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Titel: Hinweise des Tages 2

Datum: 8. Oktober 2010 um 18:15 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
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Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante aktuelle Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen. Heute u. a. zu folgenden Themen: Fricke und Münchau über die aktuelle Lage, Löhne rauf?, Gabriels Selbstkritik, die Koalition verteilt weiter um, Wulffs Rede, Späte Ehre für einen Dinosaurier aus. (KR)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Fricke – Keine Gnade für Devisenhändler
  2. Münchau – Europa in der Währungsfalle
  3. Löhne rauf
  4. Deutschland will kein Billiglohnland sein
  5. Arbeitsmarktreformen von Rot-Grün: Gabriel übt Selbstkritik
  6. Statt Förderung: Ausgrenzung von Hartz IV-Kindern
  7. Hartz-IV-Empfänger: Bundesagentur kürzt bereits Elterngeld
  8. Energetische Sanierung: Koalition will Recht auf Mietminderung beschneiden
  9. Unter Kartoffeln
  10. Wulff-Debatte: Wie blind sind unsere Politiker eigentlich?
  11. Nobelpreis für Literatur: Späte Ehre für einen Dinosaurier aus Peru
  12. Ecuador: Gewaltsamer Machtwechsel kommt wieder in Mode

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Fricke – Keine Gnade für Devisenhändler
    Die einen tun’s heimlich, die anderen mit viel Getöse. Fast überall auf der Welt sind Regierungen eifrig dabei, ihre Währungen zu manipulieren, ob verbal oder mit Geld – damit hohe Wechselkurse die Exporte nicht zu teuer werden lassen. Das Ganze scheint etwas von mieser Machenschaft zu haben. Ob bei Chinesen, Japanern, Amerikanern oder Brasilianern. Dabei könnte es sein, dass die vermeintlich Bösen gute Gründe haben, selbst die Chinesen – wenn das tiefere Problem darin liegt, dass Devisenmärkte immer absurdere Kapriolen schlagen und Krisen schaffen. Dann ist die Frage nicht, ob interveniert werden sollte, um eine globale Katastrophe zu verhindern, sondern wie. Und ob dafür ein System gut wäre, das weder Devisenmärkten noch einzelnen Regierungen allzu viel Macht lässt.
    Die Alternative wäre eine bessere Variante des Bretton-Woods-Systems, das nach dem Zweiten Weltkrieg als Reaktion auf die desaströsen Abwertungswettläufe der 30er-Jahre etabliert wurde, so Peter Bofinger, Währungsexperte und Mitglied im Sachverständigenrat.
    Quelle: FTD
  2. Münchau – Europa in der Währungsfalle
    Ohne die USA als globale Konjunkturlokomotive ist für Europa und Deutschland ein nachhaltiger Aufschwung bei erhöhtem Wechselkurs problematisch. Das liegt nicht an der Größe des amerikanischen Marktes, sondern daran, dass viele Länder ihre Wechselkurse direkt oder indirekt an den Dollar gebunden haben. Wertet der Dollar gegenüber dem Euro ab, dann tut es auch der chinesische Renminbi, und der sollte sich ja eigentlich in die andere Richtung bewegen. Europa und Japan sind also wegen ihrer flexiblen Wechselkurse besonders stark dem Währungsrisiko
    ausgesetzt – und die Chancen auf eine globale Koordination stehen nicht gut. Eine Aufwertung des Euro auf 1,50 oder 1,60 Euro würde jede der optimistischen Konjunkturprognosen zunichtemachen. Doch genau darauf deuten die geldpolitischen und außenwirtschaftlichen Szenarien hin.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Während Thomas Fricke optimistisch Peter Bofingers Vision eines neuen Bretton Woods propagiert, sieht Wolfgang Münchau tiefschwarz und schreibt die bestehende Situation fort, mit schlechtem Ausgang nicht nur für die deutsche Konjunktur.

  3. Löhne rauf
    Der Wirtschaftsminister hat sich für höhere Löhne ausgesprochen. Man mag sich darüber wundern, weil Rainer Brüderle der FDP angehört, die der Wirtschaft gern ihren freien Lauf lässt, und weil die Lohnfindung ja nun wirklich Sache der Tarifparteien ist und nicht der Politik. Man mag mutmaßen, dass Brüderle so den ramponierten Ruf seiner Partei aufpolieren und zugleich vergessen machen will, dass das Kanzleramt ihm offenbar nicht zutraut, Wolfgang Schäuble auf Konferenzen zu vertreten. (…) Die Löhne in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt in den vergangenen zehn Jahren deutlich weniger gestiegen als in allen anderen Ländern der EU. (…) Wenn da nicht die Löhne erhöht werden, wann eigentlich dann?
    Quelle: FR

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Ein etwas kritischerer Blick auf Brüderles neuesten Vorstoß würde der Frankfurter Rundschau gut anstehen. So schreibt die Financial Times Deutschland unter der Überschrift “Brüderle – nichts als wohlfeile Rhetorik”:

    Der FDP-Minister hat ein gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem, wenn er sich plötzlich im Lichte des Aufschwungs sonnt und sich zum Anwalt der Lohn- und Gehaltsempfänger macht. Denn jenseits solch wohlfeiler Rhetorik sind es gerade Brüderle und seine Parteifreunde, die arbeitsmarktpolitische Vorhaben torpedieren. Das gilt zum einen für die Gleichbehandlung von Leiharbeitern, wo die FDP so lange Wartefristen fordert, dass kaum ein Leiharbeiter in den Genuss der Gleichbehandlung käme.
    Zum anderen, und das ist ein Fehler, bremst die FDP seit jeher beim Thema Mindestlohn. Eine flächendeckende gesetzliche Untergrenze ist mit ihr gleich gar nicht zu machen. Und selbst wenn in einzelnen Branchen wie der Zeitarbeit Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam darum bitten, tarifliche Mindestlöhne für allgemein verbindlich zu erklären, lehnt Brüderle das ab. Dabei wäre dies immerhin ein Bereich, in dem der Wirtschaftsminister über schöne Worte hinaus tatsächlich etwas für ordentliche Löhne tun könnte. Doch das scheint ihm nicht so zu liegen.

  4. Deutschland will kein Billiglohnland sein
    Für höhere Löhne und mehr Investitionen in Deutschland setzt sich neuerdings die Bundesregierung ein. Dieser wirtschaftspolitische Sinneswandel markiert eine Relativierung ihrer bisherigen Strategie, Wachstum vor allem durch hohe Exporte zu erreichen. Vor der Tagung des Internationalen Währungsfonds an diesem Wochenende in Washington reagiert die Regierung damit auf Kritik an der Exportstärke der deutschen Wirtschaft. Dieses Argument ist aber nicht nur gegen Deutschland gerichtet, sondern mehr noch gegen China und Japan. Deswegen hat die US-Regierung beim Gipfel der mächtigsten Wirtschaftsnationen (G20) 2009 einen “Rahmenplan für ausgeglichenes Wachstum” durchgesetzt.
    Darauf reagiert nun das Bundesfinanzministerium mit einem 15-seitigen Papier. Ökonom Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie (IMK) betrachtet die Äußerungen als “deutliche und richtige Akzentverschiebung”. Allerdings fragt Horn, wo die praktischen Konsequenzen blieben. Nähme die Regierung ihre eigenen Erkenntnisse ernst, müsste sie beispielsweise versuchen, so Horn, Investionen in den Ausbau von Stromleitungen steuerlich zu erleichtern.
    Quelle: TAZ
  5. Arbeitsmarktreformen von Rot-Grün: Gabriel übt Selbstkritik
    Auf dem DGB-Kapitalismuskongress II hat sich SPD-Parteichef Gabriel ungewöhnlich scharf von der Arbeitsmarktpolitik der damaligen rot-grünen Bundes-regierung distanziert, die eine Ausweitung des Niedriglohnsektors und der Leiharbeit begünstigt hat.
    Quelle: FR

    Anmerkung Volker Bahl: Ein überfälliger “Befreiungsschlag” nicht nur für die SPD, sondern auch für die ganze Republik mit Blick auf die möglichen politischen  Mehrheiten für die Bundestagswahl 2013!

    Anmerkung KR: Der Schluss des Artikels ist etwas irritierend: „CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zeigte sich überrascht von der „eindrucksvollen Selbstkritik“ Gabriels. Forderungen der SPD nach Korrekturen bei der Arbeitsmarktpolitik hält Gröhe aber für unangebracht. SPD und Grüne könnten von der Regierung nicht verlangen, dass sie die alten Fehler schnellstmöglich beseitige.“

  6. Statt Förderung: Ausgrenzung von Hartz IV-Kindern
    Bundessozialministerin Ursula von der Leyen sagte es jüngst klar und deutlich: „Kinder brauchen Kontakte, brauchen Zuwendung, brauchen Menschen.“ Doch Beispiele aus Sachsen zeigen: Für Kinder von Arbeitslosen gilt das offenbar nicht immer. Sie dürfen nachmittags nicht mehr in den Kindergarten und werden so ausgegrenzt.
    Quelle: RBB
  7. Hartz-IV-Empfänger: Bundesagentur kürzt bereits Elterngeld
    Trotz ungewisser Zustimmung: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) setzt bereits jetzt die von der Bundesregierung geplante Kürzung des Elterngelds bei Hartz-IV-Empfängern um. Die Opposition hatte angekündigt, die Kürzungen im Bundesrat abzulehnen.
    Quelle: FR

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Das ist typisch für das Vorgehen der schwarz-gelben Bundesregierung: Den Schwarz-Gelb nahestehenden Lobbyisten und den von diesen vertretenen Interessengruppen (Hotelgewerbe, Atomindustrie, Pharmazeutische Industrie, private Versicherungskonzerne) werden in vorauseilender Liebedienerei die Wünsche sozusagen von den Augen abgelesen. Den finanziell schwachen Gruppen unserer Gesellschaft, die über keine mächtige Lobby verfügen, wird hingegen ein Tritt in den Hintern verpasst. Und das Ganze wird der Bevölkerung von zahlreichen Medien unter dem irreführenden Schlagwort von der angeblichen “Sozialdemokratisierung der Union” verkauft.

  8. Energetische Sanierung: Koalition will Recht auf Mietminderung beschneiden
    Bei energetischer Haussanierung sollen die betroffenen Mieter künftig nichts mehr einbehalten dürfen. Der Vorschlag des FDP-geführten Bundesjustizministerium zur geplanten Mietrechtsänderung stößt bei Verbraucherschützern auf massive Kritik.
    Quelle: FR
  9. Unter Kartoffeln
    Kartoffel!”, “Nazi”oder auch: “Du Opfer!” Solche Sprüche soll man in letzter Zeit vermehrt an manchen Schulen hören, an denen der Anteil von sozial benachteiligten Schülern mit “Migrationshintergrund” besonders hoch ist. Die Klage von Lehrern darüber war denn auch der Aufhänger einer Tagung, die die Berliner GEW am vergangenen Samstag ausgerichtet hatte. An deren Ende waren sich die meisten Teilnehmer einig: Der Begriff “Deutschenfeindlichkeit” taugt nicht zur Analyse der vorhandenen Konflikte.
    Dennoch – am darauffolgenden Montag titelte die Berliner Morgenpost: “Wie Araber und Türken deutsche Schüler mobben”. “Schule und Integration. Das Gift der muslimischen Intoleranz” schrieb die FAZ. Wie kann es sein, dass die mediale Rezeption die Tagungsergebnisse so ins Gegenteil verkehrt hat?
    Quelle: TAZ
  10. Wulff-Debatte: Wie blind sind unsere Politiker eigentlich?
    Manche Aussagen stehen so sehr „unter aller Kritik“, dass man sich schämt, dazu Stellung zu beziehen. Die Debatte um die Rede des Bundespräsidenten hat jedoch derartig absurde Formen angenommen, dass es unklug wäre, weiterhin zu schweigen. Ein Kommentar von Michael Schmidt-Salomon: „Etwa die Hälfte der in Deutschland lebenden Muslime ist faktisch nichtgläubig und müsste eigentlich zur Gruppe der Konfessionsfreien hinzugezählt werden, die somit auf einen Bevölkerungsanteil von über 36 Prozent käme… Will denn tatsächlich niemand einsehen, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger heute jede Form religiöser Bevormundung ablehnen? Ist es so schwer zu verstehen, dass die Mehrheit der Deutschen weder in einer christlichen noch in einer islamischen, sondern in einer offenen Gesellschaft leben möchte?!“
    Quelle: hpd
  11. Nobelpreis für Literatur: Späte Ehre für einen Dinosaurier aus Peru
    Doch die große Zeit des Mario Vargas Llosa ist lange vorüber, seine literarische Bilanz seither sehr durchwachsen. Das lateinamerikanische Erzählen hat sich seit der “Boom-Generation” von Márquez & Co stark weiterentwickelt. Merkwürdig ist zudem, dass mit Vargas Llosa gerade jetzt der intellektuelle Anhänger einer ultraliberalen Wirtschaftspolitik prämiert wird. Vargas Llosas Kritik an den nationalistischen Auswüchsen im Lateinamerika von heute ist gut begründet. Aber sein Freiheitsglaube steht jener Staatsgläubigkeit, die er bekämpft, an Naivität kaum nach. In einer Zeit, in der lateinamerikanische Regierungen versuchen, überhaupt erst wieder handlungsfähig zu werden, ist seine Auszeichnung ein falsches Signal.
    Quelle 1: TAZ
    Quelle 2 (zur Person): TAZ

    Anmerkung: In der Tat ist die große Zeit des Mario Vargas Llosa vorbei und so rückt die politische Ausrichtung des Autors in den Vordergrund. In der Begründung des Nobelpreiskomitee heißt es: Vargas Llosa werde für
    “seine Kartographie der Strukturen der Macht und seine gestochen scharfen Bilder von Widerstand, Revolte und Niederlage des Individuums”
    ausgezeichnet. Sollte tatsächlich der frühe, linke Rebell, der Autor von “Die Stadt und die Hunde” (1962) oder “Das grüne Haus” (1966) geehrt werden, doch wohl eher der ehemalige Präsidentschaftskandidat (1990), ein Neoliberaler reinsten Wassers, der sich mit “Maytas Geschichte” (1984) auch literarisch endgültig von linker Rebellion losgesagt hatte.
    Man mag ja einwenden und es gibt Beispiele dafür, dass die politische Gesinnung keinen Einfluss auf die literarische Qualität habe, aber selbst die liberale NZZ kommt in einem gelungenen Porträt nicht um die Tatsache herum, dass der Literat in seichten Gewässern gestrandet ist: “Und nun, tatsächlich, schreibt er erotische Geschichten, freizügig und flach, sowie routiniert kunstvolle Monumentalwerke (wie «Tod in den Anden»). Jedoch: Der Biss ist weg. Damals kämpfte er gegen Dämonen. Jetzt produziert er für den Markt, und dies verlässlich: Alle ein bis zwei Jahre ein neuer Roman oder ein Band mit Selbstbespiegelungen, zur Not ein paar aufgewärmte Storys aus der Frühzeit.”

  12. Ecuador: Gewaltsamer Machtwechsel kommt wieder in Mode
    Die Ereignisse der letzten Tage in Ecuador erinnern stark an den Putsch in Honduras im Sommer 2009. Sie zeigen, dass die USA ihre Politik wieder vermehrt mit klandestinen Methoden durchsetzen wollen …
    Sicher ist, dass es sich bei den Ereignissen von letzter Woche nicht um eine einfache Polizeimeuterei gehandelt hat, die Correa durch sein in den Medien häufig erwähntes «autoritäres Auftreten» auch noch selber ausgelöst habe. Der Putschversuch sei, so die Regierung, vielmehr von langer Hand vorbereitet gewesen — und die USA hätten dabei eine wichtige Rolle gespielt.
    Quelle: WOZ (CH)


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