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Titel: Feindbild-Aufbau des „Spiegel“ – das wird noch schlimmer enden als beispielsweise am 1. März 1945 in Bruchsal
Datum: 2. März 2021 um 9:00 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Kampagnen/Tarnworte/Neusprech, Medienkritik
Verantwortlich: Albrecht Müller
Heute muss ich zwei Ereignisse kombinieren, die scheinbar weit auseinanderliegen und doch so viel miteinander zu tun haben: Ein Artikel von drei Spiegel-Redakteuren über das russische Medium RT DE und die dort Beschäftigten und einen Bericht der BNN (Badische Neueste Nachrichten) über den tödlichen Bombenangriff auf Bruchsal vor 76 Jahren. Mit beiden Vorgängen verbinde ich persönlich etwas. Beim Angriff auf Bruchsal war ich knapp 7 Jahre alt; wir hatten Verwandte in Bruchsal; mein Heimatdorf lag 34 km davon entfernt und wir sahen in der Nacht den roten Himmel. Einige der vom „Spiegel“ pauschal geschmähten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von RT DE kenne ich persönlich. Die Hetze des „Spiegel“ ist unberechtigt. Sie wird, wie vieles, was zurzeit bei uns abläuft, die Konfrontation mit Russland verschärfen. Unser Volk wird durch solche Artikel aufgehetzt und es wird verdrängt, was Krieg bedeutet. Mit jedem dieser und ähnlicher Artikel wächst die Konfrontation und die Kriegsgefahr. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Bombardierung am 1. März
Bombenangriff auf Bruchsal vor 76 Jahren: Fotosammlung dokumentiert die Ruinenstadt
Am 1. März 1945 wurde Bruchsal durch Bomben weitgehend zerstört. Eine Woche nach Pforzheim. Jahrelang blieb auch Bruchsal Ruinenstadt. Der Fotograf Carl Ohler hat sie eindrucksvoll und systematisch dokumentiert.
Am schönen Frühlingstag des 1. März 1945 hielt sich Carl Ohler nicht in seinem Fotogeschäft in der Wörthstraße auf. Der 57-Jährige war in diesen letzten Wochen vor Kriegsende mit nähernder Front zu Arbeiten außerhalb der Stadt verpflichtet. So entging er dem Inferno, das er von erhöhter Stelle aus fassungslos beobachtete. Dieser Zweite Weltkrieg war längst verloren für Deutschland und doch ließen die Nazis ohne Rücksicht auf die Bevölkerung weiter kämpfen. Besonders schlimm litt sie unter dem Luftkrieg.
Am frühen Nachmittags jenes Bruchsaler Schicksalstages warfen über 100 amerikanische Flugzeuge ihre tödliche Fracht über der Kreisstadt ab. Der Bahnhof und Industriebetriebe konnten als militärische Ziele gelten. Aber rund 900 Sprengbomben und 50.000 Stabbrandbomben verwandelten in 40 Minuten über drei Viertel der Stadt in eine tödliche Hölle.
Sobald es möglich war, sich durch die rauchende und heiße Stadt zu bewegen, machte sich Ohler wie viele Andere auf, seine Angehörigen zu suchen. Er hatte überlebt, aber zu welchem Preis? Im Keller seines Hauses fand er seine zweite Frau, zwei Töchter und Mitarbeiter des Geschäfts – alle tot. Erstickt im vermeintlichen Rettungsraum, weil gegen das von Bomben entfachte 2.000 Grad heiße Feuer kein Schutz möglich ist.
Von 1.000 Toten ersticken viele im Keller
600 Bruchsaler Einwohner starben durch jenen Nachmittagsangriff, außerdem 400 dort Arbeitende oder Soldaten. Von den über 1.000 Kriegstoten waren 400 Frauen und 200 Jugendliche. „Unter dem wenigen, was mein Vater retten konnte, waren zwei Bademäntel. Mit denen bedeckte er am Abend die Toten.
…
Haben wir gelernt, dass wir uns mit unseren Nachbarn vertragen müssen, wenn wir überleben wollen? Gilt noch der Kernsatz der Regierungserklärung Willy Brandts von 1969 „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein…“? Er gilt offensichtlich nicht mehr. Für diese Einschätzung spricht vieles, herausragend der Spiegel-Artikel über RT DE „So arbeitet Putins Propagandasender“.
Es lohnt sich, diesen Artikel zu lesen, jedenfalls zu überfliegen. Sie finden ihn hier als PDF.
Dazu ein paar subjektive Anmerkungen:
Einer der Autoren, Marc Baumgärtner, ist 1982 geboren, die Mit-Autorin Ann-Katrin Müller 1987. Der 3. Autor Roman Höfner dürfte aus der gleichen Altersgruppe kommen. Sie waren also 2 bzw. 7 Jahre alt, als die Mauer fiel. Sie können also aus eigener Erfahrung nicht mehr wissen, welche positive Rolle das Sich-Vertragen und die Entspannungspolitik mit dem Vorgänger Russlands, der Sowjetunion, gespielt hat. Vermutlich war der ihnen zugemutete Geschichtsunterricht geprägt von der reaktionären Geschichtsauffassung des Ronald Reagan, der Fall der Mauer und das Ende der Konfrontation – genauer gesagt: das zwischenzeitliche Ende der Konfrontation – sei dem Umstand zu verdanken, dass der Westen den Osten niederkonkurriert habe, allenfalls ergänzt durch die polnische Solidarnosc. Alles andere, die gesamte Ost- und Entspannungspolitik wie auch das Wirken des inneren Widerstandes zum Beispiel in Deutschland mit „Schwertern statt Pflugscharen“ und auch das, was sich mit Dubcek in der Tschechoslowakei getan hatte, ist nach dieser Geschichtsauffassung gestrichen. Eine große Zahl der Generation der heute 30- bis 40-jährigen Journalisten scheint gedanklich vom ersten Kalten Krieg direkt in die Neuzeit gesprungen zu sein.
Von den in dem Artikel erwähnten Journalistinnen und Journalisten weiß ich, dass sie Freundschaft mit uns Deutschen wollen. Deshalb kann ich mir auch gut vorstellen, was bei ihnen die Erkenntnis auslöst: Die Deutschen, jedenfalls diese deutschen Journalisten und die vielen ähnlich denkenden Politikerinnen und Politiker, wollen nicht mehr Annäherung und Freundschaft. Sie wollen Konfrontation. Es gilt nicht mehr: Wandel durch Annäherung. Es wird auf Konfrontation gesetzt und es wird hingenommen, dass dabei unter Russen und in Russland ein Wandel zum Schlechteren eintritt.
Ich hatte in einem NachDenkSeiten-Beitrag 2007 schon darauf hingewiesen, dass der Spiegel leider seinen Charakter als kritisches Medienorgan aufgegeben hat. Darauf hatten wir am vergangenen Samstag noch einmal hingewiesen.
Die Autoren des Artikels über RT Deutsch haben auf vielfältige Weise bewiesen, dass dem „Spiegel“ der kritische Biss abhandengekommen ist:
An anderer Stelle zitieren die Autoren des „Spiegel“ den anonymen Chef eines Landesamtes für Verfassungsschutz mit der Behauptung, RT Deutsch sei eine Gefahr für die Demokratie.
Der „Spiegel“ beruft sich auf Verfassungsschützer. Frühere Spiegel-Kollegen und -Kolleginnen würden sich die Haare raufen, wenn sie so etwas noch lesen könnten. Ich denke dabei an Marion Schreiber, Jürgen Leinemann oder an Klaus Wirtgen. Man könnte noch eine große Zahl anderer Spiegel-Journalistinnen und -Journalisten nennen, auch noch lebende Personen. Ihre Unabhängigkeit, ihr kritischer Geist und ihre Qualität unterscheidet sich schrecklich von dem, was uns heute vom „Spiegel“ geboten wird.
Zum Schluss muss ich noch einmal darauf zurückkommen, warum ich diesen Text geschrieben habe und warum ich das schreckliche Ereignis in Bruchsal vor 76 Jahren mit der erkennbaren intensiven Arbeit am Feindbild-Aufbau verbunden habe. Die Aggression im Umgang mit Russland nimmt zu. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Darauf wollte ich als einer der wenigen noch lebenden und journalistisch tätigen Menschen, die den Zweiten Weltkrieg noch einigermaßen bewusst erlebt haben, aufmerksam machen.
Titelbild: Bruchsal nach dem Bombenangriff vom 1.3.1945/ Foto Carl Ohler
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