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Titel: „Mehr Fortschritt wagen“ – in zentralen Fragen stimmt das nicht
Datum: 25. November 2021 um 10:41 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Bundesregierung, Rente, Riester-Rürup-Täuschung, Privatrente
Verantwortlich: Albrecht Müller
Die neue Koalition hat gestern ihre programmatischen Vorstellungen in einem 178 Seiten langen Papier vorgelegt. Die Ampel verspricht in der Überschrift in Anlehnung an Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“ von 1969 „Mehr Fortschritt wagen“. Für einige programmatische Vorstellungen wie zum Beispiel die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 €, die Kindergrundsicherung, das Versprechen, Steuerhinterziehung konsequent zu bekämpfen, und den Schwerpunkt Klimaschutz gilt diese Grundaussage. Auch etwas scheinbar Formales, das aber den Geist der künftigen Zusammenarbeit sichtbar machen könnte, die Disziplin beim Aushandeln des gemeinsamen Programms war ein Fortschritt – keine Durchsteckereien, eine auffallende Zurückhaltung des Kanzlerkandidaten und die Verhandlungsgeschwindigkeit. Aber zumindest in zwei zentralen Bereichen der Programmatik sind die Koalitionäre nicht fortschrittlich, sondern reaktionär. Reaktionär ist I. die Vorstellung zur Reform der Altersvorsorge, reaktionär sind II. zentrale Aussagen oder das Fehlen von notwendigen Aussagen zur Außen- und Sicherheitspolitik. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Es folgt zunächst I., dann in Kürze in einem 2. Beitrag der Text zu II., zum Rückfall in die Zeit vor 1990 in der Außen- und Sicherheitspolitik.
I. Mit ihren Vorstellungen zur Reform der Altersvorsorge fällt die Ampel hinter 1952 zurück
Damals hatte der Ökonom Mackenroth festgestellt – übersetzt auf das anstehende Problem: In der Regel müsse die Versorgung der Rentner und der Kindergeneration von der zur gleichen Zeit lebenden arbeitsfähigen Generation geleistet werden. Siehe hier zitiert aus:
In der Präambel ist die Linie der Reform der Altersvorsorge niedergelegt: „Wir halten das Rentenniveau stabil, erweitern die gesetzliche Rentenversicherung um eine teilweise Kapitaldeckung und werden das System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren.“
Ab Seite 72 beginnt dann der eigentliche Teil zur Altersvorsorge. Dort sind einige programmatische Festlegungen getroffen:
Hinter diesen in Variation formulierten programmatischen Vorstellungen der neuen Ampelkoalition steckt die Vorstellung, an den Kapitalmärkten, insbesondere an den Aktienmärkten würden Werte geschaffen. Das ist eine zutiefst reaktionäre Vorstellung. Sie lebt in dem Glauben, dass Spekulation und damit das Antreiben von Aktienkursen zu einem Mehrwert führen würde und dass man diesen Mehrwert für die Verbesserung der Altersvorsorge nutzen könne. Das ist wirklich abstrus. Volkswirtschaftlich und gesellschaftlich betrachtet sind Kurssteigerungen auf den Aktienmärkten keine Wertschöpfung. Dass eine Versammlung von drei Parteien, mit SPD und Grünen sogar mit fortschrittlichem Hintergrund, anderes glaubt, lässt tief blicken und Schlimmes erahnen. Vielleicht kommen die Koalitionäre demnächst auch noch auf den Gedanken, man möge die Altersvorsorge mit der Entwicklung auf den Immobilienmärkten verknüpfen.
Die Erfahrungen mit der Riester-Rente hätten eigentlich zur Rückkehr zur Vernunft führen müssen. Sie hätten die politisch Verantwortlichen, im konkreten Fall die Koalitionäre, lehren müssen, dass Umwege über die kapitalgedeckte Altersvorsorge teuer sind und am Ende nichts bringen. Sie kosten mehr für Verwaltung und neue Bürokratien und damit wird zunächst einmal das für die Altersvorsorge der aktuellen Rentnergeneration vorhandene Geld gemindert.
Es hätte nahegelegen, über die Grenze nach Österreich zu schauen, und es hätte nahegelegen, aus Gründen der Fairness und der Gleichbehandlung in unserer Gesellschaft Gruppen in die gesetzliche Rente einzubeziehen, die bisher ihre eigenen Systeme haben: Freiberufler, Beamte, Abgeordnete usw.
Was jetzt zum Thema Altersvorsorge vorliegt, ist wirklich nicht fortschrittlich. Wenn es auf den Parteitagen der SPD und der Grünen noch ausreichend rational und sozial denkende Delegierte gibt, dann dürfte dieser Teil des Koalitionsprogramms jedenfalls nicht angenommen werden. Ähnliches gilt für die Außen- und Sicherheitspolitik.
Dieser Teil II. folgt in Kürze.
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