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NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Putins Nuklearwarnung ist KEINE leere Drohung
Datum: 2. Mai 2022 um 8:45 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
Verantwortlich: Albrecht Müller
Das meinen altgediente US-Geheimdienstoffiziere und warnen den US-Präsidenten in einem Memo. Thilo Haase hat dieses Memo übersetzt. Laut Ray McGovern ist das wahrscheinlich das wichtigste Memo der VIPS’ seit der Entlarvung von Powells Lügen bei der UN. Im Anschluss an diese am 1. Mai veröffentlichte Warnung (A.) vor den menschenverachtenden Risiken des laufenden Krieges weise ich auf die Titelseite (B.) meiner Regionalzeitung vom 1. Mai hin. Sie ist gespickt mit verharmlosenden und ermunternden Einlassungen zu Waffenlieferungen und zum Krieg. Das ist typisch für viele Produkte unserer Hauptmedien. Deshalb der konkrete Hinweis darauf und der Vergleich mit der Warnung der Geheimdienstveteranen. Deshalb der konkrete Hinweis. Albrecht Müller.
A. Geheimdienst-Veteranen: Atomwaffen können nicht un-erfunden gemacht werden
von Veteran Intelligence Professionals for Sanity* – Veröffentlicht am 1. Mai 2022
(übersetzt von Thilo Haase)
MEMORANDUM FÜR: Den Präsidenten der USA
VON: Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS)
SUBJEKT: Atomwaffen können nicht un-erfunden gemacht werden, deshalb …
VORRANG: SOFORT
REF: Unser Memo vom 20.12.21, “Lassen Sie sich nicht von Russland reinlegen”
1. Mai 2022
Herr Präsident:
Die Mainstream-Medien haben den Verstand der meisten Amerikaner mit einem Hexengebräu aus irreführenden Informationen über die Ukraine – und über die äußerst hohen Einsätze des Krieges – verwirrt. Für den Fall, dass Sie nicht die Art von “unbehandelten” Informationen erhalten, die sich Präsident Truman von der Umstrukturierung der Nachrichtendienste erhoffte, bieten wir Ihnen im Folgenden ein 12-Punkte-Faktenblatt. Einige von uns waren während der kubanischen Raketenkrise Geheimdienstanalysten und sehen in der Ukraine eine direkte Parallele. Was die Glaubwürdigkeit der VIPs betrifft, so spricht unsere Bilanz seit Januar 2003 – ob in Bezug auf Irak, Afghanistan, Syrien oder Russland – für sich selbst.
Schließlich wiederholen wir das Angebot, das wir Ihnen im Dezember letzten Jahres (in dem oben erwähnten VIPS-Memorandum) gemacht haben: “Wir sind bereit, Sie mit objektiven Analysen zu unterstützen, die die Dinge beim Namen nennen”. Wir empfehlen Ihnen, sich von “außen”, d.h. von altgedienten Geheimdienstoffizieren mit jahrzehntelanger Erfahrung im “Inneren”, beraten zu lassen.
Für die Steuerungsgruppe der Veteran Intelligence Professionals for Sanity
*Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPs) setzt sich aus ehemaligen Geheimdienstoffizieren, Diplomaten, Militäroffizieren und Kongressmitarbeitern zusammen. Die 2002 gegründete Organisation gehörte zu den ersten Kritikern der Rechtfertigungen Washingtons für einen Krieg gegen den Irak. VIPS setzt sich für eine US-amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik ein, die auf echten nationalen Interessen beruht und nicht auf erfundenen Bedrohungen, die aus vorwiegend politischen Gründen gefördert werden. Ein Archiv von VIPS-Memoranden ist auf Consortiumnews.com verfügbar.
B. Von „Nie wieder Krieg“ zur Selbstverständlichkeit des Krieges und unserer Beteiligung
Nach dem Ende des fürchterlichen Zweiten Weltkriegs gab es zumindest einen weitgehenden Konsens: Nie wieder Krieg! Dieses Bekenntnis kam auch von Menschen, die mit den Nazis und/oder mit dem deutschen Militär eng verbandelt waren. Der Schock der vielen Toten, der zerstörten Städte und der Millionen Flüchtlinge hatte wenigstens die Folge, dass die Lust auf Kriege und aufs Militär gegen Null geschrumpft war. „Nie wieder Krieg“ war die geläufige Parole. Übrigens: Noch 1980 gab es offensichtlich eine Mehrheit für diese Haltung. So gewann die SPD am 11. Mai die Landtagswahl in NRW mit der absoluten Mehrheit genau mit diesem Bekenntnis: Nie wieder Krieg.
Heute ist das ziemlich vergessen. Wir sind daran gewöhnt worden, dass die Bundeswehr von einer Verteidigungsarmee zu einem Instrument militärischer Interventionen im Ausland auch außerhalb des NATO-Bereiches „umgefummelt“ wurde. Heute parliert man und bekennt sich zu Waffenlieferungen, zum Training von ukrainischen Soldaten durch die USA auf deutschem Boden, zur Panzermunition, die zu den Panzern selbstverständlich gehöre, usw.
Ein Musterbeispiel für diese kriegsfreundliche öffentliche Meinungsmache ist die Frontseite meiner Regionalzeitung von gestern.
Nur links oben eine kleine Meldung zum Fußball, links unten ebenso klein das Wetter und rechts unten eine kleine Anzeige für Brillen hatten nichts mit dem Krieg und unserer Beteiligung zu tun. In allen anderen Artikeln (1) bis (6) wurde die deutsche Beteiligung am Krieg wohlwollend behandelt. In einem großen Hinweis auf der rechten Seite (7) wird auf einen Artikel im Innern des Blattes hingewiesen – mit 8 Tipps dazu, wie man sich vor der hohen Inflation schützen kann. Dass diese Inflation etwas mit der Steigerung der Rüstungsausgaben und mit den allenthalben befürworteten Sanktionen zu tun haben könnte, wird nicht erwähnt.
Im Aufmacher (1) wird berichtet, dass die USA ukrainische Soldaten in Deutschland an Waffen trainieren, vermutlich auch in Grafenwöhr und in Ramstein. Kritisch kommentiert wird dieser Missbrauch deutschen Territoriums durch das US-Militär nicht, obwohl damit die Beteiligung unseres Landes an diesem Krieg um ein weiteres Element gestützt wird.
Im zweiten größeren Artikel (2) wird berichtet, dass Deutschland nicht nur 50 Gepard-Panzer liefert, sondern auch die dazugehörige Panzermunition. „Die Rheinpfalz am Sonntag“ beruft sich dabei auf Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesverteidigungsministerium, Thomas Hitschler (SPD). Er meint, es gehe bei der Lieferung „nicht allein um das Waffensystem oder den Panzer, sondern auch um logistische und weitere Aspekte wie die Frage der Ausbildung“. Übrigens: Thomas Hitschler ist mein Nach–Nachfolger als SPD-Abgeordneter in der Südpfalz. So ändern sich die Zeiten.
Im Kommentar (3) wird mit Bezug auf die Äußerungen des Parlamentarischen Staatssekretärs darauf hingewiesen, dass es sich bei der Lieferung der 50 deutschen Flugabwehrpanzer um die Lieferung einer wichtigen militärischen Fähigkeit handelt, mit der Deutschland die Ukraine ausstattet. In der Einführung zum Kommentar heißt es: „Bei aller auch begründeten Kritik an der deutschen Panzerlieferung an Kiew – Berlin erweist sich am Ende doch als verlässlicher NATO-Alliierter.“ Hier wird also mal wieder mit der Manipulationsmethode „B sagen und A meinen“ gearbeitet: der Kommentator bezieht sich auf die Kritik an Deutschland und an Scholz wegen ihres angeblichen Zögerns bei Waffenlieferungen (Botschaft B) und transportiert damit die Botschaft, Waffenlieferungen seien sinnvoll und gut (Botschaft A). (Siehe dazu auch diesen Beitrag vom 20. April 2022 B sagen und A meinen).
In der Meldung (4) wird berichtet, der Bundesfinanzminister und Vorsitzende der FDP habe sich dafür ausgesprochen, dem ehemaligen Bundeskanzler Schröder die staatliche Unterstützung zu streichen. „Ehemalige Inhaber von Spitzenämtern, die offenbar an der Seite verbrecherischer Regierungen stünden, könnten nicht auf die Unterstützung dieses Staates zählen.“
Im Artikel (5) wird berichtet, dass die Grünen auf ihrem kleinen Parteitag am Samstag in Düsseldorf beschlossen hätten, die Ukraine solle auch „die Unterstützung mit wirksamen, auch schweren und komplexen Waffen“ erhalten. „Auch das Bundeswehr-Sondervermögen von 100 Milliarden wurde mehrheitlich abgesegnet.“
In der sogenannten „Sonntagsrede“, „Wunsch der Woche“ (6) geht es auch ums Thema. Indirekt. Es wird Klarheit verlangt. Der Hinweis zielt offensichtlich auf das Zögern von Bundeskanzler Scholz in Bezug auf die Waffenlieferungen. Da hat er inzwischen die medialen Befehle befolgt und Klarheit geschaffen.
Fazit: Was hier auf einer einzigen Seite einer Zeitung betrieben wird, ist beispielhaft für das, was viele Medien in Deutschland in diesen Tagen tun: Sie verharmlosen Kriege, sie propagieren unsere Beteiligung durch Waffenlieferungen und Ausbildung ukrainischer Soldaten als selbstverständlich. Offensichtlich sollen wir an Kriege gewöhnt werden. Das ist gefährlich, weil damit der Widerstand gegen Kriege systematisch geschliffen wird. Die letzten Umfragen, die von großer Bewunderung für die deutsche Außenministerin Baerbock und ihren Parteifreund und Wirtschaftsminister Habeck zeugen – zum Beispiel hier – deuten darauf hin, wie populär die Befürwortung von Konfrontation inzwischen ist. Wir sind weit weg von einem Konsens über „Nie wieder Krieg“. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Die agierenden Politikerinnen und Politiker müssen auf eine friedensorientierte Volksmeinung keine Rücksicht mehr nehmen.
Gut, dass dann wenigstens ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von US-Geheimdiensten vor dem Krieg warnen. So weit sind wir schon: die Spitzen der Grünen spielen mit dem Krieg, Geheimdienstveteranen warnen davor. Einen kleinen Lichtblick gab es dann am 1. Mai doch noch auch hierzulande: der DGB warnt vor einer neuen Aufrüstungsspirale.
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