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Titel: Entgleisung bei Markus Lanz: „Wir dürfen nicht vergessen, auch wenn Russen europäisch aussehen, dass es keine Europäer sind“

Datum: 14. April 2022 um 9:07 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Medienkritik
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Die Politikwissenschaftlerin Florence Gaub vertrat am Dienstagabend bei Markus Lanz vor einem Millionenpublikum die Auffassung, dass Russen zwar wie Europäer aussähen, sie aber eigentlich gar keine Europäer seien. „Die“ Russen hätten außerdem einen „anderen Bezug“ zur Gewalt und dem Tod. Das Bild vom russischen „Untermenschen“ kommt zum Vorschein, der zwar so aussieht wie wir, aber im Grunde genommen doch „minderwertig“ ist. Was Gaub sich geleistet hat – unwidersprochen von Lanz – muss ein Nachspiel haben. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Florence Gaub hat die „Pole Position“ besetzt. Nicht in der Formel 1, aber dafür in einer anderen Disziplin. Wie kann man „die“ Russen maximal pauschalisierend in ihrem Sein als Menschen abwerten? Gaub hat es gezeigt. Wer sich vor Augen hält, wie massiv seit dem Krieg gegen Russland gehetzt wird, muss zugeben, dass das Erreichen der Pole Positon in dieser Disziplin eine erstaunliche „Leistung“ ist – nur eben keine, auf die Gaub stolz sein darf.

Im Grunde genommen war es zunächst eine Lanz-Sendung wie immer. Ein mehr oder weniger interessantes Geplauder. Neben Gaub saßen die FAZ-Journalistin Helene Bubrowski, die SPD-Politikerin Klara Geywitz und die Bauingenieurin Lamia Messari-Becker in der Runde. Dann in der 45. Minute Gaubs Entgleisung (ab Minute 45:30):

Florence Gaub: Wir dürfen nicht vergessen, auch wenn Russen europäisch aussehen, dass es keine Europäer sind – jetzt im kulturellen Sinne – die einen anderen Bezug zu Gewalt haben, die einen anderen Bezug zu Tod haben.

Markus Lanz: Leidensfähiger sind, oder was meinen Sie?

Naja, (Gestammel) …das gibt da nicht diesen liberalen, postmodernen Zugang zum Leben; das Leben als ein Projekt , was jeder für sich individuell gestaltet, sondern das Leben kann auch mit dem Tod recht früh enden – ich meine Russland hat auch eine relativ niedrige Lebenserwartung , ich glaube 70 für Männer , ähm, das ist halt einfach… da geht man einfach anders damit um, dass da Menschen sterben.

Markus Lanz: Hm.

Florence Gaub: Das ist dramatisch.

Diese Aussagen muss man erstmal sacken lassen.

Gaub ist Vizedirektorin des Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien in Paris. Und sie ist an der Universität Potsdam als Lehrbeauftragte gelistet.

In den nächsten Tagen wird sich vermutlich beobachten lassen, wie Gaub zurückrudert, wie sie selbstverständlich alles nicht so, sondern ganz anders gemeint hat. Man müsse ihre Worte im Gesamtkontext verstehen und, ja, sie hätte anders formulieren sollen. Noch ist jedoch auf Ihrem Twitter-Kanal das Gegenteil von zumindest gespielter Einsicht zu sehen.

Gaub hält erstmal dagegen, wirft die Worte „Bucha, Mariupol, Aleppo“ in den Raum. Und: Sie versteigt sich in Rechtfertigungen, wonach 77 Prozent Russlands in Asien lägen*. Ihr „Punkt“ sei außerdem, dass „Russland auf den Konflikt“ anders schaue als „wir“ (wen auch immer sie damit meint). „Das ist ein Fakt“, tweetet sie.

Gaubs Aussagen ebnen dem Rassismus gegen die Russen weiter den Weg. Sie sind mit einem ganzen Bündel rassistischer Konnotationen aufgeladen. Vor den Augen entsteht das Bild vom „Bolschewiken“, von den russischen „Untermenschen“, die mit ihrer barbarischen Einstellung zu Gewalt und „Tod“ gerade zeigen, wozu sie fähig sind. Die Aussagen erwecken den Eindruck, „die“ Russen würden den Tod ihrer gefallenen Soldaten völlig schmerzbefreit hinnehmen.

Russische Mütter und Väter weinen selbstverständlich „nicht“ um ihre gefallenen Söhne, oder wie, Frau Gaub? Billy Joels Song Leningrad ist wohl an Gaub vorbeigegangen. Schon die Popkultur verrät, dass die Russen im Krieg genauso leiden wie alle anderen Menschen auf dieser Welt auch, dass für sie der Tod auch schmerzlich ist.

Gaub hat sich mit diesen Aussagen als ernstzunehmende Wissenschaftlerin und öffentliche Sprecherin disqualifiziert. In ihrer Position als stellvertretende Direktorin des Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien in Paris ist sie nicht mehr tragbar; auch nicht als Lehrbeauftragte an der Universität Potsdam. Dass Lanz den Aussagen Gaubs nicht widersprochen hat, ist unerträglich.**

* 14.04.2022 10:00 Uhr: An dieser Stelle war zunächst die Zahl 1,77 Prozent angegeben worden.

** In einer früheren Version wurde gesagt, auch die Gäste hätten Gaub nicht widersprochen. Die SPD-Politikerin Klara Geywitz hatte aber Widerworte gefunden.

Titelbild: McCarony


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