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Titel: „Der Geist ist aus der Flasche“

Datum: 21. Dezember 2021 um 11:13 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Erosion der Demokratie, Innen- und Gesellschaftspolitik, Veranstaltungshinweise/Veranstaltungen
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Der Druck der Politik auf Ungeimpfte und Maßnahmenkritiker wächst. In gleichem Maße wächst die Kritik an den Maßnahmen seitens der Demonstranten unaufhörlich. Seit einigen Wochen ist zu beobachten, dass bundesweit und europaweit in vielen größeren und kleinen Städten wieder vermehrt Maßnahmenkritiker und Menschen, die gegen eine Impfpflicht sind, an Demonstrationen, Aufzügen und Lichterketten teilnehmen. Sehr gut ist dies zu beobachten an der rasanten Entwicklung der erst jungen Protestbewegung „München-steht-auf“: Was recht unscheinbar als Feierabendspaziergang gegen die Corona-Maßnahmenpolitik im April 2021 begann, wuchs innerhalb weniger Wochen zu einer beachtlichen Bewegung in München heran. Anfang Dezember 2021 entschlossen sich dann ca. 40 Aktivisten und Bündnisse aus Oberbayern und München, den Mittwochsumzug von „München-steht-auf“ zu unterstützen. Alexandra und Christian Goldbrunner haben sich für die NachDenkSeiten mit Melchior Ibing, einem der Aktivisten, unterhalten.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Von Beginn an sammelten sich Staatsbürger, die um den Zustand unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und der unveräußerlichen Grundrechte besorgt waren und sind. Bei „München-steht-auf“ traf sich anfänglich eine überschaubare Gruppe von ca. 60 bis 80 Teilnehmenden zum „Feierabendspaziergang“. Am 15.12.2021 war diese Protestbewegung laut Polizeibericht „im Gesamtverlauf bis zu 3.700 Versammlungsteilnehmer“, laut Veranstalter auf „mehr als 10.000 Menschen“ angewachsen.

Am morgigen Mittwoch, dem 22.12.2021, wird „München-steht-auf“ wieder zu einer Protestaktion aufrufen. Sie fordern Folgendes: „Eine freie Impfentscheidung für alle! 20.000 Euro Berufsrückkehrpauschale für Krankenschwestern und Pfleger. Doppeltes Gehalt für die ganze Berufsgruppe! Wir sind überparteilich. Symbole von sämtlichen Parteien bitte zuhause lassen. Nun das eigentlich eh selbstverständliche: Rassistisches, extremistisches und demokratiefeindliches Gedankengut jeder Art lehnen wir klar ab.“

Melchior Ibing, ein junger Familienvater und Mitinitiator der Bewegung, berichtet von einer sehr heterogenen Zusammensetzung der Protestierenden: Junge, Alte, Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Dies deckt sich auch mit der Beobachtung der Polizei (Quelle: Telefonat mit der Pressestelle der Polizei München vom 20.12.2021). Ibing bemerkt, dass sich nun vermehrt Personal aus den Pflegeberufen und auch Studierende dazugesellen. Letzteren wird über die 2G-Regelung der Besuch ihrer Universitäten größtenteils verwehrt. Ferner sind auch immer mehr einfach- oder doppelt-geimpfte Menschen mit dabei, die sich von den Versprechen der Politik betrogen fühlten. Man sitze schließlich im selben Boot. Denn wenn die geplante Impfpflicht komme und mit derzeit absehbarer Regelmäßigkeit von 6 Monaten Bürger dazu zwingen würde, ihren Covid-Impfstatus aufzufrischen, um weiterhin ihre Tätigkeit auszuführen oder am sozialen Leben teilzunehmen, betreffe es alle gleichermaßen. Es ist also laut Veranstalter Ibing völlig egal, ob die Bürger ungeimpft oder geimpft sind, alle Bürgerinnen und Bürger sind von „München-steht-auf“ aufgerufen, gemeinsam für ihre Bürgerrechte aufzustehen. Die aufgehetzte Diskussion müsse wieder versachlicht, Emotionen herausgenommen werden, die Diskriminierung und Sündenbock-Politik gegen “Ungeimpfte” müsse gestoppt werden.

Wie wird die kommende Veranstaltung am 22.12. ablaufen?

Die amtlichen Vorgaben bei Demonstrationen sehen in Pandemiezeiten meist das Einhalten von Abständen, Maskenpflicht und manchmal sogar eine Begrenzung der Teilnehmerzahlen vor. Am 8.12.2021 ist in der Pressemitteilung der Polizei zu lesen: „Im Hinblick auf die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit wurden die anwesenden Versammlungsteilnehmer zunächst wiederholt zum Tragen einer FFP2-Maske kommunikativ aufgefordert und moderierend auf die Einhaltung dieser beschränkenden Verfügung hingewirkt.“

Melchior Ibing berichtet: „Wir planen eigentlich immer für einen bewegten Umzug, nicht für eine stationäre Versammlung. Demonstrationen sind keine Festivals, Protest zeigt sich in bewegter Versammlung, das ist Usus. Demonstranten wollen sich anderen Bürgern zeigen, wollen wahrgenommen werden, wollen unignorierbar sein“. Die friedlichen Demokratinnen und Demokraten wollen ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern zeigen, dass sie eben keine – verzeihen Sie uns an dieser Stelle die zugespitzte Formulierung – aggressiven Hooligans der rechten Szene und Coronaleugner sind, wie es von Anbeginn aus vielen Leitmedien zu vernehmen war, um Proteste als unseriös, rechtsradikal oder gar gewalttätig abzukanzeln, siehe hier.

Am vergangenen Mittwoch war zu beobachten, dass die Menschen sich anfangs auf der Demonstrationsfläche verteilt hatten, dann aber in großer Zahl zur Bühne bewegten, um besser hören zu können, da nur an der Bühne Lautsprecher aufgestellt waren. Dabei konnten die Abstände nicht mehr durchgängig eingehalten werden. Die technische Ausrüstung der Veranstalter war laut Melchior Ibing auf einen Umzug ausgerichtet, kurzfristig wurde ihnen dann aber nur die bereits erwähnte stationäre Versammlung genehmigt. Darauf waren die Veranstalter technisch nicht vorbereitet. Seltsamerweise ertönten in kurzen, regelmäßigen Abständen die Glocken der Ludwigskirche, was das Zuhören zusätzlich erschwerte. Die Teilnehmenden skandierten in der Folge immer wieder: „Wir wollen laufen“. Beim Laufen können Abstände meist besser eingehalten werden, als dicht gedrängt vor einer kleinen Bühne zu stehen. Bei einem Umzug können die Demonstranten ihr Anliegen unmittelbar vortragen, ohne von den Leitmedien geframed zu werden.

Laut Melchior Ibing hatte das Kreisverwaltungsreferat München am Montag Nachmittag die Versammlung für kommenden Mittwoch, den 22.12.2021, stationär mit zunächst unbegrenzter Teilnehmerzahl auf der Theresienwiese bewilligt, zehn Minuten später jedoch die Teilnehmerzahl auf lediglich 2.000 begrenzt. Angesichts der Tatsache, dass die polizeibestätigte Zahl der Versammlungsteilnehmer vergangene Woche bereits bei mindestens 3.700 lag und dass die Protestbewegung – nicht nur in München – stetig anwächst, erscheint diese Vorgabe mehr als bemerkenswert, wenn nicht sogar provokant und unrealistisch. Damit formuliert das KVR wider besseren Wissens eine Steilvorlage für zivilen Ungehorsam oder gibt Anlass zu einem unverhältnismäßigen Polizeieinsatz. Die Protestbewegung wird man so nicht eindämmen können. Eskalationen, auch seitens der Polizei, welche die behördlichen Vorgaben dann umsetzen soll, scheinen so bereits vorprogrammiert.

Bitte bilden Sie sich selbst eine Meinung.

Rede von Ralph T. Niemeyer am 15.12.2021 in München
Quelle: Bettina Gorzolla

Wir wollen laufen! „München steht auf“, 15.12.2021
Quelle: mani.tube

Titelfoto: oben, unten rechts: Screenshot mani.tube; unten links: Foto Christian Goldbrunner; Montage: NachDenkSeiten


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