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Titel: Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet: Gelernter Mehrfach-Populist – mit Hintermännern, …
Datum: 25. Januar 2021 um 16:03 Uhr
Rubrik: Aktuelles, CDU/CSU, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte, Lobbyismus und politische Korruption, PR
Verantwortlich: Redaktion
… und wohl nur eine Zwischenlösung. Langzeitkanzlerin Angela Merkel hält ihre ermattende Regierungspartei CDU mühsam über knappem „Volks“partei-Niveau. Der neue Parteivorsitzende Laschet soll die nächste Bundestagswahl im September 2021 gewinnen. Er kann Populismus. Doch die unter Merkel still und komplizenhaft losgelassenen Kapitalmächtigen fordern mehr offene Präsenz. Laschet als „Deutschlands next Mutti“ ist erstmal eine rettende Übergangslösung. Ein Einblick in das Milieu mit Strategen im Vorder- und Hintergrund. Von Werner Rügemer.
Gelernter Mehrfach-Populist
Laschet kann Populismus, mehrfach. Er ist ein Meister der Anbiederung, mehr noch als „Mutti Merkel“. Er verspricht dem ganzen Volk das gute Leben.
Ich, der Bergmanns-Sohn
Wenn es bei Gelegenheit drauf ankommt, dann gibt Laschet den Proletarier-Sohn. In seiner Bewerbungsrede beim CDU-Parteitag am 16.1.2021 zog er die Bergmanns-Marke seines Vaters aus der Hosentasche und hielt sie in die Kameras. Der Vater war Bergmann im Aachener Kohlerevier; wenn die Kumpels tausend Meter unter Tage waren, so Laschet, habe sein Vater nicht danach gucken können, wer welcher Nationalität sei – „Vertrauen“ war entscheidend.
Der Vater habe ihm die kleine Marke als Glücksbringer zum Parteitag mitgegeben. „Sag den Leuten: Sie können dir vertrauen“, verriet Laschet freundlich lächelnd den Delegierten. Er kommt aus „bescheidenen Verhältnissen“. Bescheiden, aber aufstiegsbereit, wie er immer wieder betont: Seine Mutter war Hausfrau. Sein Vater konnte nach dem Ende des Kohleabbaus umschulen und brachte es zum Leiter einer Grundschule.
Ich, der gute Katholik
Als ungleich intensiver eingesetzte Komponente des Populismus gibt Laschet den guten Katholiken. „Ich bin christlich“, wiederholt er, „nicht konservativ“. Er tut was für Familien, Kinder, „für die Menschen“.
Zwei Monate vor dem CDU-Parteitag bekam er eine Privataudienz bei Papst Franziskus. Privataudienz bedeutet: Die ist besonders wichtig, und Laschets Medienhelferchen streuen die Bilder mit Laschet beim Papst weit herum.
Laschet setzte auch darauf, dass Konkurrent Merz, ebenfalls Katholik, keine solche Audienz im Vatikan bekommt, denn Merz „muss mangels Amt auf solch höhere Weihen verzichten,“ wie die Vatikan-Korrespondentin des vom katholischen Bundeskanzler Adenauer gegründeten Staatssenders ZDF genüsslich berichtete. Und das war nach 2018 schon die zweite Privataudienz beim Katholiken-Weltchef.[1]
„Ich, der Öcher“
Auch mit einer weiteren Populismus-Komponente will der CDU-Politiker Stimmen der Wahlschafe und Wahlschäfinnen einsammeln. Laschet kommt aus Aachen, hier hat er seinen Wahlkreis.
Besonders bei Auftritten im Karneval gibt der katholische Proletensohn gern den „Öcher“. Öcher – das ist lokal-rheinisch die Bezeichnung für die Einwohner Aachens. Mit diesem Titel wurde er Ehrensenator des Kölner Karnevals. So sorgten er und sein Aachener Netzwerk auch dafür, dass er schließlich knapp vor der Entscheidung über den CDU-Vorsitz 2020 vom Aachener Karnevalsverein den auch bundespolitisch wichtigen Orden wider den tierischen Ernst verliehen bekam – als erster „Öcher“.
Endlich, nach Merz und Söder:
Auch Laschet kriegt den Orden wider den tierischen Ernst
Seit Konrad Adenauer 1959 den Orden bekam, ist der Preis ein bundespolitisch bedeutsamer Indikator für rechte, kapitalfrömmelnde Politik. Konkurrent Merz hatte den Preis schon 2006 bekommen. Die Preisträger kommen mehrheitlich vom rechten Rand ihrer Parteien CDU, CSU und FDP, auch ein katholischer Kardinal wie Lehmann darf dabei sein, ebenso der Banker und Kalte Krieger John Kornblum, Ex-Botschafter der USA bei der NATO und in Deutschland. Auch ein prominentes reiches adliges Dummerchen wie Fürstin Gloria von Thurn und Taxis eignet sich als gelegentliche Dekoration. Ansonsten: Franz-Josef Strauß, Theodor Waigel, Edmund Stoiber, Karl-Theodor zu Guttenberg, Markus Söder, Julia Klöckner.
Auch hier geht der Populismus neue Wege, fein dosiert: So wurde der grüngefärbte Auto-Lobbyist Winfried Kretschmann und zuletzt der mediengängige Gregor Gysi mit dem Orden behängt. So bekam Laschet gerade noch rechtzeitig auch diese höheren Weihen, 14 Jahre nach Merz, vier Jahre nach Söder.
Schlappe Satire: Lauti und Laschi
Zum karnevalistisch aufgewerteten „Öcher“ gehört auch eine bestimmte Art von Humor. So richtete der Staatssender WDR, in dessem Verwaltungsrat die Regierungsparteien sitzen, eine „Satire“-Sendung ein: Bei Lauti und Laschi in WDR2 dürfen der NRW-Ministerpräsident und die Corona-Plaudertasche Professor Lauterbach, „Gesundheitsexperte“, weil langjähriges Mitglied im Aufsichtsrat der privaten Rhön-Kliniken, sich ein bißchen frozzeln – Satire für Anspruchslose.
Da sind der Sozial- und der Christdemokrat nicht weit auseinander: Lauterbach von der SPD war vorher in der CDU und kommt aus der Nähe von Aachen (Düren), und Laschet hat die angebliche „Sozialdemokratisierung“ der CDU mitzuverantworten, weil er doch so oft so nett lächelt.
Wahlkreis Aachen: Karl der Große als Vorläufer der EU
Aachen ist sowieso ein traditionelles Zentrum des politisch reaktionären Katholizismus. Hier hatte Karl der Große seinen Regierungssitz, hier starb er 814 nach Christus. Der „Sachsenschlächter“ hatte auch mithilfe von Massen-Zwangstaufen den europaweiten Feudalstaat begründet. An Weihnachten 800 wurde er vom damaligen Vorgänger des heutigen Papstes Franziskus zum Kaiser gekrönt. Bis ins 16. Jahrhundert wurden hier auf Karls Stuhl die deutschen Könige gekrönt.
Man könnte denken: Das ist lange her, spielt keine Rolle mehr. Aber nein: Karl der Große hatte in Aachen die wichtigste Vorstufe der Europäischen Union gegründet. Deshalb: Katholische Unternehmer, die Mitglieder von NS-Organisationen waren, gründeten nach 1945 hier den „Aachener Karls-Preis“: Der ist noch viel wichtiger als der vom Aachener Karnevalsverein vergebene Orden wider den tierischen Ernst. Der Aachener Karls-Preis wurde schnell zum höchsten EU-Preis und ehrt in Karls des Großen Aachener Kaiserpfalz die modernen NachfolgerInnen des größten christlichen Europäers.
Laschet, der katholische Missionar
Laschet ist über seine Frau verwandt mit Opus-Dei-Mitglied Kurt Malangré, CDU, der von 1973 bis 1989 Aachener Oberbürgermeister war. Bruder Patrick Laschet führt auf seiner Website einen Familien-Stammbaum, der die Herkunft auf Karl den Großen nachweist. Eine Büste des katholisierenden Großherrschers steht bei Laschet im Büro.
Sie missionieren immer weiter und immer wieder neu, nicht mit Zwangstaufen, aber mit verpflichtenden milden Gaben für die ausgesuchten braven Ärmsten dieser Welt. Laschet hatte und hat diverse Posten im vatikanischen Missionswerk missio, ist Botschafter der Stiftung pro missio, Sitz Aachen: Aufgabe ist die Evangelisierung des deutschsprachigen Mitteleuropa – Deutschland, Schweiz, Österreich. Das reicht nicht: Laschet ist auch noch Botschafter der 1989 gegründeten Adalbert-Stiftung des Textilindustriellen Paul Kleinewefers: Aufgabe ist die katholische Missionierung im ex-sozialistischen Osteuropa.[2]
Bruder Laschet: Syndikus im Hohen Dom zu Köln
Carsten Laschet, der jüngere Bruder des CDU-Vorsitzenden, Rechtsanwalt, ist nicht nur standesgemäß Vorstandsmitglied im Bund Katholischer Unternehmer – Diözesangruppe Köln – sondern auch standesgemäß Sprecher des Juniorenförderkreises des Festkomitees Kölner Karneval. Und standesgemäß ist er wie hunderte andere Unternehmer auch Mitglied im katholischen Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem, einem päpstlichen Orden mit Sitz im Vatikanstaat, übrigens gegründet am 8.12.1933 aufgrund des Konkordats des Vatikans mit der Nazi-Regierung. Sowas ist systemrelevant und überdauert die Systeme.
Ach, was man alles zum Wohlergehen des freien Unternehmertums tut, nicht wahr? Aber das wäre ja nicht soo viel wert, wenn nicht das „heiligste Mandat im Rheinland“ dazukäme, neben dem Erzbischof: Der Laschet-Bruder hat auch das Amt des Syndikus im Hohen Dom St. Petrus zu Köln inne. Der Rechtsanwalt ist Partner (=gewinnbeteiligter Mitgesellschafter) der ortsansässigen Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen und sorgt für das katholisch ausgreifende Recht im reichsten Erzbistum Deutschlands, in der die Sexskandale mal wieder (ein bisschen) zunehmen und die Schäfchen davonlaufen.
Die Männer hinter dem neuen CDU-Vorsitzenden
Jetzt müssen wir aber endlich zum hard stuff kommen. Was tut sich hinter „Deutschland next Mutti“ wirklich? Wer organisiert die Politik der Übergangsfigur, bevor Merz oder Söder oder noch ganz andere kommen?
Nathanael Liminski: Kampfgruppe „Generation Benedikt“
Laschets Stratege heißt Nathanael Liminski, „der Mann hinter Laschet“, so die FAZ, deren AutorInnen zum christlich abgesicherten Kapital-Milieu gehören.[3] Als 20-Jähriger gründete der militante Jungkatholik beim katholischen Weltjugendtag in Köln 2005 die Kampfgruppe „Generation Benedikt“.
Liminski hatte sich für den erzreaktionären Papst Benedikt XVI. begeistert. Nach Geschichts- und Politikstudium in Bonn und Paris schrieb der Benedikt-Fan und Junge-Union-Aktivist Reden für den katholischen Ausländerhasser Roland Koch, CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident in Hessen. Dann wechselte Liminski nach Berlin in das Büro des Verteidigungsministers Thomas de Maizière, Hardliner der evangelisch-christlichen Politvariante.
Als Laschet 2013 Oppositionsführer im NRW-Landtag wurde, wollte der fürsorgliche Lächler unbedingt den Hardliner Liminski bei sich haben. Der wurde Geschäftsführer der Landtagsfraktion und stieg schließlich 2017 mit nicht einmal 31 Jahren in NRW zum jüngsten Staatskanzlei-Chef in Deutschland auf.
So sitzt im Befehlszentrum von Laschet schon die härtere Konkurrenz. Die FAZ lobt den Liminski als „ideale Ergänzung für Laschet“. Die FAZ lobt den Liminski als „klugen Kopf“ und berichtet begeistert weiter, gewiss wahrheitsgemäß: „Souverän koordiniert er seitdem nicht nur die Ressorts in Düsseldorf, er hält auch weiter Kontakt zu jenem Teil der Union, der Laschet schon immer skeptisch sah.“
Merz berät Laschet: Brexit, Flughafen Köln-Bonn, private Rente
Laschet und Konkurrent Merz arbeiten enger zusammen, als sie in der Öffentlichkeit kundtun. Auch die medialen Strategen von der FAZ und den sonstigen privat-staatlichen Leitmedien schweigen dazu mit des Sängers Komplizenschaft.
Mit Beginn seines Amtes als NRW-Ministerpräsident holten Laschet und Liminski auch den Merz. In der Staatskanzlei wurde Merz als Berater angesiedelt, offiziell für die Brexit-Begleitung im Interesse der vielen Unternehmen im Bundesland, die mit Großbritannien zu tun haben. Damals war Merz Vorsitzender der Aufsichtsrats der BlackRock Deutschland AG.
Auf Drängen von Laschet wurde Merz auch auf den Posten des Vorsitzenden des Aufsichtsrats des Flughafens Köln-Bonn gehievt. Das Land NRW ist Hauptgesellschafter. Laschet lobte Merz wegen dessen vielen guten internationalen Beziehungen.[4] BlackRock ist Aktionär aller hier verkehrenden Fluggesellschaften, von der Lufthansa über die Amazon-Frachtflugtochter bis Ryan Air. Merz, der seine zwei Privatflugzeuge eher auf Kleinflughäfen wie im heimischen Brilon startet und landet, brachte nicht den erhofften Erfolg. Ende 2020, im Blick auf seine CDU-Kandidatur, trat er zurück, nachdem er Monate vorher schon von seiner öffentlich bekannteren BlackRock-Funktion zurückgetreten war.
BlackRock sucht mithilfe von Merz den Einstieg in die private Rente, er wirbt auch nach seinem Ausscheiden bei BlackRock deshalb immer wieder für das BlackRock-Finanzprodukt ETF, eine Art neuer riskanter „Volks“aktie.[5]
2019 kam heraus, dass die NRW-Landesregierung mit BlackRock-Vertretern über die Anlage von 800 Millionen Euro Pensionsgeldern von 14 Versorgungswerken freier Berufe und für die Mitglieder des Landtags verhandelt hat. Die Landesregierung beantwortete eine Anfrage der Grünen ausweichend. Aber die WDR-Sendung Westpol fand ausführlichen E-Mail-Austausch zu den Verhandlungen.[6]
Der CDU-Generalsekretär: Merz-Fan Paul Ziemiak
Zu den Männern hinter dem neuen CDU-Vorsitzenden gehört jetzt auch der Generalsekretär der Partei, der Katholik Paul Ziemiak, ein enger Freund von Liminski. Ziemiak warb als Vorsitzender der Jungen Union schon lange für Merz. Auf Vorschlag der schnell abgestürzten CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer wurde er 2018 Generalsekretär der Partei.
Als Qualifikationen brachte er mit: Er hatte beim Wirtschafts“prüfer“konzern Price Waterhouse Coopers (PWC) gearbeitet und ist nach seinem Studium weiter Mitglied in den katholischen Studentenverbindungen AV Widukind (Osnabrück) und Winfridia (Münster).
Vorher hatte vorausschauend schon Laschets Staatskanzlei-Chef Liminski den militanten Jungpolitiker herangeholt, erstmal familiär. Wie der FAZ-Schreiber Reiner Burger aus der katholischen Großfamilie zu berichten weiß: „Mitunter betreibt Liminski bis in die eigene Familie hinein Netzwerkarbeit: Den späteren CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak machte er zum Patenonkel eines seiner drei Kinder.“
Der „Expertenrat Corona“
Sofort mit Beginn der Pandemie im März 2020 berief Laschet den Expertenrat Corona.
Das Katholische wird hier durch Monika Kleine vertreten, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen. Mitglied ist weiter Renate Köcher, Mitglied in den Aufsichtsräten der DAX-Konzerne BMW und Infineon, bei ALDI Süd und in mehreren Unternehmens-Stiftungen (Robert Bosch, Ludwig Erhard u.a.), im Hauptamt Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, wo die CDU seit Adenauer die Stimmungslage der Bevölkerung ausloten lässt. Die Reihe der Frauen setzt sich fort mit Claudia Nemat vom Vorstand der Deutsche Telekom AG und mit Nicola Leibinger-Kammüller, Chefin des Maschinenbau-Konzerns Trumpf. Als Top-Lobbyist der Unternehmer darf Michael Hüther nicht fehlen, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Ex-Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio, Soziologe Armin Nassehi, Christoph Schmidt vom Wirtschaftsforschungsinstitut RWI und der inzwischen abtrünnige Virologe Hendrik Streeck umrahmen die Unternehmer-Mehrheit.
Aber Bergmanns-Sohn Laschet: Nicht mal einen Alibi-Gewerkschafter hat er in den Rat berufen.
„Rumänen und Bulgaren haben das Virus mitgebracht“
Laschets Experten haben sich dafür eingesetzt, dass die Pandemie-Maßnahmen nur im öffentlichen Raum gelten, nicht in den Unternehmen, und dass diese vom Infektionsschutz-Gesetz ausgenommen sind.[7]
Deshalb konnte es etwa kommen, dass im größten Fleischkonzern Deutschlands mit Sitz in NRW, Tönnies, dessen Chef zu den jahrelangen Hauptbespendern der Laschet-CDU gehört, plötzlich „unvermutet“ 1.500 ausgebeutete Fleischarbeiter sich als Corona-Infizierte herausstellten.
Der katholisch-fürsorgliche Bergmanns-Sohn wusste aber sofort, dass die Wanderarbeiter schuld sind, und nicht Tönnies, und nicht die komplizenhafte Gewerbeaufsicht im Bundesland. Nein: Der Ausbruch bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück, wo in 16-Stunden-Schichten 30.000 Schweine pro Tag bzw. Nacht im Eiltempo durchgemetzelt werden – also der Ausbruch kam, so der Ministerpräsident „weil Rumänen und Bulgaren da eingereist sind und da das Virus herkommt.“[8] Da hat auch der hochkarätige Expertenrat Corona nicht widersprochen.
Capital-Elite-Panel der FAZ: Merz oder Söder!
Die Unternehmer-Postille FAZ lässt vor wichtigen politischen Entscheidungen ihr Capital-Elite-Panel durchführen, und zwar durch das auch in Laschets Expertenrat und auch von der Merkel-Regierung beauftragte Institut für Demoskopie Allensbach. Die FAZ versteht und präsentiert sich öffentlich und ohne Skrupel als medienstrategische Vertretung der „Elite“. Zu dieser von der FAZ ernannten und gepflegten „Elite“ gehören mehrere hundert Unternehmer, Topmanager und sonstige „Entscheider“ wie Wirtschafts“prüfer“, Wirtschaftsanwälte, Meinungsmacher und (konservative) Politiker.
Allensbach-Chefin Renate Köcher gab das erwartbare Ergebnis bekannt: „Die Wirtschaft sieht Merz als einen der Ihren“, während „die Politik“ Laschet den Vorzug gebe. Das ist für die FAZ-Capital-Elite das strategische Problem: Der Merz ist ihnen lieber, aber der gewinnt keine Bundestagswahl. Wegen seines unnötigen Angebots nach seiner knappen Niederlage, sofort den jetzigen Wirtschaftsminister Altmaier im Merkel-Kabinett zu ersetzen, hat er sich zwar nicht bei der Elite, aber bei einem Teil des Wahlvolks unbeliebt gemacht.[9]
Andererseits: Der Laschet könnte zwar die Wahl gewinnen, aber der würde die Mutti-Linie fortsetzen. Die aber ist verbraucht, schleppt sich erfolgreich auf brüchigem Corona-Eis dem Ende entgegen. Wir brauchen endlich mehr Merz, fordert die „Elite“. Aber wie die Wahl gewinnen? Was tun?[10]
FAZ-Anklage: Laschet folgt nicht den westlichen Geheimdiensten!
Teil der Lösung: Erstmal an Laschets Stuhl sägen, ihn weichklopfen. Die FAZ holte den „Russlandversteher Laschet“ aus dem Archiv. Laschet wirbt für das Gasprojekt Nordstream 2. Das hat mit Standortpolitik zu tun: Der in NRW sitzende Energiekonzern Eon, größter Betreiber von Energienetzen in Deutschland und Nachbarstaaten, ist an Nordstream 2 beteiligt. Daran hängen Arbeitsplätze, Energiepreise und Energiesicherheit.
Jetzt kritisierte die FAZ mithilfe der gern zitierten Obergrünen Cem Özdemir und Ralf Fücks Laschet als „Russland-Versteher“. Dabei sind die wichtigsten Energiekonzerne Westeuropas an Nordstream 2 beteiligt: Neben Eon auch OMV (Österreich), Engie (Frankreich), Gasunie (Niederlande) und Shell. Die werden von den FAZ-Strategen nicht kritisiert.
Laschet hatte sich auch nicht der Putin-Anklage wegen des angeblich vergifteten Geheimdienstlers Sergej Skripal angeschlossen. Die FAZ warf hier Laschet sogar vor, er habe sich ungehorsam gegenüber den westlichen Geheimdiensten gezeigt: „Dass die westlichen Geheimdienste überzeugt waren, dass das Nervengift nur aus staatlichen Quellen in Russland stammen könne, ignorierte er.“[11] Wer in Deutschland ein guter Politiker (und Journalist) werden will, hat den Geheimdiensten blind zu folgen!
„Die Elite“, „Die Wirtschaft“, so deren Postille FAZ, will Merz. Der kann aber keine Wahl gewinnen. Der Laschet könnte, ist aber zu lasch. Der Spahn könnte, ist aber zu jung hinter den Ohren und seine Corona-Politik könnte Stimmen kosten. Die Eliten-Lösung (erstmal): Der blauweiß mit Jesus-Kreuz im Büro ausstaffierte Alleinherrscher des Freistaats Bayern, Markus Söder, kann es richten. Am Tag nach der Wahl Laschets zum CDU-Vorsitzenden brachte die FAZ ein ganzseitiges Interview mit Söder.[12]
Söders CSU: Die am intensivsten von Unternehmen bespendete Partei
Übrigens, Mitteilung aus dem Alternativen Capital-Elite-Panel: Söders CSU ist die am intensivsten von Unternehmern gekaufte Partei, keine andere Partei kriegt pro Mitglied so viel Unternehmensspenden. Der größte Einzelspender an politische Parteien in Deutschland hat, wie der thailändische König, seinen Sitz in Bayern: Der Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Zu Söders Wahlkampf 2018 spendete er 625.000 Euro, alle restlichen unternehmernahen Parteien erhielten zusammen nur 160.000 Euro. Weitere CSU-Spender: Verband der Bayerischen Chemischen Industrie, Verband der Chemischen Industrie Deutschlands, Bayerischer Bauindustrieverband, Allianz, Daimler, ERGO, Münchner Rück, Gauselmann (Glückspiele), Philip Morris, Rheinmetall…
Titelbild: photocosmos1 / Shutterstock
[«1] Privataudienz beim Papst. Höchste Weihen für NRW-Landeschef Laschet, zdf.de/nachrichten/panorama 1.10.2020
[«2] Biografische Daten in dem Wikipedia-Artikel über Laschet
[«3] Der Mann hinter Laschet, FAZ 19.1.2021
[«4] Harte Landung für Flugzeugführer Friedrich, Wirtschaftswoche 3.12.2018
[«5] Werner Rügemer: Die Kapitalisten des 21. Jahrhunderts, 3. Auflage, Köln 2021, S. 35ff.
[«6] Blackrock: Werbetour im NRW-Finanzministerium, WDR-TV Westpol 22.9.2019; Kleine Anfrage der Abgeordneten Horst Becker und Johannes Remmel/Bündnis 90/Die Grünen, Landtagsdrucksache 17/7478 vom 24.9.2019
[«7] Werner Rügemer: Infektionsschutz-Gesetz: Warum fehlen die Unternehmen? nachdenkseiten.de
[«8] Laschet spricht von „Rumänen und Bulgaren“, die das Virus mitgebracht hätten, Die Welt 17.6.2020
[«9] Wie man Freunde verliert. Der Wunsch, Minister zu werden, kostet Friedrich Merz Unterstützung im eigenen Lager, FAZ 19.1.2020
[«10] Eliten gespalten über CDU-Vorsitz, FAZ 14.1.2021
[«11] Einen Ruf als Russlandversteher, FAZ 19.1.2021
[«12] „Das war ein ehrliches Ergebnis“. Fragen an den CSU-Vorsitzenden Markus Söder
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=69152