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- Die Sozialversicherungskassen bluten für die „schwarze Null“.
- Pflege unter Druck
- Forscher zu Private Equity-Trend in der Pflege: Blackbox Pflegequalität
- Wagenknecht zu Impfpflicht: “Wer so vorgeht, muss sich über Mangel an Pflegekräften nicht wundern”
- Der Impfstatus von Intensivpatienten soll nun erfasst werden – Mir schwant Übles
- 20 Jahre Europäische Aktiengesellschaft: 4 von 5 großen SE vermeiden paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat
- Pleite für Lieferdienst Gorillas
- Prekär, aber frei? Arbeitsbedingungen und Karrierewege in der Wissenschaft und ihre Konsequenzen für die Wissenschaftsfreiheit
- Am Ende des Lateins
- Die Humanität der EU
- GEW: „Neue Regierung muss Weg für mehr Dauerstellen freimachen!“
- In der Bravheitsfalle
- Wirksamkeit von Corona-Maßnahmen auf wackligem Prüfstand
- Auffrischungsimpfungen – Ärzte warnen vor Booster-Verteilungskampf
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Die Sozialversicherungskassen bluten für die „schwarze Null“.
Die Rentenversicherungsbeitragszahler finanzierten der Bundesregierung im Jahr 2020 einen Schattenhaushalt von 37 Milliarden Euro. Das ist aber völlig belanglos – findet jedenfalls die Presse in diesem Land. Stattdessen wird über angebliche Überlastungen der Jungen durch die Altersversorgung breit berichtet. Faktenfreiheit und Falschfakten beherrschen die Medien.
Im Oktober veröffentlichte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) eine Bilanz „Nicht beitragsgedeckte Leistungen und Bundeszuschuss 2020“. Daraus wird deutlich: die nicht beitragsgedeckten Leistungen (hin und wieder auch „versicherungsfremd“ genannt), betrugen 112,4 Milliarden Euro. Dafür überwies der Bund eine Summe von lediglich 75,3 Milliarden Euro. Die Deckungslücke von 37,1 Milliarden Euro wurde aus Beitragsgeldern geschlossen (Dokument hier). Das kann durchaus als eine Art Sondersteuer von den Beitragszahlern verstanden werden – die Finanzminister führen seit 1957 Schattenhaushalte, die aktuell dramatisch ansteigen. Das wird durch die „Aktion Demokratische Gemeinschaft“ (ADG) seit Jahren genau aufgerechnet.
Zu den 37 Milliarden Euro der Rentenversicherung kommen noch ca. 26 Milliarden Euro der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), die für allgemeingesellschaftliche Aufgaben ausgegeben, aber nicht vom Bund ausgeglichen werden (Gutachten des IGES Instituts im Auftrag der GKV für 2019). Berücksichtigt man noch die Unterdeckung der nicht beitragsgedeckten Leistungen bei den Pflegeversicherungen und bei der Arbeitslosenversicherung, kommt eine Summe zwischen 65 und 70 Milliarden Euro zusammen. Damit werden ca. 15% bis 20% des Bundehaushalts nicht über die Bücher des Finanzministeriums geführt, sondern über die Kassen der Sozialversicherungen. Ein riesiger Schattenhaushalt, finanziert nicht aus Steuereinnahmen oder Krediten, sondern durch Beitragsgelder. Die Sozialversicherungen werden per Gesetz angewiesen versicherungsfremde Leistungen zu bezahlen und danach weigern sich die Finanzminister, die so entstandenen Kosten vollständig auszugleichen. So etwas nennt man an anderer Stelle die Zeche prellen.
Quelle: Seniorenaufstand
- Pflege unter Druck
Die neue sozialrechtliche Definition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und die Ausweitung des Leistungsspektrums der Pflegeversicherung haben die Pflegepolitik der letzten Jahre geprägt und die Bedarfslagen, die individuellen Fähigkeiten und die Ressourcen der pflegebedürftigen Menschen in den Mittelpunkt der Versorgung gerückt. Diese Ansätze in den gelebten Pflegealltag zu implementieren, ist eine herausfordernde Aufgabe, auch und gerade angesichts der vielen drängenden Baustellen, die den Pflegebereich ohnehin kennzeichnen.
Man kann der Politik hinsichtlich der Pflegegesetzgebung nicht nachsagen, sie sei untätig gewesen – im Gegenteil: Kritiker sprechen von einem wahren „Reform-Aktionismus“, der die letzten beiden Legislaturperioden geprägt habe. Mit einer Reihe von Gesetzen, vom Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz (PpSG) über das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz (GPVG) bis hin zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG), wollte die Regierungskoalition die pflegerische Versorgung, die Personalausstattung und die Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege verbessern, mehr Qualität und Transparenz in der Versorgung herstellen und gleichzeitig die Finanzen in der sozialen Pflegeversicherung stabilisieren.
Im Juni 2019 haben sich zudem die wichtigsten Akteure aus Politik und Praxis im Zuge der Konzertierten Aktion Pflege auf ein umfassendes Maßnahmenpaket verständigt, das mehr Ausbildung, mehr Personal, bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Entlohnung in der Pflege zum Ziel hat. Die Bilanz aller dieser Bemühungen ist aus Sicht der AOK nach wie vor ernüchternd: Bei all dem Engagement wurde weder das Augenmerk auf eine ganzheitliche strukturbildende Reform gelegt noch auf die Folgen. Damit blieben nicht nur zentrale Probleme in der Pflege ungelöst, sie wurden teilweise sogar noch verschärft.
Quelle: G+G-digital
dazu auch: Interessante Studie zur Abwanderungen aus der Intensivpflege vom DKI
In diesem Zusammenhang wird auch berichtet, dass die Corona bedingten Belastungen zu einer deutlichen Verschlechterung der Stimmung auf den Intensivstationen und zu zunehmenden Kündigungen von Intensivpflegepersonal geführt hätten. […]
Schon im letzten Jahrzehnt hatten die Intensivstationen mit steigender Tendenz mit Stellenbesetzungsproblemen in der Intensivpflege zu kämpfen. Die Corona-Pandemie hat die Lage noch weiter verschärft. […]
Im Vergleich zu den Vorjahren sind 2021 sind in der Mehrzahl der Krankenhäuser die Abwanderungen von Intensivpflegekräften mehr oder weniger deutlich gestiegen. Für dieses Jahr haben 72 % der Häuser durch Kündigungen, interne Stellenwechsel oder Arbeitszeitreduktionen weniger Intensivpflegepersonal zur Verfügung als noch am Ende des letzten Jahres. Erschwerend kommen ggf. noch gestiegene Ausfallzeiten durch Krankheit infolge der Belastungen durch die Behandlung von Corona-Patienten hinzu.
Quelle 1: DKI [PDF]
Quelle 2: DKI, Pressemitteilung
- Forscher zu Private Equity-Trend in der Pflege: Blackbox Pflegequalität
Finanzinvestoren drängen mit Macht in den Markt der Pflege-Immobilien. Der Wissenschaftler Dr. Christoph Scheuplein fordert, Arbeitsbedingungen und Finanzströme stärker zu beleuchten. Sonst könnte die Solidargemeinschaft Leidtragende sein.
Das Karussell von Kaufen und Verkaufen in der Pflege durch Private-Equity-Investoren muss mehr beleuchtet und reguliert werden, fordert Dr. Christoph Scheuplein. Der Wissenschaftler am Institut für Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen verfolgt das Vordringen der Investoren in den Gesundheits- und Pflegemarkt seit Jahren. „Wir beobachten eine wachsende Marktmacht von Pflegeheimketten durch Private-Equity-Investoren“, sagt Scheuplein im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.
Quelle: Ärzte Zeitung
dazu: Private Equity: Altenpflege ist längst ein Milliardengeschäft
Die Altenpflege ist von Private-Equity-Investoren als lukratives Karussell von Kaufen und Verkaufen entdeckt worden. Die Politik schaut zu, Studien zur Versorgungsforschung fehlen.
Die Altenpflege ist ein zentrales Feld öffentlicher Daseinsvorsorge. In den Sozialgesetzbüchern ist daher die pflegerische Versorgung auch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe deklariert.
Bei Pflegeheimen und deren Eigentümern dagegen gelten ganz andere Sitten. Vor allem Pflegeimmobilien sind von Finanzinvestoren entdeckt worden. Sie gelten – in der Sprache des Beratungsunternehmens pwc – als „krisenstabile und konjunkturresistente Nutzungsklasse mit zumeist langfristig angelegten Miet- bzw. Pachtverhältnissen“.
Quelle: Ärzte Zeitung
- Wagenknecht zu Impfpflicht: “Wer so vorgeht, muss sich über Mangel an Pflegekräften nicht wundern”
Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat ihrem Unmut darüber Luft gemacht, dass über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen debattiert werde. Stattdessen sollte man ihrer Ansicht nach eher für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne für das Personal in Kitas und in der Pflege sorgen. (…)
“Impfen oder Kündigung? Statt für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen in der Pflege zu sorgen, den Abbau von 5.000 Intensivbetten in der Coronazeit rückgängig zu machen oder die Risikogruppen durch flächendeckendes Testen zu schützen, diskutiert die Politik nun darüber, den Druck auf bestimmte Berufsgruppen durch eine Impfpflicht auf ein Maximum zu erhöhen. Dabei ist die Impfquote in diesen Berufen bereits sehr hoch, wie Ver.di und die GEW zurecht erwidern. Nicht wenige der Mitarbeiter in Pflege und Kitas sind außerdem vermutlich bereits genesen und damit deutlich besser geschützt als Geimpfte.”
Weiterhin sei das Grundproblem laut Wagenknecht doch gerade, dass die “derzeit verfügbaren Impfstoffe eben nicht davor schützen, sich zu infizieren und das Virus weiterzugeben”. Je länger die Impfung zurückliege, desto mehr glichen sie darin den Ungeimpften. Eine neue schwedische Studie, die die Daten von mehr als 1,6 Millionen Menschen auswertete, käme demnach zu dem Schluss, dass bei AstraZeneca schon nach 121 Tagen und bei BioNTech nach 211 Tagen keinerlei Schutz mehr gegen eine Infektion und die Weitergabe des Virus bestünde:
“Wenn das so ist, was soll dann eine Impfpflicht bringen? Sollen die Beschäftigten dann auch gleich noch verpflichtet werden, sich alle paar Monate zu boostern? Wer so vorgeht, muss sich über den Mangel an Pflegekräften nicht wundern. Ungeimpfte Erzieher und Pfleger an den Pranger zu stellen, wird die Probleme ganz sicher nicht lösen, sondern verschärfen – auch zu Lasten des übrigen Personals. Statt die Gesellschaft weiter zu spalten, brauchen wir mehr Anerkennung, bessere Arbeitsbedingungen, Einstiegsprämien und höhere Löhne für das Personal in Kitas und in der Pflege.”
Quelle: RT DE
- Der Impfstatus von Intensivpatienten soll nun erfasst werden – Mir schwant Übles
Die Ampelkoalition hat beschlossen, den Impfstatus von Patienten auf Intensivstationen melden zu lassen und zu veröffentlichen. Was wirkt wie eine positive Neuerung in Richtung auf stärker evidenzbasierte Politik, könnte in Wahrheit nur dazu dienen, das geplante Verfallsdatum der Privilegien für Geimpfte argumentativ zu unterfüttern. (…)
Jetzt muss man den Geimpften einerseits Angst machen, dass ihr Impfschutz nach sechs Monaten nicht mehr ausreicht, damit sie sich eine dritte Dosis verpassen lassen. Zahlen aus den Intensivstationen von immer mehr geimpften Patienten, wie nun von der Ampelkoalition bestellt, können da Wunder wirken. Auch wenn die Daten nicht sagen, wie lange die Impfung jeweils zurückliegt.
Aber der Mangel an Daten war bisher auch kein Hindernis einfach vielstimmig zu behaupten, es seien alles Ungeimpfte auf den Intensivstationen. Künftig lässt man die Mediziner von ausgewählten Intensivstationen mit der Aussage durch die Medien tingeln, die vielen geimpften Intensivpatienten seien zu 90% schon vor mehr als sechs Monaten geimpft worden.
Andererseits braucht man eine Rechtfertigung, um diejenigen, die sich nicht aus Angst boostern lassen, in den Status der ausgegrenzten, entrechteten, weil assozialen Impfgegner absinken zu lassen, die an allem schuld sind. Dann werden sie so eingeschränkt und drangsaliert, bis sie sich freiwillig boostern lassen, um wieder ein normales Leben führen zu können. Die scheinbare Rechtfertigung liefern hohe Zahlen für geimpfte Infizierte in Kombination mit der Behauptung, das seien alles Leute, bei denen die Impfung mehr als sechs Monate zurückliegt.
Und das Volk soll es dann für hilfreich und sinnvoll halten, wenn man
- fünfeinhalb Monate lang (Woche 3 bis Woche 26 nach Impfung) als so hervorragend vor Ansteckung und Ansteckendsein geschützt gilt, dass man überall hin darf, auch ohne Test, dass man aber
- ab eine Woche später so gefährlich ist, dass man auch mit negativem Test nirgends mehr hin darf.
Und die Mehrheit der Leute wird wohl leider auch das glauben, wenn man es ihnen nur oft genug sagt und das mit Bildern aus Intensivstationen hinterlegt; die besonders Gebildeten, vor allem die grünen und die linken, wie bisher vorneweg und mit besonders aggressiver Glaubensintensität.
Quelle: Norbert Häring
- 20 Jahre Europäische Aktiengesellschaft: 4 von 5 großen SE vermeiden paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat
Seit 20 Jahren gibt es in der EU die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE). Seit gut zehn Jahren steigt die Zahl der SE kräftig, gerade in der Bundesrepublik. Mehr als die Hälfte der operativ tätigen SE in der EU sind deutsche Unternehmen. Etliche von ihnen sind ganz überwiegend im Inland aktiv, obwohl die SE eigentlich dazu dienen sollte, grenzüberschreitend tätigen Unternehmen die Arbeit zu erleichtern. Für das Arbeitnehmerrecht auf Mitbestimmung ist die SE in Deutschland zu einem großen Problem geworden, zeigt eine aktuelle Analyse des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung: Von den 424 im Juli 2021 aktiven deutschen SE haben 107 mehr als 2000 Beschäftigte im Inland. Wären sie etwa Aktiengesellschaften nach deutschem Recht (AG), könnten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz zahlenmäßig paritätisch mitentscheiden – so wie in den aktuell 211 deutschen AG mit mehr als 2000 Beschäftigten im Inland. Doch tatsächlich verfügen nur 21 der 107 großen SE über Aufsichtsräte, in denen zur Hälfte Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten sitzen. Vier von fünf großen SE vermeiden also paritätische Beteiligung im Aufsichtsrat. Davon sind aktuell mehr als 300.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen, die Tendenz ist seit Jahren steigend.
Quelle: Hans Böckler Stiftung
- Pleite für Lieferdienst Gorillas
Arbeitsgericht entscheidet, dass die Betriebsratswahlen bei dem Start-up wie geplant stattfinden können
Die Auseinandersetzungen zwischen den Beschäftigten und dem Management beim Express-Lebensmittellieferdienst Gorillas gehen weiter. Wobei die Konflikte mittlerweile auch das Berliner Arbeitsgericht beschäftigen. Am Mittwoch musste das Start-up-Unternehmen dabei eine saftige Niederlage einstecken: Die für kommende Woche angesetzte Betriebsratswahl kann wie geplant stattfinden, entschied das Gericht. Genau das hatte Gorillas zu verhindern versucht.
Das Unternehmen wollte die Wahl per einstweiliger Verfügung stoppen lassen. Zur Begründung hieß es, die Wahllisten hätten nicht überall ausgehangen, Mitarbeiter*innen sei die Wahl des Wahlvorstandes verweigert worden. Vor allem aber sei unklar, so die Argumentation von Gorillas, für welche Beschäftigten der Wahlvorstand überhaupt zuständig sei. Denn zum 1. Oktober hatte das Unternehmen das operative Geschäft, darunter auch die Kurier*innen, an die neu gegründete Gorillas Operations Germany GmbH & Co. KG ausgelagert. Zudem wurde erst diese Woche ein Franchisemodell eingeführt, bei dem jedes Warenlager als eigenständige Unternehmenseinheit agieren soll. Gorillas hatte denn auch schwere Geschütze aufgefahren: Bei einer trotzdem erfolgenden Betriebsratswahl drohte das Unternehmen mit Geldstrafen in Höhe von 10 000 Euro oder Haftstrafen, wie Joey Ridge, ein Mitglied des Wahlvorstandes, gegenüber »nd« bestätigt.
Quelle: Neues Deutschland
- Prekär, aber frei? Arbeitsbedingungen und Karrierewege in der Wissenschaft und ihre Konsequenzen für die Wissenschaftsfreiheit
“Wie gestaltet sich die Lage eines absolvierten Studenten, der entschlossen ist, der Wissenschaft innerhalb des akademischen Lebens sich berufsmäßig hinzugeben?” Er müsse, so lautete die Antwort Max Webers 1919, “es mindestens eine Anzahl Jahre aushalten können, ohne irgendwie zu wissen, ob er nachher die Chancen hat, einzurücken in eine Stellung, die für den Unterhalt ausreicht”.[1] Wenngleich sich seit dieser Bestandsaufnahme Webers vieles an den deutschen Hochschulen geändert hat, charakterisiert die lange Phase beruflicher Unsicherheit bis zu einer unbefristeten Festanstellung bis heute den Beruf Wissenschaft.
Klar erscheint der Karriereweg in der Wissenschaft häufig erst in der Retrospektive. Denn erzählt wird die wissenschaftliche Karriere aus der Perspektive der Position, die als einzige im deutschen Hochschulsystem regelhaft die unbefristete Festanstellung vorsieht: aus Sicht der Professur. Professor*innen repräsentieren Wissenschaft als Beruf. Sie sind die personifizierte Einheit von Forschung und Lehre und Leitbild der wissenschaftlichen Karriere. Wer auf diese Position gelangen will, muss sich sowohl in der Forschung als auch in der Lehre qualifizieren. Erst der Ruf auf eine Professur signalisiert den Abschluss der Qualifikationsphase. Dem entspricht ein Beschäftigungssystem, in dem Professor*innen in der Regel verbeamtet sind und dauerhaft in der Wissenschaft verbleiben können, im Unterschied zu denjenigen, die sich qualifizieren und daher, so die Logik, auch nur befristet beschäftigt werden.[2] In diesem Beitrag beschreiben wir zunächst Zustand und Genese des wissenschaftlichen Karriere- und Beschäftigungssystems in Deutschland und fragen anschließend, welche Konsequenzen sich daraus für die Wissenschaftsfreiheit ergeben könnten.
Quelle: bpb
- Am Ende des Lateins
Unterstellen wir einmal, dass die westliche Darstellung stimmt: Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko habe seinen gehörigen Anteil an der humanitären Krise an der EU-Außengrenze. Dann heißt das immer noch nicht, dass er sie »bewusst herbeigeführt« habe. Das hätte er gar nicht gekonnt. Den »Migrationsdruck« hat Lukaschenko vorgefunden. Er ist die Folge vor allem der westlichen Regimewechselkriege im Nahen und Mittleren Osten.
Dass er ihn ausnutzt, ist eine andere Frage, aber warum sollte er das auch unterlassen? Sich von der EU vor die Füße spucken lassen und so tun, als wäre nichts passiert? Belarus ist nicht EU-Mitglied, es muss sich nicht an irgendwelche Kopenhagener Kriterien halten, die der Staatenbund gegenüber seinen Mitgliedern Polen und Ungarn nicht durchsetzen kann oder will. Egal, was man von der Präsidentschaftswahl im August 2020 im einzelnen hält: Sie ging die EU zunächst einmal nichts an, so plump sie auch mutmaßlich gefälscht worden ist. Brüssel beansprucht ein Aufsichtsrecht über Belarus, das ihm niemand eingeräumt hat.
Was die EU-Außenminister jetzt beschlossen haben, ist einerseits grotesk: einen Flughafen zu sanktionieren, zu dem die EU den Verkehr ohnehin schon eingestellt hat. Andererseits bedient sich die EU damit solcher Maßnahmen, die deutsche Politiker noch bekrittelt hatten, als die USA mit denselben Mitteln gegen Nord Stream 2 vorgegangen sind: Sie verhängt Sanktionen mit dem Anspruch extraterritorialer Wirkung. (…)
Lukaschenko wird unterstellt, er wolle die EU spalten. Das ist ihm zumindest bisher nicht gelungen. Es gibt keine offizielle Kritik an den völkerrechtlich verbotenen Pushbacks, zu denen sich Polen ermächtigt hat. Die Warschauer Position, man verteidige »Europa« gegen frierende Frauen und Kinder, bleibt unwidersprochen. Das aber ist bei allem taktischen Misserfolg ein strategischer Sieg Lukaschenkos: Die EU beerdigt mit eigener Hand ihr selbstgepflegtes Image als Heimat von Werten und Menschenrechten. Wenn das irgend jemand in Minsk oder Moskau geplant haben sollte: Das hat gesessen.
Quelle: Reinhard Lauterbach in junge Welt
Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch Belarus: Druck und Gegendruck.
- Die Humanität der EU
Lebensrettende Hilfe für Flüchtlinge wird in der EU mit einem Vierteljahrhundert Haft bedroht. Am heutigen Donnerstag beginnt auf der griechischen Insel Lesbos ein Prozess gegen zwei Flüchtlingshelfer, denen wegen ihrer Hilfstätigkeit unter anderem “Menschenschmuggel” und “Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung” vorgeworfen wird. Das Strafmaß: bis zu 25 Jahre Haft. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall: Amnesty International hat bereits im vergangenen Jahr dokumentiert, dass in zahlreichen Ländern Europas vermutlich Hunderte verfolgt werden, weil sie Flüchtlinge unterstützen. In Deutschland wurde kürzlich ein Pfarrer zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er einem von Abschiebung bedrohten Iraner Kirchenasyl gewährt hatte. Gleichzeitig gehen Grenzbeamte, die an den Außengrenzen der EU völkerrechtswidrige Pushbacks durchführen – nicht nur in Polen und Litauen, auch in Griechenland sowie in diversen anderen Ländern -, straflos aus. Bei Pushbacks etwa aus Griechenland werden immer wieder Flüchtlinge auf unbewohnten Inseln oder in motorlosen Schlauchbooten ausgesetzt.
Quelle: German Foreign Policy
- GEW: „Neue Regierung muss Weg für mehr Dauerstellen freimachen!“
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat die neue Koalition aufgefordert, gleich zu Beginn ihrer Regierungszeit die Weichen für mehr unbefristete Beschäftigung in der Wissenschaft zu stellen. „Immer mehr Zeitverträge mit immer kürzeren Laufzeiten, lange und steinige Karrierewege – so kann es nicht weitergehen. Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie in den ersten 100 Tagen einen Gesetzentwurf für eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vorlegt. Ziel ist, für Dauerstellen für Daueraufgaben, verbindliche Mindestvertragslaufzeiten und einen Anspruch auf Vertragsverlängerung bei Kinderbetreuung und pandemiebedingter Beeinträchtigung zu sorgen“, sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende und Hochschulexperte Andreas Keller am Mittwoch in Berlin.
Keller forderte die künftigen Regierungsparteien auf, die Wissenschaftsfinanzierung gezielt dafür einzusetzen, gute Arbeit in der Wissenschaft zu fördern. „Wer zahlt, schafft an. Der Bund finanziert die Wissenschaft Jahr für Jahr mit über zehn Milliarden Euro. Er muss dann auch Verantwortung dafür übernehmen, dass mit dem Geld faire Beschäftigungsbedingungen finanziert werden. Hochschulen und Forschungseinrichtungen, die der Bund fördert, müssen verpflichtet werden, Tarifverträge zu unterschreiben und einzuhalten, verantwortungsbewusst mit Befristungen umzugehen und eine aktive Personalentwicklung und Gleichstellungpolitik zu betreiben. Statt immer neue befristete Programme und Wettbewerbe aus dem Boden zu stampfen, muss der Bund mehr in die Grundfinanzierung der Hochschulen investieren“, mahnte der GEW-Vize.
Zudem machte er sich für eine umfassende BAföG-Reform stark. „Chancengleichheit in der Wissenschaft fängt im Studium an. Damit wieder deutlich mehr Studierende unterstützt werden, müssen die Fördersätze und Freibeträge kräftig angehoben und künftig automatisch angepasst werden. Um zu vermeiden, dass Hochschulabsolventinnen und -absolventen mit einem Schuldenberg ins Erwerbsleben starten, muss das BAföG endlich wieder als Vollzuschuss gezahlt werden“, erklärte Keller.
Quelle: GEW
- In der Bravheitsfalle
Bei den Grünen wächst die Unzufriedenheit. In den Koalitionsverhandlungen fühlen sie sich über den Tisch gezogen. Doch sie sind auch Opfer ihrer eigenen Strategie.
Am besten beginnt man diesen Text mit einer typischen Robert-Habeck-Formulierung: Kann es sein, dass die Erfolge von gestern bereits das Scheitern von morgen in sich tragen? Dass sich eine gelungene Strategie gegen ihren Erfinder wendet, dass sie Niederlagen, Misserfolge produziert?
Ja, das kann sein. Theoretisch zumindest. Ob es bei den Grünen auch praktisch so kommt, das weiß man noch nicht. Aber die Frage drängt sich auf, mit jedem Tag der Koalitionsverhandlungen und jedem Gespräch, das man mit den Verhandlern führt ein bisschen mehr. Die Grünen, so viel lässt sich jetzt schon sagen, wirken derzeit ziemlich unglücklich mit sich selbst. Sie motzen über ihre künftigen Partner, die “bräsige SPD” und die “ideologische FDP”. Sie sind unzufrieden mit dem, was sie bislang erreicht haben. Sie haben Sorge, dass ihnen die nächste doppelte Niederlage droht: beim Ringen um den Klimaschutz und ums Finanzministerium, was zusammengenommen ein recht ganzheitliches Desaster wäre.
Quelle: Zeit Online
- Wirksamkeit von Corona-Maßnahmen auf wackligem Prüfstand
Ein Expertengremium soll bis Jahresende die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung epidemiologisch bewerten. Doch kein Epidemiologe ist dabei
Die Bundesregierung will überprüfen lassen, wie erfolgreich ihre Maßnahmen in der Corona-Pandemie waren. Ein Expertengremium soll beurteilen, was Maskenpflicht, Schulschließungen, Quarantäne, Schnelltests und andere Maßnahmen gebracht haben. Nach aktuellem Stand soll der Bericht bis Ende Dezember fertig sein, mit der Reform des Infektionsschutzgesetzes könnte das Gremium auch bis Ende Juni Zeit bekommen: In dem Gesetzentwurf von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen ist eine Fristverlängerung bis zum 30. Juni 2022 vorgesehen.
“Die Evaluation soll interdisziplinär erfolgen”, heißt es beim Bundesgesundheitsministerium, “und insbesondere auf Basis epidemiologischer und medizinischer Erkenntnisse die Wirksamkeit der auf Grundlage der genannten Vorschriften getroffenen Maßnahmen untersuchen”. Doch das Problem: In dem Gremium sitzen zwar 18 Juristen, Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, Mediziner und Vertreter des Öffentlichen Gesundheitsdienstes – aber kein Epidemiologe.
Quelle: Telepolis
- Auffrischungsimpfungen – Ärzte warnen vor Booster-Verteilungskampf
Hausärzte und Patientenschützer warnen vor einem Verteilungskampf bei den Booster-Impfungen und fordern eine Vorrangprüfung. Die Bundesärztekammer will einen klaren Impf-Fahrplan.
Die Deutschen Hausärzte warnen vor einem Verteilungskampf bei den Auffrischungsimpfungen. Beim Wunsch nach einer raschen Auffrischung sei zu berücksichtigen, “dass dies möglicherweise zu Lasten von vulnerablen Patienten erfolgen würde”, sagt der Vorsitzende des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, den Funke Medien.
Quelle: ZDF
Anmerkung André Tautenhahn: Es würde zur politisch und medial befeuerten Hysterie passen, wenn nun ausgerechnet die gefährdeten Bevölkerungsgruppen keine Impftermine bekämen. Statt dieses Chaos zu ordnen, zerbricht sich die Politik aber lieber den Kopf darüber, wie sie freiwillig Ungeimpfte weiter schikanieren kann.