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Titel: Transkript der Befragung des neuen US-Außenministers Blinken durch Senator Paul. Ein interessantes und „zukunftsweisendes“ Dokument

Datum: 25. Januar 2021 um 10:00 Uhr
Rubrik: Aktuelles, Außen- und Sicherheitspolitik, Audio-Podcast, einzelne Politiker/Personen der Zeitgeschichte
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Die deutsche Politik und die Mehrheit der Medien haben überschwänglich und erfreut auf die Veränderungen in Washington reagiert. Der republikanische US-Senator Rand Paul sieht das deutlich anders. Darauf hatten die NachDenkSeiten mit dem Video-Hinweis Nr. 7 am Samstag aufmerksam gemacht: Sen. Rand Paul Questions Sec. of State Nominee Blinken on Regime Change – Jan. 19, 2021
Quelle: SenatorRandPaul, 19.01.2021. Weil diese Befragung deutlich macht, in welche Gefahren wir mit der Fortsetzung der Regime-Change-Politik der USA unter dem neuen „Regime“ Biden laufen, hatte ich nach Unterstützung bei der Übersetzung dieser wichtigen Befragung gefragt. Die Antwort der NDS-Leser ist überwältigend. Da einige zur Tat schritten, ohne vorher rückgefragt zu haben, liegen jetzt mehrere Transskripte und Übersetzungen vor. Allen ganz herzlichen Dank. Wir hängen unten als Word Datei die Übersetzung von George Zimmermann an. Außerdem wird im Anschluss daran auf das PDF des Transkripts in englischer Sprache und der Übersetzung ins Deutsche durch Rony B. Liebheit verwiesen. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Diese Befragung ist ein ausgesprochen wichtiges Dokument:

  1. Es zeigt die selbstverständliche Kriegsbereitschaft der neuen US-Administration.
  2. Es zeigt die selbstverständliche Attitüde, die Welt zu beherrschen.
  3. Es zeugt davon, dass die USA den Anspruch, anderen Völkern einen Regime Change zu verpassen, zu bringen usw., als eine Selbstverständlichkeit betrachten. Das ist Teil der Politik. Jetzt wird damit fortgefahren, dieses Konzept auch auf Russland anzuwenden.
  4. Die Befragung zeigt die Rücksichtslosigkeit und Borniertheit, mit denen hier neue und leidvolle Kriegsgefahren heraufbeschworen werden.
  5. Es zeigt, dass den handelnden Personen eine wichtige Eigenschaft einer Verständigungs- und Friedenspolitik fehlt: Sie können und mögen sich nicht in die Lage Anderer, anderer Völker und anderer Regierender versetzen.
  6. Text und Bild zeigen auch, was für eine problematische, unsichere bis – Pardon – gestörte Person mit dem neuen Außenminister Blinken nunmehr eines der wichtigsten Ämter der Welt besetzt.

“acTVism Munich” weist in diesem Videotranskript über „Bidens gruselige Außenpolitik – Ein Rückblick in die Geschichte der Kriegsverbrechen“ von Abby Martin (Empire Files), 23. Januar 2021 darauf hin, dass nicht nur der neue Außenminister höchst problematisch ist.
Wer den Frieden erhalten will und deshalb eine entsprechende Politik der USA erwarten muss, kommt deutlich ins Grübeln.

Nun zur Übersetzung der Befragung Blinkens durch Senator Rand Paul vom 19.1.2021. Übersetzung George Zimmermann
Quelle: Youtube Publikation


Senator Rand Paul, Senator für Kentucky, USA (RP)
und
Antony Blinken, Staatssekretär im Kabinett Joe Biden (AB)

RP: Wie Joe Biden und Hilary Clinton haben Sie wiederholt militärische Interventionen im Mittleren Osten befürwortet. Vom Irakkrieg zum libyschen Krieg bis zum Krieg gegen Syrien. Einige aus Ihrer Fraktion, einschließlich des gewählten Präsidenten, sagten, sie hätten miese Berichte der Geheimdienste erhalten, die uns im Irak in die Irre führten. Aus einem ganz bestimmten Grund ist da sogar etwas Wahres dran. Allerdings fehlen die Lehren daraus für den Krieg im Irak. Ebenso war Ihre Begründung für den libyschen Bürgerkrieg: Vielleicht haben wir unterschätzt, dort resistente Nachfolger auszubilden. Für mich geht das am Ziel vorbei. Nach Libyen marschierten Sie auch in Syrien ein, um dasselbe zu tun. Sie haben argumentiert: Vielleicht haben wir nicht genug getan. Hätten wir mehr getan, hätten wir Assad stürzen und einen richtigen Regime Change (Regierungs-Umbildung) herbeiführen können. Sowohl im Irak als auch in Libyen ist es zur Katastrophe geworden. Die Lektion aus diesen Kriegen ist, dass Regime Change nicht funktioniert. Leute behaupten, wir entledigen uns der «eisernen Fäuste» und Thomas Jefferson wird aus der Asche wieder auferstehen. Es ist schlicht naiv zu glauben, Thomas Jeffersons Gedanken gälten auch für den Mittleren Osten. Die dortigen Traditionen sind derart unterschiedlich zu den unseren. Die USA haben gegen Zentralregierungen und englische Traditionen für tausend Jahre gekämpft. Die Revolution in England hat vor 350 Jahren stattgefunden. Unsere fand statt vor 250 Jahren. Diese Traditionen geht dem Mittleren Osten ab. Dort gelten Stammeszugehörigkeiten. Ganz ehrlich: Wofür Sie und Joe Biden und auch John Bolton sich stark machen – Regime Change – hat sich als Desaster für den Mittleren Osten herausgestellt. Wir machen uns Sorgen, alle schreien: Iran! Iran! Warum ist der Iran stärker? Wer ist deren bester Freund heute in der Region? Der Irak! Wir hatten ein Gleichgewicht der Mächte, zwar nicht ein perfektes, aber immerhin. Ihr Kerle habt das kaputt gemacht. Ihr habt einen Tyrannen ausgebootet und der nächste wurde dadurch stärker. Dann habt ihr in Libyen dasselbe nochmals veranstaltet. Als Ausrede wurde verwendet: Libyen ist ein Einzelfall! Aber vielleicht gilt es, etwas aus der Geschichte zu lernen. Vielleicht sollten wir nicht jedwede Regierung im Mittleren Osten bekehren wollen. Anstatt überall die Regierung bestimmen zu wollen, sollten wir nicht immer auf die «schlechten» zielen. Nehmen Sie Saudi-Arabien: Ich verachte die Regierung, würde aber nach wie vor mit ihnen Handel treiben und ich würde sie nicht von allem ausschließen. Aber Waffen würde ich ihnen keine mehr verkaufen. Nach dem Mord an Khashoggy hätten die keine Patrone mehr gekriegt.

In den Emiraten haben sie versucht, das zu stoppen. Die Emirate haben eine schreckliche Bilanz, was die Menschenrechte betrifft. Das Problem ist nicht mangelnde Übereinstimmung der Menschenrechte. Das Problem ist unsere völlige Übereinstimmung, Regime Change sei notwendig.

All die Erfahrungen aus den Kriegen im Irak und in Libyen, das anschließende Chaos, das Vakuum haben doch dazu geführt, dass der Terrorismus zugenommen hat, mehr Menschen wurden getötet. Syrien zum Beispiel. Auch dort wurde nichts dazugelernt.

Gibt es irgendeinen Lerneffekt für Sie, dass Regime Change nicht das Beste für die USA im Mittleren Osten ist?

AB: Senator: Das Beste im Mittleren Ost für die USA? Wir, und damit auch ich selbst, haben die absolute Verpflichtung, aus allem, was wir getan haben, Lehren zu ziehen. Wir haben uns, äh, dafür entschieden, die Ergebnisse zur Kenntnis zu nehmen und zu informieren, wie wir damit umgehen wollen. Ich habe über einige der Situationen, über die sie berichtet haben, intensiv nachgedacht. Ich bin stolz darauf, dass ich während meiner gesamten Karriere für die Regierung, äh, – fast 25 Jahre – versucht habe, unsere Diplomatie vorwärts zu bringen und sicherzustellen, dass Diplomatie die erste Antwort ist und nicht die letzte. Wenn wir, äh, nach Afghanistan schauen …………

RP: Der nächste Schritt war der syrische Bürgerkrieg, der doch genauso aussieht wie der Krieg im Irak. Das war doch vorherzusehen. Konnten Sie Assad beseitigen? Wer waren die erbittertsten Kämpfer dort? Al Nusra und Al Kaida. Je radikaler Sie vorgingen, desto besser wurden die Kämpfer. Das Programm, das Sie mit Hillary Clinton begannen – die sogenannten «moderaten Rebellen» auszubilden. 250 Millionen USD haben wir ausgegeben, um etwa 60 Leute zu trainieren. 10 davon schickten wir in den Kampf und die wurden innerhalb von 10 Minuten gefangen genommen. Auch das war eine völlige Katastrophe. Diese hanebüchene Idee, wir würden damit Ärzte und Juristen unterstützen. Die gab es schon, aber die waren nicht am Kämpfen. Gekämpft haben Jihadisten, die Al Kaida, die Al Nusra. Wenn diese das Land übernommen hätten? Assad ist eine schlimme Person, aber ich bin nicht überzeugt, dass es den Menschen besser ginge, wenn er nicht mehr dort wäre. Also nochmals dieselbe Lektion. Unsere Demut sollte uns dazu führen: Aufzuhören damit, Regierungen in dieser Region stürzen zu wollen. Aufzuhören damit, die «Schlechten» zu stürzen, damit der Geist Thomas Jeffersons in das Vakuum einziehe. Das ist nicht und wird nie der Fall sein.

Hinsichtlich Beratung und Übereinstimmung – das geht ein wenig auf den Beitrag von Senator Barosso betreffend Verträge ein. Das ist nicht eine anklägerische Stimmung im Sinne von «Wir können uns nicht über all die Verträge hinwegsetzen». «Wir möchten Senator Cains engere Fassung». Das brauchen wir aber nicht. Diesem arroganten Verhalten aus der Teppichetage – auf beiden Seiten, notabene – ist jeder Präsident in den letzten 50 Jahren erlegen. Der Glaube der absoluten Macht herrscht. Auf unserer Seite läuft das ins Extreme mit Menschen um John Bolton. Das AUMF (Authorization for use of military force against terrorists [Autorisierung für die Anwendung militärischer Gewalt gegen Terroristen] Anm. des Übers.) nach 9/11 hatte nichts zu tun mit den Menschen in Somalia. Denken Sie wirklich, das AUMF berechtige Sie, weiterhin in Somalia Krieg zu führen?

AB: Ich denke, äh, das AUMF von 9/11 wurde angewendet in Ländern und gegen Gruppen, über die seinerzeit nicht genügend nachgedacht wurde. Das ist ein wichtiger Grund, warum das überholt werden sollte.

RP: Das ist doch schon spezifisch genug. Es sagt: «Menschen, die Angriffe gegen uns organisieren …..». Da kommt nichts vor von …….. «und andere Sympathisanten». Das hat sich später jemand dazu ausgedacht. Es gibt einfach keine Begründung für den Krieg in Somalia, Mali und Jemen, den die Obama-Regierung anfänglich unterstützt hat. Ich habe genug von den ganzen Kriegen, genug vom ganzen «Nation-building». Schauen Sie, ich befürworte das Recht der Frauen wie jedermann sonst. Wenn es unser Ziel ist, Frauen an einflussreichen Stellen zu haben, ist das unsere Sache. Wenn wir in Saudia-Arabien Krieg führen, weil dort keine Frauen dem Gesundheitsamt vorstehen, betrifft das unsere nationale Sicherheit nicht. Aus Sicht des Staatssekretärs gäbe es Dinge wie die «weiche Führung» (soft power), um unsere Prinzipien zu fördern. Regierungen zu stürzen, die Frauenrechte nicht respektieren, und dort weiterhin militärisch präsent zu bleiben, kann doch nicht der Fokus des Staatssekretärs sein.

Was die NATO betrifft: Sie haben sich dafür ausgesprochen, die NATO zu erweitern. Möchten sie Georgien noch immer in die NATO holen?

AB: Wenn ein Land wie Georgien die Anforderungen an die Mitgliedschaft erfüllen kann und wenn es zu unserer kollektiven Sicherheit beitragen kann, ja, dann soll die Tür offen bleiben.

RP: Wenn das erfolgreich ist, wären wir heute mit Russland im Krieg.

AB: Ich denke eher, das sei umgekehrt, äh, die NATO-Mitgliedschaft. Es gibt gute Gründe, warum Russland gegen Nicht-NATO-Mitglieder aggressiv vorgeht.

RP: Das würde doch Georgien als NATO-besetztes Land ausweisen. Gemäß Artikel 5 befänden wir uns im Krieg.

AB: Ich denke, äh, dass Länder, die, äh, der NATO beitraten, kein Ziel russischer Aktivitäten waren.

RP: Vor etwa 20 Jahren wäre das ein gültiges Argument gewesen. Heute ist Russland mit Truppen in Georgien und in der Ukraine präsent. Diese beiden Staaten in die NATO aufzunehmen, ist nicht nur provokativ, sondern müsste etwas weiter gedacht werden. Wenn wir unserer Verpflichtung nachkommen wollten, müssten wir unseren NATO-Mitgliedsstaaten zu Hilfe zu eilen. Das bedeutet, für Krieg zu stimmen. Ich würde nicht für die Aufnahme von Georgien stimmen, nie im Leben. Dann wäre ich verpflichtet, meine Kinder und Ihre Kinder in den Krieg nach Georgien zu schicken. Wir können das nicht nur in einem Vakuum betrachten im Stil von: Ist mir egal, was die Russen davon halten, es ist mir egal, was Teheran darüber denkt. Wenn wir unsere Gegner nicht genügend verstehen, um zu wissen, wie sie antworten, dann haben wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht.

AB: Einverstanden.

RP: Ich glaube, Sie haben noch immer nicht alles begriffen. Regime Change war ein schreckliches Desaster, das Vakuum, Chaos und verstärkten Terrorismus in der Region verursacht hat. Ich hoffe, Sie nehmen das als wichtig zur Kenntnis, nicht nur aus philosophischen Erwägungen, sondern auch als wichtig für unsere Kinder. Und irgendwann muss jemand aufstehen und «Stop» sagen.

AB: Mit Ihren Ausführungen bin ich einverstanden.

Soweit die Übersetzung. Und hier der Link auf das PDF der englischen Fassung des Hearings und der Übersetzung ins Deutsche durch Rony Liebheit.

Titelbild: Screenshot YouTube-Kanal SenatorRandPaul, 19.01.2021


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