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Titel: Serie zu den Parteien im Wahlkampf: Die FDP
Datum: 24. August 2021 um 9:10 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, FDP, Wahlen
Verantwortlich: Jens Berger
In unserer Artikel-Reihe zu den zur Wahl stehenden Parteien zur Bundestagswahl geht es heute um die FDP. Die Liberalen haben es im letzten Jahr immerhin geschafft, sich im Bundestag anders als Grüne und Linke als echte Opposition zur Corona-Politik der Bundesregierung zu positionieren und konnten hier als Verteidiger der Bürgerrechte punkten. Es gibt jedoch nicht nur das Thema „Corona“, das im Wahlprogramm der FDP übrigens gar keine Rolle spielt. Hinter modern klingenden Slogans findet man stattdessen genau die neoliberalen Ansätze, die den programmatischen Kern der FDP bilden. Und hier wird es interessant, hat die FDP doch den aktuellen Umfragen zufolge gleich über mehrere Koalitionsvarianten ordentliche Chancen, in die nächste Regierung einzuziehen. Von Jens Berger.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Was will die FDP?
Die FDP hat von allen im Bundestag vertretenen Parteien das mit Abstand kürzeste Wahlprogramm. Auf gerade einmal 68 Seiten werden zwar zahlreiche Themenfelder gestreift und die Grundpositionen der FDP vorgestellt. Auf Herleitungen und vor allem Konkretisierungen verzichtet man jedoch wohlwissend bei den meisten Themen. Selbst bei Kernthemen für die eigene Klientel, wie beispielsweise den konkreten Steuersätzen bei den geforderten Steuersenkungen, bleibt man erstaunlich vage. So erinnert das Wahlprogramm auch eher an ein Thesenpapier als an einen Forderungskatalog. Das macht die Sache jedoch nicht besser, da die FDP auf den zentralen Themenfeldern in ihrem Wahlprogramm Positionen vertritt, die eins zu eins genau den „alten“ Neoliberalismus auferstehen lassen, den die FDP als Juniorpartner der CDU von 2009 bis 2013 vertreten hat und wegen dem sie damals mit einem Ergebnis von 4,8% aus dem Bundestag gewählt wurde.
Beim Thema Altersvorsorge sieht die FDP – wenig überraschend – Handlungsbedarf bei der Stärkung der privaten Altersvorsorge. Den Liberalen schwebt hier ein Baukastenprinzip vor, bei dem man die Bausteine der gesetzlichen, betrieblichen und privaten Altersvorsorge „je nach Lebenslage flexibel kombinieren und an moderne Lebensläufe anpassen“ kann. Wie genau das funktionieren soll und wie sich dies auf die Ansprüche und Anwartschaften auswirkt, verrät die FDP jedoch nicht. Einer der wenigen konkreten Punkte ist die Forderung, den Satz der gesetzlichen Rentenversicherung von 18,6% auf 16,6% zu senken und dafür zusätzlich 2,0% des Bruttoeinkommens in eine verpflichtende gesetzliche Aktienrente einzuzahlen. Die soll als Fonds ähnlich dem privaten Aktiensparen „unabhängig verwaltet“ werden. Wie die Rentenversicherung im Umlagesystem die dadurch entstehende Lücke bei den ausgezahlten Renten decken soll, verrät die FDP nicht. Stichhaltige Argumente, die gegen eine Aktienrente sprechen, werden ignoriert.
Von einem festen Renteneintrittsalter hält die FDP nichts. Das soll künftig „flexibel“ gehandhabt werden. Wer eher in Rente geht, bekommt weniger, wer später in Rente geht, mehr Geld. Zusätzlich sollen die Zuverdienstgrenzen abgeschafft werden. Frank und frei erklärt das Wahlprogramm auch den Sinn und Zweck dieser Regelungen: „Das sorgt zum einen für mehr finanzielle Stabilität, weil die Menschen im Schnitt länger im Beruf bleiben“. Wer also mit 67 eigentlich noch arbeiten müsste, da er von seiner zu erwartenden Rente nicht leben kann, hätte „dank“ der FDP-Regelungen nun die Möglichkeit, völlig flexibel Geld mit Minijobs o.ä. hinzuzuverdienen. Was das mit „finanzieller Stabilität“ zu tun haben soll, erklärt das Wahlprogramm nicht. Und wer nicht bis in hohe Alter arbeiten kann oder nur geringe Ansprüche hat, für den hat die FDP eine Basis-Rente im Programm. Wie hoch die ist, verrät man ebenfalls lieber nicht.
Dafür hat die FDP ein besonderes Schmankerl für die Finanzkonzerne im Programm. Die bisher geltenden Anlagebeschränkungen für private Altersvorsorgeprodukte sollen nämlich wegfallen, so dass selbst die staatlich geförderte Riesterrente künftig in Wagniskapital, Start-Ups oder Aktien investieren kann. Und dass BlackRock und Co. auch noch staatlich gefördert werden, dafür sieht die FDP eine Öffnung der staatlichen Förderung für PEPP-Produkte vor.
Dass die Sozialpolitik kein Kernthema der FDP ist, überrascht nicht. So ist dem gesamten Feld der Sozialpolitik auch nur eine einzige Seite im Wahlprogramm gewidmet und die beschäftigt sich auch weniger mit Sozialpolitik als mehr mit dem „liberalen Bürgergeld“, einer Art unbürokratischer Grundsicherung für Erwachsene, die – das ist wichtig für die Unternehmen – „flexible Hinzuverdienstregeln“ gewährleisten soll. Auf Deutsch: Wer von den niedrigen Löhnen nicht leben kann, hat Anspruch auf eine Art „Grundsicherung to go“. Das freut vor allem diejenigen, die niedrige Löhne zahlen. Ansonsten erwähnt die FDP noch eine Kappungsgrenze der Sozialausgaben im Bundeshalt von 50% des Gesamthaushalts. Wie dies zu erreichen ist und welche Kosten gekürzt werden sollen, verrät man jedoch lieber nicht.
Anders als die Sozialpolitik ist die Wirtschafts- und Finanzpolitik natürlich das alles überragende Kernthema der FDP. Hier haben die Wirtschaftsliberalen ganz tief in den Phrasenbaukasten gegriffen. „Nie gab es mehr zu tun“, so das zentrale Wahlkampfmotto. Wie ein roter Faden ziehen sich dann auch die Forderungen nach mehr Digitalisierung und mehr Innovationen durchs Programm. Das ist nicht alles falsch, bewegt sich jedoch in den allermeisten Punkten im Unkonkreten und lässt sehr viel Raum für Interpretationen. Man will modern sein – oder besser, man will sich das Image einer modernen Partei geben. Doch wenn man dann doch etwas konkreter wird, bröckelt die „moderne“ Fassade sehr schnell und was überbleibt, sind genau die alten Slogans von früher – weniger Staat und weniger Bürokratie, also mehr Privatisierungen und weniger Regeln für Unternehmen.
Man bekennt sich zu den Segnungen des freien Marktes und des freien Handels. Die FDP will dafür sogar den Posten eines Staatsministers für Außenhandel schaffen und das Ministerium für Wirtschaft und Energie in Ministerium für Wirtschaft, Freihandel und Energie umbenennen. Nach dem Vorbild des EU-Freihandelsabkommens mit Kanada (CETA) will man künftig einen „transatlantischen Wirtschaftsraum“ errichten.
Ein weiterer Wahlkampfklassiker der FDP lautet: Niedrigere Steuern für Unternehmen und „Leistungsträger“ und gleichzeitig weniger Staatsausgaben plus dem Abbau der Schulden. Wie das funktionieren soll, verrät uns die FDP natürlich auch nicht.
So will die FDP den Spitzensteuersatz „schrittweise nach rechts verschieben“, so dass er erst ab einem Einkommen von 90.000 Euro greift. Damit will man – man kennt diese Forderung seit Jahren – den „Mittelstandsbauch“ abschaffen. Nun rechnet sich eine Erhöhung der Beitragsgrenzen im Steuersystem jedoch nur marginal für den „Mittelstand“, der nur für einen sehr kleinen Teil seines Einkommens diesen „Grenzsteuersatz“ bezahlt, dafür umso mehr für diejenigen, deren Einkommen weit über dem alten und neuen Einkommenssatz liegt, ab dem der Spitzensteuersatz greift.
Lesen Sie dazu auf den NachDenkSeiten: Steuerbäuche und Steuergeschenke – wie der Wähler an der Nase herumgeführt wird
So sind es dann nach einer Auswertung des ZEW auch vor allem die Einkommen über 120.000 Euro pro Jahr und ganz besonders die Einkommen von über 300.000 Euro pro Jahr, die vom FDP-Modell besonders profitieren. Während die Gering- und Normalverdiener bei den Steuermodellen von SPD, Linken und Grünen wesentlich stärker profitieren würden als beim Modell der FDP. Das eigentliche Alleinstellungsmerkmal des FDP-Modells sind somit auch gigantische Steuersenkungen bei den Wohlhabenden, die sich ganz massiv auf die Gesamtsteuereinnahmen auswirken. Laut ZEW würde der Staat durch das FDP-Modell ganz 88 Milliarden Euro weniger einnehmen.
Eine Besteuerung der Vermögen oder eine stärkere Besteuerung hoher Erbschaften lehnt die FDP wenig überraschend ab.
Die FDP will also deutlich weniger Geld einnehmen und gleichzeitig deutlich mehr Geld ausgeben; für Investitionen und vor allem für eine Rückzahlung der Staatsschulden, man spricht hier von einem „Tilgungsturbo“, bis man „zügig wieder unter der 60-Prozent-Marke“ (gemeint die Staatsschuldenquote) ist. Wesentlich weniger Geld einnehmen, mehr Geld ausgeben und gleichzeitig die Schulden abbauen? Das wäre die Quadratur des Kreises. Und genau an diesem Punkt klafft im FDP-Wahlprogramm die wohl eklatanteste Lücke. Nun kann man natürlich zugestehen, dass ein Wahlprogramm vor allem einen werblichen Charakter hat und man nicht jede kleine Ungenauigkeit mit dem spitzen Bleistift nachrechnen muss. Aber hierbei handelt es sich um die vermeintliche Kernkompetenz der FDP und nicht um eine kleine Ungenauigkeit, sondern einen derart fundamentalen Widerspruch, dass die Grenze zwischen Werbung und vorsätzlichem Betrug des Wählers klar überschritten wurde.
In der Gruppe der Besserverdienenden steht die FDP vor allem in Konkurrenz zu den Grünen. Gibt es hier bei den Punkten Steuern, Soziales und Wirtschaft schon größere Unterschiede, so stellen die Programme der beiden Parteien beim weit gefassten Thema „Klimapolitik“ zwei kaum zu vereinende Gegensätze dar. Setzen die Grünen vor allem auf Vorschriften, will die FDP das Klima mit Marktmechanismen retten.
Die Antwort auf alle Probleme ist dabei der Emissionshandel. Der soll auf den gesamten Verkehrssektor ausgeweitet werden. Wie das konkret funktionieren soll und wie sehr dadurch die Energiepreise und Mobilitätskosten steigen, wird lieber nicht verraten. Das ist wahlstrategisch verständlich, stellt man doch die Grünen gerne als Partei dar, die dem kleinen Mann sein Auto wegnehmen will. Dabei will die FDP ja selbst über höhere Preise lenken. Doch hier gibt es – wie beim Thema Finanzen – einen eklatanten Widerspruch. Entweder die Preise im Emissionshandel sind so gering, dass sie den Bürger kaum mehr belasten – doch dann haben sie auch keine Lenkungswirkung. Oder sie sind hoch und entfalten eine Lenkungswirkung – doch dann sind sie sozial- und regionalpolitisch problematisch und führen zu genau den Preissteigerungen, die die FDP ja den Grünen vorwirft.
Um sich vor einer Antwort auf diese Frage zu drücken, ergänzt die FDP ihre Klimapolitik bei so ziemlich allen Einzelfragen mit dem Begriff „Innovation“. Technische Innovationen sollen dafür sorgen, dass sich das Problem in Luft auflöst. Wie das funktionieren soll? Das weiß nur die FDP. Man will die Bahn stärken, durch „faire Rahmenbedingungen“ den Luftverkehr stärken und den Individualverkehr natürlich unter dem albernen Motto „Mobilität ist Freiheit“ ebenfalls stärken. Wenn man alles stärkt, stärkt man jedoch streng genommen nichts. Das wirkt alles sehr unausgegoren und nicht gerade sehr am Thema interessiert. Wahrscheinlich geht die FDP ohnehin davon aus, dass sie dieses Themenfeld lieber den möglichen Koalitionspartnern überlassen sollte.
Nicht nur in Sachen Freihandel, sondern auch in Sachen Sicherheitspolitik ist die FDP voll und ganz auf transatlantischer Linie. Man bekennt sich klar zur NATO und fordert ein Drei-Prozent-Ziel für Rüstungsausgaben. Die Feindbilder der FDP sind dabei Russland und allen voran auch China. Hier spricht die FDP von einem „Systemwettbewerb“. Um den chinesischen Einfluss einzudämmen, will man die „Kooperation und Zusammenarbeit der NATO mit demokratischen Partnerstaaten im indopazifischen Raum“ stärken.
Als Ankerpunkt für die künftige Außenpolitik nennt die FDP ferner das Projekt der „Alliance of Democracies“ des ehemaligen NATO-Generalsekretärs Anders Fogh Rasmussen, das auch von den USA unterstützt wird und eine Art „Alternativ-UNO“ darstellen soll, in der unter Vorherrschaft von NATO und USA weltweit die pro-westlichen Staaten in den Punkten Freihandel, Sicherheits- und Außenpolitik eine gemeinsame, eng verzahnte Plattform aufbauen sollen, über die man sich gegen linke und autoritäre Staaten positioniert.
Sollte es in der FDP noch Kreise geben, die einen nicht-interventionistischen Ansatz vertreten, so haben sie offenbar keinen Einfluss mehr. Der gesamte außen- und sicherheitspolitische Teil des Wahlprogramms liest sich vielmehr wie ein glasklares Bekenntnis zum transatlantischen Interventionismus. Man will eine „klare Haltung gegen Russland“ einnehmen, sorgt sich um „die demokratische Zukunft für ein freies Belarus“, will „das demokratische Taiwan unterstützen“ und „Hongkong im Kampf um Freiheitsrechte nicht allein lassen“. Man will eine „gemeinsame europäische Armee“ aufbauen, eine „neue Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich“, eine „gemeinsame und innovative EU-Energieaußenpolitik“ und das alles unter dem Leitmotto der „transatlantischen Partnerschaft“.
Von allen zur Wahl stehenden Parteien hat die FDP auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik programmatisch die aggressivste und konfrontativste Ausrichtung. Für jeden Wähler, der friedenspolitisch interessiert ist oder dessen Leitbild einer guten Außenpolitik das Leitbild der Entspannungspolitik ist, sollte die FDP nicht wählbar sein.
Gibt es auch progressive Punkte im Programm der FDP?
Das ist umso ärgerlicher, da es ja auch durchaus einige positive Punkte im Wahlprogramm gibt. Dies betriff vor allem die Themen „Bürgerrechte“, die jedoch erstaunlicherweise im Wahlprogramm nahezu keine Rolle spielen. So kommt der Begriff „Bürgerrechte“ im gesamten Wahlprogramm gerade mal sechsmal vor und dies ausschließlich floskelhaft. Ausführlicher kommt da schon der Schutz der Privatsphäre zu Wort und hier vor allem im digitalen Bereich. Da geht es dann um digitale Selbstbestimmung, Datenschutz, das Recht auf Verschlüsselung oder die Ablehnung von Online-Durchsuchungen und Online-Überwachung. Das sind wichtige Punkte und hier würde man sich sogar wünschen, dass die FDP ein Korrektiv zu den möglichen Koalitionspartnern CDU und SPD darstellen könnte.
Ansonsten ist es jedoch enttäuschend, wie wenig Raum dem Thema „Bürgerrechte“ im Wahlprogramm der FDP eingeräumt wird. Dies trifft auch und vor allem auf das gesamte Themenfeld „Corona“ zu. Auch Corona kommt im Wahlprogramm nur sporadisch und wenn dann im ökonomischen Kontext vor – man muss die Wirtschaft „nach der Coronakrise“ stärken oder die „Coronaschulden“ abbauen. Vom so wichtigen Schutz der Bürgerrechte in der kommenden Legislaturperiode ist im Programm jedoch nicht die Rede. Und generell vermittelt das Programm auch eher den Eindruck, die FDP betrachte „Corona“ bereits als Geschichte und habe das Thema schon abgehakt. Wer also mit dem Gedanken spielt, die FDP als Korrektiv in Sachen Corona-Politik zu wählen, der könnte sich schon bald getäuscht sehen.
Das gesamte Wahlprogramm können Sie auf den Seiten der FDP nachlesen. Auf alle Punkte können wir an dieser Stelle natürlich nicht eingehen.
Die One-Man-Show geht weiter
Trat die FDP bereits im letzten Wahlkampf vor allem als „Lindner-Partei“ auf, so hat sich daran in diesem Jahr nichts geändert. Im Gegenteil. Die aktuellen Wahlplakate wirken vielmehr so, als seien sie noch vom letzten Wahlkampf übriggeblieben. Lindner hier, Lindner da. Immer in schwarz-weiß, immer mit Blick am Betrachter vorbei und immer aus der Kameraperspektive von unten. Die Bildsprache ist klar – hier haben wir einen Einzelkämpfer, der Stärke, Dominanz und Führungskraft verkörpern soll. Die Fokussierung der FDP auf ihren Vorsitzenden erscheint konsequent. Zwar gibt es in der Partei auch noch andere Figuren mit Medienpräsenz und einem gewissen Einfluss, jedoch bestand nie ein Zweifel, wer bei den Liberalen die Richtlinienkompetenz hat. Die FDP ist eine One-Man-Show und verkauft sich auch als solche.
Die Slogans dazu sind kurz und prägnant und darauf ausgerichtet, Themen zu besetzen. Es geht um Innovationen und ums Anpacken. Dabei grenzt man sich vor allem von den Grünen ab, ohne diese namentlich zu nennen. Die FDP „erfindet“, andere „verbieten“. Konkrete Aussagen sucht man auf den Plakaten vergebens.
So gesehen transportiert die Partei über ihre Plakate eigentlich sehr gut den Inhalt ihres Wahlprogramms. Hier haben wir es nicht mit einem „Partei-Informationsblatt“, sondern mit Werbung zu tun. Es geht nicht um Inhalte, sondern um Markenbotschaften und Emotionen. Die FDP versucht sich als „Macherpartei“ darzustellen, die als einzige Partei konsequent auf „Innovationen“ setzt.
Diese Markenbotschaft wird auch bildlich umgesetzt – in vergleichsweise ästhetischer Bildsprache fokussiert auf Christian Lindner als den großen Macher, unkonventionell mit Dreitagebart, aber doch seriös mit Hemd und Krawatte. Ob dies den Wähler überzeugt, ist jedoch eine ganz andere Frage. Schlau ist die Strategie auf jeden Fall. Während keiner der offiziellen Kanzlerkandidaten der drei großen Parteien wirklich überzeugen kann, stellt man ihnen einen vermeintlich unverbrauchten Christian Lindner gegenüber, der vor allem im Vergleich mit Armin Laschet und Olaf Scholz ja wirklich modern und charismatisch wirkt. Dass es sich um eine werbliche Botschaft handelt und der Inhalt dabei nicht immer das ist, was die Werbung verspricht, steht auf einem anderen Blatt.
Das Zünglein an der Waage
Geht man nach den derzeitigen Umfragen, ist die FDP bei drei der vier denkbaren Koalitionsmodelle, die auf mehr als 50% der Stimmen kommen, mit im Boot. Wenn man die Kenia-Koalition (Schwarz-Rot-Grün) als doch eher unwahrscheinlich betrachtet, ist die FDP bei allen möglichen Kombinationen der Mehrheitsbeschaffer. Sei es Jamaika (Schwarz-Grün-Gelb), Ampel (Rot-Grün-Gelb) oder die Deutschland-Koalition (Schwarz-Rot-Gelb) – die FDP ist dabei. Ausgeschlossen hat die FDP bis dato nur eine Ampel unter Grünen-Führung; aber zurzeit sieht es ja ohnehin eher so aus, dass die SPD stärker als die Grünen abschneidet, womit diese Aussage eher theoretischer Natur ist.
Fest steht jedoch auch, dass die FDP sich bei jeder denkbaren Koalition inhaltlich verbiegen muss. Bei Jamaika wäre außen- und sicherheitspolitisch sicher schnell ein gemeinsamer Nenner gefunden, wie die FDP jedoch bei der Klimapolitik mit den Grünen auf einen Nenner kommen will, ist nur schwer vorstellbar. Andererseits ist – wie bereits oben angemerkt – die Klimapolitik kein Schwerpunkt der FDP; wohl aber der Grünen. Würden die Grünen ihre wirtschafts- und sozialpolitischen Forderungen hintanstellen und die FDP dafür ihre klimapolitischen Positionen aufgeben, wäre Jamaika sicher denkbar. Ein zweites Scheitern dieses Bündnisses dürfte seitens der FDP ihren Wählern nur schwer zu vermitteln sein.
Inhaltlich wäre auch die Deutschland-Koalition nicht sonderlich konfliktbehaftet. Hier steht eher zur Debatte, ob CDU und SPD sich auf ein solches nicht gerade prestigeträchtiges Projekt einlassen. Ein wenig mehr Phantasie erfordert die Ampel. Der Wille zur Macht schweißt zwar zusammen und nur um den nächsten Kanzler zu stellen, dürfte die SPD so manche Kröte der FDP schlucken. Ob hier die Grünen mitmachen, ist jedoch eine offene Frage. So oder so – die Wahrscheinlichkeit, dass die FDP in der nächsten Regierung vertreten ist, ist sehr groß.
Jedoch sollte man nicht vergessen, dass aufgrund des deutschen Wahlrechts eine mögliche Fortsetzung der CDU/CSU-SPD-Koalition wohl auch mit weniger als 50% eine Mehrheit der Sitze erlangen könnte. Dann müsste die FDP einmal mehr auf der Oppositionsbank Platz nehmen.
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