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Titel: Hinweise des Tages (2)

Datum: 4. Februar 2011 um 16:49 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Heute unter anderem zu folgenden Themen: Volksaufstand in Ägypten; EU-Wirtschaftsregierung; „Der Kapitalismus verzehrt unsere Werte“; Die böse Hexe und die Inflation; Kaufkraft statt Billiglohn; Spain’s unemployed rush to fill jobs in Germany; Auf Kosten des Sozialstaates; Preise für viele Rohstoffe steigen und steigen; Nach der Flutkatastrophe: Helfer warnen vor Hungersnot in Pakistan; Zerstört die Mohnfelder!; Fast 40 Jahre lang rechtswidrig überwacht; Demo-Verbot beim G8-Gipfel in Heiligendamm war rechtswidrig; Castor-Einsatz: Ermittlungen gegen französische Elite-Polizisten; Laufen Merkel die Berater weg?; Amerikas rechte Meinungsmaschine; Und nun weiter im Programm; 1. Kölner Blogger Kongress; Zu guter Letzt: Alfred Dorfer, „Die Unfreiheit entsteht bei uns nicht durchs Verbot – sondern durchs Angebot“ (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Volksaufstand in Ägypten
  2. EU-Wirtschaftsregierung
  3. „Der Kapitalismus verzehrt unsere Werte“
  4. Die böse Hexe und die Inflation
  5. Kaufkraft statt Billiglohn
  6. Spain’s unemployed rush to fill jobs in Germany
  7. Auf Kosten des Sozialstaates
  8. Preise für viele Rohstoffe steigen und steigen
  9. Nach der Flutkatastrophe: Helfer warnen vor Hungersnot in Pakistan
  10. Zerstört die Mohnfelder!
  11. Fast 40 Jahre lang rechtswidrig überwacht
  12. Demo-Verbot beim G8-Gipfel in Heiligendamm war rechtswidrig
  13. Castor-Einsatz: Ermittlungen gegen französische Elite-Polizisten
  14. Laufen Merkel die Berater weg?
  15. Amerikas rechte Meinungsmaschine
  16. Und nun weiter im Programm
  17. 1. Kölner Blogger Kongress
  18. Zu guter Letzt: Alfred Dorfer, „Die Unfreiheit entsteht bei uns nicht durchs Verbot – sondern durchs Angebot“

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Volksaufstand in Ägypten
    1. Robert Misik – Nichts ist ohne Risiko, die Zukunft schon gar nicht
      Gebannt verfolgt die Welt den Umbruch in Ägypten – und auch angstvoll. Was kommt danach, wird schon gefragt. Die Zukunft ist ein Risiko, und hätten nicht auch wir es einst gewagt, wir säßen noch in Höhlen oder lebten unter der Knute. […]
      Worüber ich mich wundere, ja, mehr: was mich regelrecht empört, ich kann mich da richtig aufregen darüber, ist da so eine Stimmung in nicht wenigen Milieus, die lautet: Um Gottes Willen, aber wie gefährlich ist die Instabilität? Da wird doch eh nichts draus bei den Arabern! Die handeln sich wahrscheinlich jetzt nur eine Mullah-Diktatur ein! Waren doch eh kommod die säkularen Autokraten! […]
      Woran es unseren skeptischen Misepetern fehlt, ist politische Vorstellungskraft, Möglichkeitssinn. Aber dies ist nicht nur Folge simpler Fantasielosigkeit, sondern es hat auch einen rassistischen Kern. Von der Art: Demokratie bei den Arabern, das klappt ja nie. Die sind zu blöd dazu oder sonst wie unfähig. Die Muslime lieben es, wenn man sie drangsaliert. Sie laufen gern den Autokraten nach. Wie mies das alles ist! […]
      Denn dass die Demokratie gefährlich ist, dieser Einwand ist so alt wie das Freiheitsstreben der Menschen. Er kam immer von jenen, die sich an die Stabilität klammerten. Hätten unsere Vorfahren auf sie gehört, wir würden immer noch in Leibeigenschaft leben, geknebelt vom Klerus, unter der Knute der Fürsten.
      Quelle: Der Standard
    2. Es ist beschämend!
      Seit mehr als einer Woche demonstrieren die Ägypter für ihre Freiheit. Die Menschen auf dem Tahrir-Platz warten auf ein Zeichen der Solidarität. Doch der Westen versagt im Krisenmanagement.
      Es ist grotesk, tragisch, beschämend, was die politisch Verantwortlichen des Westens zurzeit auf der Weltbühne aufführen! Weil sie unsicher sind, wie das ägyptische Drama ausgehen wird, verstecken sie sich noch immer hinter diplomatischen Floskeln. Mag sein, dass im Hintergrund klare Worte fallen. Mag sein, dass man auf diesem Weg mehr erreicht als mit verbalen Attacken. Aber die mutigen Menschen auf dem Tahrir-Platz und die Demokratien der Welt warten auf öffentliche Solidarität.
      Warum sagen die Kanzlerin, Präsident Obama, der sonst so lautstarke Sarkozy, der englische Premier Cameron nicht, was der Rest der freien Welt denkt? “Mubarak muss gehen, sofort! Ohne Bedingungen!” Nicht einmal der ägyptische Botschafter wurde in Berlin einbestellt. Das Deutlichste, was Angela Merkel von sich gab, las sich so: Ein “Weiter so” dürfe es nicht geben. Vielmehr müsse ein Neuanfang gefunden werden. Ein Totalausfall ist die EU-Außenbeauftrage Catherine Ashton. Sie appellierte an Mubarak (!), mit “dringenden, konkreten und entscheidenden Maßnahmen” auf die Demokratiebewegung einzugehen. Ebenso gut hätte Ashton den nordkoreanischen Diktator höflichst bitten können, morgen früh die Demokratie einzuführen.
      Quelle: Stern
    3. Der deutsche Michel und seine Angst vor Revolution
      Auf die Proteste in Nordafrika angesprochen, reagieren die Bundesbürger in hohem Maße realistisch, utopiefrei und abgebrüht realpolitisch. Ob denn bei ihnen angesichts der Ereignisse nicht nur in Tunesien und Ägypten Freude oder Sorge überwiegen, wurden sie gefragt. Da wäre es ein Leichtes gewesen, diesen Aufruhr hinter den sieben Bergen, den wir nicht auszufechten haben, anzuhimmeln und ein neues Zeitalter der Freiheit und der Völkerverständigung heraufziehen zu sehen. Doch nichts davon. Zwar sagen immerhin 43 Prozent, bei ihnen überwiege die Freude, doch mehr als die Hälfte, 52 Prozent, sind überwiegend besorgt. Und noch schmallippiger wird der Souverän, wenn es an den Geldbeutel geht. Sollte es in der Region zu demokratisch gewählten Regierungen kommen, sind nur 40 Prozent dafür, diese finanziell zu unterstützen, 56 Prozent sind dagegen.
      Quelle: WELT

      Anmerkung Jens Berger: Die Geister, die ich rief. Die „utopiefreie“ Einschätzung des Aufstandes in Ägypten ist zwar auf der einen Seite erbärmlich. Jedoch sollte sich gerade die WELT nicht wundern, dass nun die Saat aufgeht, die über Jahre hinweg auch von ihr selbst gesät wurde. Wenn „Experten“ dem deutschen Michel bei jeder Gelegenheit sagen, dass die Araber gar nicht demokratiefähig seien und jedes demokratische Experiment auf einen islamistischen Gottesstaat hinauslaufen wird, muss man sich nun auch nicht wundern, wenn einige deutsche Michel das tatsächlich glauben und Angst vor dem demokratischen Streben des ägyptischen Volkes haben.

    4. Wie viel Macht den Islamisten?
      Nicht nur die Machthaber, sondern auch die radikalen Kräfte in der arabischen Welt wurden von den Protesten überrascht. Dass sie die Macht übernehmen, ist unwahrscheinlich. Europa sollte sich aber einer Machtbeteiligung politisch-islamischer Kräfte nicht entgegenstellen:
      “Wer die Proteste in Tunesien und Ägypten trägt, sieht in den wenigen Modellen real-islamistischer Herrschaft kein Vorbild. Viele der arabischen Demonstranten haben sich von den Protesten gegen die Wiederwahl des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad inspirieren lassen, über die breit berichtet wurde. Was im Gaza-Streifen unter der Herrschaft der Hamas geschieht, überzeugt die nachwachsende Generation in Ägypten, Syrien, Jordanien oder Algerien auch nicht. Nicht nur, weil die Hamas, die sich selbst von bloggenden Jugendlichen herausgefordert sieht, Solidaritätsdemonstrationen für die ägyptische Protestbewegung verboten und damit gezeigt hat, wo sie in der Auseinandersetzung zu verorten ist.
      Die arabischen Gesellschaften sind zweifellos überwiegend konservativ. Für eine fromme, konservative Partei, die wie die türkische AKP vom bürgerlichen Mittelstand und von vielen der kleinen Leute in den Provinzen getragen wird, gäbe es ein echtes Potential. Die Muslimbrüder und ihre Ableger können sich in diese Richtung entwickeln. Es ist nicht sicher, dass sie dies tun. Aber ihre Chancen, die Zukunft ihrer Länder mitzubestimmen, werden steigen, wenn sie dem türkischen Beispiel folgen. Ihre eigene Reformfraktion fordert genau dies.
      Europa wird engagiert bleiben müssen. Glaubwürdigkeit wird es dabei gewinnen, wenn es dem neuen Tunesien echte Unterstützung bietet. Die Nachbarstaaten werden kaum helfen. Die EU sollte deshalb nicht nur Hilfe bei der Vorbereitung von Wahlen und bei einer Justiz- und Polizeireform anbieten, sondern auch die Märkte weiter für tunesische Produkte öffnen. Europa muss ein klares Signal senden, dass es den sehr viel schwierigeren politischen Wandel in Ägypten unterstützt, der, wenn er gelingt, auch das tunesische Experiment absichern kann. In beiden Fällen heißt dies, mit den für friedliche Veränderung eintretenden Kräften zusammenzuarbeiten. Europäische Staaten – wie auch die USA – haben zu lange auf die autokratischen Eliten, die Verlierer des Umbruchs, gesetzt. Jetzt können sie es sich nicht mehr leisten, den Sieger selbst auszusuchen.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung Orlando Pascheit: Ein Optimist, ein Realist oder was? Zwar thematisiert Volker Perthes im Gegensatz zu Wolffsohn die Frage: Was ist zu tun? Bleibt aber vage bzw. thematisiert Planungen, welche schon weit fortgeschritten sind: Die Öffnung der europäischen Märkte ist mit der Schaffung Euro-Mediterranen Freihandelszone schon längst in Angriff genommen. Was aber eine zweischneidige Maßnahme ist, denn die Öffnung erfolgt gegenseitig. Damit besteht eher die Gefahr, dass diese Länder genau wie peripheren Volkswirtschaften der EU der Konkurrenz des hochentwickelten Zentrums der EU nicht gewachsen sind und vor allem Handelsbilanzdefizite einfahren werden.
      Und was heißt, die arabischen Gesellschaften seien konservativ? Das türkische Muster mag vielleicht in 15 Jahren ein Beispiel abgeben, für die Demonstranten vielleicht sogar schon heute, aber für ganz Ägypten? Zwar sprechen sich 59 Prozent der Ägypter für die Demokratie als beste Regierungsform aus (Türkei 76 Prozent), aber was will dieser Demos? 85 Prozent der muslemischen Ägypter begrüßen den starken islamischen Einfluss auf die Politik, in der Türkei 38 Prozent. Eine beachtliche Mehrheit fordert, dass Frauen und Männer, die ehebrechen gesteinigt werden, Dieben die Hände abgehackt werden und dass jene, die zu einer anderen Religion zu konvertieren, hingerichtet werden sollen. Wer konvertiert, soll für 84 Prozent der ägyptischen Muslime, quer durch alle Schichten, mit dem Tode bestraft werden. 59 Prozent der muslimischen Ägypter stehen den Fundamentalisten nahe, 27 Prozent den Modernisierern. In der Türkei sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Usw. Diese Umfrageergebnisse stammen nicht aus einer obskuren islamfeindlichen Quelle, sondern aus einer Studie des renommierte PEW Research Centers in Washington. (Siehe hier und hier [PDF – 338 KB]).
      Bei aller Sympathie für die Demonstranten und Antipathie für die kleptokratische Staatsklasse in Ägypten , ich vermisse hierzulande, gerade auch bei den diversen Experten, die diese Umfrage kennen müssen, die Diskussion darüber, wie diese Zahlen einzuordnen sind.

    5. Hiergeblieben!
      Die ägyptische Staatsanwaltschaft hat ein Ausreiseverbot für mehrere ehemalige Minister und Beamte verhängt, darunter den Anfang der Woche abgelösten Innenminister Habib al-Adli. Laut der amtlichen Nachrichtenagentur Mena sagte Staatsanwalt Abdel Meguid Mahmud, es werde gegen Adli, gegen den früheren Tourismusminister Soheir Garranah, den Ex-Wohnungsminister Ahmed al-Maghrabi und Ahmed Ess ermittelt, ein führendes Mitglied der Regierungspartei. Diese dürften nicht ausreisen. Zudem seien ihre Bankkonten eingefroren worden. Diese Maßnahmen würden gelten, bis die Sicherheit wiederhergestellt sei und die Behörden Ermittlungen hätten vornehmen können, wer für die vergangenen Ereignisse verantwortlich sei, sagte der Staatsanwalt. Der neue Ministerpräsident Ahmed Schafik bestätigte die Aufnahme von Ermittlungen gegen den Ex-Innenminister. Dieser war wegen seiner Rolle bei der Unterdrückung der Proteste in den ersten Tagen des Aufstands bei der Kabinettsumbildung am Montag von seinem Posten abgelöst worden.
      Der neue Regierungschef Schafik sagte in Kairo, die Regierung werde das Gespräch mit den Demonstranten suchen. Außerdem kündigte er eine Bestrafung der Verantwortlichen für die nächtlichen Angriffe auf Regimegegner und eine Untersuchung der Vorgänge auf dem Tahrir-Platz in Kairo an. “Ich verspreche, die Ergebnisse werden offengelegt”, versicherte er in einer vom ägyptischen Fernsehen übertragenen Rede. Die Angreifer hätten auf dem Platz gezielt Gewalt angewendet. Ihr Ziel sei es gewesen, Öl ins Feuer zu gießen. “Es ist nicht akzeptabel, dass Bruder gegen Bruder kämpft.”
      Quelle: taz

      Anmerkung Orlando Pascheit: Man möchte gerne, kann aber dieser Rhetorik nicht so recht trauen. Immerhin hatte es ja das Militär in der Hand, die Gegendemonstranten bzw. die Schlägerbanden nicht durchzulassen.

  2. EU-Wirtschaftsregierung
    1. Europa wird deutsch
      Jetzt will die Kanzlerin eine europäische Wirtschaftsregierung. Warum tut sie uns das an? Weil es richtig ist.
      Auf einmal ist die Kanzlerin zu etwas bereit, das sie lange abgelehnt hat. Auf einmal will sie Deutschland noch enger an die anderen Staaten Europas binden – auch an Staaten wie Griechenland, die kaum noch als kreditwürdig gelten. Auf einmal soll sich Deutschland noch enger mit seinen Nachbarn abstimmen: beim Sparen, bei den Steuern, ja sogar bei der Frage, ab wann die Bürger in Rente gehen dürfen. Auf einmal also soll uns Europa so viel wert sein wie nie – ohne dass klar ist, ob die anderen nur unser Geld wollen oder ob sie tatsächlich bereit sind, unsere Regeln und Prinzipien zu akzeptieren. […]
      Genau an diesem Punkt wird die Wirtschaftsregierung à la Merkel zur logischen Konsequenz: Wenn wir schon mit unseren Finanzen für die Nachbarländer geradestehen – weil alle anderen Strategien viel teurer werden und kaum zu kontrollieren sind –, dann müssen wir auch dort mitreden. Das ist die Idee der Wirtschaftsregierung. Weil wir uns nicht mehr voneinander lösen wollen, müssen wir uns gegenseitig mehr kontrollieren. Wir geben Europa mehr Macht, dafür aber soll es nach deutschen Prinzipien arbeiten.
      Quelle: ZEIT

      Anmerkung Jens Berger: Aus nationalökonomischer Sicht wäre es wünschenswerter, wenn Deutschland europäischer würde. Es ist dabei schon beschämend, wie Angela Merkel den Begriff der „Wirtschaftsregierung“ für ihre Zwecke kidnappt. Als die französischen Sozialisten diesen Begriff 1997 ins Spiel brachten, wollten sie der von Deutschland präferierten unabhängigen und monetaristischen EZB eine Alternative gegenüberstellen – Europa sollte sich wirtschafts- und finanzpolitisch enger verzahnen, um Lohn- und Steuerdumping einzelner Staaten zu verhindern [PDF – 167 KB]. Welch traurige Ironie der Geschichte, dass Angela Merkel mit demselben Begriff nun die exakt gegenteiligen Ziele verfolgt. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass andere EU-Staaten sich ohne Not dem deutschen Spardiktat unterwerfen werden.

    2. Pakt der Unvernunft
      Solidarität gegen Solidität – Kanzlerin Merkel bietet das Berliner Modell zur Nachahmung an. Europa aber braucht nicht mehr Deutschland, sondern mehr Zusammenarbeit und Gemeinschaft.
      Europa soll deutscher werden. Mit diesem Ansinnen hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch vor kurzem einen Sturm der Entrüstung in Madrid, Athen oder Paris ausgelöst. Für die Gründungsväter der Europäischen Gemeinschaften wäre schon der Gedanke daran einer Horrorvision gleichgekommen. Nach einem Jahr verschärfter Euro-Krise aber scheint nichts mehr unmöglich.
      Die Deutschen springen über ihren Schatten und stocken trotz eigener Haushaltsnöte ihre Hilfen für die Griechen, Iren und Portugiesen noch einmal auf. Dafür unterziehen die sich einer Rosskur, wie sie die Bundesbürger mit Hartz IV, Rente mit 67 und chronischer Lohnzurückhaltung schon hinter sich haben. Ihren Pakt für Wettbewerbsfähigkeit versteht Merkel als Teil eines umfassendes Pakets, das auf ein großes europäisches Geschäft hinausläuft. Solidarität gegen Solidität, deutsches Geld gegen deutsche Reformen – mit diesem Angebot zieht Merkel in die Verhandlungen über eine neue Europäische Union. So aber lässt sich die Währungsunion nicht retten. Was die Bundeskanzlerin vorschlägt, ist ein Pakt der Unvernunft, auf den sich die Partnerländer nicht einlassen werden, jedenfalls nicht freiwillig. Europa braucht nicht mehr Deutschland, sondern mehr Zusammenarbeit und Gemeinschaft.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
  3. „Der Kapitalismus verzehrt unsere Werte“
    Richard David Precht fordert einen starken Staat und mehr Basisdemokratie, um die Marktkräfte zu bändigen. Im Interview erläutert der Philosoph und Publizist, warum er den Staat als Schiedsrichter der Wirtschaft sieht und nicht als deren Mitspieler.
    Quelle: Handelsblatt
  4. Die böse Hexe und die Inflation
    Die Lebenshaltungskosten steigen, Inflationsangst greift um sich. Wenn jetzt noch die Arbeitnehmer zulangen, so die Befürchtung vieler, beschleunigt das nur die Preisspirale. Doch höhere Löhne führen nicht notwendigerweise zu Preissteigerungen. […]
    Selbst kräftige Tariflohnzuwächse werden den Preisen keine Beine machen. Eine rückläufige Tarifbindung und ein wachsender Niedriglohnsektor sorgen dafür, dass das, was Gewerkschaften aushandeln, nicht bei allen Beschäftigten ankommt. Die allgemeine Lohnentwicklung bleibt seit über einem Jahrzehnt hinter den Tarifabschlüssen zurück.
    Zudem ist die Lohn-Preis-Spirale ein ökonomisches Märchen mit den Gewerkschaften in der Rolle der bösen Hexe. Höhere Löhne müssen den Preisen keine Flügel verleihen. In einer Marktwirtschaft ist es noch immer die freie Entscheidung der Unternehmen ihre Preise anzuheben. Es gibt keinen ökonomischen Zwang, höhere Arbeitskosten auf die Preise zu abzuwälzen. Durch Preissteigerungen sichern die Unternehmen lediglich ihre Gewinnmargen. Aktuell sind die Geldspeicher der Firmen prall gefüllt. Seit der Jahrtausendwende stiegen die Gewinn- und Vermögenseinkommen, trotz großer Krise, um stolze 60 Prozent. Statt die Preise in Reaktion auf gestiegene Kosten anzuheben, können die Unternehmen auch ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verbessern. Dann wirken höhere Löhne als preissenkende Produktivitätspeitsche.
    Quelle: Tagesspiegel
  5. Kaufkraft statt Billiglohn
    China ist heute ein bedeutender Absatzmarkt für deutsche Mittelständler. Dank des Baubooms richten sie Wohnungen und Hotels ein, verkaufen Konsumgüter, Baumaschinen und Technik. Kostengünstige Produktion ist bald kein Argument mehr für einen Standort in der Volksrepublik. […]
    Nach Jahren des zweistelligen Wirtschaftswachstums ist in der Volksrepublik eine kaufkräftige Mittelschicht herangewachsen, die sich beim Konsum auch an westlichem Geschmack orientiert. Allein im vergangenen Jahr stieg das verfügbare Einkommen pro Kopf um 11,3 Prozent auf 19.109 Yuan (2130 Euro). Wegen der extremen Schere zwischen Stadt und Land – dort liegt der Wert um ein Drittel niedriger -, geht es vielen Städtern deutlich besser, als der Durchschnitteswert vermuten lässt. […]
    Mit den kräftig steigenden Löhnen – Erhöhungen um 20 Prozent im Jahr sind keine Seltenheit – verliert China schrittweise den Nimbus des Billiglohnlandes. Kostenvorteile spielten immer noch eine Rolle, sagt Alexandra Voss, Geschäftsführerin der deutschen Außenhandelskammer in Guangzhou. “Doch inzwischen kommen immer mehr Deutsche wegen des lokalen Marktes.”
    Quelle: FTD
  6. Spain’s unemployed rush to fill jobs in Germany
    The telephones to the European employment service Eures have been ringing off the hook this week. The calls are from unemployed Spaniards urgently seeking jobs – in Germany.
    Eures’ German branch has requested applications from Spanish engineers, medics, teachers and tourism professionals. Other skilled workers, who speak German, can also apply…
    There was talk of an imminent mass exodus of the unemployed; a great march north to a German land of opportunity…
    Eures received 3,000 email applications for the scheme in three days: an early indication of the scale of the demand – and frustration – here.
    According to the recruitment agency Adecco, 110,000 people left the country in the two years from April 2008. Most were skilled males under 35.
    Quelle: BBC News Europe
  7. Auf Kosten des Sozialstaates
    Privat versicherte Hartz-IV-Empfänger sind der Regierung mehr als doppelt so viel wert wie gesetzlich versicherte Langzeitarbeitslose. Diese Ungerechtigkeit hat jetzt das Arbeitsministerium zementiert: Die Jobcenter übernehmen rückwirkend ab Januar die vollen Versicherungsbeiträge, die die private Krankenversicherung von Arbeitslosengeld-II-Empfängern verlangt: 287,50 Euro monatlich. Für gesetzlich Versicherte dagegen gibt es bloß 131 Euro. […]
    Sicher: Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts war diese Regelung zu erwarten. Niemand kann wollen, dass privat versicherte Arbeitslose einen Schuldenberg anhäufen, weil sie einerseits ihre private Krankenversicherung nicht bezahlen können, andererseits aber auch keine Möglichkeit haben, in die gesetzliche Krankenversicherung zurückzuwechseln. […] Trotzdem ist es keineswegs vernachlässigenswert, sondern tatsächlich empörend, dass es offenbar keine gesetzliche Handhabe gibt, die gewinnorientiert wirtschaftende private Krankenversicherung zu einem internen Sozialausgleich und damit zur Kostenübernahme zu zwingen.
    Quelle: taz

    Anmerkung Jens Berger: Noch unverständlicher ist es jedoch, warum Hartz-IV-Empfänger nicht aus freien Stücken in das gesetzliche Krankenversicherungssystem wechseln dürfen. Das Problem der PKV-Beiträge, die bei wirtschaftlich schwierigen Situationen nicht bedient werden können, ist beileibe kein Problem, das „nur“ Hartz-IV-Empfänger haben. Auch sehr viele mehr oder weniger freiwillige Freiberufler kennen dieses Problem und mit der prognostizierten Beitragsexplosion des PKV-Systems werden die Probleme noch weiter zunehmen. Wenn hier kein ernstzunehmender Notausgang aus dem PKV-System ermöglicht wird, bewegen wir uns auf ein Dreiklassen-Gesundheitssystem zu, in dem wirtschaftlich prekäre Freiberufler und Selbstständige überhaupt nicht mehr krankenversichert sind, weil sie sich die PKV-Beiträge schlichtweg nicht mehr leisten können.

  8. Preise für viele Rohstoffe steigen und steigen
    Spekulationen auf Versorgungsengpässe haben den Kupferpreis erstmals an die psychologisch wichtige Marke von 10’000 Dollar pro Tonne gebracht. Die Gewalt in Ägypten treibt die Ölpreise weiter in die Höhe, und die Kältewelle in den USA treibt den Weizenpreis in die Höhe.
    Quelle: NZZ

    dazu: Nahrungsmittelpreise auf Rekordstand
    Für den grössten Teil der Erdbevölkerung werden Nahrungsmittel immer teurer. Die Preise haben eine neuen Höchststand erreicht und steigen dramatisch schnell weiter an. Die zwischen Dezember und Januar verzeichnete Teuerung sei die höchste jemals festgestellte, gab die Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) bekannt. Die Preise würden höchstwahrscheinlich auch in den kommenden Monaten hoch bleiben. Dies sei sehr zum Nachteil der armen Länder, die schon jetzt grosse Probleme hätten, ausreichend Nahrung zu importieren. Ausserdem würden die Armen leiden, die den Grossteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssten.
    Die Preisexplosion bei Gütern des täglichen Bedarfs dürfte auch die jüngsten politischen Turbulenzen in arabischen Staaten wie Tunesien und Ägypten begünstigt haben. Nach dem Preisschub für Nahrungsmittel in den Jahren 2007/08 schätzte die FAO die Zahl der Hungernden oder Unterernährten weltweit auf 870 Millionen. Mittlerweile dürften es bereits 900 Millionen sein.
    Quelle: NZZ

  9. Nach der Flutkatastrophe: Helfer warnen vor Hungersnot in Pakistan
    Ein halbes Jahr nach der Jahrhundertflut ist jedes vierte Kleinkind in Pakistan unterernährt. Das Hilfsprogramm der Regierung ist anfällig für Korruption. Der Internationale Währungsfonds stoppt Kredite. Vor allem in der südlichen Provinz Sindh seien inzwischen beinahe Hungerlevel wie in den schlimmsten Regionen Afrikas zu verzeichnen. Ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren sei unter- und mangelernährt, sechs Prozent hungerten. „Ich habe keine Unterernährung von solchem Ausmaß mehr gesehen seit den Krisen in Äthiopien, Darfur und im Tschad“, sagte Karen Allen vom UN-Kinderhilfswerk Unicef in Pakistan.
    Für den von Terror, Bomben und Armut gebeutelten Atomstaat war die Flut ein weiterer schwerer Schlag zur Unzeit. Schon zuvor schrammte das Land am Rande des Bankrotts entlang. Nur westliche Finanzspritzen und eine Darlehenszusage des Internationalen Währungsfonds über insgesamt 11,3 Milliarden Dollar hatten 2008 verhindert, dass Pakistan zahlungsunfähig wird. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Industrieproduktion ist dramatisch eingebrochen, und jeden Tag legen Stromausfälle das öffentliche und wirtschaftliche Leben lahm.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: In diesem Artikel wird nicht erläutert, welche Reformen der IWF anmahnt, so dass der Eindruck entstehen kann, dass Korruption und der Missbrauch von Hilfsgeldern durch Feudalherren und Großgrundbesitzer der Grund für die Verweigerung weiterer Kredittranchen seien. Dem ist nicht so, der IWF spult nur sein übliches Programm ab. Da Pakistan das mit dem IWF vereinbarte Haushaltsdefizit von 4,7 Prozent für das Haushaltjahr 2010/11 verfehlt, will der IWF eine Kredittranche nicht auszahlen. Angesichts der Tatsache dass riesige Anbauflächen durch Schlamm ruiniert und ganze Ernten vernichtet wurden, Millionen von Menschen nicht wissen, wie es weitergehen soll, mutet das Beharren auf Defizitquoten barbarisch an.

  10. Zerstört die Mohnfelder!
    Nur wer Opium bekämpft, kann Afghanistan retten, sagt der Chef der russischen Anti-Drogen-Behörde. Dazu berät auch die Münchner Sicherheitskonferenz. […]
    Nach Ansicht der Nato hat sich Afghanistan im vergangenen Jahrzehnt in ein profitables Zentrum der Drogenproduktion verwandelt, das fast die ganze Welt mit Opium versorgt. Offizielle Angaben der Vereinten Nationen zeigen, dass die Opiumproduktion in Afghanistan zwischen 2001 und 2009 um mehr als das Vierzigfache gestiegen ist. Schätzungen zufolge sind 13 Prozent der Bevölkerung des Landes in der Drogenindustrie beschäftigt. […]
    Dennoch war der Kampf der Nato gegen die Produktion von Heroin in Afghanistan bislang äußerst zurückhaltend. Dies wurde damit begründet, dass die Zerstörung der Mohnfelder die Existenz der Kleinbauern im Land bedroht. Wir müssen jedoch eine Möglichkeit finden, den Bauern eine alternative Lebensgrundlage zu geben. Dazu muss starker Druck auf die Landbesitzer ausgeübt werden; denn sie sind es, die sowohl die Felder als auch die Bauern kontrollieren und enorm von der Drogenproduktion profitieren. […]
    Da der Drogenhandel keine Grenzen kennt, muss der Kampf gegen die Drogenbarone, durch die er entsteht, in enger Zusammenarbeit mit den USA, der G8, der G20 und anderen internationalen Gruppen und Organisationen stattfinden. Ohne eine effektive Strategie für den Kampf gegen die Drogenproduktion wird Afghanistan auch im kommenden Jahrzehnt ein Herd für internationale Instabilität und Kriminalität bleiben.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  11. Fast 40 Jahre lang rechtswidrig überwacht
    Fast vier Jahrzehnte lang hat das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) rechtswidrig den Bremer Menschenrechtler, Publizisten und Rechtsanwalt Rolf Gössner (62) beobachtet. Das hat das Verwaltungsgericht Köln am Donnerstag festgestellt. Der parteilose linke Geheimdienstexperte ist auch Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte und Mitherausgeber des alljährlichen „Grundrechte-Reports“. 1996 hatte er durch eigene Auskunftsersuchen erfahren, dass der Geheimdienst seit 1970 ständig Daten über ihn sammelte – wegen Kontakten zu „linksextremistischen bzw. linksextremistisch beeinflussten“ Organisationen und Medien.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    dazu: Spitzel ohne Kontrolle
    Was ist das eigentlich für ein Land, in dem der Geheimdienst einen Verfassungsrichter bespitzeln kann – mit der Begründung, er habe bewusst nicht als Mitglied einer extremistischen Partei agiert? Es sieht aus, als habe das Bundesamt für Verfassungsschutz alles daran setzen wollen, jenem frühen Rolf Gössner Recht zu geben, der im Jahr 1984 (!) mit dem Buch “Der Apparat” das Bild eines ausufernden Polizeistaates zeichnete – und damit einem in linken Kreisen verbreiteten Lebensgefühl eine Fakten-Grundlage verschaffte.
    Aber wahrscheinlich gibt es bei den Geheimdiensten einfach nur keine Kontrollmechanismen für angeleierte Überwachungsmaßnahmen. Wer einmal in die Fänge der Verfassungsschützer geraten ist, kommt nicht wieder raus – auch wenn er selbst längst Hüter der Verfassung in Robe ist. Es sei denn er wehrt sich juristisch. Die Behauptung, die Beobachtung Gössners sei 2008 aufgrund einer veränderten Sicherheitslage eingestellt worden jedenfalls, darf als dreiste Lüge gelten.
    Quelle: taz

  12. Demo-Verbot beim G8-Gipfel in Heiligendamm war rechtswidrig
    Attac begrüßt das Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Schwerin, dass das Verbot des Sternmarsches gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007 rechtswidrig war. Wir sehen uns in unserer Auffassung bestätigt, dass mit dem Verbot unzulässig in das Grundrecht der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit eingegriffen wurde. Demonstrationsfreiheit ist ein wesentlicher Bestandteil von Demokratie – wo sie eingeschränkt wird, ist die Demokratie selbst eingeschränkt. Leider neigen die Regierenden nicht nur in arabischen Ländern dazu, sich protestierende Menschen vom Hals halten zu wollen.
    So hat die Polizei ihre Rolle in Heiligendamm vor allem darin gesehen, die Demonstrationsfreiheit zu behindern und in letzter Konsequenz zu verhindern. Dabei ist es rechtlich gesehen gerade ihre Aufgabe, die demokratischen Grundrechte zu schützen und durchzusetzen – sei es in Heiligendamm oder in Stuttgart. Die offenen Lügen der Polizei über Bedrohungen, der rechtswidrige Einsatz der Bundeswehr im Innern und das Einschleusen von Provokateuren führten während der G8-Proteste zu einer so aufgeheizten Stimmung in der Öffentlichkeit, dass eine Verweigerung des Demonstrationsrechts selbst dem Bundesverfassungsgericht angemessen erschien. Eine solch undemokratische Stimmungsmache zu kritisieren und verhindern, ist auch ein wichtiger Teil der Wächterfunktion der Medien.
    Quelle 1: attac
    Quelle 2: Das Urteil [PDF – 14.8 MB]
  13. Castor-Einsatz: Ermittlungen gegen französische Elite-Polizisten
    Der französische Polizist soll mit seinem Einschreiten gegen geltendes Recht verstoßen haben. Das meint zumindest die Staatsanwaltschaft Lüneburg, die Ermittlungen gegen den Mann aufgenommen hat.
    Nach Informationen des “Hamburger Abendblatts” (Donnerstag-Ausgabe) ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Amtsanmaßung gegen den Mann. Wie Kollegen aus Osteuropa und den Niederlanden war der Franzose als Beobachter beim Castor-Transport dabei. Tatkräftiges Einschreiten gegen Demonstranten soll der Einsatzbefehl demnach nicht vorgesehen haben. Im Internet waren aber nun eben solche Fotos aufgetaucht. Sie zeigen den Polizisten der Eliteeinheit CRS (Republikanische Sicherheitskompanie), wie er massiv gegen einen auf den Gleisen liegenden Demonstranten vorgeht.
    Quelle: NDR
  14. Laufen Merkel die Berater weg?
    Erst gehen Angela Merkel gleich mehrere Unions-Ministerpräsidenten verloren. Jetzt könnte es sein, dass wichtige Berater im Kanzleramt nacheinander den Hut nehmen.
    Spekuliert wird in Medien über einen Wechsel von Merkels Wirtschaftsberater Jens Weidmann (42) zurück in die Bundesbank. Fest steht, dass Europa-Experte Uwe Corsepius (50) als Generalsekretär der EU-Staaten in diesem Jahr nach Brüssel geht. Sollten beide ziehen, bliebe von den Top-Beratern nur Außen-Fachmann Christoph Heusgen (55).
    Quelle: tz
  15. Amerikas rechte Meinungsmaschine
    Mit krasser Stimmungsmache gegen Immigranten, Homosexuelle und vor allem gegen die Regierung von Barack Obama ist Rupert Murdochs Nachrichtenkanal Fox News zum erfolgreichsten Sender der Vereinigten Staaten geworden – ein Aufstieg, der den Niedergang des Journalismus symbolisiert.
    Der Comedian Jon Stewart hat es wohl am besten auf den Punkt gebracht. Während seiner Pseudo-Nachrichtensendung „The Daily Show“ am späten Abend des 3.November 2010, einen Tag nach den amerikanischen Zwischenwahlen, gratulierte er Chris Wallace vom Nachrichtenkanal Fox News zur „Zurückeroberung der Macht im Repräsentantenhaus“. Wallace, Sohn des legendären Mike Wallace (von der CBS-Sendung „Sixty Minutes“) wagte es in diesem Gespräch nicht, das Kompliment anzunehmen. Sondern dementierte heftig, dass sein Arbeitgeber irgendetwas mit dem Erdrutschsieg der Republikaner im Unterhaus des Kongresses zu tun haben könnte. Während des langen Zermürbungskriegs, der als Wahlkampf durchgehen sollte, habe Fox, wie Wallace sagte, einfach nur über „die Wahrheit“ im Land berichtet.
    Die einfachsten Wahrheiten aber liefert meist doch die Comedy. Denn Stewart (er arbeitet für den Kabelkanal „Comedy Central“) konnte in seinem Gespräch mit Wallace darauf verweisen, dass Newt Gingrich, Mike Huckabee, Rick Santorum und vor allem natürlich Sarah Palin bei Fox als „Kommentatoren“ beschäftigt sind – allesamt bekanntlich mögliche Bewerber für die Nominierung zur Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2012.
    Quelle: Cicero
  16. Und nun weiter im Programm
    ARD und ZDF rühmen sich gerne ihres Korrespondentennetzes. Jetzt wäre Gelegenheit, diese Ressourcen auszuschöpfen, doch anstatt den Ernst der Lage zu begreifen und zu dokumentieren, regiert bei den deutschen TV-Flaggschiffen bürokratisches Phlegma.
    Die Ereignisse im Nahen Osten haben die Bundesregierung ebenso überrascht wie die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland. Es sind erhebende, bittere, unfassbare Bilder, die wir in diesen Tagen sehen – oder eben nicht. Bis auf Weiteres gilt das ausgedruckte Programm, von kurzen „Brennpunkten“ abgesehen. Eine radikale Programmänderung kommt den Fernsehverantwortlichen nicht in den Sinn. Wer sich informieren will über die dramatischen Entwicklungen in Ägypten, schaut englischsprachige Sender. BBC, CNN, Al Dschasira haben den Ernst der Lage begriffen. Dort bekommt man das Gefühl vermittelt, dabei zu sein, dort wird die Dimension des Geschehens erkannt, während ZDF und ARD ihr bürokratisches Phlegma nicht abschütteln können. Bei „Phoenix“ sieht es besser aus, aber das ist nicht der Hauptschauplatz. Im Hauptprogramm wird mit schmerzlicher Verzögerung reagiert. Mit dem Ersten und dem Zweiten sieht man schlechter. Oder gar nicht: Hosni Mubaraks Rede hat das ZDF verschlafen.
    Quelle: Tagesspiegel
  17. 1. Kölner Blogger Kongress
    vom 11. bis 13. Februar im Kunsthaus Rhenania Köln
    Hier treffen hochkarätige Journalisten und Herausgeber der interessantesten deutschen politischen Blogs auf „Krisenreaktionskünstler“, um gemeinsam mit den Teilnehmern des
    „Schwerpunktpanels Whistleblowing“ über die Frage zu diskutieren:
    „RETTEN DIE BLOGGER DIE DEMOKRATIE?“
    Normalerweise sind die Referenten gewohnt, ihre Vorträge am Stück vorzutragen. Wir wollen, ohne die Fakten zu entkräften, in Interaktionen mit Krisenreaktionskünstlern die „trockene Materie“ erlebbarer machen und den Analysen direkt mit Kunst, Literatur und Musik antworten. Das kann mal die Geschichte eines Betroffenen sein, der die Auswirkungen der Arbeitsmarktpolitik am eigenen Leib spürt oder die musikalische Umsetzung der fallenden Aktienkurse sein, die ein Ergebnis der Finanzkrise gewesen sind. Performancekünstler, Maler und Musiker reagieren mit ihrer live dargebotenen Aktionskunst auf die Vorträge.
    Selbst die Pioniere der kritischen Meinung im Netz, Dr. Wolfgang Lieb, Herausgeber der „Nachdenkseiten“, und Dr. Werner Rügemer, Kölner investigativer Publizist (Oppenheim) und neuerdings Blogger, sind von der Idee angetan, die sonst etwas aufkommende „akademische Sterilität“ bei Kongressen aufzubrechen und sind bereit gewesen, sich auf das Experiment einzulassen.
    Mehr [PDF – 164 KB]

    Quelle: Der Kongress bloggt

  18. Zu guter Letzt: Alfred Dorfer, „Die Unfreiheit entsteht bei uns nicht durchs Verbot – sondern durchs Angebot“
    Quelle: You Tube

    Anmerkung unseres Lesers M.G.: Über der ganzen Kritik zu Dieter Nuhr – ich habe auch wegschalten müssen, wie viele andere – ist der geniale Beitrag von Alfred Dorfer ganz untergegangen:
    “Und plötzlich hatte einer meiner Kollegen aus der Wirtschaft die Königsidee – er hat gesagt: Wir brauchen keine Sklaven mehr die Musik machen, wir brauchen ab jetzt Sklaven die Musik kaufen. Konsumieren – Lohnsteuer zahlen und trotzdem glauben sie wären frei. Und das nennen wir dann Demokratie. Der Schmäh ist, dass die scheinbar Machtlosen glauben, sie haben ein bisschen was zu entscheiden. Sie kennen das!? So wie die Autos auf dem Rummelplatz für Kinder, im Kreis fahrn auf Schienen, ganz allein, und die Kinder lenken – des san mir!”


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