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Titel: Respektvoller Ton im Tagesspiegel-Forum: „Die hat nen riesigen Dachschaden“, „dusselige Kuh“, „finde einen guten Arzt“
Datum: 27. Juli 2021 um 9:38 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Medienkritik, Wertedebatte
Verantwortlich: Redaktion
Welch ein Gemetzel! Beim Tagesspiegel tobt im Forum unter einem Artikel zur Popsängerin Nena der verbale Furor. Persönliche Angriffe, abwertende und verletzende Äußerungen: Für die Redaktion offensichtlich kein Problem. Für Medienbeobachter ist das alles andere als erstaunlich. Das Messen mit zweierlei Maß gehört längst zur „journalistischen“ Kernkompetenz. Hass und Hetze lehnt die Schar der sich selbst als moralisch gerecht wahrnehmenden Haltungsjournalisten zwar selbstverständlich ab. Wenn sich die Hetze gegen die „richtigen“ Personen und Gruppen richtet, ist das allerdings etwas anderes. Von Marcus Klöckner.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Gerade erst ist dem Tagesspiegel die „Berichterstattung“ zu der Aktion „allesdichtmachen“ auf die Füße gefallen, dass es nur so krachte. Und nun darf sich im Forum der Hass gegen die Sängerin Nena austoben.
Aber der Reihe nach: Bei einem Konzert in Berlin hat es der Pop-Ikone der 80er Jahre offensichtlich missfallen, dass ihre Fans in Boxen, bestehend aus Cola-Kästen, stehen sollten – aufgrund der Corona-Hygienemaßnahmen.
Auf Videos ist zu sehen, wie Nena ihren Unmut von der Bühne zum Ausdruck bringt und unter anderem sagt: „Die Frage ist nicht, was wir machen dürfen. Die Frage ist, was wir mit uns machen lassen.“
Krach! Das war eine Ansage. Dass die Sängerin sich mit einer derartigen Haltung keine Freunde aufseiten jener Journalisten machen dürfte, die sich als verlängerter Arm der Pandemiebekämpfung verstehen, liegt nahe.
Der Tagesspiegel hat den Vorfall rasch aufgegriffen. In einem Bericht hält sich die Autorin nicht mit einer persönlichen Meinung zurück:
Nein, Nena hat weder Corona noch irgendetwas anderes geleugnet, noch hat sie die Impfung tatsächlich in Frage gestellt. Aber sie hat sich nicht an Vereinbarungen gehalten. Und hat damit die Fakten und die Überzeugung der Gesellschaftsmehrheit, dass die Pandemie eine reelle Gefahr ist, nicht ernst genommen. Da kann sie noch so trotzig „selber denken“ fordern, noch so sehr auf Gemeinschaft pochen: Achtsamkeit sieht anders aus.
Mit diesen Ausführungen ist der Ton offensichtlich auch für das Forum gesetzt.
Betrachten wir einige markante Stellen in den Kommentaren (Fehler im Original):
Wie lauten eigentlich die Forumsregeln beim Tagesspiegel? Wir lesen in den „Community Richtlinien“. Zunächst heißt es:
Liebe Leserinnen und Leser,
Wir freuen uns sehr, dass Sie an unseren Leser-Debatten teilnehmen möchten. Um einen fairen Umgang und eine angenehme Atmosphäre in den Diskussionen zu gewährleisten, möchten wir Sie auf folgende Regeln und Hinweise aufmerksam machen (…).Und dann folgen die Regeln:
1. Respekt
Wir legen Wert darauf, dass sich Benutzer auf Tagesspiegel Online mit Respekt begegnen. Ziel unserer Moderation ist es, den Rahmen für einen sachlichen Austausch von Argumenten zu schaffen.
2. Stigmatisierungen
Kampagnen und Stigmatisierungen aufgrund von Abstammung, Weltanschauung, religiöser Zugehörigkeit, Nationalität, Geschlecht, sexueller Orientierung sowie sozialem Status dulden wir nicht. Kommentare, die auf eine pauschale oder persönliche Herabwürdigung abzielen, werden nicht veröffentlicht.
3. Inhalte
Sie verpflichten sich, keine obszönen, pietätlosen, menschenverachtenden oder gewaltverherrlichenden Inhalte zu verfassen.
Das klingt alles vernünftig.
Nun zurück zum Realitätsabgleich.
Sieht so „Respekt“ aus? Hat hier die „Moderation“ „den Rahmen für einen sachlichen Austausch von Argumenten“ aufgezogen? Und lässt sich die eine oder andere Aussage wirklich in Einklang bringen mit dem Vorhaben der Redaktion, Stigmatisierungen aufgrund von Weltanschauung und Geschlecht nicht zu veröffentlichen?
Gegenprobe: Stellen wir uns vor, die Äußerungen würden sich auf eine Person beziehen, der Medien Respekt zollen. Nehmen wir Angela Merkel, Jens Spahn, Karl Lauterbach oder irgendeinen bekannten Prominenten, der die „richtige“ Meinung vertritt.
In dem Falle wären die Kommentare wohl schneller gelöscht, als man sie lesen könnte. Grund: Hetze, Respektlosigkeit, persönliche Angriffe.
So geht es eben, das Messen mit zweierlei Maß.
Titelbild: mtkang/shutterstock.com
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