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Titel: Hendrik Streecks „Immunabwehr-Buch“ ist mutig (aber nur für einen Virologen)

Datum: 26. November 2021 um 8:48 Uhr
Rubrik: Gesundheitspolitik, Rezensionen
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2020 hatte der Chef des Bonner Instituts für Virologie, Prof. Streeck, mit der Heinsberg-Studie und seiner (für einen Virologen ganz schön mutigen) „Domrede“ einst Lauterbach genervt, Spahn widersprochen und mancher Panikmache die Spitze abgeschliffen. Dafür wurde er – meist in Abwesenheit – in Talk- und Comedy-Shows zum Hetzobjekt. Zum Beispiel für Staatskomiker Jan Böhmermann (dessen einstige Talentiertheit nun, wie die von Ehring, Welke und Krömer, unter kapitalen Jagdvorgaben dahinschrumpelt). Als Markus Lanz jüngst Hendrik Streeck zu Wort hatte kommen lassen, wurde der von Böhmermann öffentlich gar als „Menschenfeind“ angegriffen. Wer wollte nun Streeck verdenken, daß er sich nach all dem Spießrutenlaufen mit einem SPIEGEL-Bestseller etwas materielle Wiedergutmachung verschafft? Auch wenn sein Print stellenweise zu einem trivialkindlich simplifizierenden Schnellschuss geriet (so ohne Literatur-, Stichwort- und Namens-Verzeichnisse). Von Diether Dehm

Die Mundtotmacher in (a)sozialen Medien haben Streeck zwar Reputation, aber auch Wunden beigebracht. Eingeschüchtert bleibt er oft nur andeutend, ohne zu bohren. Warum liegen zum Beispiel bis zu 40 Prozent der Durchgeimpften auf Intensivstationen (was immerhin erst mit Sahra Wagenknechts Anfrage an Spahn öffentlich wurde)? Warum bezeichnet das aufgehübschte PR-Wort „Boostern“ gar keine „Auffrischung“ (weil es ein eigentlich neues Vakzin gegen ein eigentlich neues Virus meint, welches in armen Ländern als Erstimpfstoff verwendet wird)? Warum lenkt the invisible hand von Pharma-Markt & Stamokap-Agitprop alle Impfdiktate – an Sputnik und China-Vakzinen vorbei – nur in Richtung Biontech(-Aktien)? Warum ist im eigentlich impfgelernten Osten so ein Impfmissmut verbreitet? Vielleicht, weil dort so manch westlich-nettikette Geschäfts-PR so böse Folgen hatte? Ist gesundes Misstrauen der Unteren gegen die Oberen da immer gleich „Verschwörungsmystik“? Weil der Junge, der dem Kaiser keine neuen Kleider nachruft, ein „Schwurbler“ ist?

Dass 2G ein Fehlkonstrukt ist, solange Delta & Co auch von Genesenen und Geimpften weiterverbreitet werden kann, klingt im Buch nur an. So auch die Profitlogik, mit der Intensivheilpotenziale immer noch aus Kliniken herausgespart werden – was dann den Inzidenz-Alarmismus befeuert (nebst Krokodils-Applaus und -tränen für die miesbezahlten Heilberufe). Mit Kritik am Fakenews-Chaos der Regierungsbehörden spart Streeck auch: Warum verbreitet das RKI jetzt erst Zweifel an Tests, die nur die Antikörper bemessen, während die Zählung von T- oder B-Zellen zu teuer sei? Ausgerechnet jetzt, wo die 2-G+-Peitschen knallen? (Dann wäre ja strenggenommen die ganze bisherige Testerei Humbug gewesen?! Und was sonst das RKI in den letzten 20 Monaten mit den drei „G“s propagiert hatte.)

Wieviel Wellen und Biontech-Produkte kommen denn noch auf uns zu? Das sagt uns Streeck auch nicht, wenn er schreibt: „Eines ist sicher: die SARS-CoV-2-Pandemie wird nicht die letzte sein“ (S.108). Aber immerhin: Dem effizientesten Infektionsschutz, den die herrschenden Einpeitscher völlig aus den Sendern schweigen, widmet Streeck ein ganzes Buch: unserer Immunabwehr und wie sie gestärkt wird. Denn es ist ja diese körper- und gesellschaftseigene Kraft, die mit über 90 Prozent mehr als jedes Vakzin schafft: nämlich über 90 Prozent weniger gefährliche oder gar keine Virus-Erkrankungen.

Hendrik Streeck ist ein Menschenfreund. Allerdings reicht das für einen dialektisch materialistischen Humanismus nicht aus. Denn Virologen bleiben in der Regel in Teilchen-Logik ge- und befangen. Während Shakespeare die Sprache im Wort wie die Sonne im Wassertropfen widergespiegelt sah und bereits Materialist Feuerbach vor der Zerstörung des Forschungszusammenhangs beim Sezieren „unter dem Bild des Todes“ gewarnt hatte, rechnen Virologen unterm Mikroskop herausgetrennte Winzlinge aus, die sie allenfalls mit anderen addieren, ohne sie in der lebendigen Bewegung des Makrokosmos zu erfassen.

So findet sich bei Streeck etwa zur Wirkweise erholsamen Schlafs als psychosomatischer Basis für Immunabwehr garnix. Denn sonst wäre der Virologe ja auch flugs in der „artfremden“ Umgebung von sozialen Schlaf- und Wohnbedingungen gelandet. Aber wenigstens: Prof. Hendrik Streeck blockt Sozialität nicht rundweg ab. Sein Nachnamensvetter Prof. Wolfgang Streeck (ehemals Chef vom Max-Planck-Institut) nahm ihn auch lobend aus, als er in der FAZ vom 10.1.21 beklagte, wie verstockt die Bundesregierung, das RKI und deren besoldete Virologen sich gegen sozialwissenschaftliche Eingrenzung von Infektionsketten abgeschottet hatten: „Soziologen … sind am pandemischen vaterländischen Hilfsdienst nicht beteiligt. Ihre Fakten und Modelle sind nicht gefragt, und vornehm, wie wir sind, drängen wir uns auch nicht auf.“

So haben die meisten Virologen, wenn sie Datenmaterial aus Kliniken, Hotspots, überfüllten Öffis, Fahrstühlen und Wohnsilos unters Mikroskop bekamen, lieber in die Züchtigungs-Choräle der 2G+-Flagellanten eingestimmt, als, allein schon aus medizinischen Gründen, mehr sozialen Wohnungsbau, Pflegereserven und öffentliche Verkehrsmittel zu fordern.

Dass isolierende Quarantäne, soziale Entfremdung und mediale Impf-Erpressung die Immunabwehr auch schädigen können, klingt im Buch durchaus an, wenn Streeck z.B. mehr Lachen für die Beta-Endorphin-Steigerung (S. 205) fordert. Aber was verordnet der Virologe dem, der wenig zu lachen hat? Zwar beschreibt Streeck beeindruckend, wie ein Isolierter „erst im Sterben… erkannte, was es alles auf der Welt gab“ (S.134) und ruft dazu auf, dass „Isolationismus bekämpft… und Solidarität genährt werden muss“ (S.220). Aber an gründlichere Sozialanalyse und (durchaus auch therapiefördernde) organisierte Widerstandsformen gegen die politisch verordnete Atomisierung traut er sich nicht.

Mehrfach rätselt Streeck, wie „geschwächte Immunabwehr“ (Seite 98, 128, 215) zustande kommt. Aber weil er diese nur in winzigen Körperchen, nicht aber am ganzen Menschenkörper und schon garnicht im corpo sociale evaluiert, kann er mangels übergreifender Idee nur traurig konstatieren, dass wir zwar täglich Neues über das Immunsystem lernen, aber gerade merken, „wie wenig wir bisher wissen“ (Seite 68). Klar: Alkohol, Rauchen und Stress (S. 213-215) schwächen die Immunabwehr; Sport, Ingwer, Knoblauch und „Omas Hühnersuppe“ helfen (S. 201/202). Aber das alles bleibt (typisch Virologe!) borniert im Radius des Einzelkonsums. Auf eine übergreifende Spur, wie Berufsstress, auspowernde Arbeitszeiten, Burnout-Verhältnisse und andere soziale Entfremdung an der Immunabwehr nagen, kommt Streeck bestenfalls punktuell.

Er zitiert nicht einmal korrelative Untersuchungen, wie die der Universität Konstanz von 2005: „Wie psychischer Stress das Immunsystem schwächt“ (Annette Sommershof). Dort wird nachgewiesen, wie z.B. Traumatisierungen die Zahl der T-Zellen im peripheren Blut um bis zu 50 Prozent herabsetzen können. Womit berufliche Belastungen Infektionsgefahren vergrößern.

Einerseits betont Streeck, wie sehr die Immunabwehr „Ü60“ abnimmt, andererseits kommt er natürlich nicht auf die Idee, das Renteneintrittsalter – zumindest für bestimmte Berufsstände – auf unter 60 zu fordern. Um dann, wie Lafontaine, die wahren „Covidioten“ zu benennen: die, wie Friedrich Merz, das Rentenalter „Ü70“ anheben wollen. Der Autor hinkt, wie die meisten Virologen, mit seinem Rätseln um Herkünfte von Immunschwächen den turbokapitalistischen Arbeitszusammenhängen hinterher.

Wie viele Schulmediziner verketzert leider auch Streeck die Homöopathie in toto, wenn er sie auf Placebo-Globuli einengt (S.199) – oder auf Scharlatane (als ob die Schulmedizin nicht auch voller geschäftemacherischer Blender wäre). Aber immerhin hat er eine Nase für das Umkehrprinzip (die Dialektik Samuel Hahnemanns (1755) und Friedrich Wolfs, des homöopathischen Arzts („Die Natur als Heiler“) und marxistischen Dramatikers, wenn er zum Beispiel sinniert, warum nur der eigene Speichel heilt, aber nicht der fremde (S. 17/18; so auch: Eigenurin, Eigenblut). Oder: Wie immunisiert der per Variolation eingeatmete Staub aus Pocken (S. 191/192)? Oder: Wie schützt willkürlich herbeigeführter Wurmbefall (laut einer japanischen Studie von 2001) gegen Allergien (S. 149)? Oder: Warum kann zuviel Hygiene (also zuwenig Kontakt mit Erregern) das Immunsystem trainingsfrei stellen (S. 148/150)? Selbst Impfungen haben ja Umkehreffekte. So dogmatisch Homöopathie und heilendende Verdünnung von Giften abzutun, hat Streeck echt nicht nötig. Übrigens: Die bewährtesten Heilwasser sind nicht wegen vieler Stoffe wirkkräftig, sondern wegen der wenigen. So wie Teeblätter, kurz aufgebrüht.

Streeck konzediert indirekt den Nachteil virologischer Zell-Vernarrtheit („NK-Zellen sind das Lieblingskind der Immunforschung“, S. 50), wodurch nicht nur soziale, sondern sogar physikalische Wechselwirkungen außer Acht gelassen werden. Eine Grundahnung für die in der ganzheitlich körpereigenen Thermodynamik angelegte Dialektik hat Streeck durchaus, wenn er erwähnt, dass bestimmte Infekte andere Infekte verhindern können. Aber nichts schreibt er über die zahlreichen Untersuchungen, wie Erkältungen mit Fieber und laufender Nase die Immunabwehr trainieren – auch mitunter gegen Krebs[*].

Leider aber hat sein Kapitel: „Training für das Immunsystem“ nur eine Antwort: „Impfung“ (Seite 180). Es ist Streeck sicher zugute zu halten, dass er im Unterschied zu den Massen-Züchtigern um Drosten und Lauterbach nicht vatikanische Allwissenheit vortäuscht, sondern (auch sich selbst) infrage stellt, z.B: „haben wir die Impfungen vielleicht, dank dem Schutz durch die angeborene Immunantwort, überschätzt? Und welche Variantenbildung könnte den Impf-Effekt zunichte machen?… Meine Forschungsarbeit ist noch lange nicht zu Ende.“ (Seite 108). Oder: „… mit vielen Fragezeichen …, um wirklich zu erkennen, was im Immunsystem vor sich geht, braucht es noch viele Studien, die sicher auch einiges über das Altern erkennen lassen werden“ (Seite 170).

Dem Weltgeist sei’s geklagt: Auf dem Weg in die Zusammenhänge kommt keine Einzelwissenschaft letztendlich aus: ohne Philosophie. Und nicht mal die Medizin: ohne Thermodynamik. Dass „von Viren befallene Zellen Interferone bilden“ und generell „eine antipathogene Antwort stimulieren“, weiß Streeck (S. 24-27). Aber sein Buch für Immunabwehr erwähnt „Sauna“ nicht mal. Was für das Dilemma der Virologie symptomatisch ist. Streeck weiß zwar, dass Forscher herausfanden, dass das Wort „Erkältung“ nicht zufälliger Folklore entsprungen war, weil Kälte halt Immunzellen herunterdimmt. Aber Großmutters Rat, „Geh nicht nassgeschwitzt in die eisige Kälte!“, wird mittels Sauna „umgekehrt re-inszeniert“, sodass besonders mit der rapiden Abkühlung eben diese Interferonhormone produziert werden, die sogar gegen Krebs wirken. (Und: Über 65°C macht auch der SARS-Virus die Biege.)

Als ich den Physiker Manfred von Ardenne vor der Wende in Dresden besucht hatte, sprach dieser von Strategien, wie bei bestimmten Krebsarten ein geschwächter Patient ein 60-minütiges Überwärmungsbad durchsteht. Aber mit Hyperthermie fremdelte die Schulmedizin in beiden deutschen Staaten. Und so taucht „Fieber“ bei Streeck vorwiegend nur als eine Begleiterscheinung bei der eigentlichen Heilung auf. Zwar schreibt er, Fieber würde „die Vermehrung der Blutzellen und die Abwehrreaktion des Immunsystems verbessern“ (S. 203) und „das Wachstum von Bakterien behindern“ (S. 207). Zwar warnt er vor mancher Fiebersenkung, schreibt er ausgiebig über Herpes. Aber wie therapiestrategisch solche Erreger durch An- und Abstieg der Körpertemperatur zurückgedrängt werden, ist in seiner Forschung nicht angelegt.

Sozialkritik spart Streeck zwar nicht dogmatisch aus, aber es bleibt nur sympathisches Beiwerk, wenn er – nicht so radikal wie Biologe Robert Wallace (Der Freitag 43/20) – Massentierhaltung und Urwaldrodungen für die Verbreitung neuer Virusstämme verantwortlich macht.

Streecks Lobgesang auf Bill Gates, weil dieser bereits 2014 Millionen in neue Impfstoffe investiert hatte, wodurch „erstmals 2016 eine Liste mit zehn Erregern aufgestellt“ wurde, auf welcher „an sechster Stelle SARS (Corona-Virus)“ steht, klingt spätestens dann naiv, wenn er dazu notiert: „Es dürfte kaum eine Überraschung sein, dass sich im März 2020 plötzlich ein Erreger nach ganz oben auf dieser Liste schob“: Covid19 (S. 105). (Viermal so hoch war ja auch die Biontech/Pfizer-Aktie gestiegen, nachdem wir Steuerzahler den Mainzern ihr privates Impfpatent finanziert hatten.)

Ich möchte Streeck prinzipiell nicht widersprechen, wenn er mRNA-Impfstoffe preist: „ein großer Schritt für die Menschheit“ (S. 187). Aber derart sorglos sollte er diese Werbetrommel nicht rühren. Bei Langzeitfolgen, verdeckten Bestandteilen in Vakzinen und anderen Risiken nach Notzulassungen hatte sogar Spahns Impfbroschüre im Mai ’21 eingestanden, dass da noch einiges Ungeahntes blüht. Selbst die WHO und „Ärzte ohne Grenzen“ hatten Drittimpfungen in Industrieländern zum jetzigen Zeitpunkt für „unethisch und Überschutz“ erklärt, solange weltweit Millionen, darunter Vulnerable oder Gesundheitshelfer, noch auf ihre erste Impfung warten (NZZ, 5.8.21).

Trotz virologischer Scheuklappen hat Hendrik Streeck sehr viel Einzelwissen zusammengetragen. Hingegen bleibt’s, mangels dialektisch komplexem Materialismus, bei Puzzleteilen. Aber immerhin: Es werden Fragen gestellt, Unsicherheiten zugegeben und populär aufgeklärt. Und so könnte man das Buch zumindest so hochnäsig loben wie Streeck die Homöopathie: „schaden tut es nicht“ (S. 199).


[«*] Siehe: hier ; hier; hier; oder hier .


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