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Titel: Die strategische Bedeutung von Militärbasen in Zeiten der Konfrontation
Datum: 20. Januar 2022 um 11:45 Uhr
Rubrik: Außen- und Sicherheitspolitik
Verantwortlich: Redaktion
Auf der Welt gibt es ca. 1.000 ausländische Militärbasen, davon ca. 800 in 80 Ländern unter der Kontrolle der Vereinigten Staaten von Amerika. Großbritannien verwaltet ca. 20, ungefähr die gleiche Anzahl französischer Militärbasen sind weltweit in Funktion, im Wesentlichen in ihren ehemaligen Kolonialgebieten, aber auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Russland verfügt über neun ausländische Militärbasen, davon sechs in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, zwei in Syrien sowie eine in Vietnam. China verfügt bisher über eine Basis in Dschibuti. Weitere Länder mit Militärbasen sind Indien (Seychellen, Malediven und Madagaskar mit Radarstationen), Italien in Dschibuti und die Türkei in der VAE und Irak. Einige der westlichen Militärbasen sind gleichzeitig NATO-Basen. Von Reiner Braun.
Nicht berücksichtigt bei dieser Aufzählung wird die Stationierung von Militär in okkupierten Ländern/Gebieten wie in Palästina oder wie bis Sommer 2021 in Afghanistan durch die NATO/USA und weitere Länder. Die genannten Zahlen haben einen weiteren Unsicherheitsfaktor durch die „dual-use“-Nutzung von zivilen Häfen und Flugplätzen, die sich unter der Kontrolle (Verpachtung, Vermietung) von Firmen in verschiedenen Ländern befinden, wie z.B. in China, Sri Lanka oder Pakistan.
Diese kostspielige Stationierung von Militär außerhalb des eigenen Landes folgt strategischen Zielsetzungen der jeweiligen Politik. Die Steuerzahlenden in den USA finanzieren diese Politik jährlich mit 156 Milliarden Dollar. Betroffene Länder müssen oft einen eigenen Finanzierungsanteil zu den fremden Truppen leisten. Deutschland überwies in den Jahren 2003 bis 2012 ca. 1 Milliarde Euro an das Finanzministerium der USA und leistete weitere indirekte Finanzierung, u.a. durch die Beteiligung an Modernisierungsmaßnahmen.
Strategische Bedeutung der Militärbasen im „kalten Frieden“
Geostrategisches Denken war schon immer Teil des politischen Handelns der herrschenden Eliten, erst recht in Zeiten knapper werdender Ressourcen und einer internationalen Konfrontationspolitik um die „Neuaufteilung“ der Welt nach dem Ende der US-Hegemonie. Lag der Fokus in der ca. 500 Jahre langen Epoche des Kolonialismus im Wesentlichen auf der Kontrolle des Landes, dominiert heute ein integrierter geostrategischer Ansatz von raumbezogener Machtpolitik (Territorium), auf See und politischen Entwicklungen, wie z.B. Regime Change. Ein Beispiel für diese groß angelegte und viel besprochene Geostrategie ist das „Grand Chessboard“ (Große Schachbrett) von Zbigniew Brzezinski aus dem Jahr 1997, ein Konzept, das vorgab, wie die USA regional, u.a. mit Militärbasen, ihre führende hegemoniale Rolle sichern und erhalten könnten – besonders über Eurasien.
Militärbasen in Zeiten der Konfrontation
Die Entwicklung und der Ausbau der Militärbasen dienen der Absicherung, Verstärkung und Untermauerung der aktuellen Politik:
Sicherung von regionaler Hegemonie und politischem Wohlverhalten
Die Militärstützpunkte in Lateinamerika, besonders in Kolumbien, Peru, Paraguay und Ecuador, aber auch auf den ABC-Inseln dienen der Sicherung Lateinamerikas als Hinterhof der USA, der Organisierung von Regime-Change- und Putsch-Aktivitäten gegen die progressiven Kräfte Lateinamerikas (u.a. Venezuela, Bolivien) und der Ressourcensicherung besonders auch von Lithium und Kupfer. Hervorzuheben ist der Militärstützpunkt Guantánamo als Foltergefängnis der USA und zur Bekämpfung einer unabhängigen sozialistischen Entwicklung in Kuba – die strategische Bedeutung liegt auf der Hand.
Es ist bezeichnend, dass die gerade politisch unabhängig gewordenen Staaten Afrikas außer den Basen der Kolonialmächte keine US-Militärstützpunkte auf ihrem Gebiet haben wollten. Deshalb ist das Einsatzkommando Afrika der USA mit ihrem Hauptquartier immer noch in Stuttgart angesiedelt. Hervorzuheben sind die Militärbasen Frankreichs in der ganzen Sahel-Zone (u.a. Niger, Mali, Burkina Faso) sowie Großbritanniens in seinen früheren Kolonien. Die USA haben zwei Drohnen-Militärbasen in Afrika aufgebaut bzw. bauen an ihnen und zwar beide in Niger (in Nyamai und in – im Bau befindlich – Agadez). Angeblich zur Abwehr des Terrorismus dienen die Stützpunkte vornehmlich der Stabilisierung der Ausbeutung der vielfältigen Rohstoffe und der Ausplünderung der Bevölkerung. Elemente von progressiver Entwicklung sollen eingedämmt werden. Frankreich hat z.B. eine Rolle bei verschiedenen Putschen in Zentralafrika gespielt.
Militärstützpunkte sichern Ressourcenwege
Die Schifffahrtswege von China nach Europa sind besonders an den strategisch und politisch „kritischen“ geographischen Orten, z.B. um den Iran und den Nahen und Mittleren Osten (Katar, Bahrein, Saudi-Arabien, Oman u.a.), durch US-Militärstützpunkte „gesichert“. Dabei geht es nicht allein um Öl, sondern um die Sicherung der imperialen Handelswege und -ketten, Behinderung der Transportwege von politischen „Konkurrenten“ wie China und Iran, aber auch der Ausspähung Russlands von der Südflanke. Es geht um die bröckelnde politische und ökonomische Dominanz in Eurasien. Dazu existiert ein eigenes US-Oberkommando Centcom mit Hauptquartieren in Tampa/Florida und Katar. Mindestens 50.000 Soldat*innen unterstehen diesem Kommando. Weggebrochen sind im Sommer 2021 die Stützpunkte in Afghanistan.
Militärstützpunkte sind trotz Satelliten und weltweiter Luftüberwachung, trotz Drohnen und Weltraumbewaffnung nach wie vor ein Kernelement militärdominanter Politik, die Interventionskriege aus politischen und geostrategischen Gründen grundsätzlich einschließt. Militärstützpunkte von Guam über Okinawa bis Ramstein waren und sind unverzichtbar für diese Interventionskriege und Ramstein ergänzend für völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg.
Deshalb bleibt das Ringen um die Schließung aller Militärbasen eine Aufgabe der Friedensbewegung. Globale Gerechtigkeit mit Militärbasen wird es nicht geben.
Für die deutsche Friedensbewegung heißt das zuallererst: Ramstein muss geschlossen werden. Auch an die neue Bundesregierung geht die Forderung nach der Kündigung des Stationierungsabkommens.
Reiner Braun ist Executive Director des International Peace Bureau.
Nachbemerkung Albrecht Müller:
Reiner Braun sieht das „Ende der US-Hegemonie“. Ich sehe das nicht, im Gegenteil, wir beobachten doch überall US-Anstrengungen zur Ausweitung der Hegemonie. Was anderes sollen die Erweiterung der NATO bis zur russischen Grenze und was anderes soll denn die stattgefundene Erweiterung der Funktion der NATO vom Verteidigungsbündnis zum Interventionsbündnis sein? Diese Bedenken sind jedoch kein Einwand gegen die ansonst wichtigen Informationen des Textes von Reiner Braun.
Titelbild: VanderWolf Images / Shutterstock
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