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Titel: Corona-Tests: Medizinische Entscheidungen sind nun vom Geld abhängig

Datum: 11. Oktober 2021 um 12:43 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Gesundheitspolitik, Soziale Gerechtigkeit, Wertedebatte
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Kostenpflichtige Corona-Tests bedeuten einen Dammbruch, einen gesellschaftlich nicht ausgehandelten Paradigmenwechsel, der zum Himmel schreit: Zu der vorsätzlichen Spaltung zwischen geimpften und nicht geimpften Bürgern kommt dadurch noch die Spaltung gemäß der finanziellen Möglichkeiten hinzu: Eine Benachteiligung von ärmeren Bürgern ist die direkte Folge – und eine Beschneidung des Rechts auf freie medizinische Entscheidungen. Diese (Fehl-)Entscheidung ist – wie jene gegen Lohnfortzahlung in Quarantäne – ein sozialer Sprengsatz. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Die seit dem Frühjahr kostenlos möglichen Corona-Schnelltests müssen jetzt meist selbst bezahlt werden. Generell gratis bleiben sie nur noch für Menschen, die sich nicht impfen lassen können, darunter Kinder unter 12 Jahren. Das legt eine neue Bundesverordnung fest, die am Montag in Kraft tritt, wie Medien berichten. Da kostenlose Impfungen für alle möglich seien, sei eine dauerhafte Übernahme der Test-Kosten durch die Steuerzahler nicht länger nötig, hieß es zur Begründung.

Benachteiligte müssen sehen, wo sie bleiben

Die Entscheidung, Corona-Tests künftig kostenpflichtig zu machen, ist ein sozialer und juristischer Dammbruch, ein gesellschaftlich nicht ausgehandelter Paradigmenwechsel: Denn zu der bereits vorsätzlich herbeigeführten Spaltung zwischen geimpften und nicht geimpften Bürgern kommt nun noch die Spaltung gemäß der finanziellen Möglichkeiten hinzu: Eine krasse Benachteiligung von ärmeren Bürgern ist die Folge. So ist ihr Recht auf freie medizinische Entscheidungen (etwa gegen eine experimentelle Corona-Impfung) künftig von der Brieftasche abhängig. Dazu kommt, dass die Regierung weiterhin einen offiziellen Impf-Zwang (und die daraus folgenden Konsequenzen) scheut und den unleugbaren indirekten Zwang stattdessen auf Private abwälzt.

Doch das wird von weiten Teilen der Gesellschaft mehr oder weniger achselzuckend hingenommen – oder sogar begrüßt, wie Medien berichten: Der Schritt, Tests kostenpflichtig zu machen, sei „nachvollziehbar“, da inzwischen alle Menschen ein Impfangebot erhalten hätten, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Auch der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, nannte es angesichts einer Impfquote von 80 Prozent bei Erwachsenen richtig, dass der Staat die Kosten für Schnelltests nicht länger übernimmt. Dafür, dem verheerenden Plan ein gutes Zeugnis auszustellen, finden sich sogar Juristen, die diese vorsätzliche Spaltung nach finanziellen Möglichkeiten als „unproblematisch“ bezeichnen.

Kritik bleibt viel zu defensiv

Kritik kommt immerhin von einigen Sozialverbänden: Der Sozialverband VdK fordert laut Medienberichten zum einen eine Begrenzung der Kosten. “Wir befürchten, dass es zu völlig überteuerten Angeboten kommt”, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele dem “RedaktionsNetzwerk Deutschland” (RND). Bislang sei keine Deckelung der Kosten für die Tests vorgesehen. “Menschen mit wenig Geld sollten außerdem nur eine geringe Eigenbeteiligung zahlen müssen”, forderte sie. Auch der Paritätische Gesamtverband ist kritisch. Die Abschaffung der kostenfreien Tests sei problematisch, weil “damit wohlhabende Impfskeptiker, die sich auch kostenpflichtige Tests leisten können, privilegiert werden”, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider dem RND.

Auch die LINKE hat sich etwa hier oder hier dagegen positioniert – andererseits finden die Pläne nun auch etwa im von LINKEN, Grünen und SPD regierten Thüringen ihre Anwendung.

Es gibt sie also, die Kritik an der sozialen Dimension des Vorhabens – aber diese Kritik erscheint in ihrem defensiven Charakter dem Gegenstand unangemessen schwach. Schließlich ist die Entscheidung – wie jene zur Lohnfortzahlung in Quarantäne – ein unberechenbarer sozialer Sprengsatz. Und eine Abkehr von zentralen, gestern noch gültigen Prinzipien. Mutmaßlich dringen aber auch viele Kritiker an dem Vorhaben nicht hörbar in die Medien vor. Angesichts der vergifteten gesellschaftlichen Stimmung ist der Mut solcher Kritiker umso höher einzuschätzen.

Was Jens Spahn unter „Fairness“ versteht

Auf den Punkt der womöglich nun nicht mehr entdeckten „Infektionen“ geht die Ärztegewerkschaft Marburger Bund ein und befürchtet nach dem Ende der kostenlosen Corona-Tests einen Anstieg der Infektionszahlen. „Kostenpflichtige Corona-Tests führen dazu, dass sich künftig weniger Menschen mit Symptomen testen lassen werden“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna. „Das ist ein Einfallstor für eine weitere Übertragung des Virus.“

Gesundheitsminister Jens Spahn hat derweil mitgeteilt, was er unter „Fairness“ versteht. Nämlich die Einschränkung der individuellen medizinischen Entscheidungen durch indirekten politisch-gesellschaftlichen Druck und die finanzielle Benachteiligung bei einer „falschen“ Entscheidung, wie Medien berichten: „Kostenlose Bürgertests abzuschaffen, gebietet die Fairness vor dem Steuerzahler“, sagte der CDU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Verantwortliche könnten aus Corona-Kampagne aussteigen: „Ich mach’ da nicht mehr mit!“

Die Leichtfertigkeit, mit der Teile aus Politik und Medien die gesellschaftliche Spaltung vorantreiben, ist beängstigend: Wie kann man denn nur davon ausgehen, dass diese giftigen Kampagnen gegen einen großen Teil der Bürger spurlos an ihnen und am Zusammenhalt der Gesellschaft vorbeigehen? Es gibt bereits gravierende sichtbare Folgen dieser Vergiftung des Klimas – und dazu kommen die noch gar nicht abschätzbaren langfristigen Folgen eines Ausschlusses von Millionen von Menschen.

Wie konnten wir nur an diesen Punkt gelangen? Dadurch, dass große Teile aus Politik, Medien und „Zivilgesellschaft“ es so weit haben kommen lassen! Doch man möchte diesen Mitverantwortlichen auch zurufen: Gerade die Bilanz der Mitverantwortung an der destruktiven Entwicklung der Gesellschaft könnte doch ein Grund mehr dafür sein, endlich zu sagen: Bis hierher und nicht weiter. Es ist nie zu spät, um als Beteiligter aus der Corona-Kampagne auszusteigen. Auch wenn man wegen der eigenen Unterstützung für die bisherige Corona-Politik befangen ist, könnte man solche Versäumnisse jetzt wiedergutmachen, indem man sich gegen die (ausnahmslos) abzulehnenden Auswüchse der Corona-Politik stellt und sagt: „Ich mach’ da nicht mehr mit!“

Denn inzwischen sollte eines klar sein – und die Impfkampagne, die finanziellen und moralischen Übergriffe sowie die drohende Überwachung durch „Gesundheitspass“ etc. sollten es nochmals deutlich gemacht haben: Für die Verantwortlichen der Corona-Politik wird es so lange keine politisch-moralischen Haltelinien geben, bis die Bürger diese Roten Linien endlich ziehen und sie dann auch verteidigen.

Nürnberger Kodex wird mit Füßen getreten

Und wenn es schon nicht ein eigener „moralischer Kompass“ oder ein soziales Gewissen sind, die zu einem Einschreiten etwa gegen den Charakter der Impfkampagne verleitet, so sollten es wichtige Dokumente wie der „Nürnberger Kodex“ oder ein Beschluss des Europarates sein, wie die NachDenkSeiten im Artikel „Impf-Skepsis ist politisch – nicht egoistisch“ beschrieben haben:

“Es gibt übrigens schwergewichtige, von der Politik aber eiskalt ignorierte Dokumente, die den aktuellen Regierungsplan eines indirekten Impfzwangs eindeutig verurteilen. Dazu gehört etwa der „Nürnberger Kodex“ oder ein Beschluss des Europarates, in dem es zur Corona-Impfung heißt, Regierungen müssten:

„7.3.1 sicherstellen, dass die Bürger darüber informiert werden, dass die Impfung NICHT verpflichtend ist und dass niemand politisch, gesellschaftlich oder anderweitig unter Druck gesetzt wird, sich impfen zu lassen, wenn er dies nicht selbst möchte;
7.3.2 sicherstellen, dass niemand diskriminiert wird, weil er nicht geimpft wurde, aufgrund möglicher Gesundheitsrisiken oder weil er sich nicht impfen lassen möchte;“

In dem Artikel heißt es weiter zur Einordnung des Impf-Prinzips:

„Impfen ist ein gutes und zu Recht hoch angesehenes Prinzip, es soll hier keineswegs allgemein diffamiert werden. Darum muss man immer wieder betonen, dass die Corona-Impfungen nicht mit den klassischen Impfungen zu vergleichen sind: Sie sind nicht angemessen geprüft und eine Impfung ist momentan – durch den Verlauf der Debatte – zu einer indirekten politischen Aussage geworden. Wer diese beiden Aspekte ins Feld führt, ist noch lange kein prinzipieller Impfgegner.“

Solidarleistungen als Almosen?

Zur ebenfalls abzulehnenden Einschränkung der Lohnfortzahlung in Quarantäne hat kürzlich „Telepolis“ einen interessanten Kommentar gebracht. Hier soll daraus zitiert werden, auch wenn die Begriffe zur Lohnfortzahlung im Krankheits- bzw. Quarantänefall teils etwas unscharf genutzt werden:

„Kritik gibt es auch von der Stiftung für Patientenschutz, die daran erinnert, dass die Gesundheitsminister der Länder mit ihren Beschluss einen ethischen Kontext verlassen haben. Weder Impfstatus, Alter, Pflegebedürftigkeit, Krankheiten, Essgewohnheiten noch Hobbys seien bisher Kriterien für Solidarleistungen gewesen, betont Eugen Brysch von der Stiftung für Patientenschutz.
 
Damit hat er den Kern getroffen. Solidarleistungen sollen kein Almosen und keine Gnade sein, die für ein bestimmtes Verhalten gewährt oder verweigert werden können. Sie sind ein Recht, das allen Betroffenen zusteht. Zudem soll darin erinnert werden, dass die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall in einen langwierigen, erbittert geführten Streik 1957 von den Lohnabhängigen erstritten wurde.
 
Der Kapitalseite waren die erkämpften Rechte immer ein Dorn im Auge. Es gab viele Versuche, sie wieder abzuschaffen, die aber oft gescheitert sind. Mit dem Beschluss, die Lohnfortzahlung für Ungeimpfte in Quarantäne abzuschaffen, ist ein Dammbruch erreicht. Es ist kein Zufall, dass an diesen Punkt angesetzt wurde. (…) Hier wird ganz bewusst eine Politik der Entsolidarisierung betrieben, die als Einfallstor für ähnliche Regelungen auch über den Corona-Komplex hinaus dienen kann. “

Die Pandemie ohne Zahlenbasis

Zu all dem kommt hinzu: Eine Zahlenbasis, die Lockdowns, Protest-Verbot, Bildungsentzug, Kinder-Maskierung, Reichtumsexplosion, Impfzwang, die vorsätzliche Spaltung der Gesellschaft und zahlreiche weitere gefährliche Aspekte der Corona-Politik rechtfertigen könnte – es gibt sie nicht, zumindest nicht in der angemessenen Weise, die man erwarten muss, wie die NachDenkSeiten in zahlreichen Artikeln beschrieben haben (etwa hier oder hier). Doch im Zuge der Corona-Kampagne wurde die Beweislast umgekehrt (noch so ein Paradigmenwechsel): Inzwischen müssen sich nicht mehr jene rechtfertigen, die
Grundrechte und mühsam installierte Solidaritäts-Prinzipien zerstören, sondern jene, die das kritisieren.

Titelbild: Cryptographer/shutterstock.com


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