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Titel: Hinweise des Tages

Datum: 2. Juni 2021 um 8:39 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WM/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Nato und Russland weiter auf Eskalationskurs
  2. Die Eisbrecher
  3. Wie hältst Du es mit Belarus?
  4. Voller Todessehnsucht verschärfen die Sparkassen den Krieg gegen das Bargeld
  5. Das verzerrte Menschenbild im Kapitalismus
  6. Zeitarbeit bringt viele Einwanderer in Arbeit
  7. Wie der Pflegenotstand verschärft und von Wissenschaftlern legitimiert wird
  8. Lohndumping auf Staatskosten?
  9. Neue Kontroverse um Lohn für Hausarbeit
  10. Umkämpfte Patente: Die globale Impfstoff-Apartheid
  11. Und was sagen die Qualitätsmedien? Tausende protestieren in London gegen Corona-Politik
  12. Der Klimawandel ist schon heute tödlich
  13. Zu heiß für Pflanzen
  14. Vučić: US-Abhörskandal gegen Merkel ist prinzipienlos
  15. Ken Jebsen hat uns politisch entfremdet?
  16. Kolumbien: „Die Regierung tötet uns“
  17. Neue Generation schreibt Magna Carta
  18. Staatliche Mittel übersteigen 200-Millionen-Marke

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Nato und Russland weiter auf Eskalationskurs
    Florian Rötzer
    Vor dem Treffen von Joe Biden und Wladimir Putin schlagen die Wellen noch einmal hoch. Die Nato führt das in diesem Jahr größte Manöver Steadfast Defender durch, Russland kündigt an, deswegen 20 Einheiten an die Westgrenze zu verlegen. Man sei bereit, so Nikolai Patrushev, Sekretär des russischen Sicherheitsrats, auf unfreundliche Aktionen mit Gewalt zu antworten.
    An Steadfast Defender vom 12. Mai bis 22. Juni nehmen mehr als 9000 Soldaten teil. Der Großteil des Manövers wird in Deutschland, Rumänien und Portugal stattfinden. US-Truppen kommen über den Atlantik und durchqueren Europa, um mit den Alliierten zu zeigen, dass Truppen und Material schnell über den Atlantik und quer durch Europa bis zum Schwarzen Meer verlegt werden können, „um sich, falls erforderlich, gegenseitig zu schützen“…
    Der Feind ist, da muss nicht gemutmaßt werden, Russland, der davon beeindruckt werden soll. Allerdings stimmt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Allianz auf den Hauptgegner China ein, das bald die größte Ökonomie sein wird, das zweitgrößte Militärbudget hat und in neue militärische Techniken wie Hyperschallwaffen und Künstliche Intelligenz investiert: „China teilt unsere Werte nicht. Sie glauben nicht an die Demokratie. Sie glauben nicht an die Rede- und Pressefreiheit.“…
    Um die Werte wird es weniger gehen, die auch nicht gegenüber der Türkei verteidigt werden, als um die Interessen, die weltweit militärisch vertreten werden sollen. Die Nato müsse sich auf die Folgen der Klimaerwärmung einrichten. Das meint aber nur, die Missionen und Operationen an Extremwetter, extreme Hitze und steigende Meeresspiegel anpassen…
    Der russische Verteidigungsminister Sergey Shoigu sieht die Situation spiegelverkehrt. Der Westen ruiniere das Sicherheitssystem. Die militärische Bedrohung wächst aus russischer Sicht. Es würde die Intensität der strategischen Flüge verstärkt, die Präsenz von Kampfschiffen mit Langstreckenraketen und die Zahl der Übungen nehme zu. Das zwinge Russland zu angemessenen Reaktionen…
    Quelle: Buchkomplizen
  2. Die Eisbrecher
    Ukrainischer Präsident fordert nach Vorstoß des Grünen-Parteichefs deutsche Waffenlieferungen. Bundeswehr-Dozent warnt vor Kriegseskalation.
    (…) Die Eisbrecher
    Krieg “wegen Auschwitz”
    Führende Politiker von Bündnis 90/Die Grünen hatten sich bereits Anfang 2015 für die Lieferung von Waffen an die Ukraine ausgesprochen – dies, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel die Forderung mehrfach explizit zurückgewiesen hatte. “Deutschland wird die Ukraine mit Waffen nicht unterstützen”, hatte Merkel etwa am 2. Februar bekräftigt: “Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Konflikt militärisch nicht gelöst werden kann.”[1] Widerspruch kam damals vor allem von Marieluise Beck, zu jener Zeit Grünen-Bundestagsabgeordnete, die etwaige Waffenlieferungen ausdrücklich mit den deutschen Aggressionsverbrechen im Zweiten Weltkrieg zu legitimieren suchte – ähnlich dem früheren grünen Außenminister Josef Fischer, der den völkerrechtswidrigen Überfall auf Jugoslawien im Jahr 1999 unter Rückgriff auf die Parole “Nie wieder Auschwitz” rechtfertigt hatte. Beck äußerte am 9. Februar 2015 mit Blick auf die militärische Gegenwehr der vom NS-Reich überfallenen Staaten und der USA, Deutschland trage “schuld daran, dass die Welt lernen musste, sich verteidigen zu können und sich verteidigen zu dürfen”; deshalb solle man der Ukraine Waffen nicht verweigern. Beck ergänzte dies noch um den Aufruf, “Empathie für die Opfer” zu zeigen.[2]
    Gerät für den Drohnenkrieg
    Auch diesmal preschen Grünen-Politiker vor. Nach seiner ersten Äußerung, man dürfe der Ukraine “sogenannte Defensivwaffen” nicht verweigern” [3], hat Grünen-Parteichef Robert Habeck noch vergangene Woche nachgelegt und seine Forderung präzisiert…
    (…) “Der Krieg würde eskalieren”
    Wozu die Umsetzung dieser Forderungen führen kann, für die sich nun erneut Grünen-Politiker als Eisbrecher betätigen, hat vor wenigen Tagen Carlo Masala, Professor für Internationale Politik an der Münchener Universität der Bundeswehr, beschrieben: “Die Gefahr ist eben, dass diese Waffen dorch für offensive Operationen eingesetzt werden”, “was dann sicherlich eine massivere russische Antwort bedeuten würde”: “Der Krieg in der Ostukraine würde also nochmals eskalieren. Diese Gefahr ist durchaus existent.“
    Quelle: German Foreign Policy

    Dazu: Ukrainischer Präsident will nach Habeck-Vorstoß Waffenlieferungen aus Deutschland
    Kiew/Moskau – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wünscht von Deutschland Unterstützung durch Rüstungslieferungen. “Deutschland hat uns keine militärische Hilfe geleistet, aber es könnte das tun”, sagte er der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Dienstag). Die Ukraine benötige Raketen-Schnellboote, Patrouillenboote, Sturmgewehre, Funkausrüstung und gepanzerte Militärfahrzeuge. Er sei Deutschland zwar dankbar für die geleistete Unterstützung, aber er habe sich mehr erhofft.
    “Habeck hat das verstanden”, sagte Selenskyj mit Blick auf die Äußerungen des Co-Vorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, der nach einem Besuch in der Ukraine vor einer Woche für die Lieferung von “Defensivwaffen” an das Land eingetreten war…
    Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, Johann Wadephul, sagte der Zeitung: “Die sehr konkreten Wünsche des ukrainischen Präsidenten zeigen, welche Erwartungen die Grünen mit Habecks Einlassungen erweckt haben. Es ist unverantwortlich, vage Waffenlieferungen ins Schaufenster zu stellen. Aus ukrainischer Sicht ist die Forderung nach diesen spezifischen Waffensystemen nachvollziehbar.” Aber der Konflikt im Donbass werde sich nicht militärisch lösen lassen. “Deshalb sind Waffenlieferungen in diesem Fall der falsche Weg”, sagte Wadephul.
    Quelle: Der Standard

    Dazu auch: Ärger wegen Waffen und Moneten: Höhenflug der Grünen vorerst vorbei
    Von Claudia Wagnerin
    Nachdem mehrere Tage rauf und runter diskutiert wurde, ob die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sich gemäß formaler Bildungsabschlüsse Völkerrechtlerin nennen darf und ob sie ohne Bachelor überhaupt einen britischen Master-Abschluss erlangen konnte (ja, konnte sie dank Vordiplom), geht es endlich ans Eingemachte: Wie stehen die Grünen wirklich zu Waffenexporten in Krisengebiete, und was halten sie so von Entspannungs- und Friedenspolitik?
    Die Antwort ist ernüchternd für alle, die aus irgendeinem Grund bis jetzt geglaubt haben, die Grünen seien immer noch die netten Ökos von nebenan, die sich für gewaltfreie Konfliktlösungen einsetzen. Ein bisschen was von diesem Image hätte Baerbock dann doch gerne behalten, schließlich will sie nicht nur bisherige SPD-, FDP- und CDU-Wähler ansprechen, sondern auch noch das traditionellere Grünen-Spektrum, das vielleicht nach wie vor ein paar Friedensbewegte im Freundeskreis hat. So versuchte sie am Mittwochabend in einer Talkshow zu reparieren, was ihr Ko-Vorsitzender Robert Habeck kurz vor einem Besuch an der Frontlinie der Ostukraine verbockt hatte. So ganz gelang ihr das nicht…
    Die Obfrau der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Sevim Dagdelen, warf Baerbock “Wortklaubereien und Täuschungsversuche” vor. “Statt der Forderung ihres Co-Vorsitzenden Robert Habeck nach militärischer Aufrüstung der Ukraine eine unmissverständliche Absage zu erteilen, verschleiert die Grünen-Kanzlerkandidatin mit frei erfundenen Zitaten ihre grundsätzliche Bereitschaft, Waffen in Kriegsgebiete wie den Osten der Ukraine zu exportieren.”…
    Quelle: Telepolis

  3. Wie hältst Du es mit Belarus?
    Von Eric Bonse
    Der Ryanair-Vorfall entwickelt sich zum Lackmustest für die europäische Außenpolitik – und für die Nach-Merkel-Ära.
    Schneller, härter, weiter! Nach dem brisanten Ryanair-Vorfall in Belarus, bei dem der oppositionelle Blogger Roman Protasewitsch verhaftet wurde, überschlugen sich Politik und Medien mit Sanktions-Forderungen. Nicht nur Diktator Alexander Lukaschenko und sein Umfeld, sondern auch die belorussische Wirtschaft und das nationale Finanzsystem müssten hart bestraft werden, hieß es in Deutschland, Polen und im Baltikum.
    Man könne das Land und seine Banken vom internationalen Finanzdienstleister Swift abklemmen und endlich die umstrittene deutsch-russische Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 lahmlegen, forderten die Hardliner. Doch sie konnten sich nicht durchsetzen. Das liegt, wie so oft, an Kanzlerin Angela Merkel, die beim EU-Sondergipfel am Pfingstmontag auf der Bremse stand und die erhitzte Debatte in sachlichere Bahnen lenkte.
    “Was im Kalten Krieg möglich war, sollte auch heute möglich sein“, erwiderte Merkel auf die Frage, ob sich Deutschland noch Geschäfte mit Russland leisten könne. Die Gasversorgung habe nichts mit dem Ryanair-Vorfall zu tun. Mit dieser Argumentation hat Merkel in Brüssel die radikalsten Forderungen abgeblockt.
    Die EU brachte schließlich ein Sanktionspaket auf den Weg, das es in sich hat – einschließlich der Sperrung des Luftraums für belorussische Flieger. Doch Nord Stream 2 wird nicht gestoppt, Russland ist nicht von den Strafen betroffen…
    In Moskau liegt denn auch der Schlüssel zur Lösung der Krise. Um Putin zu beeinflussen, werden sich die Europäer allerdings mehr einfallen lassen müssen als Sanktionen, Sanktionen und noch mehr Sanktionen. Vielleicht sollten sie es zur Abwechslung einmal mit Diplomatie versuchen. Denn Putin wird nicht nur in Belarus gebraucht. Auch in Syrien, im Nahostkonflikt, in Libyen und Afghanistan müssen sich die Europäer mit dem Kremlchef verständigen. Ohne Diplomatie wird es nicht gehen…
    Daran sollte sich die EU ein Beispiel nehmen – und ebenfalls das Gespräch suchen. Doch auf die naheliegende Idee, sich auch einmal mit Putin zusammenzusetzen, ist in Brüssel niemand gekommen, nicht einmal Merkel. Stattdessen setzt sich der Prozess der Entfremdung und Abschottung weiter fort. Beim nächsten EU-Gipfel im Juni soll der Außenbeauftragte Josep Borrell ein Strategiepapier zur künftigen Russland-Politik vorlegen.
    Nach Lage der Dinge wird es noch mehr Sanktionen enthalten…
    Schneller, härter, weiter! Das haben nicht nur die üblichen Verdächtigen gefordert, sondern auch die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Sie rief als eine der Ersten nach harten Sanktionen – und sie unterstützt auch die Forderung nach einem Stopp von Nord Stream 2. Damit liegt sie auf einer Linie mit dem Chef der größten Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber. Der CSU-Politiker hat Putin beschuldigt, mit Lukaschenko unter einer Decke zu stecken. Auch er fordert bei jeder Gelegenheit das Aus für die umstrittene Gaspipeline.
    Wenn es nach der Bundestagswahl im Herbst zu einer schwarzgrünen – oder grünschwarzen – Regierung kommt, dürfte auch die deutsche Russland-Politik auf eine harte Linie einschwenken. Die Reaktionen auf die Belarus-Krise zeigen, was auf Deutschland und die EU zukommt.
    Quelle: Makroskop

    Anmerkung Marco Wenzel: Dazu von Tobias Riegel gestern auf den Nachdenkseiten: Weißrussland, die Grünen und die Propaganda.

  4. Voller Todessehnsucht verschärfen die Sparkassen den Krieg gegen das Bargeld
    Von Saarbrücken bis Buxtehude beglücken die Sparkassen derzeit Ihre Kundinnen und Kunden mit dem Gewinnspiel pay & win. Wer dem Bargeld abschwört, kann wertvolle Preise und (Giral-)Geld gewinnen. Wer sich das ausgedacht hat, muss verrückt geworden sein. Die Sparkassen helfen mit, ihr eigenes Grab zu schaufeln.
    Kurzfristig mag es für Sparkassen attraktiv erscheinen, dem Bargeld den Garaus zu machen. Denn Bargeldversorgung ist eine Dienstleistung, die mehr kostet als sie einbringt, ganz im Gegensatz zu digitalen Bezahlverfahren, bei denen man Gebühren und Daten bekommt.
    Und so mag es wie eine clevere Idee erscheinen, eine Lotterie mit dem schönen angelsächsischen Namen pay & win auszuschreiben, bei der Kunden, die naiv genug sind, sich registrieren und ihr Finanzgebaren fortan intensiv überwachen zu lassen, für jeden digitalen Bezahlvorgang ein Los mit Gewinnchance bekommen. Das hat man wohl von Italien abgeschaut, wo Regierung und Notenbank so eine Anti-Bargeld-Aktion veranstalten.
    Aber was denken diese Leute eigentlich, welchen Stich die Sparkassen in einer künftigen durchdigitalisierten Welt noch machen werden, gegen Datengiganten aus dem Silicon Valley mit eigenen Bezahllösungen wie Apple und Google. Im digitalen Bezahlgeschäft setzt sich der Größte durch. Hier entscheiden Skalenerträge und Netzwerkeffekte.
    In der analogen Welt dagegen haben die Sparkassen den unschätzbaren Vorteil, vor Ort bei den Menschen zu sein. Indem sie voll Verachtung für alles Analoge das digitale Bezahlen bewerben und das Barzahlen immer schwieriger machen, heben sie ihr eigenes Grab aus. Und ihre Kunden verärgern sie gleich mit. Prof. Franz Schneider, der mir das entsprechende Angeobt der Sparkasse Saarbrücken zusandte, schrieb dazu: „Ich leite Ihnen diese Mitteilung meiner Sparkasse weiter. Ich halte sie für eine Unverschämtheit, eine Frechheit, die mir die Worte raubt.“
    Dossier zum Krieg gegen das Bargeld
    Quelle: Norbert Häring
  5. Das verzerrte Menschenbild im Kapitalismus
    Was ist der Mensch?“ So lautet eine der zentralen philosophischen Fragen. Vieles deutet darauf hin, dass heute die meisten Menschen davon überzeugt sind, der Mensch sei von Natur aus egoistisch, konkurrenzorientiert, materialistisch und faul. So sind beispielsweise in Deutschland knapp 70 Prozent überzeugt, die junge Generation sei egoistisch, und mehr als drei Viertel sehen den Grund für den schwindenden Zusammenhalt in der Gesellschaft in dem grassierenden Egoismus. Diese Vorstellung nenne ich der Einfachheit halber das „kapitalistische Menschenbild“. Denn aufgrund dieser Annahme erscheint der Kapitalismus als die Wirtschaftsform, die der menschlichen Natur am besten entspricht. Aus dieser Überzeugung heraus betont beispielsweise der US-amerikanische Sachbuchautor Dinesh D’Souza: „Einige Kritiker werfen dem Kapitalismus vor, ein egoistisches System zu sein. Aber der Egoismus ist nicht im Kapitalismus – er ist in der Natur des Menschen.“
    Tatsächlich durchzieht die Überzeugung, der Mensch sei von seinem Wesen aus egoistisch und müsste erst zum Guten erzogen und zivilisiert werden, die westliche Ideengeschichte seit Jahrhunderten. So verschiedene Denker und Wissenschaftler wie Thomas Hobbes, Niccolo Machiavelli, Sigmund Freud, James M. Buchanan, Richard Dawkins, Ayn Rand und Milton Friedman, um nur einige zu nennen, waren vom naturgegebenen Egoismus des Menschen überzeugt. Und so verschiedene Wissenschaftszweige wie Evolutionsbiologie, Psychologie, Pädagogik und nicht zuletzt die Wirtschaftswissenschaft sind zum Teil von der Vorstellung des egoistischen Menschen bestimmt.
    „Wenn der Glaube vorherrscht, dass die anderen kooperieren, dann ist die Kooperation jedes Einzelnen hoch; wenn der Glaube vorherrscht, dass die anderen nicht kooperieren, dann kooperiert tatsächlich keiner“, fasst der Wirtschaftswissenschaftler Erich Fehr eine wichtige Erkenntnis der Forschung zusammen. Sie belegt ganz im Sinne des sogenannten Thomas-Theorems („Wenn die Menschen Situationen als wirklich definieren, sind sie es in ihren Konsequenzen wirklich“), welche praktischen Konsequenzen sich aus dem jeweiligen Menschenbild ergeben.
    Untersucht man aber, auf welches wissenschaftliche Fundament sich eigentlich die Überzeugung des kapitalistischen Menschenbildes stützt, so erstaunt, dass die Belege hierfür eher dünn sind. Hingegen weisen die jüngsten Erkenntnisse von Psychologie, Biologie, Archäologie, Anthropologie, Soziologie und Geschichtswissenschaft sowie insbesondere zahlreiche Experimente mit Kleinkindern tatsächlich in eine andere Richtung…
    Quelle: Buchkomplizen
  6. Zeitarbeit bringt viele Einwanderer in Arbeit
    Mehr als 40 Prozent der Zeitarbeiter sind Ausländer. Die Branche sieht sich damit als Mehr als 40 Prozent der Zeitarbeiter sind Ausländer. Die Branche sieht sich damit als Integrationsmotor – und darüber hinaus als Sprungbrett für Berufseinsteiger.
    Für Migranten und Bewerber ohne Berufsabschluss sind die Hürden auf dem Weg in Arbeit oft besonders hoch. Das gilt erst recht in der Corona-Krise. Der Anteil der Arbeitslosen in diesen Personengruppen ist laut amtlicher Statistik drei- bis viermal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Eine Branche aber erweist sich immer stärker als Beschäftigungsmotor für sie: die Zeitarbeit. Mehr als 40 Prozent der Beschäftigten dort sind mittlerweile ausländische Staatsbürger, fast 30 Prozent sind Beschäftigte ohne Berufsabschluss. Und selbst im Krisenjahr 2020 sind diese Anteile weiter gewachsen. Das zeigen aktuelle Auswertungen des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP), die der F.A.Z. vorliegen.
    Der Anteil der Arbeitnehmer mit ausländischem Pass unter den Zeitarbeitskräften in Deutschland hat sich demnach von unter 20 Prozent im Jahr 2013 auf 42,2 Prozent im September 2020 mehr als verdoppelt. Ein Jahr zuvor, also vor der Pandemie, waren es noch knapp unter 40 Prozent gewesen. Insgesamt sind derzeit rund 650.000 Menschen über Zeitarbeitsfirmen angestellt. Einen Höchststand von rund einer Million Beschäftigten hatte die Branche im Jahr 2018 erreicht. Im gesamten Arbeitsmarkt sind rund 13 Prozent der Arbeitnehmer Ausländer (2013: 8 Prozent). Das Gastgewerbe hatte bis 2017 mit einem Drittel den im Branchenvergleich höchsten Ausländeranteil gehabt.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Die Arbeitgeberseite dreht sich die Argumentation immer gerade so, wie es passt. Sonst wird nicht nur permanent über den angeblichen Fachkräftemangel gejammert (heute schon wieder, noch mitten in Pandemie und Massenarbeitslosigkeit) und behauptet, Deutschland gingen die Arbeitskräfte aus. Unter diesen Umständen müsste jeder junge Mensch und jeder Einwanderer, der auf den Arbeitsmarkt strömt, umworben und mit Kusshand genommen werden. Stattdessen sollen laut Zeitarbeitsbranche die Jugendlichen und die Ausländer doch froh sein, dass sie einen – unterbezahlten, wie zwischen den Zeilen durchschimmert – Job in der Zeitarbeitsbranche ergattern können, denn für “richtige”, feste und halbwegs ordentlich bezahlte Jobs sind sie ja zu schlecht. Im Grunde genommen ist die Ausbeuterbranche Zeitarbeit, die gar nicht genug Zuwanderer zum Ausbeuten kriegen kann, also ein “Integrationsmotor” und ein Hort der Menschenfreundlichkeit. So viel Lügerei ist nicht mehr zu ertragen.

  7. Wie der Pflegenotstand verschärft und von Wissenschaftlern legitimiert wird
    Private Investoren machen sich im Gesundheitswesen breit und trimmen es gnadenlos auf Rendite. Das verschärft den Pflegenotstand, vor allem zu Lasten der Frauen, kritisiert Uta Meier-Gräwe in diesem Gastbeitrag. Wissenschaftler sind unterdessen nicht um windige Rechtfertigungen für die schlechte Bezahlung von Frauenberufen verlegen.
    Im August 2020 – also nach der ersten Coronawelle – legte die Bundesärztekammer einen Zehnpunkteplan für ein effektives Krisenmanagement vor. Dort heißt es, dass Kliniken Einrichtungen der Daseinsvorsorge und keine Industriebetriebe seien, die sich ausschließlich an Rentabilitätszahlen ausrichten könnten. Krankenhäuser müssten den Patienten dienen, nicht dem Profit. Gleiches gilt selbstverständlich auch für andere Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, zum Beispiel für Altenpflegeheime.
    Obwohl diese Position der Spitzenorganisation der Ärzteschaft bundesweit auf eine breite Zustimmung trifft, läuft unter dem Radar und kaum bemerkt von der Öffentlichkeit eine ganz andere Nummer: Private-Equity-Firmen haben auch im Corona-Jahr 2020 mit dem Geld zahlungskräftiger Investoren kleinere Krankenhäuser, Rehabilitationskliniken und Altenpflegeheime aufgekauft und zu größeren Einheiten fusioniert – mit dem Ziel, sie bald mit hohem Gewinn weiterzuverkaufen.
    Sie erzeugen gnadenlosen Kostendruck und verhindern damit gute Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Pflegesektor. Inzwischen befinden sich 44 Prozent der Altenpflegeheime in privater Trägerschaft. Demgegenüber sinkt der Anteil der freigemeinnützigen Träger, zu denen auch Caritas und Diakonie gehören. Kommunale Altenheime haben mit 3,5 Prozent bereits „Orchideenstatus“.
    … der Bundesverband der privaten Anbieter sozialer Dienste, hat begrüßt, dass die Dienstgeberseite der Caritas einen allgemeinen Tarifvertrag in der Pflege abgelehnt hat. Warum aber ließ sich die Caritas für das schmutzige Geschäft des renditeorientierten Geschäftsgebarens in der Pflege einspannen? Man wolle am „Wettbewerb der Tarifwerke“ festhalten. Was für ein Zynismus! Und wie weit weg ist das von der Idee der „katholischen Soziallehre“?
    Nicht zuletzt durch diese Fehlentscheidung, die auch innerhalb der Caritas für Empörung gesorgt hat, spitzt sich die Carekrise in Deutschland weiter zu. 9.000 Pflegekräfte haben im letzten Jahr gekündigt; bundesweit fehlen 200.000. Wen es vor allem trifft? 83 Prozent aller Altenpflegekräfte sind Frauen und sieben von zehn Bewohnern sind weiblich. So viel zum Thema Geschlechtergerechtigkeit.
    Frauen in Care-Berufen vom Wohlstand abgekoppelt
    Wissenschaftler rechtfertigen den Lohnrückstand von Frauen mit ihrer Arbeit in angeblich unproduktiven Berufen. Die Bertelsmann-Stiftung veröffentlichte im Dezember eine Studie zur Lohneinkommensentwicklung bis 2025. Das Fazit ist brisant: Berufe, die in der zweiten Welle der Corona-Pandemie erneut als „systemrelevant“ ins Blickfeld gerückt sind, werden bei Gehaltserhöhungen bis 2025 das Nachsehen haben.
    (…) Es geht nicht länger an, dass vor allem Frauen, die mit ihren umfänglichen Zeitbindungen für un- und unterbezahlte Carearbeit das Fundament jeder Geld- und Volkswirtschaft generieren, vom gesellschaftlichen Wohlstand abgekoppelt bleiben. Orthodoxe Wachstumsmodelle, die das legitimieren, gehören auf den Prüfstand.
    Quelle: Norbert Häring

    Dazu: Pflege durch Pflegevollversicherung finanzieren
    Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, fordert zur Finanzierung der Pflege höhere Steuern für Vermögende. Im Dlf sagte sie, es brauche mehr Finanzmittel, um die Pflege auf solide Beine zu stellen. Bentele schlug eine Pflegevollversicherung ähnlich der Krankenversicherung vor.
    Der von der Bundesregierung vorgesehene jährliche Zuschuss zur Finanzierung der Pflege von einer Milliarde Euro werde nicht reichen, sagte Verena Bentele weiter. Deshalb dränge ihr Verband auf eine Vermögensabgabe, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder eine Vermögenssteuer.
    Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK schlug erneut eine Pflegevollversicherung ähnlich der Krankenversicherung vor. Derzeit müssen Pflegebedürftige für einen Heimplatz durchschnittlich mehr als 2.000 Euro Eigenanteil pro Monat zuzahlen. Dieser steige immer weiter und erdrücke die Menschen, sagte sie.
    (…) Der durchschnittliche Preis für eine Pflege im Monat ist bei über 2.000 Euro in Deutschland. Das ist für viele Menschen auch ein Schreckgespenst, wenn sie auf ihren Rentenbescheid schauen oder das, was ihnen die Rentenversicherung prognostiziert für die Zukunft, und wenn sie dann überlegen, was habe ich an Geld zur Verfügung und was kostet mich eine gute Pflege…
    Sie haben eben die Kosten selber schon erwähnt und Sie haben vor einiger Zeit bereits eine Pflege-Vollversicherung gefordert. Dabei ist der Gedanke, dass der Eigenanteil wegfallen würde und der Staat voll für die Kosten aufkommen würde. Halten Sie daran fest und wenn ja, wie wollen Sie das finanzieren?
    Bentele: Genau! Wir halten daran fest und sagen ganz klar, dass die Pflege selber, der Eigenanteil für die Pflege funktionieren müsste wie die Krankenversicherung, kann man sagen, dass dann die Kosten mit der Pflege-Vollversicherung auch abgedeckt sind. Wir sehen ja heute schon, dass die Zahl derer, die Hilfe zur Pflege beantragen, Sozialhilfe, um die Pflege zu finanzieren beantragen müssen, deren eigenes Geld nicht ausreicht für die Pflege, die Zahl steigt auch immer weiter. Sprich: Dann springt eh der Steuerzahler ein. Da, sagen wir, wäre es die faire Lösung und eine gute, dass wir wirklich die Pflege finanzieren durch die Pflege-Vollversicherung.
    Wie wir das finanzieren wollen, würde mich der Finanzminister jetzt auch fragen? – Wir sagen, dafür braucht es auch eine gerechte Steuerpolitik. Das heißt zum Beispiel, wie jetzt auch angedacht ist, dass Kinderlose zum Beispiel mehr Pflegeversicherung zahlen. Da sagen wir, die Spaltung in der Gesellschaft ist jetzt nicht zwingend Kinderlose und Menschen mit Kindern, sondern Arm und Reich. Wenn Menschen viel Geld haben, dann fordern wir auch, dass da an der Steuerschraube gedreht wird. Wir fordern im Moment eine Vermögensabgabe für alle, die mehr als eine Million Einkommen oder Vermögen haben, um auch die Kosten der Pandemie ein bisschen zu begrenzen. Und wir fordern natürlich auch, dass am Spitzensteuersatz und an der Vermögenssteuer und weitere Themen mehr – das würde jetzt den Rahmen sprengen –, dass wir damit auch wirklich noch mal mehr Geld generieren, das dann für die solidarische Gesellschaft, also für alle Menschen zur Verfügung steht…
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unseres Lesers M.H: Klare Worte der VdK-Vorsitzende Frau Bentele! Danke und Bravo dafür!

    Der Abgeordnetenschaft im Bundestag ist diese Finanzierungsmöglichkeit –höhere Steuern für Vermögende- natürlich nicht in den Sinn gekommen, steht doch da die Selbstversorgung, gerade auch im Wahljahr, an erster Stelle; siehe Erhöhung Parteienfinanzierung, Postengeschachere für verdiente Parteimitglieder zum Ende der Legislaturperiode, und horrende Honorare in Bezug auf Covid Maskenbeschaffung.

  8. Lohndumping auf Staatskosten?
    Lufthansa wickelt Konzerngesellschaften wie Germanwings ab, während es eine neue Airline gründet: Eurowings Discover. Dort wird nach Recherchen von Report Mainz zum Teil weniger Gehalt bezahlt – trotz Milliarden an Corona-Hilfen…
    Vorwurf des Lohndumpings
    SunExpress Deutschland ist nicht das einzige Unternehmen im Lufthansa-Konzern, das mitten in der Corona-Krise abgewickelt wird. Auch bei der Germanwings ist der Passagierbetrieb mittlerweile eingestellt. Trotz der umfangreichen Rettungshilfen durch den deutschen Staat.
    “Der Lufthansa Gruppe werden neun Milliarden Euro an Staatsgeldern zur Verfügung gestellt, dazu kamen noch Gelder aus Kurzarbeit”, sagt Stefan Sell, Professor für Volkswirtschaft und Sozialwissenschaften an der Hochschule Koblenz. “Und jetzt geht man hin und unterstützt, weil man auf jede Bedingung verzichtet, einen harten Sanierungskurs, der auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Der Konzern wird massiv umgebaut. Kostensenkungen verbunden mit Lohndumping bei den Beschäftigten, um dort Kosten zu sparen.”…
    Deutlich niedrigeres Gehalt
    Konfrontiert mit diesem Vorwurf erklärt die Lufthansa auf Anfrage, die Arbeitsbedingungen seien auf dem Niveau vergleichbarer Flugbetriebe. “Ab dem 1. Juni werden bei Neueinstellungen ausschließlich Vollzeitverträge vergeben und bestehende Teilzeitverträge auf 100 Prozent aufgestockt”, so der Konzern…
    Über 200 Klagen vor den Arbeitsgerichten
    Die Umstrukturierung im Konzern beschäftigt jetzt auch die Arbeitsgerichte. Über 200 Klagen liegen nach Report-Mainz-Recherchen allein bei den Arbeitsgerichten in Köln und Frankfurt…
    Bundesregierung fühlt sich nicht zuständig
    Die Bundesregierung hat trotz allem nicht eingegriffen und das obwohl sie Milliarden an Hilfen gewährte, sogar am Unternehmen beteiligt ist. Gegenüber Report Mainz erklärt das Bundeswirtschaftsministerium: “Die Bundesregierung kann keinen Einfluss auf die operative Geschäftsführung der Deutschen Lufthansa AG nehmen.”
    Für Stefan Sell ist die Lufthansa damit ein großer Profiteur der Corona-Krise. “Das heißt, die Verluste wurden sozialisiert und die möglichen Gewinne, die jetzt realisiert werden, die privatisiert die Lufthansa-Gruppe”, sagt er. “Für alles muss man einen Preis zahlen. Und der Preis, den zahlen jetzt die Beschäftigten.”
    Quelle: tagesschau
  9. Neue Kontroverse um Lohn für Hausarbeit
    Barbara Marti
    Lohn für Hausarbeit zementiere alte Geschlechterrollen, sagen Kritikerinnen. Das Gegenteil sei der Fall, sagen Befürworterinnen.
    In der Schweiz verlangt das Bundesgericht neu von Müttern, nach der Scheidung finanziell für sich selber zu sorgen. Die unbezahlte Haus- und Betreuungsarbeit, die immer noch überwiegend Frauen leisten, hat also auch nach einer Scheidung keinen Wert. Viele halten die neue Rechtsprechung unter den heutigen Gegebenheiten für realitätsfern. Einige schlagen deshalb vor, Hausarbeit zu entlöhnen.
    Kontroverse unter Feministinnen
    Die unbezahlte Haus- und Betreuungsarbeit hat für Frauen bis ins Rentenalter negative finanzielle Folgen. Ein Hausfrauenlohn könne dies ändern, meinen einige. Dieser Vorschlag hat eine jahrzehntealte Kontroverse wiederbelebt. Im Zentrum der Diskussionen steht die Frage, ob ein solches Gehalt Frauen diskriminiert oder emanzipiert.
    «Herdprämie»
    Die Kritikerinnen sprechen von einer «Herdprämie», welche Hausarbeit als Frauenarbeit zementiere und Frauen vom Arbeitsmarkt verdränge. Zudem könnte ein Hausfrauenlohn ein Anlass für den Staat sein, familienexterne Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht mehr zu finanzieren.
    Es sei zwar wichtig, über den Wert der unbezahlten Hausarbeit zu sprechen und darüber, wer sie leistet. Doch Ziel müsse es sein, bezahlte Erwerbs- und unbezahlte Hausarbeit partnerschaftlich aufzuteilen. Wer einen Hausfrauenlohn fordere, mache gemeinsame Sache mit Konservativen, die weltweit auf dem Vormarsch sind. Diese propagieren traditionelle Geschlechterrollen, weil sie bezahlte Arbeit und Macht nicht mit den Frauen teilen wollen.
    «Befreiungsschlag»
    Die Befürworterinnen dagegen argumentieren, ein Hausfrauenlohn sei ein emanzipatorischer Befreiungsschlag. Frauen müssten nicht mehr jeden bezahlten Job annehmen. Und sie wären in einer besseren Position, um mit ihren Partnern auszuhandeln, wie sie die Haus- und Betreuungsarbeit teilen. Heute seien zwar mehr Frauen erwerbstätig, aber trotzdem finanziell nicht unabhängig, weil sie Teilzeit beschäftigt sind und tiefere Löhne erhalten.
    Ein Hausfrauenlohn werte Hausarbeit auf und mache diese sichtbar. Nur eine Bezahlung zeige, dass Hausarbeit einen Wert habe und nichts mit der Natur der Frau zu tun habe. Einen Hausfrauenlohn könnten nämlich auch Männer beziehen und damit ihre Erwerbsarbeitszeit reduzieren.
    Quelle: Infosperber
  10. Umkämpfte Patente: Die globale Impfstoff-Apartheid
    von Andreas Zumach
    Als Mitte Mai 2020 die Generalversammlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wegen der Coronapandemie erstmals seit ihrer Gründung im Jahr 1948 nur virtuell stattfinden konnte, versprachen die Regierungen der reichen Industriestaaten dem „Rest“ der Welt ihre Solidarität bei der Bekämpfung von Covid-19 und eine globale gerechte Verteilung von Impfstoffen. Auf einem nachfolgenden Gipfeltreffen der EU bekräftigte Kommissionschefin Ursula von der Leyen mit vielen hehren Worten dieses Versprechen. Schon damals stießen diese Ankündigungen bei manchen Beobachter*innen auf große Skepsis, weil die konkret beschlossenen Maßnahmen zu ihrer Umsetzung höchst unzureichend erschienen.
    Die Skepsis war leider nur zu berechtigt: Im Spätherbst 2020 wurden für die ganze Welt der Egoismus und Nationalismus offensichtlich, mit dem die G 7-Staaten und die EU bei der Produktion, Beschaffung und (Nicht-)Verteilung von Impfstoffen bis heute vorgehen. Bis zum 15. Mai dieses Jahres – genau ein Jahr nach der WHO-Generalversammlung von 2020 – hatten sich die G 7-Staaten inklusive der EU über die Hälfte aller bis dato verfügbaren Impfdosen gesichert, obwohl sie nur 13 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen. Auch über die Hälfte aller bereits verabreichten Impfungen erfolgte in diesen Ländern, während in 130 der 194 UNO-Staaten noch keine einzige Person geimpft wurde.
    Insgesamt hatten bis Mitte Mai dieses Jahres 820 Millionen Menschen weltweit zumindest den ersten schützenden Stich in den Oberarm bekommen. Davon leben 88 Prozent in den Industriestaaten des Nordens und nur 0,2 Prozent in den 50 nach UNO-Definition ärmsten, weil nach UN-Definition „am wenigsten entwickelten“ Ländern. Bleibt es bei dieser globalen Impfstoff-Apartheid können alle Menschen in den G 7-Staaten sowie in Israel, Australien und Neuseeland bis spätestens Ende des Jahres vollständig geimpft sein, im „Rest“ der Welt jedoch maximal ein Fünftel der Bevölkerung.
    Weil sie genau diese Situation befürchteten, hatten Indien und Südafrika bereits im September 2020 bei der Welthandelsorganisation (WTO) die vorübergehende Aussetzung der Patentrechte der großen Pharmakonzerne beantragt, um so eine deutlich erhöhte globale Produktion und beschleunigte gerechte Verteilung von Impfstoffen zu ermöglichen… Der indisch-südafrikanische Antrag wird zwar von über 120 WTO-Mitgliedstaaten unterstützt, wurde jedoch von den G7-Staaten, der EU sowie Australien, Norwegen und Brasilien in sechs Beratungs- und Verhandlungsrunden seit September 2020 blockiert…
    Die Patentierung von überlebenswichtigen Medikamenten und Impfstoffen ist der politisch und moralisch skandalöseste Ausdruck der Umwandlung des öffentlichen Gutes Gesundheit zu einer privatwirtschaftlich gehandelten, rein profitorientierten Ware. Diese Umwandlung begann spätestens in den 1980er Jahren…
    Quelle: Blätter
  11. Und was sagen die Qualitätsmedien? Tausende protestieren in London gegen Corona-Politik
    Beobachter mutmaßen, dass die Berichterstattung über Proteste vor allem davon abhängt, inwieweit diese der Regierung als “politisch korrekt” gelten. Jüngstes Beispiel sollen die Proteste gegen die Corona-Politik in London vom Wochenende gewesen sein.
    Wer etwa auf die Tagesschau als wichtige Informationsquelle vertraut, erfuhr in den vergangenen Tagen vor allem einiges über den Kampf der transatlantischen Gemeinschaft für Freiheit und Demokratie in Weißrussland, oder, wie hier auf tagesschau.de, von den Demonstrationen gegen den brasilianischen Präsidenten Bolsonaro – wegen “seines Umgangs mit der Corona-Pandemie”.
    Was die jüngsten Proteste in London anbelangt, muss man in den sogenannten Qualitätsmedien jedoch nach Berichten suchen wie nach der Nähnadel im Heuhoaufen. Unter dem Motto #uniteforfreedom fanden am Wochenende in London u.a. Proteste gegen das Maskenmandat, das sgenannte “Social Distancing” und die mögliche Einführung eines Impfpasses statt. Mutmaßlich auch aufgrund des “Drucks der Straße” herrscht über letzteres Vorhaben auch in den Reihen der britischen Regierung längst kein Konsens mehr.
    Anders als etwa in Deutschland äußerten sowohl die Konservative Partei Großbritanniens als auch oppositionelle Abgeordnete und Bürgerrechtsgruppen zuletzt ihre zunehmende Besorgnis über die Aussicht auf sogenannte Impfstoffzertifikate. Bereits im April deutete auch der britische Premierminister Boris Johnson an, dass die Ausstellung der Zertifikate ethische Fragen aufwerfe.
    Auch wenn in Großbritannien unlängst Geschäfte und Pubs unter Corona-Auflagen wieder öffnen durften, gingen die Menschen gegen die mutmaßliche “neue Normalität” auf die Straße. (…)
    Derweil hat sich längst eine breite zivilgesellschaftliche Front gebildet, für die die Corona-Politik der Regierung und die Ausweitung polizeilicher Befugnisse demselben, mutmaßlich “totalitären” Geist entspringen. Am Wochenende fand man auf den Straßen Londons zusammen.
    Quelle: RT DE
  12. Der Klimawandel ist schon heute tödlich
    Hitzewellen kosten im Sommer viele Menschen das Leben. Eine internationale Studie hat jetzt versucht, genau zu ermitteln, wie viele es sind. Laut den Daten aus mehr als 740 Städten weltweit lässt sich jeder dritte Todesfall bei Hitze dem Klimawandel zuschreiben. Deutschland ist besonders betroffen.
    37 Prozent aller Hitzetoten in den letzten drei Jahrzehnten hätte es ohne den Klimawandel nicht gegeben – das ist die Kernaussage der neuen Untersuchung. Sie stützt sich auf Daten aus über 730 Städten in 42 Ländern der Erde. Für Ana Maria Vicedo-Cabrera sind die 37 Prozent eine Zahl, die jeden aufrütteln sollte. Die spanische Gesundheitswissenschaftlerin initiierte die erste so umfangreiche Studie dieser Art. Sie forscht an der Universität Bern: „Man kann auch sagen: Jeder dritte Todesfall, der im Zusammenhang mit Hitze steht, kann dem menschlichen Einfluss auf das Klima zugeschrieben werden. Das, finde ich, ist ein sehr frappierendes Ergebnis!“
    (…) „Das ist ja nicht so, dass sich sozusagen nur der Mittelwert der Temperatur verschiebt. Da würde man vielleicht sagen: Na ja, dann ist es jetzt im Mittel ein Grad wärmer, ist ja vielleicht ganz nett! Aber es verschieben sich eben vor allem die Extremwerte. Also, es werden ja immer mehr Hitzewellen, die Hitzewellen werden länger und eben auch wesentlich extremer als früher.“
    Würde man die Ergebnisse der Studie auf alle Länder und Großstädte der Welt übertragen, käme man im Schnitt auf über 100.000 Hitzetote durch den Klimawandel pro Jahr, heißt es in der Veröffentlichung…
    2018 gab es demnach rund 20.000 hitzebedingte Todesfälle in Deutschland. Ohne den Klimawandel wären es deutlich weniger gewesen.
    Quelle: Deutschlandfunk
  13. Zu heiß für Pflanzen
    Hitzewelle zerstört Teile der Reisernte in Bangladesch und ist eine Menetekel für die Zukunft der Welternährung
    Aus Bangladesch erreichen uns Nachrichten über größere Ernteverluste aufgrund von Hitzestress. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, hat Anfang April eine zweitägige Hitzewelle in Verbindung mit Trockenheit in über 36 Distrikten des Landes vor allem Reisfelder zerstört. Betroffen waren im geringeren Umfang auch Mais- und Erdnusspflanzen sowie Bananenpalmen.
    Für zwei Tage seien die Höchsttemperaturen in trockener Luft auf durchschnittlich bis zu 36 Grad geklettert, was auch für das teils subtropische, teils tropische Land zu dieser Jahreszeit außergewöhnlich ist. Vielen Nutzpflanzen war die Hitze offensichtlich zu viel…
    Ansonsten ist diese Geschichte natürlich ein Hinweis auf die vielen Wege, wie in einem wärmeren Klima die Welternährung gefährdet sein wird. Denn wenn die globale Durchschnittstemperatur zunimmt, werden auch Hitzewellen wie diese häufiger und auch intensiver.
    Zahlreiche Wissenschaftler haben dies in den letzten beiden Jahrzehnten bereits unter anderem an den westeuropäischen und russischen Hitzewellen nachgewiesen und auch auf die damit verbundenen Gesundheitsgefahren hingewiesen.
    Quelle: Telepolis

    Dazu: Was uns die Dürre in Kalifornien über den Klimawandel verrät
    ines der wichtigsten Agrargebiete der USA sieht sich erneut mit einer Wasserkrise konfrontiert. Es drohen massive Ernteverluste
    Die Schneeschmelze in den Bergen der Sierra Nevada, dem “verschneiten Gebirgszug” Kaliforniens, bildet eine der wichtigsten Wasserquellen des westlichen Bundeslandes der Vereinigten Staaten. Doch dieses Jahr scheint die alljährliche, im Frühling einsetzende Wasserzufuhr gänzlich auszubleiben, wie die Los Angeles Times kürzlich warnte.
    Zwar erreichte die Schneedecke in diesem Jahr nur 59 Prozent des langjährigen Durchschnittswertes, doch hofften die Hydrologen des Bundesstaates, in dem sich eines der wichtigsten landwirtschaftlichen Anbaugebiete der USA befindet, dass die Schneeschmelze dennoch die Wasserreservoirs zumindest etwas auffüllen werde. Doch dem war nicht so: Das im Frühjahr in der Sierra sich bildende Schmelzwasser kam zumeist gar nicht mehr an den Gebirgsausläufern an, da es sofort in der ausgedörrten Erde versickerte, oder in der trockenen, warmen Luft verdunstete.
    73 Prozent der Fläche von “schwerer oder extremer” Dürre betroffen
    Wenn der Schnee der Sierra “im Boden versickert oder verdunstet, bevor er in die Reservoirs flussabwärts fließen” könne, dann sei klar, dass Kalifornien sich wieder in einer schweren Dürre befinde, erläuterte die Los Angeles Times. Dabei sieht sich nahezu der gesamte Westen der Vereinigten Staaten seit Jahren mit einer schweren Trockenperiode konfrontiert….
    Quelle: Telepolis

  14. Vučić: US-Abhörskandal gegen Merkel ist prinzipienlos
    (…) Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat das Abhören der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und anderer europäischer Politiker durch US-amerikanische und dänische Geheimdienste als skandalös und prinzipienlos bezeichnet. Er erklärte am Montag in einer Liveübertragung des TV-Senders Cirilica TV HAPPY:
    “Das ist skandalös! Stellen Sie sich vor, dass Serbien oder Weißrussland das getan hätten, was für Sanktionen wären dann verhängt worden! Was wäre, wenn Lukaschenko mit Russlands Hilfe Angela Merkel abgehört hätte, was hätte man dann Russland und Weißrussland angetan! Aber es stellte sich heraus, dass Angela Merkel von den Amerikanern mit Hilfe Dänemarks abgehört wurde. Und nichts passiert, denn es gelten keine Prinzipien, keine Moral, kein internationales Recht mehr. Nur wir und einige wenige Länder in der Welt können uns darauf berufen, da dies schon seit längerer Zeit niemanden mehr interessiert.”…
    Quelle: RT
  15. Ken Jebsen hat uns politisch entfremdet?
    Ken Jebsen soll die politische Entfremdung im Land vorangetrieben haben. Daher kniet sich nun der Verfassungschutz hinein und beobachtet den Journalisten und seine Plattform. Dieser Schritt zeigt, wie sehr sich Mächtige von unabhängigen Medienangeboten fürchten – und wie tief der Medienbetrieb mit drin steckt.
    Denn der Journalist habe die »Entfremdung« im Lande vorangetrieben. Dieser Vorwurf ist grotesk. Selbst wenn er stimmte, kann man ihn nicht heranziehen, um eine solche Beobachtung zu rechtfertigen.
    Denn damit wirft man Ken Jebsen vor, er hätte unwahre Verschwörungstheorien unter die Leute gebracht, mit dem genannten Resultat. Anders gesagt: Er soll gelogen haben. Wenn jetzt schon die Lüge ein Aufhänger für den Verfassungsschutz sein soll, müsste dieser ja auch gegen die Bildzeitung, den Spiegel und gegen manche fremdgehenden Ehepartner ermitteln.
    Reporter mit Grenzen
    Nach diesem Argumentationsmuster wären auch unsere etablierten Medien potenzielle Beobachtungsziele des Staatsschutzes. Die Zeiten, da Claas Relotius mit falschen Stories ein völlig falsches Bild von Deutschland und der Welt vermittelte, sind noch gar nicht so lange vorbei. Wenn es also genügt, durch falsche Behauptungen die Stabilität des Landes zu untergraben, dann müssen wir über den Spiegel reden. Und natürlich auch über die Rolle fast aller Medien in der Corona-Krise. Denn von Anfang an wurden die Bürgerinnen und Bürger unter Dauerbeschuss genommen, jede Meldung, die sich für das Thema ausschlachten ließ, wurde aufgeblasen.
    Das hat die gesellschaftliche Spaltung begünstigt. Der Medienbetrieb ist in eine tiefe Sinnkrise geschlittert, die schon vor der Pandemie augenfällig wurde. Sachliche Berichterstattung verkauft sich schlechter, Nüchternheit ist Kassengift. Die Schnelllebigkeit in den Netzwerken forciert die Auflösung des journalistischen Berufsethos.
    Und nun, da einer aus der Branche aus einem fadenscheinigen Grund zum Staatsfeind verklärt wird, wo er so ziemlich der einzige deutschsprachige Alternativjournalist ist, der es in die Tagesschau schafft, hat die Anteilnahme der Branche Grenzen. Jeder Journalist, der im Ausland in einem Knast sitzt, erfährt mehr Solidarität und Zuspruch, als Berufskollege Jebsen.
    Ganz im Gegenteil, die Bericherstattung zur Beobachtung durch den Verfassungsschutz wurde recht wohlwollend begleitet und mit Kommentaren ausgeschmückt, die die dunkle Seite Jebsens betonten. Die Argumentation, wonach er die Entfremdung im Lande angeschoben hätte, wurde kritiklos übernommen. Der Medienbetrieb steckt so tief in dieser ganzen Misere, er hat sich selbst auf eine Zahnlosigkeit abgerichtet, die nicht mehr möglich macht, die Schritte der Mächtigen aus Wirtschaft und Politik kritisch und bissig zu begleiten. Der medial-politische Komplex kreiert Feindbilder und wundert sich, dass sich das Land von seinen Entscheidern entfremdet….
    Quelle: Neulandrebellen

    Lesen Sie dazu auf den NachDenkSeiten: Die rote Linie ist überschritten.

  16. Kolumbien: „Die Regierung tötet uns“
    Politische Morde häufen sich, Korruption und Corona-Maßnahmen verschlimmern die Armut und es gibt keine Arbeit in Kolumbien. Der Bevölkerung reicht es, seit Ende April protestiert sie gegen den Zustand des Landes. Die Regierung antwortet mit Militär- und Polizeigewalt.
    „Die Regierung tötet uns.“ Das ist der Schlachtruf kolumbianischer Jugendlicher an die Regierung, gegen deren Repression sich die Protestbewegung seit ihrem Entstehen am 28. April zur Wehr setzt. Damals riefen alle Gewerkschaftsverbände zu einem landesweiten Streik auf. Die Bevölkerung strömte in der Nacht auf die Straße und errichtete Barrikaden in der Stadt. Die Polizei antwortete mit Schüssen auf Protestierende. Der Terror sollte die Bewegung entmutigen.
    (…) Was hat die Proteste in Kolumbien ausgelöst?
    Die Vorgeschichte der Proteste reicht bis in den November 2019 zurück. Damals riefen Gewerkschaftsverbände, soziale, indigene und afro-kolumbianische Organisationen zu einem Streik auf. Dazu kamen Studierendengruppen. In der Nacht des 21. Novembers schuf die Regierung eine Atmosphäre der Angst. Gerüchte gingen um, die besagten, dass bewaffnete Gruppen, von Ausländer*innen angeführt, in der ganzen Stadt versuchten, in Häuser einzudringen und zu plündern. Schon damals versuchte die Regierung damit den Einsatz der Exekutive zu rechtfertigen…
    Die Bevölkerung mobilisierte gegen „Duque‘s paquetazo“: eine Reihe von ökonomischen Reformen. Darunter fiel die Senkung des Mindestlohns für Menschen unter 25 um drei Viertel, eine Steuerreform, die vor allem großen und internationalen Unternehmen zu Gute kommen sollte, die Privatisierung von Kernindustrien und des Finanzsektors, eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters und die Privatisierung der Pensionskassen. Die Leute gingen außerdem für den Friedensvertrag mit der FARC und gegen Korruption auf die Straße…
    Die Protagonist*innen: Junge Frauen und Männer
    Junge Leute führten den Streik am 28, April an. Jene jungen Leute, die keine Möglichkeit haben, zu studieren oder einen ordentlichen Job zu finden. Diese Generation ist während der 40-jährigen Herrschaft des Neoliberalismus in Kolumbien geboren. Sie leben, ohne Träumen zu können, von einen Tag zum nächsten. Diese jungen Leute stehen in der ersten Reihe der Auseinandersetzungen, sie verteidigen die Barrikaden mit ihrem Leben. Und sie sind es, die den Großteil der Toten ausmachen.
    Der Jugend reicht es: Als sie studieren wollte, war das nicht möglich. Als sie arbeiten wollte, gab es keine Jobs. Sie müssen ihren Lebensunterhalt mit Schwarzarbeit verdienen. Sie putzen Windschutzscheiben an Ampeln und werden unentwegt beleidigt. Versichert sind sie nicht. Zu Hause fehlt ihnen alles. Ein junger Protestierender sagte, so gut gegessen wie während dem Streik hätte er noch nie. Trotz allem ist es diese Generation, die nicht aufgibt, für den Wandel und für ein würdevolles Leben zu kämpfen.
    Junge Männer und Frauen ganz verschiedener Herkunft, Kollektive, Künster*innen, Frauen, LGBTQI-Gruppen, Lehrer*innen, Studierende, Hausfrauen, Fußballfans, Afro-Communities, Indigene, Arbeitslose, Schwarzarbeiter*innen dominieren die Märsche in Kolumbien. Das ganze Land geht auf die Straße. Die Regierung bietet ihnen Repression und den Tod.
    Quelle: Mosaik
  17. Neue Generation schreibt Magna Carta
    »Chile ist aufgewacht!« Bei der Abstimmung über die verfassunggebende Versammlung machten die Chilenen den Weg frei für mehr soziale Grundrechte. Linke und unabhängige Delegierte stellen nach der Wahl der 155 Mitglieder der Constituyente am 15. und 16. Mai die Mehrheit…
    Damit kann die neue Magna Carta des südamerikanischen Landes von einer neuen politischen Generation – von Aktivist:innen der Zivilgesellschaft und der Linken – geschrieben werden.
    Das ist ein gewaltiger Demokratisierungsschub. Dazu gehört auch, dass zum ersten Mal im Verfassungskonvent eine gleiche Anzahl von Frauen und Männern vertreten ist, was in der nach wir vor stark von Männern dominierten Politik fast schon revolutionär daherkommt. In der Constituyente sind zudem 17 Delegierte der anerkannten indigenen Völker Chiles vertreten, deren Rechte in der bisher gültigen Verfassung nicht anerkannt werden. Bis spätestens Mitte 2022 sollen die gewählten Delegierten einen neuen Verfassungsentwurf vorlegen, über den die Bevölkerung in einem Referendum abstimmen wird…
    Die jahrelangen Proteste von Studierenden, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, Feministinnen, und jenen, die mit miserablen Löhnen und Renten einfach nicht über die Runden kommen, waren die Basis für die Sozialrevolte, die am 18. Oktober 2019 nach einer Fahrpreiserhöhung im öffentlichen Nahverkehr ausbrach. »Es geht nicht um 30 Pesos, es geht um 30 Jahre!«, wurde skandiert. Also nicht primär um die Fahrpreiserhöhung des U-Bahn-Tickets, sondern um die Tatsache, dass die Verfassung, die von der Pinochet-Diktatur (1973-1990) dem Land aufgeherrscht wurde, auch 30 Jahre nach deren Ende noch immer in Kraft ist. »Der Neoliberalismus wurde in Chile geboren und muss auch hier sterben«, lautete ein weiterer Slogan der Demonstrierenden. Die nun gewählte Constituyente ist der sichtbare Erfolg der massenhaften Proteste – trotz schwerer Menschenrechtsverletzungen der chilenischen Sicherheitskräfte, Dutzenden Toten und erblindeter Opfer.
    (…) Eine staatliche Rentenversicherung, ein öffentliches Bildungs- und Gesundheitssystem, eine öffentliche Trinkwasserversorgung, die Erhöhung des Mindestlohns auf 500.000 Pesos (etwa 600 Euro), die Anerkennung von Gewerkschaftsfreiheit und Tarifverhandlungen nach Branchen, Schutz von Menschenrechten, indigenen Völkern und der Natur, mehr demokratische Teilhabe sowie der Zugang zu würdigem Wohnraum wurden als Themen benannt, die in der neuen Verfassung verankert werden sollen. »Wir wollen das vorherrschende Paradigma Chiles verändern: das neoliberale, kapitalistische, individualistische und patriarchale Paradigma«…
    Doch bereits heute steht fest: Die Verfassung, mit der Pinochet das neoliberale System in Chile für alle Zeiten festschreiben wollte, ist bald Geschichte. »Früher oder später werden sich erneut die Alleen öffnen, auf denen der würdige Mensch dem Aufbau einer besseren Gesellschaft entgegengeht«, hatte Salvador Allende in seiner letzten Rede im September 1973 im Präsidentenpalast Moneda gesagt. Jetzt besteht die begründete Hoffnung, dass sich seine Prophezeiung erfüllen könnte.
    Quelle: Sozialismus aktuell
  18. Staatliche Mittel übersteigen 200-Millionen-Marke
    Die staatlichen Mittel für die in Deutschland tätigen Parteien steigen in diesem Jahr aller Voraussicht nach erstmals über die Marke von 200 Millionen Euro.
    In der sogenannten Unterrichtung von Bundestagspräsident Schäuble heißt es, durch eine Anpassung an die Preisentwicklung um 1,3 Prozent steige die bisher bei rund 197,5 Millionen Euro liegende absolute Obergrenze an. Diese beschreibt das jährliche Gesamtvolumen staatlicher Mittel, das allen Parteien höchstens ausgezahlt werden darf. Die Obergrenze wird regelmäßig über einen Preisindex der für Parteien typischen Ausgaben angepasst, die sich hierzulande vor allem durch Mitgliedsbeiträge, Geld vom Staat und Spenden finanzieren. Grundsätze und Umfang der staatlichen Zuwendungen sind im Parteiengesetz festgelegt.
    Auch die Mittel, die die Parteien je Wählerstimme erhalten, werden erhöht. Sie steigen für die ersten vier Millionen Wählerstimmen von 1,05 auf 1,06 Euro und für alle weiteren Stimmen von 0,86 auf 0,87 Euro.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unseres Lesers M.H.: Während die Parteien sich aus dem Steuersäckel bedienen, werden die Rentnerinnen und Rentner mit Hinweis auf Corona gezwungen Maß zu halten und den Gürtel enger zu schnallen, da die Rentenanpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten Mieten und deren Nebenkosten z.B.! im Bundestagswahljahr ausfällt.
    Wetten, daß für die Bundestagsabgeordneten auch noch eine Diätenerhöhung in diesem Jahr drin ist?! Aber darüber, da inzwischen ja die Debatten dazu im Bundestag nicht mehr geführt werden, fällt die Berichterstattung in den Leit-Medien aus; ausgenommen in den NachDenkSeiten, so erhoffe ich doch von diesen hierzu eine Stellungnahme.


Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/

Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=73001