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Titel: Medien und Krieg: Die Schreibtischtäter

Datum: 9. Februar 2022 um 10:03 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik, Strategien der Meinungsmache
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Die Kriegstreiberei und die antirussische Meinungsmache in zahlreichen deutschen Medien hat in den letzten Wochen nochmals zugenommen und überwältigende Ausmaße erreicht. Dabei wird die Realität des Ukraine-Konfliktes teils auf den Kopf gestellt und Andersdenkende werden unter Druck gesetzt. Ohne vorbereitende und begleitende Propaganda sind keine Kriege möglich. Wer diese Propaganda herstellt, macht sich zum Schreibtischtäter. Von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Dieser Artikel ist ein Beitrag für die am kommenden Freitag erscheinende Ausgabe der „Zeitung gegen den Krieg“ (Archiv hier, Bestellung hier). Im Text werden einige von den NachDenkSeiten in der letzten Zeit thematisierte Aspekte nochmals kurz aufgegriffen. In der kommenden „Zeitung gegen den Krieg“ wenden sich unter anderem Reiner Braun, Sevim Dagdelen, Wolfgang Gehrcke und Winfried Wolf gegen die aktuelle Eskalation um die Ukraine.


Bei der aktuellen Pressekampagne zur Dämonisierung Russlands und zur Eskalation des Ukraine-Konflikts sind unter anderem zwei starke Strömungen zu erkennen: zum einen die Unterschlagung des Ursprungs der Krise durch verkürzte Erzählungen, zum anderen der gezielte Druck auf „zögerliche“ Sozialdemokraten.

Bei dem medialen Vorgehen der Verkürzung (Albrecht Müller hat das Prinzip hier definiert) wird so getan, als habe der Ukraine-Konflikt mit der Abspaltung der Krim begonnen. Unterschlagen wird dadurch die konkrete Vorgeschichte des westlich unterstützten Maidan-Umsturzes 2014 und die allgemeinere Vorgeschichte der Ost-Ausdehnung der NATO entgegen anderslautenden Absprachen. Diese Taktik der Verkürzung, um die wahren Ursprünge von Konflikten zu verschleiern, ist ein häufig zu beobachtendes Mittel westlicher Medien, angewandt auch beim Krieg gegen die syrische Regierung: Die Verteidigung des syrischen Staates gegen unter anderem von westlichen Staaten unterstützte Islamisten durch die russische Armee wurde in zahlreichen deutschen Medien zum Angriff auf die Zivilbevölkerung umgedichtet – durch eine komplexe Genesis: Massendemos mit demokratischen Forderungen gefolgt von ausländischer Einmischung mit Finanzierung und Bewaffnung von Islamisten. Am Ende wurden aus Söldnern „Oppositionelle” und aus einem militärischen Angriff auf die Regierung ein „Bürgerkrieg“.

Bereits seit 2014 werden die deutschen Medienkonsumenten beim Thema Ukraine/Russland von einem großen Teil der hiesigen Redakteure in einer sehr konsequenten Weise in die Irre geführt. Der Maidan-Umsturz war nicht nur ein geopolitischer Coup, der das Land in eine Abwärtsspirale gestürzt hat und es zu einem Akteur für US-Interessen in der Region degradiert hat. Der Maidan war auch Auftakt zu einer nochmaligen Steigerung der bereits vorher starken antirussischen Meinungsmache in vielen deutschen Medien. Auch als (Notwehr-)Reaktion darauf wurde vom staatlichen russischen Rundfunk das Online-Portal RT DE in Deutschland aufgebaut – die Ausstrahlung des deutschsprachigen TV-Programms des russischen Muttersenders wurde allerdings in Deutschland im Januar 2022 verboten, was die Lage zwischen Deutschland und Russland zusätzlich eskaliert hat und mit einem Verbot der „Deutschen Welle“ beantwortet wurde.

Vernebelte Ursprünge von Konflikten

Viele deutsche Medien vernebeln nicht nur den Ursprung des heutigen Konfliktes, sondern auch das aktuelle teils aggressive Agieren der ukrainischen Seite. Die seit 2014 bestehende mediale Gleichförmigkeit in vielen Medien beim Thema Ukraine ist erschreckend und ein Symptom (unter vielen anderen) für ernsthafte Defizite in der deutschen Medienlandschaft. Die hier geäußerte Kritik bezieht sich auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenso wie auf große Privatmedien.

In den vergangenen Wochen dominant waren neben den beschriebenen Verkürzungen, wie erwähnt, Angriffe auf jene wenigen Sozialdemokraten, die der forcierten Kriegsrhetorik noch zögerlich gegenüberstehen und nicht gänzlich bereit sind, für US-Interessen den Weltfrieden und die europäische Energieversorgung aufs Spiel zu setzen: Die Berichterstattung vor dem USA-Besuch von Olaf Scholz kann man nur als unverhohlene Aufrufe zur Unterwerfung unter die „Logik“ der US-Falken bezeichnen. Die Szene in Washington am 7. Februar war bezeichnend. Scholz sitzt wie ein Schulbub neben Biden und schweigt zu Nord Stream II. Biden sagt, „man“ werde die Pipeline stoppen, „wenn russische Panzer in die Ukraine“ rollten (er meinte wohl die Gebiete der Separatisten). Auf die berechtigte Nachfrage, wie die USA ein deutsches und EU-Projekt „stoppen“ könnten, dann der schrille Satz: „Ich verspreche Ihnen, wir werden in der Lage sein, das zu tun.“

Auch andere Politiker sind Ziel einer Kampagne mit dem Ziel, die Akteure zu bewegen, die internationale Friedenssicherung und die heimische Energieversorgung für ein Schulterklopfen des Großen US-Bruders zu gefährden – Beispiele für diese Kampagne finden sich unter diesem Text. Den hohen Preis für eine Umsetzung dieser Forderung würden die Bürger in der Gestalt von Kriegsgefahr und nochmals steigenden Energiepreisen bezahlen.

Keine Kriege ohne Propaganda

Wenn sich Deutschland von seinen Redakteuren und weiten Teilen der Politik „zur Rettung der Ukraine“ in eine noch stärkere Konfrontation mit Russland treiben lassen würde, widerspräche das jeder moralischen und politischen Logik, dem Instinkt der Selbsterhaltung, der Verpflichtung zur Deeskalation und eben auch den Interessen der deutschen Bevölkerung. Dass das mediale Bild des von Russland bedrängten Westens die Realität auf den Kopf stellt, ist bekannt: Sowohl was die Rüstungsausgaben als auch was die Verbrechen der jeweiligen Militärs betrifft, hat die NATO ein erheblich schwerwiegenderes Strafregister als Russland. Und wessen Militärmaschine sich in den letzten Jahren auf wessen Territorium zubewegt hat, ist offensichtlich. Dass einflussreiche Redakteure es schaffen, diese Tatsachen erfolgreich und über lange Zeiträume zu verzerren, ist sehr bedenklich.

Zu den aktuellen Aspekten kommt die historische Verpflichtung Deutschlands, allen kriegerischen Tendenzen entgegenzutreten. Dass viele deutsche Redakteure diese Verantwortung verdrängen oder in einer verdrehten Logik für die Eskalation einsetzen, ist verwerflich. Ohne vorbereitende und begleitende Propaganda sind keine Kriege möglich. Wer diese Propaganda herstellt, macht sich zum Schreibtischtäter.


Titelbild: Gunnar Pippel/shutterstock.com


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