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Titel: Journalismus: Wenn Kimmich sich impfen lässt, ist die Pandemie zu Ende

Datum: 26. Oktober 2021 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
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Deutschland, 23. Oktober 2021: Patrick Wasserziehr, Reporter beim TV-Sender Sky, konfrontiert Joshua Kimmich vor laufender Kamera mit Fragen zum Impfstatus des Bayern-Spielers. Ein Fußballspieler, Bürger und Mitmensch soll sich erklären, warum er nicht gegen Corona geimpft ist. Nun stürzt sich eine ganze Medienlandschaft auf den Bayern-Spieler – ganz so, als ob der weitere Verlauf der Pandemie von der Impfentscheidung eines 26-Jährigen abhängt. Wasserziehr hat für diese „Berichterstattung“ das Fundament gelegt. Über das, was sich der erfahrene Sportreporter in dem Interview mit Kimmich geleistet hat, darf man nicht hinwegsehen, sagt Marcus Klöckner in einem NachDenkSeiten-Kommentar.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Lesen Sie dazu auch auf den NachDenkSeiten: Tobias Riegel – „Impf-Debatte um Joshua Kimmich: Heuchelei auf beiden Seiten


Patrick Wasserziehr hat am Wochenende Geschichte geschrieben – leider eine sehr unrühmliche. Wohl zum ersten Mal hat ein Sportreporter in Deutschland einen Fußballspieler vor laufender Kamera dazu gebracht, sich dafür zu rechtfertigen, dass er nicht gegen Corona geimpft ist. „Die BILD hat berichtet, dass Sie noch umgeimpft seien. Warum?“ fragt Wasserziehr. Dann geht es Schlag auf Schlag: Wasserziehr wirft dem Bayern-Spieler vor, dass er in Sachen Corona Solidarität nicht lebe, und fragt, wie die Welt aussehen würde, wenn alle so handelten wie er, Kimmich.

So weit ist es mittlerweile gekommen. Ein Fußballspieler, Bürger und Mitmensch wird vor laufender Kamera unter Druck gesetzt, weil er Bedenken gegen die „Corona-Impfung“ hat. Das gut fünfminütige Interview ist ein eindrucksvolles Zeitdokument, anhand dessen sich ablesen lässt, wie Stimmung gegen ungeimpfte Menschen in der Gesellschaft geschürt wird, aber auch, welche unrühmliche Rolle Medien dabei spielen. In der Maske des Biedermanns, der vorgibt, nur zu fragen und nicht „anklagen“ zu wollen, greift Wasserziehr unterm Strich letztlich das Prinzip auf Selbstbestimmung eines jeden Menschen über seinen Körper an – auch wenn er betont, er respektiere ja Kimmichs Entscheidung.

Was wäre los, wie groß wäre die Empörung in den Medien, wenn ein Reporter vor laufender Kamera eine Sportlerin wegen ihrer Entscheidung, ein Kind abgetrieben zu haben, mit bohrenden Fragen konfrontieren würde? Die Leitartikler würden toben – nicht wegen der persönlichen Entscheidung der Sportlerin, sondern wegen der despektierlichen Fragen. Auch im Fall Kimmich toben die Leitartikler. Hier jedoch wegen der persönlichen Entscheidung Kimmichs.

Ein Bürger, der zwar keiner gesetzlichen Impfpflicht unterliegt, der sich aber vor Kameras erklären und rechtfertigen muss, weil er noch Bedenken gegen die Impfung hat, wird unter einen enormen Druck gesetzt – das steht außer Frage!

Derzeit prügeln Journalisten den Spieler der Nationalmannschaft regelrecht durch die Berichterstattung. Zeit-Redakteur Oliver Fritsch ist gar der Auffassung, man müsse Kimmich nicht mit einem „Fußballverbot“ belegen, aber solange der Bayern-Spieler ungeimpft sei, sollte er die Kapitänsbinde der Nationalmannschaft nicht mehr unbedingt tragen.“

Aussagen wie diese bauen letztlich auf dem fragwürdigen Fundament, das Wasserziehr durch sein Interview gelegt hat. Es versteht sich von selbst, dass Fritsch der Auffassung ist, der Sky-Reporter habe seine Sache „gut“ gemacht.

Der Sprachwissenschaftler Dennis Kaltwasser verwies vor kurzem im NachDenkSeiten-Interview auf den Nürnberger Kodex.

„Die freiwillige Zustimmung […] ist unbedingt erforderlich. Das heißt, dass die betreffende Person im juristischen Sinne fähig sein muss, ihre Einwilligung zu geben; dass sie in der Lage sein muss, unbeeinflusst durch Gewalt, Betrug, List, Druck, Vortäuschung oder irgendeine andere Form der Überredung oder des Zwanges, von ihrem Urteilsvermögen Gebrauch zu machen.“

Dass vielleicht nicht jeder Reporter oder Redakteur den Nürnberger Kodex kennt, ist das eine. Das andere ist es, wenn offensichtlich selbst die Verantwortlichen in den Chefredaktionen großer Medien einer Berichterstattung grünes Licht geben, die so tut, als wäre der Nürnberger Kodex nicht existent. Wir erinnern uns: Der Nürnberger Kodex ging aus dem Nürnberger Ärzteprozess hervor. Zahlreichen KZ-Ärzten wurde damals der Prozess gemacht. Nun ist, gewiss, 2021 nicht 1947, und ja: Natürlich sind die Umstände andere. Aber wer direkt oder indirekt Druck auf Menschen ausübt, die sich einer medizinischen Behandlung aus ihren jeweiligen persönlichen Gründen verweigern, missachtet letztlich den Geist, von dem diese so wichtige Handschrift getragen ist.

Was muss in den Köpfen von Journalisten vorgehen, die den Impfstatus eines Fußballspielers zu einer öffentlichen Angelegenheit machen? Wie kann es sein, dass Journalisten den Stab über einen Profifußballer brechen, weil dieser nicht bereit ist, sich einen neuartigen Impfstoff spritzen zu lassen? Wie kann es sein, dass Journalisten aus nichts einen „Fall Kimmich“ machen und letztlich dafür sorgen, dass aus nichts sogar ein Politikum wird?

In unseren Medien, man kann es nicht anders sagen, dominieren offensichtlich Vorstellungen, die in ihrem Rigorismus gegenüber Andersdenkenden ein geradezu totalitäres Denken erkennen lassen.

Die „Berichterstattung“ in der Pandemie hat gezeigt: Vielen Journalisten genügt es nicht, wenn 99 von 100 Menschen im Laden eine Maske tragen – es müssen 100 von 100 sein. Genauso wenig reicht es ihnen nicht, dass der überwiegende Teil der Fußballspieler des FC Bayern gegen Corona geimpft ist. Nein, es müssen alle sein. Ganz so, als würde der weitere Verlauf der Pandemie in Deutschland und auf der Welt von der Entscheidung eines 26-jährigen Fußballspielers abhängen. Alle müssen in Reih und Glied stehen. Niemand darf ausscheren.

Schlimm ist: Ja, das ist tatsächlich das Niveau, auf dem sich der Journalismus unserer Zeit bewegt. Wenn „Journalismus“ als verlängerter Arm der eigenen Glaubensüberzeugungen eingesetzt wird, dann wird sich gerne mal ignorant gegenüber der Realität gezeigt.

Wasserziehr sagt zum Abschluss des Interviews, er sei anderer Meinung als Kimmich, „das sage ich ganz ehrlich.“ Das ist es, worum es geht. Das ist es, warum dieses Interview so geführt wurde, wie es geführt wurde: Die Meinung des „Reporters“ war in dem gesamten Interview präsent und handlungsleitend. Auch wenn Kimmich zum Schluss des Interviews sich irgendwie erfreut zeigt, dass der Reporter Interesse an seiner Position habe: Was soll er sonst – im Sinne der Höflichkeit – auch sagen?

Jens Berger hat gerade unter der Überschrift „Die 10 großen Impf-Missverständnisse“ aufgezeigt, wie hartnäckig sich in die Irre führende Vorstellungen im Hinblick auf die Pandemie auch in den Medien halten.

Wasserziehr hätte gut daran getan, den Beitrag zu lesen. Auf die Aussage des Reporters, man schütze mit der Impfung nicht nur sich selbst, sondern auch andere, belehrt ihn Kimmich darüber, dass auch Geimpfte das Virus verbreiten können. Immerhin: Der Reporter weiß, wie man sich von jemand anderem den Kaffee umrühren lässt.


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