewegen
Auch die Bundesregierung hält es so, nicht zuletzt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf seiner ersten Reise nach Afrika. Vor allem in Senegal, wo Scholz sich am Sonntag aufhielt, und in Südafrika, wo er an diesem Dienstag Gespräche führt, stand beziehungsweise steht das Thema »Russland isolieren« auf dem Programm. Beide Länder hatten sich, als die UN-Generalversammlung am 2. März über die Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine abstimmte, enthalten. Beide haben Gewicht: Südafrika als bedeutende Regionalmacht, Senegal, weil es dieses Jahr den Vorsitz der Afrikanischen Union (AU) innehat. Und: Beide stehen schon seit Monaten unter erheblichem Druck, sich offen gegen Russland zu positionieren. […]
Nach dem Scheitern der »Diplomatie« im Kommandoton versucht es Scholz nun mit Säuseln und Zuckerbrot. Die »Demokratien« würden »in der Welt zusammenhalten müssen«, warb er am Sonntag in der senegalesischen Hauptstadt Dakar. Gemeint war: zusammenhalten gegen Russland. Zudem hat der Bundeskanzler die Regierungen Senegals und Südafrikas als Sondergäste zum G7-Gipfel Ende Juni in Elmau geladen – neben Indien, Indonesien, das zur Zeit den G20-Vorsitz innehat, und Argentinien. Auch diese drei Staaten lehnen bislang jegliche Beteiligung an den Russland-Sanktionen ab. […]
Das Problem: Die Kriege, die der Westen in den vergangenen Jahrzehnten geführt hat – etwa diejenigen im Irak und in Libyen –, sind auf dem afrikanischen Kontinent unvergessen. Weshalb man nun mit den westlichen Kriegstreibern gegen das Krieg führende Russland vorgehen soll, das leuchtet dort nicht unbedingt ein.
Quelle: junge Welt
- Meine Flucht aus Mariupol nach Russland: Drei Wochen Kreuzfeuer, eine Woche Odyssee
Ukraine-Krieg Wie ich die Schlacht um Mariupol erlebte, warum ich auf die Krim flüchtete – und was ich von manchen westlichen Medien halte […]
Wie derweil im Ausland über all das berichtet wurde, erfuhr ich im Nachhinein von Freunden in Deutschland. Zu dem Geschehen in der Geburtsklinik und im Schauspielhaus, die so oft in den Nachrichten waren, kann ich nichts sagen. Ich weiß davon auch nur aus zweiter Hand. Zwei Dinge will ich aber kommentieren.
Erstens sagten mir meine Freunde nach meiner Ankunft, dass in deutschen Medien genau ab dem Zeitpunkt unserer Flucht – etwa im Spiegel am 22. März – verbreitet wurde, Russland „verschleppe“ systematisch Menschen aus Mariupol. Das hörte ich zum ersten Mal. Ich habe auf meiner Flucht von so etwas keine Spur gesehen und weder Zwang noch Gewalt erlebt. Auch später nachgekommene Nachbarn haben nichts dergleichen berichtet.
Anders als wohl nach Westen können Richtung Osten auch Männer im kampffähigen Alter dem Krieg entkommen und bei ihren Familien bleiben. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass das schneller geht. Aber dass diese Männer so gründlich überprüft werden, finde ich in der gegebenen Lage nachvollziehbar. Unverantwortlich ist es hingegen, daraus solche Horror-Meldungen zu machen. Hat die Stadtverwaltung das tatsächlich so gesagt, wie es behauptet wird? Dann hat sie vielleicht Menschen davon abgebracht, sich in Sicherheit zu bringen. Kurz nach unserer Flucht begannen ja schwere Kämpfe.
Zweitens möchte ich etwas dazu sagen, wie die Kämpfe um Mariupol anscheinend in Ihren Medien dargestellt werden. Sie werden mir glauben, dass ich lieber keine „Militäroperation“ rund um meine Wohnung gehabt hätte. Aber es wurden nicht einfach wahllos Wohnviertel „bombardiert“. Es fanden Kämpfe statt, und wir saßen im Kreuzfeuer. Im Nachbarhaus, das mehrfach getroffen wurde, habe ich Mitte März fünf oder sechs ukrainische Soldaten gesehen. Sie forderten die Bewohner der oberen Stockwerke zum Ausziehen auf und brachten Waffen hoch. Jetzt bekam ich erst recht Angst. Militärisch war das vielleicht sinnvoll, aber so wurde dieses Haus zum Ziel – und seine Umgebung, also wir. Denn die Artillerie, das musste ich im März 2022 lernen, trifft nicht sehr genau.
Quelle: der Freitag
- Terra und Luna – oder wie der Mond die Erde vernichtete
Kann es ein besseres Geschäft auf dieser Welt geben? Man behauptet, man sei ein Computergenie und habe verstanden, dass die von den Staaten ausgegebenen Währungen dieser Welt instabil, inflationsgefährdet und überhaupt vom Aussterben bedroht seien, weil sie auf der einen Seite mit ihren nationalen Begrenzungen viel zu inflexibel seien und auf der anderen Seite zu zentralistisch. Folglich werde man selbst eine Währung in die Welt setzen, die für jedermann verfügbar und jederzeit global einsetzbar sei. Weil es so etwas in Form des Bitcoin schon gibt, dessen wilde Fluktuationen ihn nicht gerade als „Währung“ auszeichnen, behauptet man, eine Krypto-Währung geschaffen zu haben, die einen festen Wechselkurs zum US-Dollar habe.
Der Algorithmus für diese neue Kryptowährung war sicher schnell geschrieben, und schon begannen erstaunlich viele Menschen, ihre hart erarbeitete staatliche Währung gegen die elektronische Verheißung einzutauschen. Das Modell nahm rasch an Fahrt auf – wie das für ein Schneeballsystem nicht ungewöhnlich ist, solange kein Teilnehmer begreift, dass es ein Schneeballsystem ist.
Terra musste die „harte“ Währung heißen, darunter tat man es nicht. Um stabil zum US-Dollar gehalten zu werden, benötigte Terra eine eigene Kryptowährung namens Luna. Denn die Betreiber von Terra dachten mitnichten daran, das Geld, das sie von Anlegern erhielten, in auf US-Dollar lautende Papiere zu stecken, um die Parität von Terra zum US-Dollar abzusichern. Stattdessen – und das war der wirklich geniale Trick – bauten sie folgendes System auf: Wer die Währung Terra mit der 1:1 Fixierung zum US-Dollar bekommen wollte, musste dafür zuerst die Währung Luna erwerben, deren Wert sich nach Angebot und Nachfrage richtete. An ihrem höchsten Punkt, im zweiten Quartal 2022, wurde eine Einheit der Kunstwährung Luna zu über einhundert Dollar gehandelt. Man konnte also für einhundert US-Dollar eine Einheit Luna erwerben und sie in eine Einheit Terra umtauschen, die ihrerseits mit genau einem US-Dollar „abgesichert“ sein sollte.
Was nichts anderes heißt, als dass die Schöpfer für ihr elektronisches Nichts namens Luna zeitweise unglaubliche Gegenwerte in wirklicher Währung bekamen und gleichzeitig behaupteten, niemand gewinne oder verliere etwas, weil der Wert von Terra ja garantiert sei. Man fragt sich, wie blöd ein Mensch sein muss, um dieses „Geschäftsmodell“ nicht zu durchschauen, oder besser: wie geldgierig einerseits und erbost über die Null- bzw. Niedrigzinspolitik westlicher Zentralbanken andererseits, dass er sich auf so groben Unfug einlässt.
Wucher ist nichts dagegen, es ist einfach blanker Betrug, den die Politiker dieser Welt jedoch staunend verfolgen, als handele es sich um eine Naturgewalt zwischen Erde und Mond, der Menschen nichts entgegenzusetzen hätten. Der koreanische Gründer von Terra und Luna, Do Kwon, wird zwar mittlerweile von vielen (hier in der Financial Times) als der meistgehasste Mann Koreas bezeichnet, sitzt aber keineswegs hinter Gittern.
Quelle: Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker auf Relevante Ökonomik
- Die Zeit ist reif für eine Erbschaftssteuer in Höhe von 100 Prozent
Reichtum Deutschland ist eine Steueroase für Erben. Der Ökonom Guy Kirsch hat einen radikalen Gegenvorschlag. Richtig so! […]
In Deutschland werden Arbeit und Konsum steuerlich besonders stark belastet. Wer also schöpferisch tätig ist und sein Geld dann im Wirtschaftskreislauf hält, zahlt für die Gemeinschaft. Erbschaften und Vermögen hingegen werden in kaum einem anderen OECD-Staat steuerlich so sehr verschont wie hier. […]
Wer in eine wohlhabende Familie hineingeboren wird, dem finanziert das Familienvermögen oft das Studium und den Berufseinstieg. Danach folgen Geldgeschenke, mit denen sich ein Haus bauen oder kaufen lässt. […]
Letztlich funktioniert unsere Gesellschaft beim Thema Erben nach der Logik einer Blut-und-Boden-Ideologie mit Klassenrassismus statt Antisemitismus und völkischem Rassismus. Beispielsweise lautet das beliebteste Argument der Erben, die Eltern oder Großeltern hätten für das Geld viel geleistet, mit dem sie den Kindern nun Immobilien oder mehr spendieren. Offenbar bemerken solche Leute nicht, welcher Sozialchauvinismus hier mitschwingt. Bedeutet es doch, dass Professoren, Anwältinnen oder Ärzte angeblich viel „geleistet haben“, Geringverdiener wie Reinigungskräfte, Friseurinnen oder Möbelpacker sich dagegen nicht genug anstrengen, wenn sie nichts zu vererben haben.
Der Ökonom Thomas Piketty plädiert für einen „partizipativen Sozialismus“, dessen Kernstück eine „Grunderbschaft“ für jeden in Höhe von 60 Prozent des durchschnittlichen Nettovermögens wäre, ausbezahlt am 25. Geburtstag und finanziert über Vermögens- und Erbschaftssteuern. Noch konsequenter ist ein Vorschlag, den der Wirtschaftswissenschaftler Guy Kirsch vertritt. Er befürwortet eine Schenkungs- und Erbschaftssteuer von 100 Prozent. Die Einnahmen sollten in einen staatlichen Fonds fließen, aus dem dann jedem ab einem gewissen Alter gleich viel ausbezahlt würde, unabhängig vom Vermögensstand der biologischen Ahnen. Ausnahmen gäbe es dabei weder für Betriebsnachfolgen noch für „der Oma ihr klein’ Häuschen“. Nur persönliche Erinnerungsstücke ließen sich noch vererben.
Quelle: der Freitag
- Lernen aus der Covid-19-Pandemie?! Schlussfolgerungen für das Sozial-, Bildungs- und Erziehungswesen
Schon der erste Lockdown zeigte, dass trotz eines hohen Lebens- und Sozialstandards und entgegen allen Beteuerungen, die Bundesrepublik sei eine klassenlose Gesellschaft mit gesichertem Wohlstand für alle, ein großer Teil der Bevölkerung nicht einmal für wenige Wochen ohne die ungeschmälerten Regeleinkünfte auskommt.
Plötzlich riefen infolgedessen selbst viele Menschen nach dem Staat, die ihn früher »verschlanken« wollten und den Markt als Regulierungsmechanismus vorgezogen hatten. Daraus wurden aber nur insofern Schlussfolgerungen gezogen, als der Staat großflächige »Rettungsschirme« für Unternehmen aufspannte und einzelnen Personengruppen finanzielle Hilfen gewährte. Ebenfalls dringend erforderliche Maßnahmen der Umverteilung von oben nach unten blieben indes aus, obwohl ganz Reiche während der Covid-19-Pandemie noch reicher, die Armen jedoch zahlreicher geworden sind.
Quelle: Blickpunkt WiSo
- Die vom Bundesverfassungsgericht bestätigte „einrichtungsbezogene Impfpflicht“: Ein Lehrstück über löchrige Gesetzgebung und Umsetzungsdurcheinander
Immer dieser Konjunktiv – der hier aber eine ganz eigene und kritikwürdige Bedeutung hat. Denn das Gesetz ist dermaßen löchrig gestrickt worden, dass ein Nicht-Geimpfter je nach Wohnort entweder sofort ohne weiteres Lohneinkommen „freigestellt“ werden kann, in anderen Regionen hingegen signalisierten die Behörden, die eigentlich für die Einhaltung des Gesetzes zuständig sind, dass bei ihnen die Kartoffel nicht so heiß gegessen werde, wie sie gekocht wurde, noch nicht einmal lauwarm, weil man die mehr oder weniger eindeutig beschriebene Konsequenz der Nicht-Impfung vor Ort aussetzen werde. Wie erklärt man den einen, dass sie mit einem Berufsverbot konfrontiert werden (weil sie zufälligerweise in einer Region leben, in der vielleicht die Zahl der Impfverweigerer niedrig und die zuständigen Gesundheitsämter hinsichtlich der Sanktionierung handlungsfähig und -willig sind), während zahlreiche Impfverweigerer in anderen Regionen unseres Landes sogar von „höherer Stelle“ geschützt und damit in ihrer Verweigerungshaltung bestärkt werden? Die wahrscheinlich noch nicht einmal mit einem Bußgeld belangt werden? Eine eben nicht nur fragwürdige, sondern eine die Autorität des Gesetzgebers delegitimierende Umsetzungsheterogenität zeichnet sich vor unseren Augen ab. Und vielleicht sollten die Verantwortlichen mal überschlägig kalkulieren, welche teilweise grotesken Folgen sie vor Ort damit anrichten, wie viele sinnlose Abstimmungsrunden, Planungsgespräche und frustrierende Dauerschleifen bei der Erstellung von Dienstplänen sie produzieren. Wenn aber, wie manche hochrangige Politiker behaupten, alles gar kein wirkliches Problem ist, weil die ganz große Mehrheit der Betroffenen geimpft oder genesen ist, muss man dann einem so besonders scharfen Schwert wie der einrichtungsbezogenen Impfpflicht festhalten und diese – möglicherweise – hinsichtlich der massiven Folgen im Einzelfall auch exekutieren mit erheblichem Aufwand? Könnte man dann nicht entspannt verzichten?
Quelle: Aktuelle Sozialpolitik
dazu auch: Bundesverfassungsgericht: Postfaktischer Wegbereiter des paternalistischen Staates
Mit der Entscheidung, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht rechtens sei, hat das Bundesverfassungsgericht ein weiteres Mal gezeigt, dass die Bürger von ihm keinen Schutz vor einem übergriffigen Staat erwarten dürfen. Der Erste Senat hat sämtliche Argumente, die gegen eine solche Impfpflicht sprechen – fehlender Fremdschutz, Impfnebenwirkungen, niedrige Infektionszahlen – konsequent ignoriert. Betroffene sollten erwägen, das Bundesverfassungsgericht nicht mehr in Sachen Corona anzurufen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht ist eigentlich rasch kommentiert: Zugespitzt würde ein Zitat des seit Wochen viel gefragten ehemaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Immunologie Andreas Radbruch vom 3. April 2022 genügen, um die ins Auge springende Unrichtigkeit des Karlsruher Beschlusses aufzuzeigen: „Wichtig vielleicht noch einmal zu betonen: Auf die Wissenschaft kann sich eine Entscheidung zu irgendeiner Impfpflicht nicht berufen!“ (…)
Es ist eine bittere Erkenntnis, die ein Gefühl von Ohnmacht vermittelt. Und natürlich fällt es schwer, diesen Schritt, die Rücknahme einer Verfassungsbeschwerde, zu gehen. Hat man es erst einmal so weit gebracht, dass der Senat die eigene Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annimmt (was sehr selten geschieht), fällt es schwer, loszulassen. Von der ganzen Arbeit und der Hoffnung, die unweigerlich aufflammt, einmal ganz abgesehen. Ich sage das nicht leichtfertig. Einer meiner für mich bedeutsamsten Momente in meiner Berufslaufbahn war neben der Vereidigung zur Rechtsanwältin das Unterzeichnen meiner ersten – auch erfolgreichen – Verfassungsbeschwerde. Mich schmerzt, dem höchsten Gericht Deutschlands in grundsätzlicher Hinsicht kein Vertrauen mehr entgegenbringen zu können.
Es liegt nunmehr an den Richterinnen und Richtern sowie der Politik, das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Objektivität des Bundesverfassungsgerichts durch geeignete Maßnahmen wieder herzustellen. Das Gegenteil geschieht indes momentan. Und so wirkt es nach alledem geradezu zynisch, dass Harbarth jüngst konstatierte: „Zu jedem Zeitpunkt der Pandemie haben Gerichte – auch das Bundesverfassungsgericht – auf die Achtung der Grundrechte geachtet und den notwendigen Abstand zur Politik gewahrt.“
Quelle: Jessica Hamed in Cicero