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Titel: Leserbriefe zu „Mit autoritärer Solidarität in den solidarischen Autoritarismus“

Datum: 4. März 2021 um 9:03 Uhr
Rubrik: Leserbriefe
Verantwortlich:

In diesem Beitrag vertritt unser Leser, der Pädagogik-Student Bastian Friedrich, die Ansicht, dass „No Covid“ und „Zero Covid“ autoritäre Maßnahmen verlange. Dem Ruf „zu einem solidarischen Marsch in den Autoritarismus“ stellt er die Idee einer „inklusiven Solidarität“ gegenüber, die Menschen mit Ängsten berücksichtigt und zu verstehen versucht. Danke für die interessanten Leserbriefe, in denen unterschiedliche Meinungen zum Ausdruck kommen. Es folgt eine Auswahl. Zusammengestellt von Christian Reimann.


1. Leserbrief

Hallo, Herr Friedrich,
 
welch kluger und treffender Essay !
 
Ein gutes Beispiel, in wieweit Ihr Szenario schon Realität ist, sehen wir in Australien. Dieses Land, welches sich schon immer als Erfüllungsgehilfe der “westlichen Demokratien” hervorgetan hat, zeigt uns, wie man selbst bei 11 positiven Testergebnissen und EINEM Kranken im KKH, in Victoria, bei 6,7 Millionen Einwohnern, einen Lockdown verfügen kann.
 
In der Beschreibung zur dunklen “0-Covid”-Zukunft sollte noch erwähnt werden, daß die Szenarien zu den Inzidenzien 0-10-50 etc., auf einem PCR-Test-Verfahren beruhen, welches weder Infektionen noch Krankheiten zuverlässig darstellen kann.
 
Ich glaube kaum, daß selbst schlichte “Denker” wie Söder, dieses nicht wissen.
 
Hieraus folgt doch, daß das ganze Theater um Covid-Strategien nur dazu dient, ein totalitäres, faschistoides System zu etablieren.
 
Es mag erstaunen, daß es in Deutschland so wenig Widerstand gibt und mehr als 60% der Bevölkerung stramm hinter den Maßnahmen steht.
Obwohl ich den Umfragewerten und den Medien nie traue, so falsch mag es nicht sein, sehe ich doch Bestätigungen dieser Größenordnung im eigenen Freundes-/Verwandten-/Bekanntenkreis mit sehr unterschiedlichem Bildungsniveau.
 
Warum ist das so? Sie erwähnen die fehlende Rückbesinnung auf unsere Geschichte. Ich denke, daß nach Kriegsende der erste und leider auch letzte Versuch, aus Deutschland ein demokratisches rechtsstaatliches Land zu bauen, durch Willy Brandt angestossen wurde: “mehr Demokratie wagen”.
 
Dieses wurde ihm dann auch prompt zum Verhängnis.
 
Was folgte, war eine Aufrüstung derjenigen, die weiterhin daran arbeiteten gerade den Staat, den unsere Verfassung vorgibt, zu unterlaufen.
 
Kohl und die Länder, mit einer Medien- und vor allem Bildungspolitik, welche die Verblödung der Massen vehement vorantrieb,
Schröder und Fischer, welche sich den Sozialabbau und eine “offene Verteidigung Deutschlands ausserhalb seiner Grenzen” auf die Fahnen schrieben und nicht zuletzt Merkel, die sich ihren Traum eines zu zerstörenden Deutschlands wohl zur Aufgabe macht, nachdem ihr Heimatland und ihre Führer sich der bekämpften BRD geschlagen geben mußten.
 
Ich denke, daß der Schock der vergangenen Diktaturen, bei vielen Deutschen nicht bewirkt hat, sich auf die Demokratie einzulassen, sondern den geliebten Führern nachzutrauern….welche nun glücklich sind, endlich wieder geführt zu werden.
 
Mit besten Grüßen, H.Gattineau


2. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Friedrich,

und in diesem Fall, meine ich das “geehrt” sogar wirklich, herzlichen Dank und Respekt für das ausführliche Essay! Es trifft in meinen Augen vieles genau auf den Punkt.

Am liebsten würde ich es zur Pflichtlektüre für alle machen, die meinen, mit derlei weltfremden und (zu) kurz gedachten Ideen wie “ZeroCovid” oder eben “NoCovid” wäre doch alles kein Problem. Dass Menschen sich eben nicht wie Tiere (warum ist der Chef vom RKI eigentlich Tierarzt?) mal eben für ein paar Wochen oder gar Monate einsperren lassen, scheitert ja alleine schon an der Versorgungsfrage und braucht darum eigentlich gar nicht weiter diskutiert zu werden. Es würde eine gehörige Menge an Ausnahmen erfordern, die wiederum dem Ziel entgegen stünden. Oder stellt uns die Regierung dann per Drohne Lebensmittel vor die Haustür? Und wer hat diese angebaut, geerntet, verpackt, verschickt? Werden die Kranken und Senioren von Robotern versorgt? Warum können intelligente Menschen das nicht reflektieren? Und deshalb bin ich über den einen oder anderen Unterzeichner solcher Aufrufe echt überrascht…

Es ist unserer Gesellschaft offenbar tatsächlich die Eigenschaft verloren gegangen, im Großen und Ganzen zu denken. Immer wieder wird vergessen, dass wir nur ein kleiner (eher unbedeutender) Teil der Natur sind und jede Stellschraube, die wir so “clever” in eine für uns günstige Richtung drehen, einen Effekt auch an einer völlig anderen Stelle hat. Ich fürchte, das wird uns auch bei der im Vergleich zu Corona wesentlich dringenderen Klimaproblematik gehörig auf die Füße fallen.

In diesem Sinne, es hat mir Freude gemacht, Ihren Beitrag zu lesen!

Schönen Gruß,
Daniel Gruhn


3. Leserbrief

Liebe NDS,

Abschnitt 3 und 4 dieses Essays erinnert mich doch sehr an den von Ihnen zur Diskussion gestellten und auch von mir kommentierten Vortrag von Daniele Ganser “Daniele Gansers Vortrag zu Corona und China”.

Die aufgezählten 3 Ängste und auch die Methode des Umganges damit (jeder hat teilweise recht) sind 1:1 auch dort zu finden, ebenso die Schlussfolgerung, dass mehr Kommunikation wichtig ist.

Ist das ein Plagiat? Müsste nicht auf D. Gansers Vortrag verwiesen werden?

Mit freundlichen Grüßen
von unserem Leser H.K.


4. Leserbrief

Danke an Bastian Friedrich für diesen großartigen Text, der einen wichtigen Nerv trifft im Umgang mit dieser ‘Corona-Krise’.

Habe ihn inzwischen an diverse Personen,   Institutionen, Initiativen,  Medien und Parteien versendet.

Menschen, wie der  Pädagogik-Student  nähren die Hoffnung, dass zunehmend auch junge Menschen beginnen, manipulative Mechanismen und Angst-Propaganda zu durchschauen, mit der die Jugend ‘solidarisch ruhig gestellt’ werden soll.
 
Beste Grüße
Ute Plass


5. Leserbrief

“Die brutalen Auswüchse kommunistischer und sozialistischer Ideen waren endgültig gescheitert.”
Aha!

Liebe NDS-Redaktion,

Was ist das eigentlich, der Sozialismus? Als die ersten sozialistischen Gedanken gedacht und aufgeschrieben wurden, waren das Gedanken der Humanität. Der Sozialismus war die sorgende Hinwendung zum anderen, zum Schwachen, zu dem, der der Hilfe bedurfte. Sozialismus war nicht anderes als die Bemühung um Fairneß, um Partizipation, um Recht in einer Zeit, in der alle Rechte den Kapitalisten gehörten. Die Sozialisten sahen die Unmenschlichkeit in der Ausbeutung, die Degradierung des Menschen zu einem industriellen Wegwerfartikel – nicht die Kapitalisten. Dass die sozialistisch-kommunistischen Ideen gescheitert sind, begründet noch lange nicht die Legitimation der Profitgier.

Die angeblich so dystopischen roten und grünen Zonen sind in anderen Teilen der Welt längst Wirklichkeit. Angeblich lebt man zur Zeit in Australien und in Neuseeland sehr entspannt (reines Hörensagen, ich war noch nicht dort). Melbourne ist es gelungen innerhalb von 14 Tagen die Inzidenz (auch ohne Impfstoff) auf null zu drücken (was manche hierzulande für unmöglich und offensichtlich auch nicht für wünschenswert halten, da es den Menschen zu anstrengend ist und man es ihnen deshalb auch nicht zumuten darf oder soll).

Ganz offensichtlich waren die Nachdenkseiten in der Vor-Corona-Zeit eigentlich vollkommen überflüssig, denn wir lebten bis dato harmonisch in der stabilen und für alle zufriedenstellenden Normalität eines Gelobten Landes – sozusagen im Paradies. :-)

Natürlich sollen die NDS Debatten anstoßen, aber bitte ohne falsche Vereinfachungen.

Viele Grüße
Michael Wrazidlo


6. Leserbrief

Hallo zusammen,
 
ich bitte um Verständnis, wenn ich hiermit meinen vollen Namen nicht preisgeben will. So weit sind wir schon..
 
Corona wütet nicht nur als respiratorischer Virus, in manchen Köpfen richtet er-selbst bei negativer Testung-noch größere Schäden an. Anders ist das geistige Delirium  wie die “Zero Covid”, bzw. “No Covid”-Bewegung nicht zu erklären.
 
Gleichzeitig betreibt man auf “Experten”-Ebene fröhliches Kaffeesatzlesen: gmx.net/magazine/politik/corona-ausbreitung-weihnachten-vorhergesagt-35581314
 
Wir schreiben heute den 28. Februar, der Herr Experte will aber heute schon wissen, wie die Covid-Verbreitung im April aussieht. Die Quelle seiner Weisheit: der Covid-Simulator der Uni Saarbrücken. Aha. Früher las der Schamane in den Eingeweiden von Vögeln und sagte den Erfolg oder Mißerfolg dieser und jener Aktion voraus-wahrscheinlich immer deckungsgleich mit dem, was die Stammeshäuptlinge gerade hören wollten…
Ein Virologe/Mediziner/Soziologe usw., der den offiziellen Corona-Kurs der Regierung kritisiert, wird als rechtslastiger Verschwörungstheoretiker und Spinner dargestellt, ohne daß sich jemand die Mühe machen würde, seine Theorie zu prüfen. Dilettanten wie dieser Saarbrückener “Experte” und die No Covid-Psychopathen haben hingegen Freilauf.
 
Es ist übrigens kein Zufall, dass geistiger Dünnpfiff wie der auf GMX gerade jetzt Verbreitung findet. Am kommenden Mittwoch steht die nächste Kanzlerrunde zum Lockdown an, da blasen die (unsichtbaren) Strippenzieher natürlich zum Alarm! Ihr Ziel: Verlängerung des Lockdown zumindest bis Mai. Da gäbe es genug Profiteure…
 
Davon abgesehen, macht mir noch etwas größere Sorgen: wir stehen mit der (Pseudo)Wissenschaft wieder an dem Punkt, wo diese vor der Gründung des Dritten Reiches stand. Auch damals schwebten Spintisierereien wie die “reine arische Rasse” (im Umkehrschluß: die lebensunwürdigen “Untermenschen”) im Raum, mit bekannten Folgen. Heute wird ein ähnliches Zerrbild vom “perfekt gesunden”, antiseptisch lebenden Menschen vehikuliert, den es so nirgendwo gibt. Wiederholt sich die Geschichte?
 
Bleibt also wachsam wie bisher,
A.G.


7. Leserbrief

In seinem recht umfangreichen Artikel behandelt Bastian Friedrich zahlreiche wichtige Aspekte in einer anschaulichen Weise. Dennoch vermisse ich eine Bezugnahme auf eine der zentralen Fragen, die im Kontext der „Covid Zero“-Debatte immer wieder auftaucht: Wenn sich in einigen ostasiatischen Ländern ein vollständiger Lockdown als erfolgreicher Weg zur Ausrottung des Virus erwiesen hat, warum wird er dann nicht bei uns praktiziert? Meines Erachtens ist diese Lücke kein Versehen, sondern das Resultat eines eurozentrischen Blickwinkels.

Friedrich benennt im Text drei Ängste, die innerhalb der Bevölkerung bestehen: eine gravierende Covid-19-Erkrankung, Armut und Existenzverlust sowie die Anwendung diktatorische Maßnahmen. Welche davon er in den Fokus rückt, deutet sich bereits an, als er den letztgenannten Punkt zu einem „dauerhaften Verlust von Freiheitsrechten“ erweitert, was erst einmal spekulativ ist.

Für jemanden, der keine materiellen Nöte kennt und sich mediengerecht ausdrücken kann, haben individuelle Freiheiten verständlicherweise einen hohen Stellenwert. Für das Gros der Weltbevölkerung sind hingegen Grundversorgung (Nahrung, Kleidung, Wohnraum, Schutz vor Umweltbedrohungen) wie auch Zugang zu Bildung, Kultur und Gesundheitsdiensten weitaus bedeutsamer. Es sind vor allem die Menschen der globalen Peripherie, aber auch die Opfer neoliberaler Politik in den industriellen Zentren, die jener Leistungen entbehren. Sie sind weder imstande noch haben sie die Möglichkeit, ihre Interessen massenwirksam zu artikulieren, sodass ihre Anliegen nur selten öffentlich thematisiert werden.

Die Präferenzen wohlsituierter Intellektueller sind hingegen in den westlichen Medien allerorts zu vernehmen. Ihre Sicht manifestiert sich aktuell in der verbreiteten Ablehnung des chinesischen Gesellschaftsmodells. Während die immensen Erfolge des Landes bei der Verwirklichung der sozioökonomischen Menschenrechte kleingeredet werden, wird die Einschränkung individueller Rechte und Freiheiten in den Fokus gerückt. Dabei werden weder historisch-kulturelle Hintergründe noch der in Vergleichsstudien ermittelte hohe Zufriedenheitsgrad der Bürger berücksichtigt. Die eurozentrische Selbstgefälligkeit, die sich dahinter verbirgt, durchzieht auch den Artikel. Obwohl die Vertreter des „Covid Zero“ wesentlich durch ostasiatische Erfahrungen inspiriert wurden, sieht der Autor keine Notwendigkeit, sich damit näher zu befassen. Seine implizite Ablehnung der dortigen Krisenbewältigung artikuliert er dadurch, dass er gängige Stereotype über diktatorische Zwangsmaßnahmen beschwört und schlussfolgert, dass er sich solche auf keinen Fall für EU-Europa wünscht.

Stattdessen verteidigt er eine Maximierung persönlicher Freiheiten im Rahmen der grundgesetzlichen Vorgaben. Dass sich dieses Postulat bei der Umsetzung von Anti-Corona-Maßnahmen als hinderlich erweisen könnte, thematisiert er zwar am Rande, ohne aber daraus ernsthaft Konsequenzen zu ziehen. Dabei ist es wahrlich keine Neuigkeit, dass zwischen individuellen, überwiegend dem Eigennutz dienenden Freiheitsrechten und gesellschaftlichem Gesamtinteresse ein Spannungsverhältnis besteht. Ein wesentlicher Unterschied zwischen westlichem und konfuzianisch geprägtem Werteverständnis besteht gerade darin, dass beide zwischen diesen Extremen verschiedene Positionen belegen. Um dieses Konfliktfeld geht es auch im Kern bei den Forderungen der „Zero Covid“-Vertreter. Die Überzeugung, dass gewisse persönliche Freiheiten zugunsten des Allgemeininteresses einzuschränken sind, lässt sich jedoch nicht per Dekret erreichen. Damit sich Bürger für eine solche Option entscheiden, bedarf es vielmehr eines vorangegangenen Sozialisationsprozesses, in dem entsprechende Sichtweisen über einen längeren Zeitraum verinnerlicht wurden.

Das Postulat der gesellschaftlichen Verantwortung bindet in den ostasiatischen Kulturen nicht nur einfache Bürger, sondern auch politische Entscheidungsträger. Während westliche Staatslenker bestrebt sind, auf externe Sachzwänge adäquat zu reagieren und dem innergesellschaftlichen Kräfteverhältnis Rechnung zu tragen, fühlen sich ostasiatische Herrscher dem Gemeininteresse verpflichtet. Können sie es den Bürgern glaubwürdig vermitteln, dann sind diese in hohem Maße bereit, den Anweisungen von oben zu folgen. In westlichen Staaten werden dagegen politische Entscheidungen häufig beargwöhnt, weil fremde Interessen im Hintergrund vermutet werden. Wenn der Autor behauptet, dass den Regierenden prinzipiell nicht zu trauen ist, dann bewegt er sich augenscheinlich in der westlichen Erfahrungswelt.

Was als Vorteil des chinesischen Systems erscheint, erweist sich gleichsam als großer Gefahrenherd. Ohne eine kritische Öffentlichkeit, die im Westen durch die Konkurrenz gesellschaftlicher Gruppierungen um Einflussnahme zwangsläufig entsteht, kann es eher zu gravierenden Fehlentwicklungen kommen. Solche gab es in China immer wieder, erwähnt seien die von wirtschaftlichen Rückschlägen begleitete Kulturrevolution der 70er Jahre und der später folgende Turbokapitalismus mit seinen ökologischen und sozialen Negativfolgen. Dennoch ist es jedes Mal gelungen, das politische Steuer herumzureißen.

Wenn sich das chinesische Gesellschaftsmodell aktuell als erfolgreicher sowohl bei der Mehrung des Volkswohlstands als auch im Anti-Corona-Kampf erweist, dann ist dies dem Primat der Politik zu verdanken, wodurch neoliberale Einflüsse abgewehrt werden können. Im Westen sind sie dagegen allerorts präsent, wobei sie Egozentrismus verstärken, gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein zurückdrängen und die Konkurrenz zwischen und innerhalb der Staaten zuspitzen. Auf der einen Seite wird Individualismus gefördert, auf der anderen werden die Handlungsoptionen der politischen Entscheidungsträger limitiert und deren Glaubwürdigkeit beeinträchtigt.

Die vom Autor thematisierte Frage, ob ein harter Lockdown gemäß den Vorstellungen der „Zero Covid“-Bewegung wünschenswert ist oder nicht, ist offenbar wenig praxisrelevant, da er sich in unserem gesellschaftlichen Umfeld eh kaum realisieren lässt. Zwar ist es in mehreren Ländern Ostasiens gelungen, das Corona-Virus weitgehend auszumerzen. Eine Strategie mit dem Ziel vergleichbarer Resultate scheitert jedoch im Westen notgedrungen an dem individualistisch geprägten Werteverständnis und der begrenzten Autorität und Handlungsfähigkeit der Regierenden. Genau hier wäre der Ansatzpunkt für eine kritische Betrachtung gegeben.

Das bereits bestehende schwache Vertrauen in die politischen Instanzen wurde durch die widersprüchlichen Maßnahmen und Orientierungen während der Pandemiebekämpfung nochmals verstärkt. Die Verantwortlichen wurden Getriebene ihrer eigenen Agenda und sehen in der Erweiterung ihrer Kompetenzen den geeigneten Weg, um die Lage in den Griff zu bekommen. Auf der anderen Seite gibt es neben begründetem Protestverhalten vielerlei Formen individueller Rücksichtslosigkeit, die nicht zu sozialer Verachtung führt, sondern als Kavaliersdelikt durchgeht.

Hierin unterscheiden sich die skandinavischen Gesellschaften, wo das vom Autor gelobte Freiwilligkeitsprinzip deutlich häufiger in sozialverträglichem Verhalten mündet. Ebenso ist das Vertrauen in staatliche Institutionen ungetrübter, was ich Bürger Finnlands bestätigen kann. Es bestehen Parallelen zu den im Anti-Corona-Kampf erfolgreichen asiatischen Ländern, wenn auch mit Einschränkungen wie dem geringen Einsatz der Tracking-App. Gleichsam ist ein wachsender neoliberaler Einfluss in Gestalt von Privatisierungen und Stellenabbau im Sozial- und Gesundheitswesen zu konstatieren, was wesentlich zu den hohen Todeszahlen in schwedischen Pflegeheimen beigetragen hat.

Ohne das vom Autor beschworene „Wehret den Anfängen“ angesichts des drohenden Demokratieabbaus kleinreden zu wollen, sehe ich das größere Problem im sozialen Zerfall der Gesellschaft. Der Versuch einer Lokalisierung der Hauptbedrohung würde demnach nicht ins östliche China weisen, sondern eher in westliche Richtung über den Atlantischen Ozean.

Von unserem Leser B.M.


8. Leserbrief

Hallo Nachdenkseiten, ich lach mich schlapp: Leser Bastian Friedrich hat sich Gedanken gemacht! – Hui!

Ratschlag von mir: Lest euch bitte, bitte die Artikel durch, bevor ihr sie veröffentlicht.
Der Autor, ist offensichtlich, nicht in der Lage, den eklatanten Unterschied zwischen ZeroCovid und No-Covid auszumachen. Hilfreich wäre es für ihn wohl gewesen, wenn er erst einmal die Strategiepapiere der beiden Initiativen gelesen und sich die Unterschiede vergegenwärtigt hätte. Wenn ihm das in selbstdenkender Tätigkeit nicht möglich gewesen ist, dann doch wenigstens im Netz zu recherchieren, geht ganz einfach:

Er wirft die beiden Initiativen, wenn nicht aus Unwissenheit, dann doch in gänzlich fahrlässiger Weise zusammen.

Vielleicht zur kurzen Erläuterung für die, die es immer noch nicht begriffen haben: Bei ZeroCovid will man durch vorübergehende Schließung aller nichtsystemrelevanten Wirtschaftsbereiche, die Infektionen runterbringen, um die Verantwortung dafür nicht nur den Kulturschaffenden, Gastronomen, Hoteliers und uns allen in unserem Privatbereich zu übertragen. Völlig konträr dazu lehnt No-Covid die Beteiligung der Industrie und des produzierenden Gewerbes an der Kontaktreduzierung durch vorübergehende Schließung kategorisch ab. Das sind komplett andere Ansätze.

Man kann das eine oder andere, richtig oder falsch finden, utopisch oder sinnvoll, wie auch immer, es steht jedem frei sich seine Meinung dazu zu bilden, wichtig ist doch aber: Man sollte kognitiv in der Lage sein, die Differenzen auszumachen, bevor man zu einem gefühlt achthundertseitigen Geschwurbel anhebt.

Das geht dann sogar so weit, dass er sich selbst, wie es scheint, in seinem eigenem Text nicht mehr zurechtfindet:

„Die gesamte Idee eines in grüne und rote Zonen eingeteilten Deutschlands – am besten Europas – wurde tatsächlich von 14 deutschen Wissenschaftlern der No-Covid- Initiative vorgeschlagen. Dazu gehören die medial präsente Virologin Melanie Brinkmann, der Soziologe Heinz Bude und der Ökonom Clemens Fuest …“

„… Vielmehr sollten wir uns bei Wissenschaftlern, wie jenen 14 Wissenschaftlern der ZERO-Covid-Idee, fragen, ob derartige Konzepte …“

ZeroCovid wurde nicht von Melanie Brinkmann, Clemens Fuest und besagten 14 Wissenschaftlern ins leben gerufen und bei ZeroCovid gibt es kein, in grüne und rote Zonen eingeteiltes Deutschland!

Wenn ich nicht so lachen müsste, würde ich mich fremdschämen.
Das zum Thema “nicht wirklich bewußter Implikation”.

Mit freundlichen Grüßen,
David Gerlach


9. Leserbrief

Liebe Redaktion der Nachdenkseiten,

Ich habe durch den aktuellen Artikel von Bastian Friedrich Ihre Seite entdeckt und wollte mich erstmal bedanken. Jedesmal, wenn nun wieder jemand etwas von ZeroCovid oder ähnliches konfabuliert, habe ich jetzt einen Link mit der dazugehörigen Dystopie. Mir ist immer noch ganz schlecht vom Lesen.

Ich arbeite als Psychologe in der Jugendhilfe und sehe jeden Tag die Kollateralschäden des Lockdowns live vor mir. Onlineunterricht als Hintergrundrauschen, Aufgaben die nicht mehr erledigt werden, Resignation. Jeder Artikel in den Leitmedien über irgendeine Schule die super Erfahrungen mit dem Distanzunterricht gemacht hat ist für uns als Einrichtung, aber auch als Privatmenschen der blanke Hohn. Ich bin froh, dass ich mit meiner Skepsis über die Regierung und ihrer Ideenlosigkeit nicht allein stehe und dass es Menschen gibt, die ihre Gedanken prägnant formulieren und ins Netz stellen… Vielen Dank dafür.

Meine herzlichsten Grüße vor allem an Bastian Friedrich. Hat für mich den Nagel meiner Sorgen auf den Kopf getroffen.

Grüße aus Oberfranken
Rüdiger Kipferl


10. Leserbrief

Lieber Herr Müller, liebe Redaktionsmitglieder der Nachdenkseiten,

da ich Unterstützer einer Null- bzw. No-Covid-Strategie bin und auch zu den über 100.000 Unterzeichnern der ZeroCovid-Initiative gehöre, möchte ich zu dem oben genannten Essay einige Bemerkungen machen.

Sie sagen einleitend, dass der Essay “im ersten Abschnitt eine düstere Dystopie entwirft, wie ein Zero-Covid-Europa denn aussehen könnte”. Dagegen habe ich bei der Lektüre dieses Beitrags eher den Eindruck gewonnen, dass es sich um eine groteske Verzerrung der Vorstellungen der Wissenschaftler handelt, die sich dafür einsetzen, niedrigere Inzidenzzahlen an Neuinfizierten auch in Deutschland zu erreichen, aufrechtzuerhalten und die deshalb und wegen der drohenden Ausbreitung der neuen Varianten des Virus empfehlen, die derzeigen Kontaktbeschränkungen nicht vorzeitig zu lockern, wie es von Teilen der Wirtschaft immer drängender verlangt wird.

Das möchte ich kurz erläutern. Im zweiten Abschnitt des Beitrags heißt es vorwurfsvoll: “Auch der niedrige Wert von gerade einmal 10 Infizierten pro 100.000 Einwohnern pro 7 Tage ist in diesem Konzept wirklich so vorgeschlagen. Umgerechnet ist das also nur ein Infizierter pro Tag.” Wenn man das liest, bekommt man den Eindruck, dass der Autor über diesen Vorschlag entrüstet ist, aber nicht zur Kenntnis nimmt, was die Zahlen wirklich bedeuten. Deshalb sei klargestellt: Bei dem Ziel von 10 Neuinfizierten pro 100.000 Einwohner pro 7 Tage handelt es sich um 800 bis 900 Neuinfizierte in Deutschland pro Tag, also um etwa 1/10 der derzeitigen registrierten Anzahl. Dieses Ziel sollte möglichst unterschritten werden. Haben die Kritiker wirklich vergessen, dass wir dieses Ziel 2020 in der Zeit von Ende April bis Anfang August viele Wochen erreicht hatten?

Außerdem darf nicht vergessen werden, dass die Zahl der Neuinfizierten in einem bestimmten Verhältnis zur Zahl der Todesfälle steht. Je mehr Neuinfizierte, desto mehr Todesfälle im Zusammenhang mit Corona folgen daraus, die verhindert werden könnten. Im Augenblick sind das zwischen 500 und 1000 pro Tag. Auch wenn man berücksichtigt, dass etwa 2500 Menschen in Deutschland täglich sterben, sind das 500 bis 1000 zusätzliche Tote.

Weiterhin fehlt in dem Beitrag jeder Hinweis darauf, das es eine Reihe von Ländern gibt, die das Ziel einer sehr niedrigen Neuinfektionsrate schon längst erreicht haben. Dazu zählen China und Vietnam, aber auch Südkorea, Australien, Neuseeland, Taiwan, Singapur, Island und auch Finnland. Unnötig ist zu betonen ist, dass in diesen Ländern nur sehr wenige Menschen im Zusammenhang mit dem Coronvirus sterben.

Abschließend sei gesagt, dass für mich, und so sehen das sicher auch die von dem Autor namentlich angeprangerten Wissenschaftler dieser verdienstvollen Initiative, die geforderte Null weniger ein konkretes Ziel, sondern vielmehr ein Anspruch ist, den eine Gesellschaft haben sollte- so wie es auch einen Konsens in der Frage gibt, dass es keine Verkehrstoten mehr geben sollte.

Für diejenigen, die sich über Null-Covid bzw. Zero-Covid weiter informieren wollen, verweise ich auf meinen entsprechenden Beitrag in Telepolis vom 1.2.2021. Hier der Link: Ist eine “Null-Covid-Strategie” sinnvoll, aber nicht durchführbar?

Mit den besten Grüßen
Klaus-Dieter Kolenda


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