Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
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- Thesenpapier-Autorengruppe: Corona: Integration in die Routineversorgung
Exakt zwei Jahre nach dem Beginn ihrer Veröffentlichungen legt die Autorengruppe ihre 6. Adhoc-Stellungnahme zu SARS-CoV-2/CoViD-19 vor. Besonders durch die Eigenschaft der asymptomatischen Übertragung hat die Epidemie den zu erwartenden Verlauf genommen und die einseitig auf containment beruhenden Maßnahmen bedeutungslos werden lassen. Das europäische Ausland hat (mit sehr wenigen Ausnahmen, s.u.) alle Beschränkungen eingestellt und belässt es bei der Kombination von Impfung und sich weiter verstärkender natürlicher Immunität.
Unabhängig von jeglicher politischer Wortwahl spiegelt die weitgehende Unbestimmtheit der Regelungen der Novelle des Infektionsschutzgesetzes vom 18.3.2022 diese Situation wieder und lässt nur die eine Schlussfolgerung zu, nämlich dass die maßgeblichen politischen Kräfte eine Exit-Strategie zu finden versuchen, die ihnen zugleich Gesichtswahrung und Nachvollzug der epidemiologischen Entwicklung ermöglicht.
Der Verzicht auf repräsentative Kohortenstudien und die Verwendung unsystematischer Tages-Stichproben hat dazu geführt, dass spätestens im Rahmen der Ausbreitung der Omikron-Variante von den vom RKI veröffentlichten Zahlen keinerlei Steuerungswirkung mehr ausgeht. Weder gibt es reliable Informationen zu zentralen Inputfaktoren wie der Impfquote oder der Bevölkerungs-bezogenen Immunität1 noch existieren verwertbare Output- und Outcomeparameter (z.B. Schwere der Erkrankung), da es offensichtlich in zwei Jahren nicht möglich war, zentrale Daten wie zur Komorbidität oder teilweise sogar zur Alterszusammensetzung zu integrieren und ein verlässlich arbeitendes Datenmonitoring aufzubauen. Durch die Quarantänisierung großer Bevölkerungsteile kommt es zwar zu erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Einbußen, Daten zur Charakterisierung dieser Personen (z.B. Alter, Impfstatus, Information, Betreuung) liegen jedoch nicht vor. Auch tägliche Angaben zur Sterblichkeit sind nicht verwertbar, weil nach wie vor die klassische infektiologische Differenzierung von durch bzw. mit SARS-CoV-2 verstorbenen Patienten nicht beachtet wird.
Quelle: Matthias Schrappe
dazu auch: Die Freiheit muss nicht begründet werden
Überall in Europa fallen strikte Corona-Maßnahmen. Warum der Vorwurf, die FDP banalisiere die Freiheit, falsch ist – hier antwortet der Bundestagsvize auf Armin Nassehi. […]
Vor allem die Maskenpflicht im öffentlichen Raum sei als einfache Public-Health-Maßnahme beizubehalten, so Nassehi. Ihre weitgehende Abschaffung im Infektionsschutzgesetz sei deshalb unverantwortlich, weil dies in immer noch steigendes Infektionsgeschehen hinein geschehe. Dass Deutschland Rekordinzidenzen von zum Teil 300.000 Infektionen pro Tag verzeichnet, obwohl die Maskenpflicht und andere grundrechtsbeschränkende Maßnahmen immer noch gelten, empfindet er offensichtlich nicht als Widerspruch. Der Wissenschaftler Nassehi fragt nicht, ob Omikron vielleicht ein grundsätzliches Umdenken nötig macht, vielleicht so, wie es unsere europäischen Nachbarn reihenweise getan haben. Vielmehr klagt er diejenigen an, die die europäische Diskussion zum Vorbild nehmen und ein solches Umdenken auf der Grundlage neuer Erkenntnisse fordern.
Ist Deutschland eine Insel?
Klar ist, viele Maßnahmen, die vielleicht noch bei Delta wirksam waren, sind es bei der neueren Variante nicht mehr. Der bloße Nabelblick auf das deutsche Corona-Wesen (oder, wenn es gerade argumentativ passt, auch noch auf das angeblich gescheiterte österreichische) macht deutlich, dass sein etwas billiger Vorwurf der unverantwortlichen Evidenzfreiheit nicht nur die Freien Demokraten trifft. Die Maskenpflicht wurde zum Beispiel ganz oder – wie nun in Deutschland – teilweise abgeschafft in: Belgien, Polen, Dänemark, England, Niederlande, Norwegen – um nur einige zu nennen. Die Frage stellt sich: Ist Deutschland eine Insel, auf der Omikron die Menschen ganz anders befällt, oder haben die europäischen Freunde ebenfalls die freiheitliche Schrumpfvariante des “Ich will” zum obersten politischen Ziel erkoren, wie es Nassehi behauptet?
Quelle: Wolfgang Kubicki auf Zeit Online
und: Geldverschwendung während Corona: Ein Untersuchungsausschuss ist fällig
Die Maskenaffäre der Union, Milliarden Sonderzahlungen an Kliniken und Betrug in Testzentren. Unter den Augen der alten Regierung wurde die Coronapandemie für manche zum Selbstbedienungsladen. Der Journalist Markus Grill fordert deshalb einen Untersuchungsausschuss.
Eine der überraschendsten Erkenntnisse der Coronapandemie war, wie schlecht Deutschland im Organisieren ist. Es fing an mit den Masken, die von CSU-Spezis in bester Amigo-Manier zu überzogenen Preisen und saftigen Provisionen ans Gesundheitsministerium vermittelt worden waren. Danach folgte die Spahn-Aktion „Ein Herz für Apotheker“, bei der Apotheker völlig überhöhte Preise für die Abgabe von FFP2-Masken bekamen. Im Durchschnitt flossen bei dieser Aktion mehr als 100.000 Euro an jede einzelne Apotheke in Deutschland.
Doch kaum war dieser Exzess beendet, durften Hinz- und Kunz Schnelltestzentren eröffnen und 18 Euro pro Test kassieren. Selbst die Abrechnung von Tausenden fiktiver Test war möglich, weil der damalige Gesundheitsminister in seiner Verordnung vergessen hatte, Kontrollmöglichkeiten einzubauen.
Es geht nicht darum, dass Masken oder Test überflüssig wären. Sondern darum, wie großzügig die Einladungen zum Missbrauch ausgesprochen wurden. Die Kliniken wiederum haben im Pandemiejahr 2020 durch diverse Freihaltepauschalen und Extrazahlungen elf Milliarden Euro zusätzlich erhalten, aber 13 Prozent weniger Patienten behandelt.
Quelle: Deutschlandfunk Kultur
- Debatte um Impfpflicht – „Das Risiko-Nutzen-Profil verschiebt sich in eine ungünstige Richtung“
Als Experte im Bundestag hat sich Andreas Radbruch vergangene Woche gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Im Gespräch mit Cicero begründet der Immunologe seine Position und erklärt, warum bei der Immunantwort nicht nur Antikörper eine Rolle spielen und zu häufiges Boostern sogar kontraproduktiv sein kann.
Andreas Radbruch ist wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums. Der ehemalige Präsident der Deutschen Gesellschaft für Immunologie hält eine Professur an der Berliner Charité und ist Past-Präsident der European Federation of Immunological Societies (EFIS).
Herr Radbruch, Sie haben sich im Bundestag gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. Warum?
Die Impfpflicht birgt aus meiner Sicht eine Reihe von Nachteilen. Zum einen bringt das Impfen für den Fremdschutz auf Dauer gar nichts. Es schützt den Geimpften zwar gut vor einem schweren Verlauf, aber eben nur ihn selbst. Es schützt nur kurz davor, infiziert zu werden, und auch die Viruslast Infizierter ist genauso hoch. Wenn sich ein Geimpfter infiziert, versprüht er genauso viele Viren in seine Umgebung wie ein Ungeimpfter.
Außerdem: Wir sprechen über eine Impflücke von maximal 15 Prozent, wahrscheinlich sogar weniger, weil es eine hohe Dunkelziffer an Menschen gibt, die infiziert waren und deren Immunstatus damit mindestens gleichwertig dem der Geimpften ist. Ein regelmäßiges Boostern – das dann ja drohen würde – ist aus meiner Sicht immunologisch nicht förderlich. Mir fehlt in dem Punkt ein bisschen die Kompetenz bei den Leuten, die über die Ausgestaltung der Impfpflicht entscheiden.
Quelle: Cicero
- Westmächte im Ukraine-Krieg: Wir sind nicht alle
Der Ukraine-Krieg ist ein Epochenbruch für die westliche Sicherheitsordnung und wird als globale Herausforderung dargestellt. Der globale Süden teilt diesen Blick nicht.
Johannes Plagemann ist Research Fellow am GIGA Institut für Asienstudien in Hamburg. Dem Eindruck, die ganze Welt würde sich derzeit von Russland abwenden, setzt er entgegen: Im globalen Süden wollen sich viele Staaten und ihre Gesellschaften nicht so einfach entscheiden.
Am 2. März hat eine überwältigende Mehrheit von 141 Staaten in der Generalversammlung der Vereinten Nationen Russland für den Angriff auf die Ukraine verurteilt. Ob auf Twitter, in den Nachrichtensendungen oder auf den Straßen bei den Antikriegsdemos: Im Westen herrscht eine Einigkeit im Umgang mit Russland, die die tiefen Gräben der jüngeren Vergangenheit – von Trump zu Brexit – vergessen macht. In Warschau und Washington, in Tokio und Canberra gilt: Russlands Einmarsch in der Ukraine ist ein Epochenbruch und verlangt nach einer grundlegenden Neuorientierung der internationalen Sicherheitspolitik. Auch traditionell russlandfreundliche Staaten wie Italien und Deutschland stimmen mit ein.
Die vorgebliche Einigkeit in den Vereinten Nationen verdeckt, dass die große Mehrzahl der Staaten im globalen Süden eine ganz andere Wahrnehmung des Konflikts hat. Kleine und mittelgroße Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika teilen zwar ein grundsätzliches Unbehagen gegenüber dem Einmarsch Russlands als Beispiel eines mächtigen Staates, der über die Interessen seines kleineren Nachbarn hinweggeht. Viel stärker wiegt aber die Ablehnung, sich in einen als europäisches Problem wahrgenommenen Konflikt hereinziehen zu lassen. Die westliche Darstellung des Krieges als globale Herausforderung überzeugt nicht, denn im Ringen zwischen den Großmächten der Welt haben kleinere und mittlere Staaten im globalen Süden wenig zu gewinnen und viel zu verlieren. Zumal viele Staaten im globalen Süden konkrete Interessen an gedeihlichen Beziehungen zu Russland haben.
Quelle: Zeit Online
dazu: Die Ukraine aus der Sicht des globalen Südens
Während die westlichen Medien die russische Invasion in der Ukraine einhellig verurteilen und die öffentlichen Reaktionen sowohl in Europa als auch in Nordamerika dem folgen, ist die Berichterstattung in den Ländern des Südens weitaus weniger homogen. In Asien, im Nahen Osten, in Afrika und sogar in Lateinamerika schwanken die öffentlichen Äußerungen und die Meinung der Presse irgendwo zwischen (1) Befangenheit, (2) Sorge über die Auswirkungen des Krieges auf die Wirtschaft und (3) neuer Kritik am Westen. Gehen wir die Analyse anhand dieser drei Punkte durch.
Quelle: Relevante Ökonomik
- Unterschriften gegen Aufrüstungspläne: Nieder mit der Hochrüstung
Zehntausende haben einen Appell gegen die Hochrüstungspläne unterschrieben. Der Krieg sollte nicht innenpolitisch instrumentalisiert werden. […]
Seit dem Nato-Gipfel 2014 in Wales steigen die Militärausgaben der Bündnisstaaten wieder deutlich. In Deutschland wuchs der Verteidigungsetat kontinuierlich von 32,44 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf 46,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr an – wobei die tatsächlichen Militärausgaben noch höher waren, da sie sich auch noch in anderen Haushaltsposten verstecken. Wenn Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Mittwoch im Bundestag behauptet, „viel zu lange“ sei „gespart und gekürzt worden“, ist das schlicht unwahr.
Schon vor der jetzt angekündigten massiven Steigerung des Wehretats gab Deutschland mehr Geld für das Militär aus als die Atommacht Frankreich. Es ist absurd zu glauben, mit einer solchen Summe sei es nicht möglich, die Bundeswehr angemessen auszustatten. Das große Problem: Es ist der Normalfall, dass Rüstungsprojekte den ursprünglichen Plänen weit hinterherhinken, sich um das Zigfache verteuern und das schließlich gelieferte Material nur begrenzt einsatzfähig ist.
Quelle: taz
Anmerkung unseres Lesers J.A.: Zum Glück mal eine andere Stimme in der taz, die nicht zu Aufrüstung oder gar Beteiligung am Krieg in der Ukraine aufruft.
dazu: Demnächst wird wieder über Kriegskredite abgestimmt – Eine Zerreißprobe für die SPD?
Bei vielen SPD-Mitgliedern schlug das wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein, als Bundeskanzler Scholz am Sonntag dem 27.02 2022 im Bundestag eine Zeitenwende verkündete.
Damit meinte er eher eine politische 180-Grad-Wende: Deutschland will nun Waffen an die Ukraine liefern und unterstützt harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Vor allem aber will Olaf Scholz ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung bilden, das im Grundgesetz verankert werden soll und wie schon lange von den USA gefordert, dauerhafte Rüstungsausgaben von über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts pro Jahr bereitstellen.
Besonders die älteren SPD-Mitglieder, das sind vielfach Menschen, die noch die Parteischulungen engagiert mitgemacht haben und die Parteigeschichte aus dem Effeff aufsagen können, wollten es nicht wahrhaben, was sie hörten. Hatten sie doch sofort Kaiser Wilhelm vor Augen, der bei Kriegsbeginn 1914 keine Parteien mehr kannte, sondern nur noch Deutsche und erinnerten sich an den mutigen Karl Liebknecht, der als SPD-Reichstagsabgeordneter gegen die Kriegskredite stimmte und dafür in seinem weiteren kurzen Leben schlimm büßen musste.
So waren es auch die älteren Parteimitglieder, die sich als erste gegen das Vorhaben der Turbohochrüstung aussprachen. […]
Demnächst wird wieder über Kriegskredite abgestimmt
Das aktuell geplante Rüstungspaket wird wohl ohne Probleme den Bundestag passieren. Auch im Bundesrat ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit sicher, da die vier Regierungsbeteiligungen der Linken für eine Sperrminorität nicht reichen. Das Vorhaben der Ampelkoalition, die gigantische Aufrüstung sogar im Grundgesetz zu verankern, ist mit dem neuen Burgfrieden ohne Probleme möglich, eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat für eine Änderung des Grundgesetzes gilt als sicher…
Quelle: Gewrkschaftsforum
- Wer Frieden will, muss Frieden vorbereiten
Ist es unser Ziel, dass dieser Krieg nicht nur der letzte auf europäischem Territorium ist, sondern dass wir allem Krieg den Krieg ansagen? Und wie fokussiert sich die Menschheit wieder auf das Einigende: Das gemeinsame Überleben, die Vermeidung des nuklearen Holocaust, den Kampf gegen den Klimawandel und den Kampf gegen die weltweit zunehmende soziale Ungleichheit?
Das sind Fragen, die angesichts der täglichen Nachrichten aus der Ukraine eine ganz neue Dringlichkeit erfahren.
Deshalb muss man die Frage stellen, was die westliche Sanktionspolitik, die Russland nun zum am meisten bestraften Land der Welt macht, zum Ziel hat. Um Abschreckung geht es nicht, wie der US-Präsident klarstellte. Das Kind war bereits in den Brunnen gefallen.
Also geht es um Strafe, genauer gesagt, um eine Strafe, die total ist: Alles, was auf den Weg gebracht wurde, dient der Veränderung der politischen und ökonomischen Machtverhältnisse in Russland. Es geht also um Regime Change. Der alte Biden war nicht der Erste, der sich in Polen verplapperte. Er hat seine Äußerung später dementiert und dann wieder bestätigt. Inzwischen lässt sich das westliche Politikziel auch in der Tagespresse nachlesen. Denn das ist der Vorteil des Medienrummels – einer oder eine ist immer wichtigtuerisch genug, um die Katze aus dem Sack zu lassen. „Das wird Russland ruinieren“ trompetete die deutsche Außenministerin schon im Februar.
Das alles entschuldigt nichts. Wer den Krieg wählt, stellt sich gegen das Recht der Vereinten Nationen.
Es erklärt jedoch, warum nicht die ganze Welt Russlands Aggression verurteilt und der westlichen Sanktionspolitik folgt. In allen Debatten im Sicherheitsrat, aber auch in der Abstimmung in der UN-Vollversammlung zeigte sich, dass wichtige Staaten nicht bereit sind, Moskau alleine den Schwarzen Peter zuzuschieben, sondern mit weit größerer Differenziertheit die Lage beurteilen, als wir das zu tun pflegen. Diese Staaten wollen nicht länger unter der Geisel des Ost-West-Konfliktes leiden. Sie sehen in der westlichen Empörung über die russische Aggression auch die Heuchelei all jener, die bisher vor keinem Krieg zurückschreckten. Und sie erleben eine USA, mit einem gebrechlichen Präsidenten, der wieder und wieder Öl ins Feuer gießt, ohne das klar ist, ob er auch meint, was er sagt.
Die unipolare Welt mit einer einzigen Führungsmacht geht zu Ende, ohne dass feststünde, wie sich die Welt künftig ordnen wird. Mit einer Ausnahme: die aktuelle russische Führung hat die bisherige Politik aufgegeben, zum Westen dazugehören zu wollen.
Quelle: Petra Erler
- Der Preis des “Freiheitsgases”
Als vor drei Jahren Donald Trumps Energieminister Rick Perry nach Brüssel reiste, um den Europäern das US-Erdgas als “Freedom Gas” anzubieten, wurde er verlacht. Nur Polen zeigte damals Interesse. Wer zuletzt lacht: Am vergangenen Freitag schloss die EU ein Abkommen, das die US-Flüssiggasimporte der Gemeinschaft verdreifachen soll. Noch in diesem Jahr wollen die US-Amerikaner zusätzlich 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas schicken. Das wären 70 Prozent mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Langfristig sollen es 50 Milliarden Kubikmeter jährlich werden. Das könnte rund ein Drittel der Gaslieferungen, die bisher aus Russland in die EU kommen, ersetzen. […]
Fracking hat aus den USA über die vergangenen Jahrzehnte den größten Erdölproduzenten vor Saudi-Arabien und Russland und auch die Nummer eins beim Erdgas gemacht. So erfolgreich waren Mitchell und seine Nachfolger, dass der Preis für Erdgas in den USA praktisch zusammenbrach. Während sich die heimische Industrie – vor allem die Chemiebranche – über den Standortvorteil freute, setzten sich die Öl- und Gasproduzenten in Washington für eine Aufhebung des Exportverbots ein, um neue Absatzmärkte und bessere Preise zu erschließen.
Sie fanden einen unverhofften Verbündeten in Barack Obama. Er hatte seine Amtszeit nach der Finanzkrise 2008 begonnen und die US-Wirtschaft erlebte die Great Recession. Millionen Arbeitsplätze waren vernichtet worden. Eine Branche jedoch suchte händeringend Personal: die Fracker. Statt der im Wahlkampf angekündigten grünen Wende erklärte Obama bald die all-of-the-above-Doktrin für seine Energiepolitik. Alle Energiequellen sollten gleichermaßen gefördert werden. […]
Nicht alle Texaner hat die jüngste Liefervereinbarung mit den Europäern in Jubel über neue Geschäfte und Arbeitsplätze versetzt. Umweltschützer, die seit Jahren gegen die Verschmutzung ihrer Region kämpfen, haben sich in einem offenen Brief an Präsident Biden gewandt. Seine Regierung solle ihre Heimat nicht zerstören, um Erdgas nach Europa zu liefern. Der jüngste Plan sei nicht nur gefährlich, sondern auch taub gegenüber der klaren Opposition der Bewohner des Rio Grande Valley von Süd Texas und der Ureinwohner dort, die seit Jahren den Ausbau der Frackingoperationen verhindern wollen, erklärte Emma Guevara, eine Aktivistin des Sierra Clubs. “Wir wollen nicht für fossile Brennstoffe geopfert werden.” Auch das amerikanische “Freiheitsgas” hat einen Preis, den Menschen mit ihrer Gesundheit und ihrer Umwelt zahlen.
Quelle: Zeit Online
dazu: Der Erdgaspoker der EU
EU lehnt Bezahlung russischen Erdgases in Rubel ab und droht damit einen Lieferstopp auszulösen. Wirtschaft warnt vor massiven Einbrüchen; Versorgung der Bevölkerung ist ungewiss.
Berlin/Moskau (Eigener Bericht) – Mit der Ankündigung der EU, russisches Erdgas nicht in Rubel zu bezahlen, droht schon in wenigen Tagen das Ende von Erdgaslieferungen aus Russland. Die G7-Staaten hatten bereits am Montag mitgeteilt, westliche Unternehmen müssten Erdgas weiter in Euro oder in US-Dollar kaufen. Die EU schließt sich dem jetzt an. Weil Russlands Präsident Wladimir Putin erklärt hat, Moskau könne Euro und US-Dollar sanktionsbedingt nicht mehr wie gehabt nutzen und werde daher nur noch Rubel annehmen, droht nun die Einstellung der russischen Lieferungen. Die deutsche Wirtschaft ist alarmiert; Konzerne wie BASF schließen nicht aus, den Betrieb sogar an riesigen Standorten einstellen zu müssen; Gewerkschaften warnen vor einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit…
„Keine Bezahlung – kein Gas“
(…) Für den morgigen Donnerstag wird jetzt erwartet, dass Gazprom, die russische Zentralbank sowie die russische Regierung Präsident Putin die Modalitäten für die Zahlung in Rubel vorlegen; diese werden dann mutmaßlich den westlichen Erdgaskäufern mitgeteilt. Lassen diese sich, wie von Berlin und Brüssel gewünscht, nicht darauf ein, könnte umgehend ein Lieferstopp folgen. „Keine Bezahlung – kein Gas“, hatte Putins Sprecher Dmitrij Peskow am Montag erklärt…
Quelle: German Foreign Policy
und: Die große Illusion: Ohne Putins Gas wird es kalt in Deutschland
Flüssiggas aus den USA ist vorerst eine Fata Morgana. Deutschland ist besonders unvorbereitet, was Alternativen zu russischem Gas betrifft. […]
Putin habe in einem Telefonat am Mittwoch zwar gesagt, das Gaslieferungen ab dem 1. April in Rubel zu begleichen seien, erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. „Zugleich betonte er in dem Gespräch, dass sich für die europäischen Vertragspartner nichts ändern werde.“ Die Zahlungen sollen demnach weiterhin ausschließlich in Euro an die Gazprom-Bank überwiesen werden, die nicht von Sanktionen betroffen sei. „Die Bank konvertiere dann das Geld in Rubel“, zitierte Hebestreit den russischen Staatschef.
Scholz habe dem nun von Putin erläuterten Verfahren allerdings noch nicht zugestimmt, sagte der Sprecher. Scholz habe „um schriftliche Informationen gebeten, um das Verfahren genauer zu verstehen“.
In der Praxis haben die EU und vor allem Deutschland keine Alternativen, als sich irgendwie mit dem Kreml zu einigen. Ein Abdrehen des Gashahns würde umgehend zu Rationierungen der Energie führen. Alternative Einkäufe sind nicht möglich, denn es gibt weltweit nicht genug Flüssiggas (LNG) auf dem Markt. So ist laut Bloomberg die Zahl leerer LNG-Tanker aus Katar auf den höchsten Stand seit fast einem Jahr gestiegen. Der Grund: Katar produziert aus welchen Gründen auch immer aktuell weniger LNG. 21 Schiffe liegen ohne Ladung vor der Küste von Katar und warten auf Fracht, die sie nach Asien bringen sollen. Das bedeutet: Verzögerungen werden sich auch auf Lieferungen nach Europa auswirken.
Quelle: Berliner Zeitung
- EU-Beitritt der Ukraine wäre gleichbedeutend mit einer NATO-Mitgliedschaft
Ein EU-Beitritt der Ukraine hätte weitreichende Folgen – auch militärische. (…)
Die EU-Mitgliedschaft ist jedoch inzwischen – seit Ende 2007, seit der Einigung über den Lissabon-Vertrag – in Wahrheit ein funktionales Äquivalent für eine NATO-Mitgliedschaft. (…)
Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, dürfte das gewusst haben. Und wenn nicht er, dann seine Berater. Er hat am 28. Februar, vier Tage nach Beginn des russischen Angriffskriegs, nicht nur prinzipiell die Aufnahme in die EU verlangt, sondern die sofortige Integration in einem extra dafür einzurichtenden Ausnahmeverfahren: „Wir fordern von der Europäischen Union den sofortigen Beitritt der Ukraine über ein neues Sonderverfahren.“ Im Erfolgsfall hätte das bewirkt, dass die EU-Staaten damit beistandspflichtig und Kriegsparteien geworden wären. Es wäre zu einer Ausweitung des Krieges gekommen, als hätte man in der NATO dem Verlangen aus Kiew nach einer Flugverbotszone über ukrainischem Territorium entsprochen.
Ziel solcher Forderungen für die ukrainische Regierung ist es, in der jetzigen Situation jenen militärischen Beistand zu erreichen, der 2008 auf dem NATO-Gipfel in Bukarest in Aussicht stand, aber bis auf Weiteres aufgeschoben wurde. Selenskyjs kommunikative Strategie besteht darin, dies nicht explizit zu artikulieren, sondern hinter unproblematisch und legitim erscheinenden Bitten zu verbergen. In den militärpolitisch unterbelichteten Öffentlichkeiten der EU wird das breit diskutiert, mit ethischer und moralischer Grundierung, ohne sich des bündnispolitischen Rattenschwanzes gewahr zu sein.
Quelle: Jochen Luhmann in der Freitag
Anmerkung Christian Reimann: Der ukrainische Präsident ist also alles andere als ein Held unserer Zeit. Bitte lesen Sie dazu auch Wie bastele ich einen Helden. Eine Anleitung für Profis und Amateure.
dazu: Ukraine und der Westen: Die Geo-Ökonomie der Geo-Politik
Der Ukraine-Krieg wirft die Frage nach den geopolitischen Konsequenzen einer De-Karbonisierung des globalen Kapitalismus auf. Entscheidend werden die sich ändernden Gewichte zwischen Industrie- und Ressourcenstaaten sein.
Wenn, wie pointiert kommentiert wurde, der russische Überfall auf die Ukraine für den Westen einen ‚Putin-Schock‘ darstellt, dann gehört zum Schockhaften des Geschehens, dass der Krieg jenen Referenzrahmen fundamental zu verletzten scheint, innerhalb dessen in Westeuropa, besonders aber in Deutschland, Politik bislang vornehmlich verstanden wurde. Folgerichtig nimmt eine prominente Lesart des Geschehens schlicht an, dass Putin – den wir zwar als einen vor Gewalt nicht zurückschreckenden, dabei ja aber immer kühl-kalkulierenden Machtpolitiker kennengelernt haben – über Nacht irgendwie wahnsinnig geworden ist, und dass sich in einem hoch personalistischen politischen System keiner mehr traut, to speak truth to power, (parrhesia, παρῥησία), so dass sich sein persönlicher Wahn in all‘ seinen für die Welt katastrophalen Konsequenzen unkontrolliert und unkritisiert Bahn brechen kann.
Die vornehmliche Antwort des Westens, nämlich die der wirtschaftlichen Sanktion, des Embargos, zeigt dabei an, welchen hegemonialen Referenzrahmen politischer Vernunft der Krieg aus seiner Sicht zu verletzen scheint: nämlich den einer wirtschaftlichen Entwicklung, die allgemeinen Wohlstand innerhalb eines liberalen Gesellschaftsmodells verspricht.
Quelle: Makroskop
dazu auch: Pfeifen im dunklen Walde
Die westlichen Medien haben ein eindeutiges Narrativ der „Zeitenwende“. Putins Russland hat seine Ziele nicht erreicht, diese Annahme geht von einem Blitzkrieg aus. Und von dem Ziel, die Ukraine besetzen zu wollen. Der Autor des folgenden Textes vertritt nicht nur in dieser Frage eine andere Ansicht. Er analysiert die Situation des Krieges und der Wirtschaft beider Seiten sowie die Interessen der verschiedenen Beteiligten. Trotz der aktuellen Bedrängungen Russlands sieht er Putin mittel- und langfristig in einer besseren Position als den Westen. […]
Putin hat am 24. Februar 2022 eine Grundsatzentscheidung getroffen, wohl kaum ohne vorherige Rückversicherung bei China. Diese Entscheidung bedeutet einen völligen Bruch mit dem Westen und die Aufgabe des Westens als wichtigen Wirtschaftspartner Russlands. Dessen war sich Putin völlig bewusst und auch der nervösere Dunstkreis um ihn war sich dessen bewusst. Ob das westlichen Geheimdiensten und westlichen Regierungschefs wirklich bewusst ist, bleibt auch einen Monat später unklar. Misst man die Sache an den Reaktionen westlicher Regierungen, dann haben sie es nicht begriffen und üben sich noch in schwerer Verdrängung.
Ich möchte das an einem Beispiel erläutern. Wenn der Westen keine erheblichen Zugeständnisse macht, steht der Stopp russischer Energielieferungen ins Haus, bevor Europa diesen wirtschaftlich abfangen kann. Das folgt einfach daraus, dass dieser Stopp im Westen erheblich mehr Schaden anrichten würde, selbst dann, wenn Russland nicht bereits fortgeschrittene Planungen für den Absatz freiwerdender Kapazitäten haben sollte. Putin sucht nur nach einem Weg, die Schuld für den Abbruch der Lieferungen dem Westen zuzuschieben. Nun entfaltet der Westen schon fieberhafte Aktivitäten, um den Ausfall russischer Lieferungen so weit wie möglich auszugleichen. So weit wie möglich ist aber nicht sehr weit. Es wirkt so, als ob den Politikern der Ernst der Lage nicht bewusst wäre. Anderenfalls würde die Frage der Energiesicherheit jetzt viel radikaler und ohne jegliche ideologische Rücksicht aus der Zeit von vor dem 24. Februar angegangen. Stattdessen kann man Regierung und Parlament bei „business as usual“ beobachten. Man könnte denken, nur die Ukraine befände sich in einem Krieg mit Russland und nicht der gesamte Westen in einem hybriden Krieg mit Russland. Wer das denkt, liegt falsch.
Quelle: Hintergrund
Anmerkung Marco Wenzel: Interessante Gedanken und Analysen, die nicht von der Hand zu weisen sind. Lesenswert.
- Infokrieg: Das zerstörte Theater in Mariupol als Beispiel
Sieht man sich die Berichterstattung über das Theater näher an, das als Beispiel für russische Kriegsverbrechen gilt, stößt man auf verwirrende, auch widersprüchliche Meldungen von Quellen, die nicht unbedingt glaubwürdig sind.
Am 16. März wurde von ukrainischer Seite berichtet, dass in der eingekesselten Stadt Mariupol ein Theater vom russischen Militär bombardiert wurden, in dessen Keller bis zu 1500 Menschen Zuflucht gesucht hätten und die nun verschüttet wären. Nach einem HRW-Bericht vom selben Tag, seien es 500-700 Menschen gewesen. Das hätten Menschen erzählt, die am Tag zuvor aus Mariupol flüchten konnten. Nach der Stadtverwaltung sollen es Frauen und Kinder gewesen sein. Es wurden Bilde von dem noch intakten Theater gezeigt, vor und hinter dem „Kinder“ groß auf den Platz geschrieben wurde, es gab Bilder, u.a. von Asow, von dem zerstörten Gebäude. Präsident Selenskij erklärte am 17. März , russische Flugzeuge hätten eine „riesige Bombe“ auf das Theater absichtlich fallen lassen, in dem sich Hunderte aufgehalten haben. Über die Zahl der Toten gebe es noch keine Erkenntnis.
Das russische Militär sagte, es seien zu dieser Zeit keine Bodenziele in Mariupol angegriffen worden. Man machte vielmehr die Asow-Einheiten dafür verantwortlich, die das Theater mit Panzern beschossen hätten, um das den Russen in die Schuhe zu schieben. Nach ukrainischen Berichten wird Mariupol vom Asow-Regiment verteidigt, das dort seit 2014 ihr Hauptquartier hat. Es habe sich um ein Asow-Quartier gehandelt, in dem in den Kellern Geiseln gehalten werden konnten. Tatsächlich wurde dem russischen Militär ganz schnell vorgeworfen, ein Kriegsverbrechen begangen zu haben, weil sie trotz des Wissens, dass unter dem Theater Menschen Schutz gesucht haben, das Gebäude bombardierten. Ob sich zu dieser Zeit Soldaten im oder am Gebäude oder Artilleriesysteme o.ä. in der Nähe gewesen sind, ist unbekannt bzw. wird nicht mitgeteilt.
Quelle: Krass & Konkret
- Saarland: Fast ein Viertel der Stimmen nutzlos
Wahl lässt Debatte über Reform des Wahlrechts wieder aufflammen: Fünf-Prozent-Hürde soll auf den Prüfstand
Grundsätzliche Kritik am Wahlausgang äußerte der Verein “Mehr Demokratie” am Montag. Denn mit 22,3 Prozent blieb fast jede vierte abgegebene Stimme wirkungslos, weil die gewählten Parteien die 5-Prozent-Hürde nicht überspringen konnten. (…)
“Ein Parlament, in dem nur noch drei Parteien sitzen, wird der politischen Vielfalt nicht gerecht”, sagte Ralf-Uwe Beck, Vorstandssprecher des Vereins “Mehr Demokratie”. Der Wille der Wähler werde hier nicht mehr richtig abgebildet. Im Saarland sei ein großer Teil der Wähler gar nicht im Parlament repräsentiert, weshalb die 5-Prozent-Hürde dringend auf den Prüfstand gehöre. Eine solche Hürde dürfe “nicht zu parteipolitischen Monokulturen führen”.
Neben einer Absenkung der Sperrklausel auf drei Prozent abzusenken, schlägt der Verein vor, eine sogenannte Ersatzstimme einzuführen. Für den Fall, dass die bevorzugte Partei an der Sperrklausel scheitert, käme die abgegebene Stimme einer als Ersatz angegebenen Partei zugute. “Eine Ersatzstimme sorgt dafür, dass keine Stimme verloren geht und hilft, taktisches Wählen zu verhindern”, erläuterte Beck.
Der Vorschlag einer Ersatzstimme wird unter Politikwissenschaftlern schon mehr als 30 Jahre diskutiert – ohne Erfolg. Weil sie das Wahlsystem komplexer mache, als es ohnehin schon ist, wird der Vorschlag in der Staatsrechtslehre immer wieder abgebürstet, hieß es vor einigen Jahren in der Zeitschrift für Parlamentsfragen. Doch die Kritik überzeuge nicht.
Eine Sprecherin von “Mehr Demokratie” wies auf Nachfrage von Telepolis darauf hin, dass ein Wahlsystem mit Ersatzstimme nicht viel komplizierter als das Aktuelle wäre. Solche Wahlsysteme würden zum Beispiel in Australien und Neuseeland angewandt oder bei den Bürgermeisterwahlen in London.
Quelle: Telepolis
- Daağdelen teilt gegen Lafontaine-Kritiker aus
Nach der Landtagswahl im Saarland übt die Linke-Bundestagsabgeordnete in einem Facebook-Beitrag scharfe Kritik an Teilen ihrer Partei
Nach dem Debakel bei der Landtagswahl im Saarland hat die Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Daağdelen in den sozialen Netzwerken scharfe Kritik an Teilen ihrer Partei geübt. Nachdem Die Linke bei der Wahl am Sonntag nur 2,6 Prozent der Stimmen erhalten hatte und sogar aus dem Parlament geflogen war, nahm Daağdelen den erst kurz zuvor ausgetretenen Oskar Lafontaine gegen Vorwürfe aus den eigenen Reihen in Schutz und teilte dafür umso mehr gegen dessen Kritiker*innen aus. »Nicht diejenigen haben Recht, die über Jahre auf die Ausgrenzung und Marginalisierung von Oskar Lafontaine hingearbeitet haben, weil sie die Partei zu einer woken, identitätspolitischen Partei ummodeln wollen«, schrieb sie bei Facebook. […]
Sevim Daağdelen hingegen kritisiert, bisherige friedenspolitische Gewissheiten der Linken würden zunehmend in Frage gestellt. »Gebraucht wird eine linke Kraft, die entschieden und unbeirrt Kurs auf Völkerrecht, Entspannung und Diplomatie in der Außenpolitik hält«, anstatt »das Fähnchen in den Wind« zu hängen und »einer Vergrößerung der Nato sowie Waffenlieferungen in Kriegsgebiete« das Wort zu reden, schreibt die Abgeordnete. Und weiter: »Wer mit Blick auf den Erfurter Parteitag im Sommer meint, jetzt alle Kraft in das Schleifen außen- und friedenspolitischer Maxime stecken zu müssen«, gebe bereits die nächsten Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Mai verloren…
De Masi zweifelt an Neufanfang
Ganz anders äußerte sich Fabio De Masi. »Eine rationale Linke, die im weitesten Sinne sozialdemokratische Konzepte für Wirtschaft, Umwelt/Energiepolitik und Außenpolitik auf der Höhe der Zeit verkörpert, wäre trotz der öffentlichen Abgesänge und der Krisen des modernen Finanzkapitalismus nötiger denn je«, schrieb der Ex-Europa-Abgeordnete bei Facebook. Zugleich zeigte er sich skeptisch, ob ein Neuanfang überhaupt noch gelingen könne.
Quelle: nd
dazu: Kollektives Harakiri der Partei “Die Linke”
Kaum zu glauben, aber die Führung der Partei “Die Linke” hat ganz offensichtlich beschlossen, die Partei abzuschaffen, meint Rainer Rupp. Er beklagt unter anderem, dass die Parteispitze sich inzwischen an Aufrufen zum Regime-Change in Russland beteiligt.
Objektiv betrachtet hinterlassen die Initiativen des linken Spitzenpersonals genau diesen Eindruck der gemeinsamen Harakiris, wenn auch die individuellen Polit-Schauspieler der Partei aus Dummheit, aus maßloser Selbstüberschätzung oder aus einer Kombination von beiden nicht wissen, was sie tun. Laut dem christlichen Jesus heißt es zwar: “Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelsreich”, aber dies kann hier auf Erden ihren gewissenlosen Verrat an den Grundprinzipien der einst linken Partei nicht entschuldigen.
Vor allen anderen Motiven scheint der allseits zu beobachtende, krankhafte Realitätsverlust des linken Führungspersonals von dem kriecherischen Bedürfnis getrieben zu sein, endlich in dieser Gesellschaft und an deren Futtertrögen anzukommen. Es geht ihnen offensichtlich nicht mehr darum, diese Gesellschaft zu verändern, deren Geist von Psy-Op-Experten und Mainstreammedien im Sinne der Unwertegemeinschaft der herrschenden US/NATO-Eliten vernebelt ist. Nicht anders lässt sich die jüngste Häufung wirklichkeitsfremder Erklärungen linker Spitzenpolitiker und deren Unfähigkeit zu einer nüchternen, materialistischen Analyse erklären.
Quelle: RT DE