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Titel: Die langfristige Verankerung von Ergebnissen der Meinungsmache ist beachtlich
Datum: 17. November 2010 um 17:11 Uhr
Rubrik: Arbeitslosigkeit, Strategien der Meinungsmache, Wirtschaftspolitik und Konjunktur
Verantwortlich: Albrecht Müller
Im Beitrag „Extreme Fälle von Meinungsmache werden üblich“ war ein Stück über die Langfristwirkungen von Irreführungen angekündigt. Für alle, die sich noch eigene Gedanken machen, ist die Beobachtung der langfristigen Verankerung gezielter Manipulationen aufregend und bedrückend zugleich. Bedrückend deshalb, weil auf den verankerten Ergebnissen der Meinungsmache wieder neue Manipulationsversuche aufbauen können und weil diese Wirkung oft bei Freunden festzustellen ist, denen man Resistenz zugetraut hätte. Aufregend, weil man sich und andere schützen kann, wenn man die Langfristwirkungen in die Betrachtungen einbezieht. Werden wir an einigen Beispielen konkret: Albrecht Müller.
Beispiele für die langfristige Verankerung
Beispiel 1: Wir haben einen Boom
In den Jahren 2007, 2008 und auch noch 2009 wurde penetrant der Eindruck vermittelt, dass unsere Wirtschaft in den Jahren 2007 und 2008 richtig geboomt hätte. Ein wirklicher Boom war das nie, die Arbeitslosigkeit war hoch, die Binnennachfrage und die Masseneinkommen/Löhne stagnierten auch damals. Dennoch wurde diese Botschaft zumindest bei Multiplikatoren und Journalisten penetrant verankert. In den gut verdienen Oberschichten war die Botschaft besonders glaubhaft.
Inzwischen erleben wir, dass die damalige Irreführung auch bei eigentlich kritischen Zeitgenossen/innen schon als Wahrheit in die weitere Argumentation eingestellt wird. So konnte man letzthin sogar in einem Papier des DGB vom Boom jener Jahre lesen. Die neoliberalen Glaubensgenossen und Multiplikatoren gehen eh’ von der Richtigkeit der Behauptung aus und sie bauen darauf auf.
Beispiel 2: Arbeitslosigkeit ist gesunken
Die Propaganda zur sinkenden Arbeitslosigkeit ist so massiv, dass die Botschaft vermutlich nachhaltig geglaubt wird, obwohl von vielen Seiten und immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die Frohe Botschaft wesentlich ein Ergebnis statistischer Tricks ist und dass selbst das Statistische Bundesamt für 2009 bei 8,6 Millionen Menschen einen Bedarf an Arbeit festgestellt hat.
Auch die Behauptung, eine Zahl von Arbeitslosen von unter 3 Millionen (mal unterstellt, diese Ziffer sei echt) sei schon ein Erfolg, ist inzwischen tief verankert, obwohl diese Ziffer weit weg von wirklicher Vollbeschäftigung liegt und auch die Vorstellung, dass 2,9 oder 2,7 Millionen Menschen und ihre Familien ohne geregelte Arbeit leben, Sorge und Empörung auslösen müsste.
Beispiel 3: Wir sind gut durch die Krise gekommen.
Diese Botschaft wird penetrant unter die Menschen gebracht. Ohne Rücksicht auf die nach wie vor hoher Arbeitslosigkeit, ohne Rücksicht auf die milliardenschwere und langfristige Belastung durch den Bankenrettungsschirm und die Tatsache, dass gerade die deutschen Banken hoch belastet sind. Die Botschaft wird wirken und sie ist mit Sicherheit eine der Hauptbotschaften der Regierenden im nächsten Bundestagwahlkampf und in den davor liegenden Landtagswahlkämpfen.
Beispiel 4: Guttenberg
Die PR-Kampagne zu dieser Person und seiner Ehegattin wird wegen ihrer Massivität trotz aufkommender Kritik nachhaltige Wirkung zeitigen, eine Wirkung, auf der personalpolitisch und programmatisch aufgebaut werden wird.
Beispiel 5: Exportüberschüsse sind gut, Sparen ist gut, man muss es nur wollen, usw.
Auf dem Feld der wirtschaftspolitischen Diskussion gibt es eine Fülle von Denkfehlern, aus denen politische Fehlentscheidungen folgen. Die Liste der 40 Denkfehler, die ich in meinem Buch „Die Reformlüge“ analysiert habe, bietet immer noch einen guten Überblick über hochwirksame und langfristig angelegte Manipulationen. Leider ist diese Analyse nicht nachhaltig veraltet.
Beispiel 6: Das demographische Problem, der Generationenvertrag trägt nicht mehr, jetzt hilft nur noch Privatvorsorge.
Hier sind erkennbar wirksam Fehlurteile fest und langfristig verankert worden. Daran wird immer auch noch gearbeitet. Kai Ruhsert hat gerade einen neuen Fall beschrieben: „Ein solides Stück Volksverdummung – von „Der Tag“ in hr2“.
Zu den Methoden:
Am letzten Fall wird wie an vielen anderen meinungsmachenden Medienprodukten sichtbar, mit welchen Methoden gearbeitet wird, um die an Interessen orientierten Irreführungen unterzubringen und langfristig zu verankern: man beruft sich auf Experten, man suggeriert Allgemeingültigkeit mit Formeln wie „wie wir alle wissen“ oder „wie alle Experten sagen“.
Die wirksamste Methode ist auch hier die dauerhafte Wiederholung und das Arrangements, die falschen Behauptungen aus verschiedenen politischen Ecken kommen zu lassen. Die Behauptungen zum demographischen Wandel werden zum Beispiel mit hoher Professionalität und penetrant gestreut. Dahinter steckt erkennbar die Public Relations-Maschinerie der Banken und Versicherungswirtschaft.
Anmerkung zu den Ursachen der Langfristwirkungen
Wir Menschen haben die Neigung, unseren Frieden anderen und den Umständen zu machen. Wir haben die Neigung, die Dinge positiv zu sehen. Nur auf Zweifeln und Hinterfragen trainierte Zeitgenossinnen und Zeitgenossen bringen oft die Kraft noch auf, sich nicht einlullen zulasten. Hoffen wir, dass der Kreis dieser Menschen nicht schrumpft sondern wächst. Helfen Sie mit. Ihre eigene Zukunft wird davon abhängen, dass bisher auch langfristig verankerte Manipulationen aufgebrochen werden.
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