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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 23. März 2022 um 8:32 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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  1. Steigende Energiepreise: “Über Spekulation wird bisher ja überhaupt nicht gesprochen”
  2. Durst auf Öl: USA tasten sich vor, Venezuela pragmatisch und standhaft
  3. Wessen Krieg?
  4. Lambrecht sorgt mit Versprecher im eigenen Ministerium für Verwirrung
  5. SPD als neue Rüstungspartei: Wofür der Ukraine-Krieg so alles herhalten muss
  6. Ernst-Thälmann-Denkmal in Prenzlauer Berg: CDU beantragt Einschmelzung
  7. Neue Spielräume für Entlastungen
  8. Für ein gerechtes BAföG
  9. Zeitarbeit auf Dauer
  10. Selenskyj verbietet weite Teile der Opposition
  11. Reisen unter falscher Flagge
  12. Westliche Eliten halten uns davon ab, Russlands Ultra-Reiche zu sanktionieren
  13. Russlands Krieg bedeutet weniger Waffen für Myanmar
  14. Noch ne geistig-moralische Wende, bitte!

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Steigende Energiepreise: “Über Spekulation wird bisher ja überhaupt nicht gesprochen”
    Der Ökonom Heiner Flassbeck über russische Gasimporte, Joachim Gauck und einen verschwiegenen Grund der Preisexplosion
    Herr Flassbeck, vor dem Hintergrund des Kriegsgeschehens in der Ukraine wird derzeit viel über die Macht Russlands auf den Energiemärkten gesprochen. Die Grundfrage scheint mir: Können wir denn überhaupt auf Energieträger aus Russland verzichten?
    Heiner Flassbeck: Ganz kurzfristig sicher nicht, oder nur unter großen Schmerzen. Aber ich halte das auch für gar keine vernünftige Perspektive. Wir müssen stattdessen wieder eine Friedensperspektive entwickeln. Und das darf dann eben nicht heißen, dass wir eine Mauer rund um Russland bauen und den Handel mit Russland aussetzen.
    Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hat wegen des Kriegs in der Ukraine eine totale und sofortige Handelsblockade gegen Russland gefordert …
    Heiner Flassbeck: Russland von vornherein und grundsätzlich vom Handel auszuschließen, halte ich für falsch. Egal, wer in dem Land an der Macht ist: Man muss nach dem akuten Konflikt wieder zu normalen Beziehungen zurückfinden. Es gibt einen weltweiten, gewaltigen Ölmarkt, da spielt Russland eine wichtige Rolle und man wird auch keine weltweite Klimastrategie entwickeln können ohne diesen großen Player.
    Jenseits der heutigen Emotionen muss man dafür sorgen, dass es wieder friedliche Beziehungen gibt und dass alle relevanten Akteure miteinander kooperieren.
    Quelle: Telepolis
  2. Durst auf Öl: USA tasten sich vor, Venezuela pragmatisch und standhaft
    Russland ist dem Angriff der NATO und der USA ausgesetzt, die sich unvorsichtigerweise für eine wirtschaftliche und finanzielle Belagerung und die Schließung der Öl- und Gashähne des eurasischen Riesen aufgrund des Konflikts in der Ukraine entschieden haben. Eine miserable Kalkulation. Wie die Explosionen, die mehr als 3.800 ukrainische Militäreinrichtungen zerstört haben, erschüttern die antirussischen Sanktionen den Seelenfrieden von Joe Biden, der dringend ein „Beruhigungsmittel” braucht und das ausgerechnet in Venezuela sucht. […]
    Aber wie die Granatsplitter…in Charkow, Mariupol, den Außenbezirken von Kiew… verbreiten die Sanktionen inflationäre Granatsplitter, die die Kraftstoffpreise und den Blutdruck des US-Präsidenten in die Höhe treiben. Politiker und Analysten warnen, dass das finanzielle „Cholesterin”, das aus den antirussischen Maßnahmen resultiert, die produktiven Adern, die Dienstleistungen und die Lebenshaltungskosten aufblähen und auf Millionen von bereits hungernden Mägen drücken werde.
    Biden ist von letzterem nicht beunruhigt, denn Millionäre müssen schließlich nicht hungern. […]
    Die Großmacht versucht, der wirtschaftlichen Katastrophe zu entgehen, die durch die Bestrafung Russlands für einen von den USA provozierten Konflikt ausgelöst wurde, und zwar unter dem Schutz derselben Elite, die uns das von Wladimir Putin regierte Land als „Schuldigen” verkaufen möchte. Die Sanktionen lassen Washington unter den Auswirkungen seiner eigenen Bestrafung leiden.
    Der US-Präsident hat sich an Venezuela gewandt, um aus der Zwickmühle herauszukommen. Er hat es eilig, das russische Öl zu ersetzen und zu diesem Zweck für ein „Salve“ für Nicolás Maduro Juan Guaidó einen weiteren politischen Tritt in den Hintern verpasst. Die Geste ist aufschlussreich.
    Den USA war, auch wenn sie etwas anderes behauptet haben, immer sehr bewusst, dass Maduro der rechtmäßige Präsident Venezuelas ist. […]
    Die Anerkennung der bolivarischen Regierung und ihres rechtmäßigen Präsidenten Nicolás Maduro, die Aufhebung der gegen sie verhängten rechtswidrigen Sanktionen, die Rückgabe ihrer enteigneten Vermögenswerte und die Achtung ihrer Unabhängigkeit sind die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Beziehungen, die in keiner Weise eine Verringerung der Unterstützung für das russische Volk und die russische Regierung bedeuten, haben die bolivarischen Behörden bekräftigt. Ihr Handeln entspricht ihren Prinzipien, während das Imperium nur opportunistisch und berechnend ist, und immer nur aus Verzweiflung oder Zweckmäßigkeit heraus agiert.
    Quelle: Granma

    dazu: Pakistans Premier Imran Khan: Unser Land wird sich Druck des Westens nicht beugen
    Pakistans Premier prangert wiederholt ausländische Mächte an, die sein Land unter Druck setzen, die Beziehungen zu Russland wegen der Militäroperation in der Ukraine abzubrechen. Er werde weiterhin Entscheidungen zum Wohle des Landes und seiner Bürger treffen, so Khan. […]
    „Ich habe einen Eid geschworen, dass ich mich niemandem außer Gott beugen werde“, wiederholte Khan. Er führte den von den USA geführten globalen Krieg gegen den Terror als Beispiel für eine vom Westen erzwungene politische Entscheidung an, die Pakistan letztlich nichts als Leid gebracht habe und betonte:
    „Wir wurden Teil des US-Krieges gegen den Terror in Afghanistan und haben 80.000 Menschen und 100 Milliarden US-Dollar verloren.“
    Pakistan ist unter zunehmendem Druck des Westens geraten, Russland öffentlich anzuprangern und sich von ihm zu distanzieren. Islamabad hatte sich bei einer Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen, in der Moskaus Militäraktion gegen Kiew verurteilt wurde, der Stimme enthalten und sich stattdessen gemeinsam mit 34 weiteren Ländern, darunter China, Südafrika und Indien, neutral verhalten.
    Obwohl er die indische Regierung unter Premierminister Narendra Modi lautstark kritisiert, zollt Khan dem Nachbarland Anerkennung dafür, dass es „unabhängige Entscheidungen im Interesse seiner Bürger trifft“.
    Auch Indien sieht sich internationalem Druck und Kritik ausgesetzt, weil es sich neutral verhält und einen pragmatischen Ansatz verfolgt, um die Energiesicherheit des Landes zu gewährleisten. Neu-Delhi kauft weiterhin Öl aus Russland, das momentan zu ermäßigten Preisen erhältlich ist, da einige Länder aus Angst vor Vergeltungssanktionen seitens der USA auf Handel mit Russland verzichten.
    Quelle: Co-op News

    dazu auch: Ukraine-Krieg: Japan beanstandet Russlands Abbruch der Friedensgespräche über die umstrittenen Kurileninseln wegen Sanktionen
    (Eigene Übersetzung) Moskau stoppt auch den Dialog mit Tokio über wirtschaftliche Aktivitäten auf den umstrittenen Inseln, den Kurilen in Russland und den Nördlichen Territorien in Japan
    Premierminister Fumio Kishida bezeichnete Russlands Entscheidung als “ungerecht und absolut inakzeptabel”.
    Japan reagierte am Dienstag verärgert, nachdem Russland sich aus den Gesprächen mit Tokio über einen Friedensvertrag zurückgezogen und gemeinsame Wirtschaftsprojekte im Zusammenhang mit den umstrittenen Kurileninseln eingefroren hatte, weil die Regierung Kishida wegen Moskaus Einmarsch in der Ukraine Sanktionen verhängt hatte.
    Moskau und Tokio haben die Feindseligkeiten aus dem Zweiten Weltkrieg noch immer nicht offiziell beendet, da es um Inseln vor Japans nördlichster Insel Hokkaido geht, die in Russland als Kurilen und in Japan als Nördliche Territorien bekannt sind. Die Inseln wurden am Ende des Zweiten Weltkriegs von der Sowjetunion beschlagnahmt.
    Japan hat, zuletzt am Freitag, Sanktionen gegen 76 Einzelpersonen, sieben Banken und 12 andere Einrichtungen in Russland verhängt, darunter auch gegen Verteidigungsbeamte und den staatlichen Waffenexporteur Rosoboronexport.
    “Unter den gegenwärtigen Bedingungen hat Russland nicht die Absicht, die Verhandlungen mit Japan über einen Friedensvertrag fortzusetzen”, erklärte das russische Außenministerium am Montag in einer Erklärung und verwies auf Japans “offen unfreundliche Positionen und Versuche, die Interessen unseres Landes zu schädigen”. […]
    Letztes Jahr sagte Präsident Wladimir Putin, dass sowohl Tokio als auch Moskau gute Beziehungen anstrebten und es absurd sei, dass sie kein Friedensabkommen erreicht hätten.
    Russland hat sich auch aus den Gesprächen mit Japan über gemeinsame Geschäftsprojekte auf den Kurilen zurückgezogen und die Visafreiheit für japanische Bürger aufgehoben, so das Außenministerium.
    Moskau hat in den letzten Monaten versucht, Tokio einzuschüchtern, indem es eine Flotte von Kriegsschiffen in der Nähe der japanischen Küste stationierte. Anfang März erklärte das japanische Militär, dass ein russischer Militärhubschrauber kurzzeitig in seinen Luftraum in der Nähe des umstrittenen Gebiets eingedrungen sei, woraufhin es Kampfjets losgeschickt habe.
    Quelle: SCMP

    Anmerkung Marco Wenzel: Japan, in seiner selbstgefälligen Abgehobenheit scheint sich noch immer nicht vorstellen zu können, dass Russland auch ohne sie auskommen kann. Sanktionen gegen Russland, ein paar Beleidigungen gegenüber Putin, was macht das schon? Und schon sind die Russen sauer, na sowas aber auch.
    Dasselbe gilt für die USA und die NATO-Staaten. Auch die können sich immer noch nicht vorstellen, dass für Russland jetzt Schluss mit lustig ist. Jetzt wenden die USA sich gar an Venezuela, ein Land, das sie seit Jahrzehnten mit allen möglichen Sanktionen gequält und diffamiert haben und sogar Mordanschläge auf die beiden Präsidenten Chavez und Maduro mit angezettelt haben. Ein Land, an dem sie seit 25 Jahren, seit die Vereinigte Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) an die Regierung kam, kein gutes Haar gelassen und die Bevölkerung mit ihren Sanktionen und Blockaden an den Rand der Armut getrieben haben, ausgerechnet Venezuela wollen sie jetzt auf ihre Seite gegen Russland ziehen. Ihr Angebot: Schwamm drüber, wenn Venezuela den USA jetzt das Erdöl, das sie zwar dringend brauchen aber nicht mehr bei den Russen kaufen wollen (und das Russland ihnen bald sowieso nicht mehr verkaufen wird). Russland und China waren die einzigen Länder, die Venezuela in all den Jahren nicht fallen gelassen haben. Für wie dumm halten die USA ihre südamerikanischen Nachbarn eigentlich? Venezuela hat sie abblitzen lassen. Hieß es in den 1970er Jahren in den Ländern der Dritten Welt noch weitgehend „amis go home“ so heißt es in den 2020er Jahren zunehmend: „amis fuck off“.
    Und dann versuchen sie es auch noch bei China. Teils mit Drohungen, teils mit leeren Versprechungen, versucht Biden, China dazu zu bringen, sich von Russland abzuwenden, während die USA gleichzeitig alles daransetzen, das Land schlecht zu machen und ihm zu schaden. Auch China weiß, wer Freund und wer Feind ist und wird sich hüten. Die Telefonkonferenz zwischen Biden und Xi Jinping am letzten Freitag endete für die USA enttäuschend.
    Die USA haben noch fast jedem Land der Welt Schaden zugefügt und wundern sich jetzt, wenn die ihnen die kalte Schulter zeigen. Wie weltfremd muss man da doch sein!

  3. Wessen Krieg?
    Ist es wirklich Putins Krieg? Warum wurde die Russische Föderation als europäischer Vielvölkerstaat nach dem Ende der Blockkonfrontation nicht direkt Mitglied der Nato? Die entsprechende Passage in der Putin-Rede vom 21. Februar 2022 wurde bisher weder zitiert noch kommentiert. […]
    Den Krieg in der Ukraine haben die Führungseliten im Weißen Haus und im Kreml inspiriert, initiiert, beschleunigt, um ihre Politik mit anderen, nämlich militärischen Mitteln durchzusetzen. Es ist nichts anderes als ein imperialistischer Stellvertreterkrieg um politische Einflusssphären, Märkte und Rohstoffreserven. Die Russische Föderation wurde unter Jelzin und Putin zu einem kapitalistischen Staat der Oligarchen deformiert. Putin hat die Macht mit ihnen geteilt und ist ihr Nutznießer, muss also ihre Pfründe gegen jeden Zugriff von außen sichern, koste es, was es wolle.
    Die innenpolitischen Zustände in der Ukraine und die Hinhaltetaktik der EU, was deren Aufnahme betraf, boten Washington zunächst per Orangener Revolution eine Chance, um sich Einfluss zu verschaffen und das Land als Speerspitze der Nato gegen Russland zu profilieren. […]
    Genau das ist der Punkt, wo statt Freiheit, Demokratie, Menschenrechten, und Völkerrecht der wirkliche Uncle Sam ins Licht rückt und sich Sanktionen als perfide Falle und Bumerang erweisen. Es geht schlichtweg um Öl, Gas, Getreide, Märkte und Profite für die US-Wirtschaft. […]
    Warum redet eigentlich niemand von den vorrangigen wirtschaftlichen Interessen Washingtons? Denn mit den Sanktionen lasten die USA ihren Verbündeten immense unkalkulierbare wirtschaftliche Folgen und Risiken auf, strangulieren ihre Haushalte durch erhöhte Rüstungsausgaben und überlassen ihnen das Schicksal der Kriegsflüchtlinge. […]
    Der Bundesrepublik Deutschland überließ Washington ganz nebenbei die Führungsrolle in der EU. Schließlich muss das gesamte US-Potenzial gegen den Lieblingsfeind Nr. 1, die Volksrepublik China, mobilisiert werden. Die rot-grün-gelben Koalitionäre treiben die Bundesrepublik auf Jahre hinaus in den Kriegsmodus. »Mit dem Überfall auf die Ukraine sind wir in einer neuen Zeit«, konstatierte Bundeskanzler Olaf Scholz und spendierte der Bundeswehr 100 Milliarden Euro extra »für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben«. […]
    Wie schrieb Carl von Ossietzky vor knapp 100 Jahren schon sehr hellsichtig: »Der Krieg ist ein besseres Geschäft als der Friede. Ich habe noch niemanden gekannt, der sich zur Stillung seiner Geldgier auf Erhaltung und Förderung des Friedens geworfen hätte. Die beutegierige Canaille hat von eh und je auf Krieg spekuliert.«
    Quelle: Ossietzky

    dazu auch: Krieg und Vorkrieg
    Noch im Dezember letzten Jahres veröffentlichten hochrangige deutsche Ex-Diplomaten und -Militärs in »allergrößter Sorge« einen dringenden Appell: »Raus aus der Eskalationsspirale! Für einen Neuanfang im Verhältnis zu Russland« (nachzulesen unter diesem Titel im Internet). Es sei allerhöchste Zeit, Russland und die Nato aus der Konfrontation herauszuführen. Auf der Grundlage der »Anerkennung der Sicherheitsinteressen beider Seiten« sollte die Nato auf Russland zugehen und durch konkrete Maßnahmen – die Unterzeichner benennen sie – auf Deeskalation hinwirken.
    Der Appell erschien – mit Ausnahme von zdf.de – in keinem einzigen großen deutschen Medium. Lediglich die Website Heise, rt.de, die NachDenkSeiten und neues deutschland hielten diesen verzweifelten Versuch, den absehbaren Krieg zu verhindern, für berichtenswert. Warum boykottierten die Mainstream-Medien den Appell »staatstragender« Persönlichkeiten?
    Quelle: Ossietzky

  4. Lambrecht sorgt mit Versprecher im eigenen Ministerium für Verwirrung
    5.000 Soldaten für EU-Eingreiftruppe?
    Die EU bekommt eine neue Eingreiftruppe. Der Entscheidung ging ein wichtiges Angebot der deutschen Verteidigungsministerin voraus, das selbst in ihrem eigenen Ministerium für Verwirrung sorgte.
    Die EU bekommt eine neue militärische Eingreiftruppe. Sie soll 2025 einsatzfähig sein und ist Teil eines sicherheitspolitischen Konzepts, das die Außen- und Verteidigungsminister der 27 EU-Länder am Montag nach Angaben von Diplomaten in Brüssel beschlossen.
    Zuvor hatte Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) mit einem Versprecher für Verwirrung gesorgt. Lambrecht hatte angekündigt, die neue EU-Eingreiftruppe mit bis zu 5.000 Soldaten im ersten Jahr stellen zu wollen. Sie habe ihren EU-Amtskollegen ein entsprechendes Angebot unterbreitet.
    In einer Pressekonferenz sagte sie, sie werde den anderen EU-Staaten anbieten, “dass das militärische Herzstück, die schnelle Eingreiftruppe, im Jahr 2025 dann für ein Jahr von Deutschland gestellt werden kann”. So berichteten es zunächst auch t-online und andere deutsche Medien.
    Versprecher sorgt laut Bericht für hektische Telefonate. […]
    Rund eineinhalb Stunden nach den Eilmeldungen korrigierte das Bundesverteidigungsministerium die Worte der Ministerin auf Twitter: Deutschland wolle den “Kern” der künftigen Eingreiftruppe stellen – also nicht alle 5.000 Soldaten.
    Quelle: t-online

    dazu: Schnelle Eingreiftruppe kommt zu spät, Streit um Ölembargo – und Deutschland soll führen
    Neue Sanktionen gegen Russland, mehr Waffen für die Ukraine und eine schnelle Eingreiftruppe für brisante Militäreinsätze: In der vierten Woche des Ukraine-Krieges will sich die Europäische Union noch härter als bisher gegen Kremlchef Wladimir Putin positionieren.
    Man müsse den Druck auf Putin erhöhen und Russland international isolieren, hieß es bei einem Treffen der Außen- und Verteidigungsminister der EU am Montag in Brüssel. Die Minister beschlossen eine neue Sicherheitsstrategie, in der Russland erstmals als Hauptgegner gebrandmarkt wird.
    Teil dieser Strategie ist auch eine neue Eingreiftruppe. Sie soll aus verbesserten EU-Battlegroups sowie anderen Streitkräften und Fähigkeiten der Mitgliedstaaten bestehen. Die Größe wird mit bis zu 5000 Soldaten angegeben.
    Das erste Kontingent könnte Deutschland stellen, erklärte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Allerdings wird die neue Truppe wohl erst 2025 an den Start gehen – zu spät für den Krieg in der Ukraine.
    Quelle: Lost in Europe

  5. SPD als neue Rüstungspartei: Wofür der Ukraine-Krieg so alles herhalten muss
    Man wundert sich, was im Ukraine-Krieg plötzlich alles geht. Die geplanten 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind nur ein Beispiel. Die Kolumne.
    Es ist schon bemerkenswert, wie Putins Angriffskrieg die Agenda der in Deutschland politisch Handelnden offenbart. So gedenkt etwa Kanzler Olaf Scholz, 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr aus dem Hut zu zaubern, schließlich werde „auf diese Weise“ nichts weniger geschützt als „unsere Freiheit und unsere Demokratie“. Exakt so hatte er sich im Bundestag angesichts des Ukraine-Konflikts ausgedrückt, was nicht unclever war, denn mit „Freiheit“ ist immer Staat zu machen.
    Das weiß auch SPD-Chefin Saskia Esken, weshalb sie die 100 Milliarden an eine „wehrhafte“ Freiheit „nach außen“ koppelte. Selbst Kevin Kühnert, der 2019 als junger Wilder noch die Bundeswehr abschaffen wollte, legte eine prima Hundert-Milliarden-Kehrtwende hin und dürfte den Habitus der Scholz’schen Sozialdemokratie nun adaptiert haben…
    Quelle: FR Online
  6. Ernst-Thälmann-Denkmal in Prenzlauer Berg: CDU beantragt Einschmelzung
    Den Angriff Putins nimmt Pankows CDU zum Anlass, die Einschmelzung des Denkmals zu fordern. Und den Erlös der Ukraine zu spenden.
    Am Mittwoch, in der kommenden Sitzung der Pankower Bezirksverordnetenversammlung, beantragt die CDU-Fraktion den Abbau und die Einschmelzung des 50 Tonnen schweren Monuments.
    (…) Der Prenzlauer Berger Verordnete David Paul schlägt dabei vor, die Streichung dieser historischen Stätte von der Berliner Denkmalliste zu beantragen, um dann das Denkmal einzuschmelzen und den Materialwert für Hilfsprojekte in der Ukraine zu spenden. „Es ist bedenklich, dass wir im Herzen Berlins einen Menschen ehren, der ein Antidemokrat war“, verweisen Paul und die CDU auf Thälmanns Führungsrolle in der KPD. Einer Partei, deren Ziele nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sei. Dieser Umstand gewinnt nun aus Sicht der Christdemokraten durch den Ukraine-Krieg an Aktualität. […]
    In Zeiten, da russische Panzer mit Stern-Symbolen auf ukrainische Städte vorrücken, müsse man gerade in Berlin einen neuen Anlauf nehmen, den „Kampfkoloss“ Ernst-Thälmann von seinem Sockel zu stoßen. Von einem Block, der aus ukrainischem Marmor besteht.
    Quelle: Berliner Morgenpost

    Anmerkung J.K.: Jeden Tag steigert sich der Irrsinn. Was hat Ernst Thälmann mit dem Angriff auf die Ukraine zu tun? Auf diesen Zusammenhang muss man erst einmal kommen. Die CDU scheint zu vergessen oder besser vergessen machen zu wollen, dass Thälmann von den Nazis im KZ Buchenwald ermordet wurde und dass die Sowjetunion einen fürchterlichen Blutzoll für den Sieg über den Faschismus bezahlt hat. Hier seine anti-russischen und anti-kommunistischen Ressentiments auszuleben ist schlicht und ergreifend ekelhaft. Und wer ist natürlich mit dabei, die Grüne Partei, die Thälmann als Antidemokraten diffamiert, aber im Bundestag verkünden lässt, dass die Freiheit des Individuums jetzt gefälligst vor dem Impfkollektiv zurückzutreten habe.

    dazu: CDU Berlin: Selenskyj soll Ehrenbürger werden
    Der Kampf der ukrainischen Bevölkerung erinnere an die DDR-Bürgerrechtsbewegung, sagt die Berliner CDU-Fraktionsvize Stefanie Bung.
    Quelle: Berliner Zeitung

  7. Neue Spielräume für Entlastungen
    Lindner hat in seiner Rede ein Detail verkündet, das Spielräume in Milliardenhöhe schafft. Beim zweiten Entlastungspaket ist jetzt Knausern verboten!
    Üblicherweise reden Politiker viel, aber sagen wenig. Christian Lindner beherrscht diese Kunst wie kein zweiter. Verfolgt man als Politiklaie Reden im Bundestag, ist es deshalb oft schwierig, das Wichtige vom Unwichtigen oder das Neue vom bereits Bekannten zu unterscheiden. Dabei können wenige Sätze mit kleinen Details manchmal einen großen politischen Unterschied machen. So war es auch heute!
    Denn heute hat Christian Lindner in seiner Rolle als Finanzminister den ersten Ampel-Haushalt im Bundestag vorgestellt. Was in dem Haushalt drin ist und was fehlt, habe ich bereits in diesem Artikel aufgedröselt. Viel spannender ist aber das, was nicht direkt mit dem vorgelegten Haushalt zu tun hat.
    Denn beim heutigen Haushaltsentwurf wird es nicht bleiben. Lindner hat bereits einen Ergänzungshaushalt angekündigt. Der soll dann ein zweites Entlastungspaket gegen die gestiegenen Energiepreise sowie Ausgaben für humanitäre Hilfe und ukrainische Entwicklungshilfe enthalten. Stand heute würden all diese Ausgaben den regulären Haushalt belasten und unter die Schuldenbremse fallen. Denn die Schuldenbremse ist bisher nur für die Pandemieausgaben ausgesetzt, für alle anderen Ausgaben gilt sie weiter. Schon die 100 Bundeswehrmilliarden fallen nicht unter die Ausnahmeregelung und müssen deshalb über ein Sondervermögen im Grundgesetz aufwendig und mit 2/3-Mehrheit an der Schuldenbremse vorbeigeschleust werden. Zur Erinnerung: Das Grundgesetz erlaubt die Aussetzung bei “Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen” – darunter fällt zwar die Pandemie, die marode Bundeswehr aber nicht.
    Was aber sehr wohl unter die Definition der “Notsituation” fallen könnte, wären Ausgaben im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Und genau das hat Lindner heute in seiner Rede angekündigt.
    Quelle: Maurice Höfgen
  8. Für ein gerechtes BAföG
    Der DGB fordert eine Erhöhung der Bedarfssätze
    Rund 90 Prozent aller Studierenden bekommen kein BAföG mehr, die Zahl der Geförderten sinkt seit Jahren. Die Bundesregierung will nun gegensteuern und hat ein erstes Konzept vorgelegt. Doch reicht das? Der DGB hat eigene Vorschläge.
    (…) „Wir brauchen wieder mehr Gerechtigkeit im System, damit auch mehr Arbeiterkinder ein Studium beginnen. Regelsätze und Mietkostenzuschüsse müssen dafür kräftig steigen. Die angekündigte Erhöhung der Bedarfssätze um lediglich 5 Prozent und bei der Mietkostenpauschale um 35 Euro reichen bei weitem nicht aus. Da muss die Ministerin noch deutlich nachlegen.“
    Angemessen wären aus Sicht des DGB eine pauschale Erhöhung der Bedarfssätze um 150 Euro und eine Mietkostenzuschuss analog des Wohngeldgesetzes. „Dass die Förderung weiterhin zur Hälfte auf Darlehensbasis erfolgen soll, ist insbesondere für Menschen aus besonders einkommensschwachen Elternhäusern eine Hiobsbotschaft. Gerade diese besonders förderungsbedürfte Zielgruppe wird von der Aussicht auf einen Schuldenberg zum Start des Berufsleben abgeschreckt, überhaupt ein Studium aufzunehmen“, sagte die DGB-Vize.
    BAföG auch für Schüler*innen
    Für mehr Chancengleichheit im Zugang zum Studium müsse es künftig wieder möglich sein, Schüler*innen-BAföG ab der 10. Klasse zu bekommen, auch wenn man noch zuhause wohnt. Was aus Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften sonst noch wichtig ist für ein modernes und bedarfsgerechtes BAföG, steht in der DGB-Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMBF für ein 27. BAföG-Änderungsgesetz.
    Quelle: DGB
  9. Zeitarbeit auf Dauer
    EuGH stellt klar: Fünf Jahre Leiharbeit begründen keinen Anspruch auf Festanstellung
    Einmal mehr gibt der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem deutschen Kapital in arbeitsrechtlichen Fragen Schützenhilfe. So stellten die EU-Richter am Donnerstag klar: Nur weil in der BRD seit 2017 Leiharbeitsverhältnisse auf 18 Monate begrenzt sind, muss Daimler seinen »vorübergehend Beschäftigten« nach fünf Jahren noch längst keine Festanstellung anbieten.
    Hintergrund des Urteils ist die Klage eines Metallarbeiters, der von 2014 bis 2019 über einen Zeitraum von insgesamt 55 Monaten für den Automobilkonzern tätig war – stets auf Leihbasis, aber immer auf dem gleichen Posten in der Motorenfertigung. Dabei gilt hierzulande seit 2017 eigentlich die Regel, dass »vorübergehend« im Zusammenhang mit der sogenannten Arbeitnehmerüberlassung nicht länger als 18 Monate dauern darf. Deshalb hatte der Beschäftigte 2019 vor dem Arbeitsgericht Berlin geklagt und ein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingefordert…
    Der Fall ging zunächst vom Arbeitsgericht Berlin weiter zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg – und wurde von dort aus im Mai 2020 dem EuGH vorgelegt…
    Der Richterspruch fiel recht eindeutig aus, entsprechend groß war der Jubel bei den Profiteuren: »Erfreulicherweise gibt das Gericht auch weiterhin grünes Licht, von der Überlassungshöchstdauer durch Tarifverträge der Einsatzbranche abzuweichen«, freute sich etwa Werner Stolz, Hauptgeschäftsführer des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IDZ). Von der Mercedes-Benz AG war zu hören, man freue sich, dass »aus dem Unionsrecht keine Begründung eines Arbeitsverhältnisses folgt« und sehe »unsere Rechtsauffassung insofern bestätigt«. Allerdings sehe man auch noch gewisse Spielräume für das Berliner Arbeitsgericht…
    Das EU-Recht wird nicht gegen die Profitinteressen des Industriekapitals in Stellung gebracht, soviel ist schon mal klar. Mit der etwaigen Anwendung nationaler Schutzrechte muss sich nun erneut das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg befassen.
    Enttäuscht vom EuGH-Urteil zeigte sich am Donnerstag der Deutsche Gewerkschaftsbund… Aus Sicht der Kovorsitzenden der Partei Die Linke, Susanne Hennig-Wellsow, zeigt das Urteil, »wie exzessiv Leiharbeit aufgrund der laschen Regeln reguläre Arbeit ersetzt«. Deshalb fordere man »langfristig die Abschaffung von Leiharbeit«, und bis es so weit sei für die Betroffenen die gleiche Bezahlung zuzüglich einer zehnprozentigen Flexibilitätszulage.
    Quelle: junge Welt
  10. Selenskyj verbietet weite Teile der Opposition
    Von den meisten Medien wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als „Verteidiger der Demokratie” dargestellt. Nun verkündete er das Verbot der größten Oppositionspartei, sowie von nahezu sämtlichen dem linken Spektrum angehörigen Parteien. Gewerkschaften droht er mit „vollständiger Entmachtung”.
    In einer Videobotschaft aus der Nacht zum Sonntag argumentierte er das Verbot der Parteien damit, dass diese eine andere Sichtweise auf den russischen Angriffskrieg vertreten würden. Im Zuge dessen kündigte der Sicherheitsrat der Ukraine an, sämtliche Fernsehprogramme, die Informationen verbreiten, unter einem einheitlichen Programm zusammen zu schalten, womit er die möglichen Sichtweisen auf das Kriegsgeschehen drastisch einschränkt. Selenskyj nutzt diesen Krieg um seine eigene Macht abzusichern und sein pro westliches Regime zu festigen…
    Bereits vor Selenskyjs Amtsantritt im Jahr 2019 wurden Linke in der Ukraine politisch verfolgt…
    Die Repressionen der Regierung treffen auch die Gewerkschaften. Ein Gesetzesvorschlag, welcher Ende 2021 verfasst wurde, sieht zum Beispiel die Enteignung von Gewerkschafts-Immobilien vor, wie Oleksandr Shubin, der Vizepräsident der 4,5 Millionen Mitglieder starken Föderation der Gewerkschaften der Ukraine öffentlich machte. Selenskyj verkündete im Herbst letzten Jahres weitere Verschlechterungen der Situation für die Arbeiter:innen. Er treibt die gesetzliche Gleichstellung von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen voran, was bedeutet, dass keine Kollektivverträge die Arbeitsverhältnisse regeln, sondern Einzelverträge. Die soziale Lage in der Ukraine war bereits vor dem Krieg sehr schlecht, was vor allem auf diese neoliberale Agenda zurückzuführen ist. Der Mindestlohn beträgt derzeit 190 Euro pro Monat, fast 3 Millionen Ukrainer:innen werden jedes Jahr als billige Saisonkräfte im Ausland ausgebeutet. Der Mangel an gut ausgebildeten Arbeiter:innen und der Anteil an prekarisierten Beschäftigten ist hoch.
    Sich gegen die Regierung von Selenskyj zu positionieren, bedeutet nicht, sich mit Putin oder prorussischen Kräften gemein zu machen. Ein Stop der Repressionen gegen die Opposition und Gewerkschaften muss ebenso eine unserer Forderungen seien, wie den Rückzug der russischen Streitkräfte zu fordern. Die konsequente Ablehnung jedes bürgerlichen Staates ist für uns Sozialist:innen essentiell. Die Arbeiter:innen müssen sich gegen ihre Regierung und für die Perspektive einer unabhängigen und sozialistischen Ukraine stellen.
    Quelle: Klasse gegen Klasse
  11. Reisen unter falscher Flagge
    Die Regierungschefs dreier NATO-Staaten reisten am vergangenen Dienst in das belagerte Kiew. Was im Westen als heldenhafter Einsatz gefeiert wurde, scheint eher aus der Not geboren. Hatte man der Ukraine das Einlenken gegenüber Russland nahelegen wollen?
    Die westliche Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine wird beherrscht von der Emotionalisierung der Vorgänge, Wunschdenken und Wirklichkeitsferne. Es kommt den sogenannten Experten, die die Ereignisse zu deuten versuchen, nicht in den Sinn, dass Russlands Strategie eine andere sein könnte, als sie selbst annehmen und nach ihren eigenen Theorien zu erwarten wäre. Dabei hat Putin nie die Strategie des russischen Vorgehens offengelegt. Aber westliche Experten tun so, als wüssten sie bestens Bescheid, quasi von Putin persönlich. […]
    Angesichts dieser schwierigen Lage überrascht die Reise, die die Präsidenten aus Slowenien, Polen und Tschechien nach Kiew unternommen hatten. Noch befremdlicher sind die Motive und Erklärungen dazu, die man dem westlichen Publikum unterbreitet. Die Reise sollte als ein Akt der Solidarität verstanden werden und dementsprechend überschlagen sich die westlichen Medien mit überschwänglichen Lobliedern und Heldengesängen. Eine anschauliche Sammlung von Superlativen bietet die FAZ vom 16.3.22 in ihrem Beitrag „Im Zug nach Kiew“.
    Quelle: Linke Zeitung
  12. Westliche Eliten halten uns davon ab, Russlands Ultra-Reiche zu sanktionieren
    Um Russland und seine Superreichen wirksam zu treffen, bräuchte es ein internationales Finanzregister. Warum es das noch nicht gibt? Ganz einfach: Die Reichen im Westen wollen es nicht. Ein Kommentar von Thomas Piketty […]
    Warum also gibt es noch keine Fortschritte in diese Richtung? Aus einem ganz einfachen Grund: Die Reichen im Westen fürchten, dass ihnen eine solche Transparenz am Ende schadet. Das ist einer der Hauptwidersprüche unserer Zeit. Die Konfrontation zwischen „Demokratien“ und „Autokratien“ wird übertrieben, weil vergessen wird, dass die westlichen Länder mit Russland und China eine ungezügelte hyperkapitalistische Ideologie ebenso teilen wie ein rechtliches, steuerliches und politisches System, das zunehmend große Vermögen begünstigt.
    In Europa und den USA wird alles getan, um nützliche und verdienstvolle westliche „Unternehmer“ von schädlichen und parasitären russischen, chinesischen, indischen oder afrikanischen „Oligarchen“ zu unterscheiden. Doch in Wahrheit haben sie viel gemeinsam. Das starke Gedeihen von Multimillionären auf allen Kontinenten seit den 1980er und 1990er Jahren lässt sich zum Großteil durch die gleichen Faktoren erklären, insbesondere durch die Vorteile und Privilegien, die ihnen eingeräumt wurden. Die freie Bewegung von Kapital ohne steuerlichen und anderen Ausgleich für die Gemeinschaft ist langfristig ein unhaltbares System. Durch die Infragestellung dieser allgemein unhinterfragten Wirklichkeitsannahme versetzen wir uns in die Lage, Autokratien effektiv zu sanktionieren und ein neues Entwicklungsmodell voranzutreiben.
    Quelle: der Freitag
  13. Russlands Krieg bedeutet weniger Waffen für Myanmar
    Myanmars kriegführende Generäle sind in hohem Maße auf russische Waren angewiesen, deren Einfuhr immer schwieriger wird.
    Während Russland seine Bombardierung der Ukraine intensiviert, könnten in Myanmars tobendem Bürgerkrieg, in dem eine durch einen Putsch eingesetzte Militärjunta gegen neue pro-demokratische Widerstandsarmeen und seit langem bestehende bewaffnete ethnische Gruppen kämpft, weniger Bomben fallen.
    Sowohl Russland als auch die Ukraine gehören zu den Hauptlieferanten des Militärs in Myanmar für Waffen und Hardware, importierte Waren, die nun mit tödlicher Wirkung gegen Kämpfer der Anti-Junta und die Zivilbevölkerung in einem Konflikt eingesetzt werden, der sich landesweit ausgeweitet hat.
    Diese Waffenlieferungen werden sich jedoch aufgrund des eskalierenden Krieges in der Ukraine wahrscheinlich auf ein Rinnsal verlangsamen oder ganz zum Erliegen kommen – ein geopolitischer Nebeneffekt, der den Verlauf und möglicherweise den Ausgang des Bürgerkriegs in Myanmar erheblich beeinflussen könnte…
    Quelle: Asia Times
  14. Noch ne geistig-moralische Wende, bitte!
    »In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte«, sagte einst Egon Bahr. »Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.« Momentan darf man zweifeln, ob diese Losung noch stimmt. Wir erleben in Deutschland die Rekrutierung einer politischen Kaste, die mit einer überbordenden Moral hantiert, die den Bürgerinnen und Bürgern vorgibt, wie sie zu denken und zu fühlen haben, dabei rote Linien aufgibt und die diese Haltung auch mit in die Außenpolitik nimmt. Die Außenministerin wirkt bei ihren Auftritten nicht wie die oberste Diplomatin ihres Landes, sondern wie eine Moralinbeauftragte, die ihre Gegenüber grundsätzlich nach eigenen moralischen Vorgaben taxiert und dabei ihren Dünkel auslebt.
    Eine durch die eigene Moral voreingenommene Diplomatie ist jedoch gefährlich. Denn sie versteht sich nicht als Verhandlungskunst, sondern als Methode der Etablierung der eigenen ethisch-sittlichen Normen. Wer sich so an den Verhandlungstisch setzt, bleibt kaum ergebnisoffen, versucht nicht das Beste inmitten von schlechten Grundbedingungen herauszuholen – er geht immer vom Optimum aus, von der Erfüllung dessen, was nach eigener Bewertung unerlässlich und unumgänglich ist. Die verabsolutierte Moral gibt den Takt vor, sie erlaubt nicht, dass man Kompromisse schließt, die häufig nicht moralisch einwandfrei sind – ja, nicht sein können! Für sie gibt es außerdem kein Scheitern, denn sie geht davon aus, dass ja eigentlich jeder die eigenen Positionen der Sittlichkeit begreifen muss – dass jemand einen anderen Standpunkt in Grundfragen hat, kommt dem Moralisten gar nicht erst in den Sinn.
    Quelle: neulandrebellen


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