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Titel: Auslagerung von „faulen Forderungen“? Auslagerung von festen Verbindlichkeiten! (Finanzkrise XLVII)

Datum: 20. Oktober 2010 um 16:39 Uhr
Rubrik: Banken, Börse, Spekulation, Finanzkrise, Manipulation des Monats
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„Gift-Papiere“ „erfolgreich“ ausgelagert. Ein „Meilenstein“ – Das war und ist der Tenor zu einem Vorgang, der Ende September/Anfang Oktober ablief und für eine Milliardenbelastung von uns Steuerzahlern steht: die Gründung einer Bad Bank der Hypo Real Estate (HRE). Im Rückblick kann man festhalten, dass wir hier – wie sooft – „erfolgreich“ manipuliert worden sind. Der Vorgang und seine publizistische Begleitung ist ein würdiger Kandidat für die NachDenkSeiten-Rubrik Manipulation des Monats. Knapp drei Wochen darnach lässt sich feststellen, dass unsere Medien sich und wir Bürger uns „erfolgreich“ haben einlullen lassen. Albrecht Müller.

Zunächst eine Übersicht über die maßgeblichen Dokumente, deren Einführungstexte als Anlagen unten angehängt sind:

Am 3. Oktober erschien ein Artikel in SpiegelOnline mit der Überschrift „HRE lagert Gift-Papiere aus“ und einer euphorischen Tonlage zu diesem Vorgang. Das ist typisch für die Tonlage der Medien im Zusammenhang mit diesen Ereignissen.
Die Tonlage entsprach den Akzenten in den Pressemitteilungen, die vom Soffin, der Bundesanstalt für Finanzenmarktstabilisierung, zu diesem Vorgang heraus gegeben worden waren, vor allem in der Pressemitteilung vom 3. Oktober und 22. September . Ebenfalls interessant ist die vorbereitende Pressemitteilung vom 10. September 2010, mit der angekündigt worden war, der Garantierahmen der HRE sei temporär um bis zu 40 Milliarden € und damit auf 142 Milliarden aufgestockt worden.

Nun zu den irreführenden Elementen des Vorgangs und der begleitenden Verlautbarungen:

  1. Schon die Sprache ist manipulativ: Ein gravierender, ernster und belastender Vorgang wird von einer nahezu euphorischen Sprache begleitet.
    • Die Abspaltung sei „erfolgreich verlaufen“, verlautbart der Soffin gleich mehrmals.
    • Sie sei ein „bedeutender Meilenstein der Restrukturierung der HRE“.
    • Diese Intonierung des Soffin führt dazu, dass bei SpiegelOnline im ersten Absatz das Wort erfolgreich gleich zweimal vorkommt und dabei auch schon die Rede davon ist, die „Bad Bank der HRE“ sei „erfolgreich gestartet“.
    • Die HRE könne sich nun „auf ihr Kerngeschäft konzentrieren“, meint der Soffin.
    • Und: „Nur bei einem Teil der ausgelagerten nicht strategienotwendigen Vermögenswerte handelt es sich um wertgestörte Positionen.“ Das ist die freundliche Umschreibung von faulen Forderungen.
  2. Mit der Konzentration der Verlautbarungen auf die Übertragung von faulen Forderungen wird die Tatsache, dass harte Verbindlichkeiten gleichzeitig übertragen werden, überlagert.

    Unser Augenmerk wird auf die Auslagerung von faulen Forderungen gerichtet. Diese kommen auf die Aktivseite der Bilanz des neuen Instituts FMS Wertmanagement, der Bad Bank der HRE, der miesen Bank. Entscheidend für die HRE ist aber nicht die Auslagerung dieser Forderungen sondern die Auslagerung der Verbindlichkeiten, die auf der Passivseite der Bilanz der HRE standen und jetzt gar nicht faule Verbindlichkeiten des neuen Instituts sind. Es sind also faule Forderungen und harte Verbindlichkeiten ausgelagert worden. In den Artikeln und Verlautbarungen wird uns das leider nur in den Texten und meist zwischen den Zeilen mitgeteilt. Die faulen Forderungen allein hätte die HRE auch behalten können. Stellen Sie sich vor, sie betreiben ein gesundes Unternehmen mit Vermögen, Eigenkapital und ein paar Schulden. Und Sie erhalten und zusätzlich ein Paket mit unsicheren Forderungen. Das juckt sie nicht sonderlich, wenn dem keine Schulden gegenüberstehen. Das juckt sie nicht sonderlich. Das juckt Sie aber dann sehr wohl, wenn Sie gleichzeitig auch feste Verbindlichkeiten übernehmen müssen.
    Ich habe in den letzten zwei Wochen Freunde und Bekannte gefragt, was denn aus ihrer Sicht auf der Passivseite steht, wenn das neue Institut FMS auf der Aktivseite mit 173 Milliarden Forderungen beginnt. Alle von mir befragten Personen mussten zunächst einmal nachdenken. Damit war der Eindruck bestätigt, dass die Berichterstattung über den Vorgang der Gründung einer Bad Bank die Aufmerksamkeit in falsche Richtung gelenkt hat. Auch solche Gesprächspartner, die sich in ökonomischen Dingen auskennen, waren ob dieser Fragen verblüfft. Auch bei ihnen war die Aufmerksamkeit auf die faulen Forderungen gerichtet worden.
    In der Pressemitteilung des Soffin vom 3. Oktober werden wir davon unterrichtet, dass die HRE zur Liquiditätsbeschaffung Wertpapiere im aktuellen Volumen von rund 124 Milliarden emittiert hat; diese sind vom Soffin, also von uns Steuerzahlern garantiert. Sie werden auf das neue Institut übertragen und erscheinen dort auf der Passivseite.
    Ich vermute, dass es nicht nur um die 124 Milliarden geht, sondern noch mehr Verbindlichkeiten da sind.

  3. Über die Art der Verbindlichkeiten und über jene, die Forderungen gegenüber dem neuen Institut halten, erfahren wir wenig beziehungsweise nichts. Die Medien unterlassen es auch hier, kritisch nachzufragen.

    Dabei wäre es ja nicht uninteressant, zu erfahren, wer die vom Soffin garantierten und von der HRE emittierten Wertpapiere gekauft hat, wer also an der staatsgarantierten Rettung der HRE verdient. Vor allem wäre es interessant zu erfahren, zu welchen Bedingungen die Finanzierung der HRE stattgefunden hat, die jetzt auf die FMS übergeht. Sind darunter gut verzinste Verbindlichkeiten gegenüber Banken, die diese wiederum billiger bei den Zentralbanken refinanziert haben? Journalisten fragen offensichtlich nicht nach. Sie fragen auch nicht: Warum finanziert sich ein in Besitz des Staates befindliches Bankinstitut nicht direkt, sondern über den Umweg des Bankensystems und der dabei anfallenden Kosten und Margen?
    Dass wir darüber nahezu nichts erfahren, ist wieder ein typischer Fall für Manipulation durch Verschweigen.

  4. Das nach wie vor bestehende und jetzt auf das neue Institut übertragene Risiko wird nicht offen gelegt. Vor allem wird auch nicht gesagt, dass wir Steuerzahler letztendlich auch dafür gerade stehen müssen.

    Der Soffin erweckt den Eindruck, dass das neue Institut nicht mit großen Verlusten bei der Realisierung der Forderungen rechnen muss. Wörtlich heißt es: „Die aus dem Gesamtvolumen aus heutiger Sicht zu erwartenden Verluste werden durch Eigenkapital in Höhe von bis zu 3,87 Milliarden € abgedeckt.“ Die wichtigsten Begriffe in diesem Satz sind: „aus heutiger Sicht“.

  5. Die ungeheuerliche Dimension des gesamten Vorgangs wird nicht von SpiegelOnline und auch nicht von anderen Medien in der gebührenden Weise hervorgehoben.
    142 Milliarden Verbindlichkeiten – das ist gut die Hälfte des Bundeshaushaltes. Siehe dazu insgesamt den Beitrag in den NachDenkSeiten vom 13. September 2010 Die normalen Medien können sich über diese Dimensionen schon nicht mehr aufregen, nicht einmal wundern und ihre Beurteilung der handelnden Politikerinnen und Politiker läuft nach dem Muster: Ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt sich’s völlig ungeniert. Wer Milliarden verspielt, kann ohne weiteren Ansehensverlust auch Hunderte von Milliarden aufs Spiel setzen.
  6. In den Verlautbarungen des Soffin wie auch bei SpiegelOnline wird dem neuen Geschäftsmodell der HRE treuherzig geglaubt beziehungsweise es wird der Eindruck erweckt, als sei mit der Abspaltung die HRE auf sicheren Füßen.
    Begründet wird diese Behauptung nicht. Es heißt einfach, wie schon zitiert: „Die Abspaltung ist ein bedeutender Meilenstein der Restrukturierung der HRE. Die für das operative Geschäft zuständige Deutsche Pfandbriefbank kann sich nun auf ihr Kerngeschäft der Immobilien- und Staatsfinanzierung in Deutschland und anderen europäischen Ländern konzentrieren.“ Auch dazu keine hörbaren Rückfragen von Seiten unserer Medien.
  7. Es wird behauptet, die Rettung der HRE sei notwendig und billiger als die Insolvenz.

    Die Pressemitteilung des Soffin vom 3. Oktober endet mit einer Äußerung des Sprechers des Leitungsausschuss der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung Dr. Hannes Rehm. Wörtlich: „Wir haben mit der erfolgreichen Übertragung der Vermögenswerte eine in ihrer Art und Komplexität einmalige Transaktionen erfolgreich hinter uns gebracht. (Wieder gleich zweimal „erfolgreich“, der Verf. AM) Mit diesem Schritt bekommt die Restrukturierung der HRE eine klare Kontur. Es war ein steiniger Weg, aber festzuhalten bleibt, dass ein Zusammenbruch der HRE im Jahr 2008 unermesslich größeren Schaden angerichtet hätte. Auch eine Abwicklung des gesamten Instituts wäre für den Steuerzahler um ein Vielfaches teurer geworden.“
    Das ist die übliche Reinwaschung der damaligen Bundesregierung und insbesondere der damals handelnden Personen, Angela Merkel und Peer Steinbrück. Ich denke: wenn der Sprecher des Leitungsausschusses des Soffin so dezidiert feststellt, der Zusammenbruch und auch eine Abwicklung wären den Steuerzahler um ein Vielfaches teurer gekommen, dann muss er im Besitz von Unterlagen sein, die eine solche dezidierte Aussage belegen. Ich habe deshalb beim Soffin nachgefragt. Eine Unterlage zum Beleg hatte die Presseabteilung nicht zur Hand. Es ist mir aber versprochen worden, dass ich demnächst informiert werden würde. –
    Sobald ich im Besitz eines solchen Beleges bin, wird dieses Dokument den Nutzern der NachDenkSeiten zugänglich gemacht. Es sei denn, es ist wieder geheim wie vieles im Bereich der nicht enden wollenden Skandale um die Finanzwirtschaft.

    Anlagen:

    1. SpiegelOnline vom 03. Oktober 2010, 18:08 Uhr
      Start der “Bad Bank”
      HRE lagert Gift-Papiere aus

      Die Krisenbank Hypo Real Estate ist die größte Last los: In der größten Finanztransaktion der deutschen Geschichte wurden faule Papiere im Wert von 173 Milliarden Euro in eine “Bad Bank” ausgelagert. Der Bankenrettungsfonds Soffin spricht von einem Meilenstein.
      München/Berlin – Die milliardenschwere Auslagerung giftiger Risikopapiere der Krisenbank Hypo Real Estate ist abgeschlossen – damit ist die “Bad Bank” der HRE erfolgreich gestartet. Wie die Bank und der Bankenrettungsfonds Soffin am Sonntag mitteilten, wurden Kredite, Wertpapiere und Geschäftsbereiche mit einem Wert von nominal 173 Milliarden Euro erfolgreich in die eigens gegründete FMS Wertmanagement übertragen. Die Aktion hatte in der Nacht zu Freitag begonnen.
      Die Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement soll der HRE einen Neustart ermöglichen: “Die Abspaltung ist ein bedeutender Meilenstein der Restrukturierung der HRE”, erklärte der Soffin. Die aus der HRE hervorgegangene Deutsche Pfandbriefbank könne sich nun “auf ihr Kerngeschäft der Immobilien- und Staatsfinanzierung in Deutschland und anderen europäischen Ländern konzentrieren”. Die HRE werde nach der Abspaltung “planmäßig keine neuen Garantien benötigen, sondern ihr künftiges Neugeschäft selbstständig finanzieren können”.
      Die Finanztransaktion der vergangenen Tage gilt als die wohl größte in der deutschen Geschichte. Auch die HRE selbst sprach am Sonntag von der “bislang größten Transaktion dieser Art in Deutschland”. Die FMS Wertmanagement soll gemäß einem Abwicklungsplan mit einer Laufzeit von zehn Jahren riskante Kredite und faule Wertpapiere der HRE “möglichst wertschonend abwickeln”.
      “Einmalige Transaktion”
      Eine Bad Bank (“schlechte Bank”) übernimmt von Krisen-Instituten risikobehaftete Vermögenswerte und Wertpapiere, die stark an Wert verloren haben. Die erste “Bad Bank” Deutschlands hatte im Frühjahr die WestLB gegründet; deren Volumen lag mit rund 85 Milliarden Euro deutlich unter dem der Bad Bank der HRE. Diese ist für Papiere im Volumen bis zu 210 Milliarden Euro ausgelegt.

      Quelle: spiegel.de
    2. Pressemitteilung Soffin vom 3. Oktober 2010
      HRE – Abspaltung auf die FMS Wertmanagement erfolgreich verlaufen

      Die umfangreiche Abspaltung von nicht strategienotwendigen Geschäftsbereichen und Risikopositionen der Hypo Real Estate-Gruppe (HRE) auf die Abwicklungsanstalt der HRE, die FMS Wertmanagement, ist erfolgreich verlaufen. Insgesamt wurden Vermögenswerte im Nominalwert von rund 173 Mrd. Euro übertragen (die endgültige Bewertung zum Stichtag 30. September 2010 wird zu Abweichungen führen). Zusätzlich wurden Derivate übertragen, die ganz überwiegend der Absicherung der Vermögenswerte gegen Zinsrisiken dienen. Die Abspaltung ist ein bedeutender Meilenstein der Restrukturierung der HRE. Die für das operative Geschäft zuständige Deutsche Pfandbriefbank kann sich nun auf ihr Kerngeschäft der Immobilien- und Staatsfinanzierung in Deutschland und anderen europäischen Ländern konzentrieren.

      Quelle: soffin.de
    3. Pressemitteilung Soffin vom 22. September 2010
      Befüllung der FMS Wertmanagement zum 30. September 2010 beschlossen

      Der Lenkungsausschuss des Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) hat in seiner Sitzung am 22. September 2010 die Abspaltung umfangreicher Risikopositionen und nicht strategienotwendiger Geschäftsbereiche von der Hypo Real Estate Gruppe (HRE) auf die FMS Wertmanagement zum Stichtag 30. September 2010 beschlossen. Das zu übertragende Portfolio von Krediten, Wertpapieren und Derivaten wird einen Gesamtbuchwert von voraussichtlich 191,1 Mrd. Euro haben.

      Quelle: soffin.de
    4. Pressemitteilung 10. September 2010
      Garantierahmen der HRE temporär um bis zu 40 Mrd. Euro aufgestockt

      Vor dem Hintergrund der geplanten Abspaltung umfangreicher Risikopositionen und nicht strategischer Geschäftsbereiche von der Hypo Real Estate Gruppe (HRE) auf die FMS Wertmanagement, die nach der erforderlichen beihilferechtlichen Genehmigung der EU-Kommission und Entscheidung des Lenkungsausschusses im 2. Halbjahr 2010 erfolgen soll, wird der Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin das der HRE gewährte Garantievolumen bis zum Jahresende 2010 um bis zu 40 Mrd. Euro erhöhen. Das Gesamtgarantievolumen gegenüber der HRE beläuft sich damit temporär auf bis zu 142 Mrd. Euro.

      Quelle: soffin.de


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